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XV.

Ein Schluß, der Alle befriedigt.


Unsere Aufgabe ist gelöst und wir könnten füglich mit obigem Kapitel das Buch schließen, aber die Leser werden noch Aufschluß über die fernere Lebensstellung der verschiedenen Personen haben wollen, mit denen sie im Laufe der Erzählung bekannt geworden sind. Das kann begreiflicher Weise nur kurz geschehen, sonst würde das Schlußkapitel größer werden, als das ganze Buch. Sollte es dem Leser dennoch zu kurz dünken, so würde uns das ein Beweis sein, daß er dem Gange der Erzählung mit Vergnügen folgte.

Mit der Leiche des Selbstmörders wollen wir uns keinen Augenblick aufhalten; der Lebendige eckelte uns schon an; wievielmehr der Todte!

Bob hatte dem Matrosen Hartepool Leben und Freiheit versprochen. Das ging eigentlich gegen das Gesetz, und Herr Elster hätte ihn am Ende wohl oder übel den Gerichten überliefern müssen. Das mochte Hartepool selbst erkennen, deßhalb machte er sich zeitig aus dem Staube und half so sich selbst und den Andern über alle Verlegenheiten hinweg.

Auch des Steuermannes Gewissen war, wie uns bekannt ist, nicht ganz rein; da er aber auf ehrlicher Umkehr stark gebüßt, außerdem auch Herrn Elster den gewichtigsten Dienst geleistet hatte, so nahm dieser bei gänzlicher Beweislosigkeit seines Fehltrittes die Reinwaschung über sich.

Elster erhielt nicht allein das Schiff, sondern auch das Geld für die gelösten Waaren zurück. Mit letzterm kaufte er eine Ladung von hierländischen Produkten, befrachtete damit die wiederumgetaufte Veronika, ernannte den Steuermann zum Supercargo und schickte ihn nach Holland. Daß er ihn reichlich beschenkte, versteht sich von selbst.

So gelangte er mit einem weitläufigen Schreiben des Herrn Elster wieder in sein Vaterland, wo er in der Zukunft unangefochten lebte und das Mittel wurde, wodurch Mynheer van Ginkel und der Schiffseigner aus allem Schaden und Verlegenheiten herauskamen.

Babette und Veronika waren in der Zeit ihrer Irrfahrten so unzertrennliche Freundinnen geworden, daß keine von der andern lassen wollte. So blieben sie denn zusammen und haben getreu zu einander gehalten bis an ihr Ende.

Auf Tante Molly hatten indessen die Erschütterungen des Schreckens und der Freude sehr nachtheilig gewirkt. Ihre Gesundheit begann zu wanken, was um so gefährlicher war, da das Klima von Java ein vorzeitiges Altern längst allzu sehr beschleunigt hatte.

Unter diesen Umständen durfte man an eine baldige Rückkehr nach Europa nicht denken; Tante Molly hätte sich dem aber auch mit allen Kräften widersetzt. Sie mogte keinen von ihren Lieben missen, hätte sich aber schließlich doch wohl mit Veronika allein zufrieden gegeben. Aber weder der Vater noch der Bruder konnten sich zu einer nochmaligen Trennung entschließen.

So blieben sie denn alle zusammen und Elster schrieb den Sachverhalt an seinen treuen Goldenfuß in Nürnberg, der nun das ganze Geschäft allein auf die Schultern zu nehmen hatte, bis sie zurückkehrten.

Ein ganzes Jahr lang siechte die Kranke und wurde von Tag zu Tag schwächer. Die geschicktesten Aerzte Batavia's wetteiferten miteinander, sie dem Leben zu erhalten. Aber für den Tod ist kein Kraut gewachsen, weder auf Java, noch sonst wo in der Welt. Er kam auch für Tante Molly, aber wie ein Friedensengel mit lächelndem Antlitze, denn was sie niemals gehofft hatte, war eingetroffen; alle ihre sieben waren um das Sterbebett versammelt und Veronika drückte ihr die Augen zu.

Elster war nun Millionär geworden, aber er hatte seine Millionen gerne hingegeben, um die geliebte Schwester zurückzukaufen. Doch der Tod läßt sich nicht bestechen; wenn er kommt, dann sind die Millionen des Reichen nicht mehr Werth, als die kupfernen Heller des Armen, und wen er einmal in sein dunkles Reich hinabgezogen hat, für den gibt es keine Wiederkehr bis zu dem großen Tage, wo Arm und Reich auf derselben Wage gewogen werden.

Daß es so ist und nicht anders, ist eine weise Einrichtung des Schöpfers. Wer's anders will, bedenkt eben nicht, was er will.

Unsere lieben Europäer wären nun am liebsten gleich auf- und davongegangen, mit dem ersten Schiffe nach Holland gefahren und von da den Rhein hinauf bis Mainz, wo der Weg nach Nürnberg leicht zu finden ist; aber das ging so schnell nicht. Da waren Schulden einzukassiren, Güter zu verkaufen und dergleichen Dinge mehr, die nach einem solchen Sterbefalle nicht zu vermeiden sind.

Die beiden Elster, Vater und Sohn, hatten alle Hände voll zu thun, und selbst Bob mußte den ganzen Tag umherlaufen, um die Aufträge seines Herrn auszurichten. Er war ihm gern zu willen, denn Elster war ein guter und freigebiger Herr, aber es wäre ihm doch mehr nach dem Herzen gewesen, wenn die ganze Familie da geblieben wäre und ihn bis an sein Ende als Thürsteher behalten hätte.

Endlich war der Tag gekommen, wo sämmtliche Geschäfte aufhörten. Es war nichts mehr zu thun, alles geordnet; der gastfreundliche König auf Bali hatte bereits zum drittenmale ein Boot mit Reis und andern guten Dingen erhalten; auch war Balla's Vater nicht vergessen worden. Es hielt sie also keine Pflicht und keine Nothwendigkeit mehr in dem fremden Lande zurück.

Da wurde denn ernstlich an die Abreise gedacht und der Tag der Abfahrt bestimmt. Bob ging trübselig einher, denn das Scheiden von den guten Leuten ging ihm nahe.

Bob, sprach Elster zu ihm, heute über vier Wochen geht's in See. Willst du mit nach Deutschland, so mußt du dich bald entscheiden. Meine guten Nürnberger werden Augen machen, wenn ich mit einem schwarzen Diener und einer braunen Dienerin einziehe. Sie werden eben denken, der alte Elster habe seine Millionen durch ein Bündniß mit dem Satan und seiner Mutter verdient; denn du mußt wissen, Bob, daß sich die Deutschen den Teufel schwarz vorstellen.

Ei, entgegnete Bob lachend; sie könnten sich ihn auch in weißer Farbe denken; der Schwerdtlein wäre ein Beleg dafür, daß es an der Farbe nicht liegt.

Jeder nach Belieben! antwortete Elster, aber du hast mir noch keinen Bescheid auf meine Frage gegeben. Wie steht's? Gehst du mit?

Hu, antwortete Bob, mir geht schon eine Gänsehaut über den Rücken, wenn ich nur an das Land denke, wo das Wasser friert. Ich würde da wahrhaftig zu einem Eisklumpen; mich friert's zuweilen schon hier, wo doch eine hübsche Wärme herrscht. Nein, Herr, so wehe es mir auch thut, daß ich Sie nicht länger bedienen kann, so mag ich doch nicht unter den Nordpol ziehen. Balla mag auch nicht; und da habe ich mir gedacht, weil Balla ihre Herrschaft eben so warm liebt, wie ich, so sei es passend, daß wir Mann und Frau werden, um immer vereinigt zu sein und von Ihnen sprechen zu können.

Du bist ein Schlaukopf, Bob, sprach Elster lachend; du hast ein ganz praktisches Mittel gefunden, den Süden und Norden mit einander zu verbinden. Nun, du sollst deinen Willen haben, mußt mir aber gestatten, daß ich euch aussteure; auch werden Veronika und Babette auf Eurer Hochzeit tanzen wollen.

Hurrah, Herr Dionisius Elster soll leben! schrie Bob, indem er seinen Hut schwenkte, lachend die glänzend weißen Zähne zeigte und über Tische und Sopha's hinwegsetzte, um Balla hereinzuholen.

Balla, welche noch immer ihre Bali-Anschauungen nicht ganz abgestreift hatte, konnte sich von einer Aussteuer keinen rechten Begriff machen, bis Bob ihr sagte: Wir werden in einer hübschen Hütte wohnen und dahinter ein Feld haben, auf dem immer genug Reis wächst; außerdem –

Das ist genug, schrie sie; und nun packte sie den glücklichen schwarzen Bob am Arme und tanzte mit ihm auf gut Balisch durch das Zimmer.

Nach vier Wochen waren Bob und Balla ein Paar; Elster mit seiner Familie aber schwamm nun der fernen Heimath zu.

Von Amsterdam aus bekam der alte Goldenfuß einen Brief, worin ungefähr Tag und Stunde bezeichnet waren, wann sie in Nürnberg ankommen würden. Da hätte einer den alten Knaben sehen sollen! Was ihm in seinem Leben nicht passirt war, das passirte ihm jetzt, er machte einen abscheulichen Dintenklex in sein Hauptbuch. Alles Kratzen und Radiren half nichts. Der Klex blieb für alle Zeit ein Andenken an die frohe Stunde, wo er die Nachricht von der glücklichen Wiederkehr erhalten.

Die folgenden Tage hatte er keine rechte Ruhe im Hause; es trieb ihn vor die Stadt; er mußte einmal dem Wege nachschauen, den sie kommen sollten.

Er hätte die Ankunft gerne verheimlicht und es so eingerichtet, daß sie Knall und Fall, Jedem völlig ungeahnt in's Haus gefallen wären; aber das ging doch nicht, die Haushälterin mußte es wissen, um Einrichtungen für Wohnung, Schläfung und dergleichen zu treffen.

Sie hatte zwar versprochen, zu schweigen, wie das Grab, aber das süße Geheimniß ließ ihr keine Ruhe; ihrer vertrautesten Freundin mußte sie es wenigstens sagen.

Unglücklicher Weise hatte nun diese wieder eine vertrauteste Freundin und diese abermals und so fort, bis endlich halb Nürnberg im Vertrauen war.

Elster bekam noch früh genug Wind von der außerordentlichen Bewegung, welche unter seinen Mitbürgern herrschte, deßhalb beschloß er seine Reise so einzurichten, daß er bei Nacht einzog.

Am folgenden Tage aber wurde sein Haus zu einem Taubenschlage; Jedermann wollte ihn und Balduin, hauptsächlich aber Veronika sehen, welche so wunderbare Schicksale erlebt hatte. Daß des Cornelius Schwerdtlein von den theilnehmenden Nachbarn nicht eben in großer Liebe gedacht wurde, brauchen wir wohl nicht zuzufügen.

Dionisius Elster war nun der Meinung, er habe lange genug geschafft und zusammengescharrt, er wolle den Rest seiner Tage in Ruhe genießen und sich seiner wiedergefundenen Tochter freuen. Dem Balduin übergab er das ganze Geschäft und Goldenfuß, der aus Freude wieder jung wurde, stand ihm eben so treu zur Seite, wie er es vordem dem Vater gethan.

Wir nehmen nun von den glücklichen Menschen Abschied. Babette ist später eine recht tüchtige Nürnberger Hausfrau geworden. Veronika und Balduin aber sind bis an ihr Ende unvermählt geblieben, denn als nach einer langen Reihe von glücklichen Jahren der Vater auf dem Kirchhofe lag, da konnten sie sich noch weniger in eine Trennung finden, als früher.

Goldenfuß führte die Feder bis an den Tod. Er starb vor seinem Hauptbuche unerwartet und plötzlich. Aller Wahrscheinlichkeit erinnerte er sich noch im Scheiden des glücklichen Tages, an welchem er die Nachricht von Veronika's Wiederkehr erhielt, denn sein Kopf ruhte auf demselben Klexe, den er damals aus Freude gemacht hatte.


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