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Hartepool, der Matrose. Eine Enthüllung. Bob lockt Schwerdtlein in die Falle. Zeugniß über Zeugniß. Gestorben wie gelebt.
Bob hielt es nun nicht für gerathen, länger unter dem Fenster zu verweilen; rasch ergriff er das Ruder und stieß ab. Nicht weit von der Stadt holte ihn Schwerdtlein ein. He, wer da in dem Kahn? rief er Bob zu.
Ein Nigger, Herr, gab er zur Antwort und ahmte dabei Kabu's Stimme täuschend nach.
Bist du es, Kabu? fragte Schwerdtlein.
Ich selbst, gab Bob zur Antwort; kann ich Herrn Schwerdtlein einen Dienst leisten?
Einen großen, Kabu. Siehst du das Schiff dort? Die ganze Bemannung besteht aus einem einzigen Matrosen, der mir im Wege steht.
Versteh schon, Herr, sprach der vermeintliche Kabu; soll abgemacht werden, jetzt gleich, oder belieben der Herr später?
Je eher, desto besser, Kabu; aber es darf kein Blut stießen. Da nimm dieses Pulver, mische es ihm unvermerkt in den Wein. Wenn er genug geschluckt hat, wenn ihm Arm und Hände steif werden, dann über Bord mit ihm, daß die letzte Spur vertilgt werde.
Gut Herr, antwortete Kabu; aber, es wird Sie ein hübsches Stück Geld kosten, denn Vergiften ist sonst meine Sache nicht, wenn es nicht etwa mit einem vergifteten Krisch geschieht.
Bei Leibe nicht, Kabu; wenn die Leiche aufgefischt werden sollte, so muß er ertrunken sein. Da ist übrigens ein Beutel mit Geld, für den sich schon etwas thun läßt.
Bob nahm den Beutel und ruderte zu dem Schiffe zurück, während Schwerdtlein sich der Stadt näherte. Endlich, murmelte er in sich hinein, wird der letzte Zeuge verschwunden sein; dann kann ich ruhig schlafen und diese einfältige Molly ohne Furcht beerben. Wird sich wohl noch ein Mittel finden, daß ich auch den Herrn Vetter aus dem Testamente verdränge.
Bob hatte in kurzer Feit das erleuchtete Fenster wieder erreicht; er befestigte das Boot und kletterte mit Katzengewandtheit hinauf. Mit einem Sprunge stand er mitten in der Kajüte und vor dem verblüfften Matrosen.
Ehe dieser sich noch von seiner Ueberraschung erholt hatte, sprach Bob: Setz dich zu mir, Hartepool, ich habe dir eine sehr drollige Geschichte mitzutheilen, welche dich äußerst nahe berührt. Sieh einmal diesen Beutel mit Geld an. Nicht wahr, es ist eine hübsche Summe; aber ich soll dafür eine Vergiftung begehen, und das mag ich nicht, am allerwenigsten an dem armen Hartepool, der mir niemals etwas zu Leide gethan. Da ist das Pulver.
An mir? fragte Hartepool erstaunt. Ueber das Erstaunen aber siegte bald der Zorn; einen Dolch aus dem Gürtel ziehend, wollte er auf Bob eindringen. Dieser aber sprang lachend zur Seite und sprach. Ei, ei, Hartepool, ist das der Lohn für meine Aufrichtigkeit? Wenn du das Ding nicht wegthust, sollst du gar nicht erfahren, wer mir den Auftrag gegeben. Und daran muß dir doch liegen, denke ich.
Der Matrose steckte seinen Dolch wieder ein. Wer ist's? Der Hund muß sterben! schrie er.
So habe ich mir auch gedacht, entgegnete Bob und darum muß ich dir also sagen, daß Herr Cornelius Schwerdtlein dich aus der Welt schaffen will, damit du weder deinen Antheil vom Schiffe, noch von der Ladung reclamiren kannst.
Da soll der Bösewicht doch in den Boden des Meeres verschlagen werden! brüllte Hartepool. Laß einmal das Pulver sehen!
Bob gab ihm dasselbe in die Hand und der Matrose beschaute es aufmerksam; dann bestreute er ein Stück Fleisch damit, lockte seinen Hund herbei und warf es demselben vor. Fünf Minuten später war das Thier eine Leiche.
Nun ist's aus, rein aus mit diesem Schwerdtlein, brüllte Hartepool. Und wenn ich siebenmal gerädert würde, ich will Alles sagen, um ihn an den Galgen zu bringen. Du kannst es gleich zuerst hören und es weiter tragen, damit es alle Welt gewahr wird. Höre, dieser Schurke hat den Kapitän der Veronika, den Steuermann und zwei Mädchen im Sturme ausgesetzt, so daß sie unfehlbar zu Grunde gehen mußten.
Die Mannschaft, welche den Gewinnst aus dem Erlös der Waaren mit ihm theilen sollte, hat er in einen Krieg mit menschenfressenden Papua – Negern zu verwickeln gewußt, so daß nur wenige übrig blieben.
Diese Wenigen sind vor und nach verschwunden, kein Mensch weiß wie; aber mir hat er's vertraut. Im Schlafe hat er sie überfallen und dann in's Meer geworfen. Ich habe geschwiegen, weil durch seine Verbrechen mein Antheil größer wurde und weil ich selbst an den Strang kam, wenn ich sprach. Jetzt aber schweige ich nicht länger.
Höre einmal Hartepool, sprach Bob, wenn du dich rächen willst, so darfst du diese Enthüllungen nicht Jedem an den Kopf werfen, der sie hören mag. Der Vogel geht dir sonst durch's Netz und dir wird allein der Hals herumgedreht. Thust du aber, was ich dir sage, so soll er allein die Zeche bezahlen und du gehst frei aus.
Hartepool war ein aufgeregter, leidenschaftlicher Mensch, der zur Befriedigung seiner Rache ohne Bedenken sich selbst bloßgestellt hätte, aber Bob's Vorschlag gefiel ihm doch bei Weitem besser.
Wenn es ihm wirklich an den Hals geht, sprach er, so bin ich mit Allem zufrieden und nehme selbst die Freiheit in den Kauf, obschon ich nachher doch all mein Lebtag ein Bettler und Hungerleider bleiben werde.
Ei zum Henker, erwiederte er; mir deucht, es könnte sich das Jeder an den fünf Fingern abzählen. Wenn der Tanz mit dem Schwerdtlein losgeht, so verliert er seinen ganzen Raub, also bekomme auch ich nichts. Das möchte meinetwegen sein, denn wenn der Tanz nicht losgeht, so erhalte. ich auch nichts, weil er ein Schurke ist; aber etwas anderes kommt in's Spiel, was mir das Weiterleben eben nicht besonders angenehm macht. Wo soll der Matrose Hartepool eine Stelle finden, wenn es bekannt wird, daß er mit diesem verfluchten Schwerdtlein Meuterei getrieben und das Eigenthum seines Rheders schändlicher Weise hat stehlen helfen?
Du dürftest ja doch all dein Leben lang nicht nach Holland zurückkommen, sprach Bob; die Welt aber ist noch groß genug für einen, der sich bessern will. Für den Anfang aber nimm den Beutel, welchen ich von Schwerdtlein erhalten; er wird dich über die erste Noth hinwegbringen.
Hartepool gehörte nicht zu den starken Seelen, welche Blutgeld und ungerechtes Gut ohne Bedauern zurückweisen; das hatte er schon bewiesen. So griff er denn ohne Bedenken nach dem Beutel und schob ihn in die Tasche.
Mir ist's recht, wenn wir jetzt gehen, sprach er; ich habe des Lebens auf diesem verfluchten Boote längst satt.
Sie begaben sich nun beide in das Fahrzeug und ruderten der Stadt zu. An einem der Kanäle angekommen, fiel unserm Bob plötzlich die Nothwendigkeit ein, den saubern Herrn Cornelius Schwerdtlein noch in derselben Nacht nach der Villa zu locken; erhielt er Wind von der Ankunft Elster's und seiner Tochter, so kam er sicherlich nicht, sondern suchte noch vor Sonnenaufgang das Weite.
Kannst du mir nicht sagen, wandte er sich an Hartepool, wo dein guter Freund um diese Stunde zu finden ist?
Ganz genau, antwortete dieser; siehst du jenes halb zerfallene Haus? Das ist sein Stammquartier, wo er mit Chinesen und Malayen schachert und handelt.
Gut, sprach Bob. Nun aber nach der Villa, und ziehe den Kopf in den Nacken und den Hut in's Gesicht, damit dich Niemand kennt.
In kurzer Zeit kamen sie auf der Villa an, wo der Neger den Matrosen in sein Zimmer einschloß und den Herrn Elster aufsuchte.
Hast du den Schurken ausfindig gemacht? fragte Elster.
Nicht allein ihn, sondern auch einen Matrosen, der Genosse aller seiner Schlechtigkeiten gewesen und bereit ist, Zeugniß gegen ihn abzulegen, sprach Bob. Sie können den Menschen selbst sehen und sprechen; er ist in meinem Zimmer verwahrt; doch handelt es sich jetzt zunächst darum, den Schwerdtlein hierherzuschaffen. Wenn Sie Alles zu seinem Empfange vorbereiten, so werde ich sorgen, daß er in einer Stunde hier ist.
Bob erstattete noch in kurzen Zügen Bericht von seinem Abenteuer, dann kleidete er sich um, und kehrte wieder in die Stadt zurück, während Elster sich zu Hartepool begab.
Wer Bob vorher als echten Nigger gesehen, der würde ihn jetzt kaum wieder erkannt haben, denn als gebildeter Thürsteher der reichen Molly Elster hatte er sich eine Haltung und ein Auftreten angewöhnt, welche selbst einem Gentleman nicht übel gestanden hätte.
Auf der Schwelle des bezeichneten Hauses kauerte ein Malaye, der dasselbe Amt in dieser giftigen Atmosphäre versah, wie Bob in dem prächtigen Hause zu Weltevreden.
Bruder, sprach er freundlich, ist Herr Cornelius Schwerdtlein hier?
Der Malaye schaute den Neger nicht ohne Mißtrauen an. Dieser Herr, grunzte er, hat mir nicht den Auftrag gegeben, seine An- und Abwesenheit jedem Nigger zu melden.
Für einen Nigger, antwortete Bob, würde er sich auch schwerlich hierher bemühen; aber der Nigger kommt im Auftrage von seiner reichen Verwandten da oben, und da die Sache Eile hat, so gebe ich dir gerne dieses Silberstück, wenn du ihn rufst.
Das Geldstück war rasch unter dem Gürtel des Malayen verschwunden; sein Gesicht wurde um Vieles freundlicher. Ich kann ihn nicht herbeirufen, denn er ist nicht hier, aber in wenigen Minuten wird er den Kanal herauf kommen, sprach er.
Das war Bob Auskunft genug; in den Schatten einer Mauer tretend, wartete er geduldig. Sein scharfes Auge, welches im Finstern fast so gut sah, wie am Tage, entdeckte bald nachher in weiter Entfernung einen Menschen, welcher sich den Kanal hinaufbewegte. Das war sein Mann.
Er verließ die Mauer, stimmte einen lauten Jodler an und ging dem Manne entgegen. In dessen Nähe angekommen, blieb er stehen. Seid Ihr's wirklich, Herr Schwerdtlein? fragte er.
Ich bin's, Bob, gab dieser zur Antwort; aber was schreiest du so?
Ei, aus Freude, Euch zu finden. Da oben geht etwas vor; die Herrin hat plötzlich einen Krankheitsanfall bekommen und zwar einen schweren. Die Kammerfrau ringt die Hände und die Aerzte schütteln den Kopf. Die Kranke aber sagt nur immer: Holt mir den Cornelius, ich muß ihn sehen, ehe ich sterbe.
Sehen Sie, Herr Schwerdtlein; ich wußte zwar, daß Sie verreist seien, aber ich dachte, es sei doch immer möglich, daß Sie eher zurückkämen. Und da habe ich denn seit einer Stunde meine Beine gebraucht, und glücklicher Weise nicht umsonst! Nun aber auch rasch vorwärts, ehe es zu spät wird.
Bob konnte durch das Dunkel sehen, wie der Bösewicht vor Freude zitterte. Ich hätte zwar noch ein nöthiges Geschäft zu besorgen, sprach er; doch es wird ja auch bis Morgen warten können.
Mit hastigen Schritten gingen sie weiter; bei dem Malayen aber blieb Schwerdtlein einen Augenblick stehen und gab ihm in flüsterndem Tone einen Auftrag.
In der Villa herrschte eine auffallende Stille, welche Schwerdtlein, er wußte selbst nicht warum, unangenehm berührte. Nirgends war einer von den zahlreichen Dienern zu sehen, denn Elster hatte angeordnet, daß sie bis zu seiner Ankunft sämmtlich in dem großen Saale eingesperrt würden, um jeden Verrath unmöglich zu machen.
Schwerdtlein faßte sich indeß bald; es war ja eigentlich natürlich, daß tiefe Ruhe herrschte, wo Molly schwer krank lag.
Eilig verfügte er sich in der Tante Zimmer; sie saß in ihrem gewöhnlichen Sessel und hatte gar nicht das Aussehen, als ob sie so gefährlich krank sei.
Schwerdtlein sah sich betroffen nach den Aerzten um, aber die Tante war allein.
Ich hörte, Sie seien erkrankt, sprach er in süßem Schmeicheltone, und da habe ich denn alle Geschäfte bei Seite gesetzt und bin auf den Flügeln der Liebe hierher zurückgekehrt.
Sie haben wohl daran gethan, antwortete die Tante, denn seit Ihrer Abwesenheit sind sehr wichtige Dinge vorgefallen. Wir haben Besuch aus Deutschland erhalten.
Aus Deutschland? fragte er bestürzt. Wer könnte das sein?
Mein Bruder Dionisius. Er wird Sie nachher selbst sehen und sprechen.
Schwerdtlein wurde blaß wie der Tod, aber er faßte sich wieder und stotterte etwas von der Freude, ihn wiederzusehen.
Da rauschte ein Vorhang, und Dionisius Elster an der Hand seines Sohnes Balduin trat ein.
Schwerdtlein ging auf ihn zu, sein Herzklopfen so viel als möglich bewältigend. Welche schreckliche Wandlung, mein werther Vetter, stotterte er! Als wir in Nürnberg Abschied von einander nahmen, dachte keiner von uns an ein so trauriges Wiedersehen.
Ja wohl ein trauriges Wiedersehen, antwortete Elster. Also das Schiff ist untergegangen und meine arme Veronika ist todt? Ist es wirklich so Vetter?
Leider, leider! seufzte dieser. Von der ganzen Mannschaft ist Niemand gerettet worden, als ich allein. Es wäre mir besser, auch ich läge auf dem Meeresboden! O, es ist ein trauriges Schicksal, zu leben, wo so viele gestorben sind!
Noch war er mit seinen wohlstudirten Seufzern nicht fertig, als er, wie aus der Erde emporgestiegen, Hartepool vor sich sah. Fast hätte er einen lauten Schrei ausgestoßen, denn das konnte nicht Hartepool selbst, es mußte sein Geist sein.
Schwerdtlein, flüsterte Hartepool ihm zu, das Pulver ist nicht angeschlagen, ich bin noch lebendig.
Fort, fort! sprach der Bösewicht leise. Jetzt nichts von dem Scherze, den ich mir erlaubte. Morgen, diese Nacht noch, mache ich dich zum reichen Manne.
Da der Matrose sich willig in den Hintergrund begab, so schöpfte er wieder Muth. Aber Elster ließ ihm nicht lange Ruhe.
Es gibt Leute, welche behaupten, die Veronika sei nicht untergegangen, sprach er mit schneidender Schärfe. Man sagt, sie liege noch in diesem Augenblicke unter dem Namen Columbia vor Batavia.
Geschwätz, Vetter, Geschwätz! Müßige Leute sprechen viel, was sie nicht verantworten können. Von der Veronika ist kein Stumpf und Stiel übrig geblieben.
So muß jener Mann dort ein Lügner sein, sprach Elster; er behauptet, zur Mannschaft gehört zu haben und weiß nichts von einem Schiffbruche. Hartepool, wie verhält sich die Sache?
Der Matrose trat vor, und ohne auf die drohenden Mienen Schwerdtlein's zu achten, zog er ein Pulver aus der Tasche und sprach: Damit hat er mich vergiften wollen, und darum muß die Wahrheit heraus. Es ist so, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, das Schiff ist nicht gescheitert, aber er hat ihre Tochter, den todtkranken Kapitän, Babette und den Steuermann während des Sturmes ausgesetzt. Ohne Zweifel haben sie in den Wellen ihren Tod gefunden; der da aber ist der Mörder.
Die Mannschaft ist nachher, nachdem er mit den Waaren einen großen Gewinn gemacht hatte, an die Wilden verschachert worden, die sie sämmtlich aufgefressen haben. Mich hätte dasselbe Loos getroffen, wenn ich nicht gerade krank gewesen wäre. Dafür wollte er mich aber jetzt dem Vergiftungstode weihen.
Schwerdtlein hätte versinken mögen, aber der Boden hatte keine Versenkungen. Frechheit konnte ihm noch am ehesten aus der Patsche helfen. Er schalt den Hartepool deßhalb einen infamen Lügner, den er niemals gesehen habe, und an dem er durchaus keinen Mordversuch habe ausüben lassen.
Hoho! rief da Bob, indem er aus dem Nebensaal hereinglitt; da kann ich auch ein Wort mitsprechen! Der Herr Schwerdtlein hat mich irrthümlicher Weise für den Neger Kabu gehalten und mir auf dem Wasser den Auftrag gegeben, Hartepool zu ermorden. Er zahlte gut, aber ich zog es vor, den armen Menschen hierherzubringen, wo er Zeugniß wider den größten Schurken, der jemals Batavia betreten, ablegen wird.
Das war ein neuer Schlag für den vernichteten Schwerdtlein; die Schläge folgten jetzt überhaupt so rasch aufeinander, daß er kaum noch Zeit hatte, aus einem Schrecken in den andern zu fallen.
Zunächst war es der Steuermann von der Veronika, welcher aus dem Nebenzimmer trat und seine Abscheulichkeiten schilderte, dann kam Babette herein; sie erzählte von den letzten Augenblicken des unglücklichen Kapitäns und beschwor alle Anwesenden, den Henker ihres Verwandten an die Gerichte auszuliefern.
Schwerdtlein schnappte nach Athem; seine Hand fuhr sich in die Haare, und in steigender Verzweiflung riß er ganze Büschel davon aus. Gegen die Zeugnisse aller dieser Todtgeglaubten frech anzukämpfen, konnte ihm kaum noch einfallen. Jetzt war das Leben der höchste Preis; konnte er nur dieses retten, so wollte er aus den Reichthum verzichten und fliehen. Sein Auge spähte nach Thüren und Fenstern, aber man hatte gegen einen Fluchtversuch schon Vorsichtsmaßregeln getroffen und sie deßhalb wohl verschlossen oder einen der Männer daneben postirt.
Bleich wie der Tod, mit den Zähnen klappernd, an allen Gliedern zitternd, stand er im Kreise so vieler Augen, die sich wie brennende Pfeile in seine Seele bohrten. Da reifte ein neues Verbrechen in seinem Gehirn; die Hand in den Gürtel senkend, ergriff er den Dolch und paßte den geeigneten Augenblick ab, wo er sich auf Herrn Elster stürzen könnte, welcher die Ausgangsthüre besetzt hielt.
Dieses Manöver aber war bereits von Hartepool und Balduin bemerkt worden, die sich fest hinter ihn postirten.
Jetzt trat als letzte Anklägerin Veronika herein. Sie verachtete den Menschen zu sehr, um in seiner Gegenwart ein Wort über seine Schlechtigkeit zu verlieren. Aber ein Blick ihres Auges genügte schon, ihn niederzuschmettern.
Sein Kopf sank auf die Brust; der Schweiß rieselte ihm an den Schläfen nieder.
Feiger Mörder, donnerte jetzt Dionisius Elster; um schnöden Gewinnes willen bist du von Verbrechen zu Verbrechen gegangen, bis die Hand Gottes deinen verruchten Thaten ein Ziel setzte. Es ist nicht meines Amtes, dich zu richten, aber so wahr ein Gott im Himmel ist, wenn es noch eine Gerechtigkeit in der Welt gibt, so soll sie an dir geübt werden.
Schwerdtlein hob den Kopf wieder frech empor; seine Augen glühten, seine Faust zog den Dolch und mit vor Wuth zitternder Stimme schrie er: Bevor ich an den Galgen komme, sollst du unter meinem Messer fallen.
In demselben Augenblicke stürzte er auf Elster zu, die blanke Waffe schwingend; das Zimmer wiederhallte von dem Schreckensgeschrei der drei Frauen; aber es dauerte nur ein paar Sekunden, dann ward es ruhig, denn vier starke Fäuste hielten den Bösewicht am Kragen und schleuderten ihn Boden.
In das Gitterzimmer mit ihm, sagte Bob; da ist er wohl verwahrt; bis das Gericht kommt, wird er die Mauern noch hübsch stehen lassen.
Der in ohnmächtiger Wuth um sich schlagende Mörder war bald in Gewahrsam gebracht und die Thüre fest hinter ihm verriegelt.
Um Mitternacht, als die aufgeregten Bewohner der Villa sich zur Ruhe begeben wollten, wurde das Haus durch einen Knall erschüttert. Während man hin und her lief, um nach der Ursache zu forschen, kam Bob herbei.
Der Mensch ist gestorben, wie er gelebt hat, rief er. Er hat sich in seinem Gefängnisse entleibt.
Alle standen erschüttert um Herrn Elster. Niemand sprach; auch er hatte nicht daran gedacht, daß eine solche Katastrophe das Drama beendigen würde.