Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXIII
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Die Geschichte des zweiten Strolchs.

»Ich lebte unter demselben Dach mit der Frau meines Vaters, und ich hatte einige Bündel Sesamkolben bei mir, jedoch keine bedeutende Menge, die ich in einen kleinen Korb 220 gethan und an dem großen Dachgewölbe unsers Hauses aufgehängt hatte. Eines Tages kam eine Gesellschaft von vier oder fünf Kaufleuten zugleich mit ihrem Oberhaupt zu unserm Dorf und fragte nach Sesam. Als sie mich auf dem Weg nahe bei unsrer Wohnung antrafen und dieselbe Frage an mich richteten, fragte ich sie: »Wollt ihr viel davon haben?« Sie versetzten: »Wir brauchen etwa hundert Ardebb.« Ich entgegnete nun: »Ich besitze eine große Menge Sesam.« Da sagten sie: »Hab' die Güte und zeig' uns eine Probe;« und ich erwiderte: »Auf Kopf und Auge.« Hierauf führte ich sie in den Raum, in dem der Korb mit den wenig Sesamkolben aufgehängt war, und ich stieg auf einer Außentreppe auf die Wölbung und durchbrach sie, worauf ich eine Handvoll Sesam nahm und damit zurückkehrte, ihnen die Probe zeigend. Als sie den Sesam sahen und fanden, daß das Korn rein war, sprachen sie zu einander: »Dies Haus ist bis zur Kuppel voll Korn, denn wäre es nur eine geringe Quantität, so würde er die Thür geöffnet und uns die Haufen gezeigt haben.« Alsdann plauderte ich mit ihnen und machte mit ihnen den Preis aus, und sie bezahlten mir für hundert Ardebb Sesam ein Angeld von sechshundert Thalern. Ich nahm das Geld und gab es der Frau meines Vaters, wobei ich zu ihr sagte: »Koch' uns ein schmackhaftes Abendessen.« Hierauf schlachtete ich fünf junge Hühner für sie und befahl ihr uns nach der Bereitung des Abendessens auch einen Topf dicke und zähe Beisâre zurecht zu machen. Sie that, wie ich ihr geheißen hatte, und ich kehrte zu den Kaufleuten zurück und lud sie ein mit uns das Abendbrot einzunehmen und bei uns zu übernachten. Als nun der Abend hereinbrach, führte ich sie zum Nachtmahl herein, worauf sie aßen und vergnügt waren; und, als die Stunde des Nachtgebets verstrichen war, breitete ich ihnen das Lager aus und sprach zu ihnen: »Meine Gäste, gebt acht, daß ihr keine Winde aus eurem Bauch streichen lasset, denn die Frau meines Vaters wohnt bei mir.« Nach diesem versanken sie infolge ihrer Anstrengung in einen gesunden und tiefen Schlaf; um Mitternacht aber nahm ich den 221 Topf Beisâre und, an sie herantretend, beschmierte ich sie im Schlaf mit der Beisâre, worauf ich sie verließ und auf meinem Lager dicht neben ihnen bis zum Anbruch des Morgens ruhte. Um diese Zeit erwachten alle fünf, und, da einer nach dem andern aufstand und etwas Weiches hinter sich verspürte, streckte er seine Hand aus und fühlte, daß er beschmutzt war, so daß er zu seinem Nachbar sagte: »Du da, ich bin beschmutzt.« Der andre versetzte: »Ich auch;« und so sagten alle miteinander: »Wir haben uns bemacht.« Als ich dies hörte, o mein Herr, erhob ich mich unverzüglich und rief: »Zu Hilfe, ihr Leute, diese Gäste haben die Frau meines Vaters umgebracht.« Als die Kaufleute dies von mir vernahmen, machten sie sich auf und liefen einer nach dem andern fort, während ich ihnen nachsetzte und schrie: »Ihr habt meines Vaters Frau umgebracht;« bis sie mir aus den Augen entschwanden und ich bei mir sprach: »So Gott will, werden sie nie mehr wiederkommen.« Nachdem sie jedoch ein ganzes Jahr fortgeblieben waren, kehrten sie wieder zurück und verlangten die sechshundert Thaler, ihr Geld, wieder. Ich aber stellte mich, als ich dies vernahm, tot, und befahl der Frau meines Vaters mich auf dem Totenacker zu begraben; und ich nahm eine Portion Kohlen und ein Brenneisen mit mir ins Grab. Als nun die fünf Kaufleute kamen und nach mir fragten, sagten die Leute: »Er ist gestorben, und sie haben ihn begraben.« Da riefen die Gläubiger: »Bei Gott, wir müssen hingehen und seine Gruft bepissen.« Ich hatte aber einen Spalt in das Gewölbe gemacht und hatte die Kohlen angezündet und das Brenneisen rotglühend gemacht; und, als sie nun kamen und sich setzten, mein Grab zu bepissen, nahm ich das Eisen und stieß es allen fünf in die Hinterbacken, so daß sie schwer verbrannt wurden. Nachdem sie dann wieder heimgekehrt waren, kam die Frau meines Vaters und öffnete das Grab und zog mich heraus, worauf wir wieder nach Hause gingen. Nach einiger Zeit vernahmen die Kaufleute in ihren Städten, daß ich noch lebte und gesund war; da kamen sie wieder zu unserm Dorf und verlangten vom Gouverneur, daß ich ihnen 222 ausgeliefert würde. Infolgedessen ließen mich die Behörden vor sich kommen; als nun aber die Gläubiger die sechshundert Thaler von mir verlangten, sagte ich zum Gouverneur: »O mein Herr, diese fünf Gesellen waren früher meines Vaters Sklaven.« Der Gouverneur stellte sie deshalb zur Rede und fragte sie: »Wart ihr in Wahrheit seines Vaters Sklaven?« Sie entgegneten mir: »Du lügst.« Da sagte ich: »Entkleide ihre Leiber und, wenn du eine Marke an ihnen findest, so sind sie meines Vaters Sklaven; wenn nicht, so sind meine Worte erlogen.« Infolgedessen untersuchten sie die fünf und fanden auf ihren Leibern die Marke des Brenneisens, worauf der Gouverneur sprach: »Bei Gott, fürwahr, er hat die Wahrheit gesprochen, und ihr fünf seid seines Vaters Sklaven.« Hierauf erhob sich Streit und Zank zwischen uns, und sie vermochten nicht eher von mir loszukommen, als bis sie mir noch dreihundert Thaler zu dem andern Geld, das ich zuvor von ihnen erhalten hatte, gezahlt hatten.«

Als der Sultan diese Geschichte von dem Strolch vernommen hatte, verwunderte er sich und lachte über seinen Streich, indem er sagte: »Fürwahr, das ist der Streich eines Vagabunden, der ein Erzbetrüger ist.« Alsdann sprach der dritte Strolch: »Bei Gott, meine Geschichte ist noch wundersamer und absonderlicher als die Geschichten der beiden andern, denn kein andrer als ich, meine ich, konnte etwas derart verüben.« Da fragte ihn der König: »Wie ist deine Geschichte?« Und so hob er an und erzählte:

 


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