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Ich war ein Kaufmann und hielt einen Laden, in dem sich indische Waren aller Art und Farbe befanden, Artikel vom höchsten Wert. Ich hatte in dieser Weise bereits geraume Zeit zugebracht, als eines Tages, während ich wie gewöhnlich in meinem Laden saß, eine Alte ankam, mir guten Morgen wünschte und mich mit dem Salâm begrüßte. Ich erwiderte ihr den Gruß, worauf sie sich auf den Ladentisch setzte und mich fragte: »Meister, hast du einige Stück ausgezeichneten indischen Stoff?« Ich versetzte: »O meine Herrin, ich habe alles, was du begehrst.« Da erwiderte sie: »So bringe mir eins derselben her.« Infolgedessen erhob ich mich und holte ihr einen indischen Stoff zu teuerstem Preise, ihn 35 in ihre Hände legend. Sie nahm ihn und fragte, als sie ihn geprüft hatte und über seine Schönheit entzückt war: »Mein Herr, wie teuer ist dieser Stoff?« Ich entgegnete: »Fünfhundert Dinare«; worauf sie ihre Börse herauszog und mir die fünfhundert Goldstücke hinzählte. Dann nahm sie den Stoff und ging ihres Weges; ich aber, unser Herr und Sultan, hatte ihr für fünfhundert Goldstücke ein Tuch im Selbstkostenpreis von dreihundertundfünfzig Goldstücken verkauft. Am nächsten Tage kam sie wieder zu mir und verlangte ein anderes Stück von mir, so daß ich mich erhob und ihr das Paket brachte, worauf sie mir wiederum fünfhundert Dinare hinzählte und, das Stück an sich nehmend, ihres Weges ging. Am dritten und vierten Tag that sie das gleiche und so weiter bis zum fünfzehnten Tag, indem sie täglich ein Stück Zeug von mir nahm und mir regelmäßig für jeden Kauf fünfhundert Dinare hinzahlte. Als sie aber am sechzehnten Tage in den Laden trat, vermochte sie ihre Börse nicht zu finden und sprach deshalb zu mir: »O Chwâdsche, ich habe meine Börse zu Hause gelassen.« Ich versetzte: »O meine Herrin, wenn du zurückkehrst, so ist's gut, und wenn nicht, so hat es auch nichts zu sagen.« Sie schwor jedoch, es nicht annehmen zu wollen, während ich anderseits wiederum sie beschwor, es als ein Zeichen der Liebe und Freundschaft mitzunehmen.«
Und so begannen wir miteinander zu streiten, denn ich, o unser Herr und Sultan, hatte viel Geld an ihr verdient und würde nichts danach gefragt haben, wenn sie auch zwei Stücke gratis genommen hätte. Schließlich sagte sie: »O Chwâdsche, wir haben beide einen Eid geschworen und wir werden uns nie einigen, es sei denn, du erweisest mir die Freundlichkeit und begleitest mich nach Hause, daß du das Geld für den Stoff in Empfang nimmst, auf welche Weise keiner von beiden falsch geschworen hat; verschließ' daher deinen Laden, daß dir nichts während deiner Abwesenheit fortkommt.« Infolgedessen verriegelte ich meine Thür und begleitete sie, 36 unser Herr Sultan, und wir machten uns auf den Weg, unterwegs miteinander plaudernd, bis wir uns ihrer Wohnung näherten, wo sie ein Taschentuch aus ihrem Gürtel zog und sagte: »Ich möchte dir hiermit die Augen verbinden.«
Da fragte ich sie: »Weshalb?« Und sie erwiderte: »Weil auf unserm Wege einige Häuser mit offen stehenden Thüren sind, und die Frauen sitzen in den Vestibülen ihrer Häuser; es könnte demnach dein Blick auf eine derselben fallen, sei es eine Frau oder ein Mädchen, so daß sich dein Herz verliebt und du dadurch verstört wirst, da es in diesem Viertel viele schöne Frauen- und Mädchengesichter giebt, die selbst einen Asketen bezaubern könnten; wir sind deshalb für deinen Seelenfrieden besorgt.« Da sprach ich bei mir selber: »Bei Gott, diese Matrone ist voll Einsicht!« und willigte in ihr Verlangen ein, worauf sie mir das Tuch über die Augen band, daß ich nichts zu sehen vermochte. Alsdann gingen wir weiter, bis wir zu ihrem Hause gelangten, und, als sie nun mit dem Thürring pochte, kam eine Sklavin heraus und ließ uns herein, indem sie die Thür öffnete. Hier trat nun die Alte an mich heran und nahm mir das Tuch von den Augen ab, worauf ich mich umschaute, mich für einen Gefangenen erachtend, und mich in einem Hause befand, das mehrere separierte Zimmer in den Flügeln hatte und mit seinen reichen Verzierungen einem Königspalast glich. Hieraus befahl sie mir, mich in einem Raum zu verbergen, und ich that es und verbarg mich in einem Winkel, in dem ich neben mir alle die Stoffe, welche die Alte von mir gekauft hatte, aufgehäuft und hingeworfen sah. Als ich dies sah, verwunderte ich mich, und siehe, mit einem Male erschienen zwei Mädchen gleich Monden, die von dem obern Stockwerk herunterkamen, bis sie im Erdgeschoß angelangt waren, wo sie ein Stück Tuch in zwei Stücke zerschnitten, von denen jedes Mädchen eines nahm, worauf sie ihre Ärmel zurückschlugen. Alsdann besprengten sie den Hof jenes Palastes mit Rosen- und Orangeblütenwasser und scheuerten den Boden mit dem 37 Tuch, bis er blank wie Silber ward; hierauf kehrten sie in ein inneres Gemach zurück und holten gegen fünfzig Stühle, sie aufstellend und auf jeden einen Teppich nebst Kissen aus Brokat legend. Dann holten sie einen größeren Stuhl aus Gold und legten auf ihn einen Teppich nebst Kissen mit Goldstickerei, worauf sie sich nach einer Weile zurückzogen. Mit einem Male kam dann von der Treppe eine Mädchenschar in der Anzahl der Stühle, immer zwei zu zwei, und jedes derselben setzte sich auf einen Stuhl, bis zum Schluß ein junges Fräulein mit einem Geleit von zehn Mädchen erschien, das auf und ab ging und dann von ihnen auf den großen Stuhl gesetzt ward. Als ich sie erblickte, o mein Herr Sultan, verlor ich die Sinne, und mein Verstand flog fort vor Staunen über ihre Lieblichkeit, ihren Wuchs und ihr anmutiges Ebenmaß, wie sie so stolz in ihrer Schönheit und so fröhlich unter den andern Mädchen einherschwebte und mit ihnen lachte und scherzte. Schließlich rief sie: »Meine Mutter!« und fragte die Alte, als sie auf ihren Ruf antwortete: »Hast du den jungen Mann gebracht?« Die Alte versetzte: »Ja, er ist vor dir.« Da sagte die junge Dame: »So bring' ihn her zu mir.« Sobald ich diese Worte von ihr vernahm, sprach ich bei mir: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Sicherlich wird die junge Dame, wenn sie entdeckt, daß ich hier verborgen bin, mich töten lassen.«
Die Alte aber trat nun zu mir heran und führte mich vor die junge Dame, die auf dem großen Stuhl saß; und, als ich vor ihr stand, lächelte sie mir ins Gesicht und begrüßte mich mit dem Salâm, mich willkommen heißend; alsdann gab sie ein Zeichen, einen Stuhl zu holen, und setzte ihn, als ihr Geheiß ausgerichtet war, neben den ihrigen, worauf sie mir befahl an ihrer Seite Platz zu nehmen, was ich that. Hierauf begann sie mit mir zu plaudern und scherzen, bis sie mit einem Male zu mir sagte: »O Jüngling, was sagst du zu mir und meiner Schönheit und Anmut? Könnte 38 ich doch deine Gedanken einnehmen und dir so gefallen, daß ich deine Gattin werde und du mein Ehgemahl!« Als ich diese ihre Worte vernahm, versetzte ich: »O meine Herrin, wie dürfte ich mich zu solcher Ehre erkühnen? Fürwahr, ich erachte mich nicht für wert, ein Sklave vor dir zu werden.« Sie entgegnete jedoch: »Nein, o Jüngling; meine Worte lassen keine Ausflucht oder Änderung zu; sei deshalb nicht verzagt und voll Furcht mir eine Antwort zu geben, denn mein Herz ist von Liebe zu dir erfüllt.« Ich entnahm daraus, daß die junge Dame mich thatsächlich gern heiraten wollte, vermochte jedoch nicht zu begreifen, was der Grund hiervon war, und wer ihr Auskunft über mich gegeben haben konnte. Während sie nun fortfuhr sich in der heitersten Weise zu vergnügen, erkühnte ich mich schließlich zu sagen: »O meine Herrin, wenn deine Worte nach deinem Willen gesprochen sind, so gedenke des Sprichworts: »Wenn ein Gefallen gethan werden soll, so ist dies die rechte Zeit.« Da sagte sie: »Bei Gott, o Jüngling, es kann keinen glücklicheren Tag hierfür als den heutigen geben.« Nun fragte ich sie: »O meine Herrin, was für eine Brautgabe soll ich dir geben?« Sie versetzte: »Die Brautgabe ist bereits durch den Wert der Stoffe gezahlt, die du dieser Matrone anvertrautest, welche meine Mutter ist.« Ich erwiderte: »Das kann nicht genügen.« Sie entgegnete jedoch: »Bei Gott, nichts soll hinzugefügt werden; und nun, o Jüngling, ist's meine Absicht sofort nach dem Kadi und seinen Beisitzern zu schicken, und ich will mir einen Sachwalter erwählen, daß sie uns beide ohne Verzug verbinden; du sollst mich dann noch heute Abend besuchen, jedoch soll alles dies nur unter einer Bedingung geschehen.« Da fragte ich: »Und wie lautet die Bedingung?« Sie versetzte: »Du sollst mir schwören, niemals ein anderes Frauensbild als mich anzureden oder ihr dich zu nähern.« Da ich nun unverheiratet war, o unser Herr Sultan, und es auch nach dem Besitz einer so schönen Frau verlangte, sprach ich: »So soll es sein; ich will dir nie sei es in Wort oder That zuwider 39 handeln.« Alsdann ließ sie den Kadi und die Zeugen kommen und erwählte sich einen Sachwalter, worauf sie uns ehelich verbanden. Nach Beendigung der Eheceremonie bestellte sie Kaffee und Scherbetts und gab dem Kadi etwas Geld und dem Sachwalter ein Ehrenkleid, worauf alle ihres Weges gingen, während ich, in Verwunderung verloren, bei mir sprach: »Träume ich oder bin ich wach?« Sie aber befahl nun ihren Mädchen das Bad zu räumen, zu reinigen, es frisch zu füllen und Handtücher, Lendentücher, seidene Tücher und Räucherholz und Essenzen, als reines Ambra, Parfüme und Wohlgerüche von mannigfachen Farben und Arten, bereit zu halten. Als dann ihre Befehle ausgerichtet waren, gab sie ihren Eunuchen Auftrag mich ins Bad zu führen, indem sie jedem einen kostbaren Anzug schenkte. Und so führten mich die Eunuchen ins Bad, das geräumt worden war, und ich gewahrte einen Platz, wie ihn die Zunge nicht zu beschreiben vermag. Als wir dort anlangten, breiteten sie bunte Teppiche aus, auf die ich mich setzte, die Sachen, die ich anhatte, ablegend; dann trat ich in die Schwitzräume ein und roch köstliche Wohlgerüche, die den Seiten der Halle entströmten, als Sandelholz, komoriner Aloe und dergleichen Räucherwerk. Hier traten sie nun an mich heran und seiften mich, nachdem ich mich gesetzt hatte, mit parfümierten Seifen ein, worauf sie mich abrieben, bis mein Leib weiß wie Silber geworden war. Dann holten sie die Metallgefäße, und ich wusch mich mit lauwarmem Wasser, worauf sie mir kaltes Wasser, vermischt mit Rosenwasser, brachten, mit dem ich mich besprengte. Nach diesem versahen sie mich mit seidenen Tüchern und Handtüchern aus Palmenfasern, mit denen ich mich abrieb, um mich dann in den kühlen Raum außerhalb des Kalidariums zu begeben, wo ich einen königlichen Anzug vorfand. Die Eunuchen kleideten mich in diesen und trugen, nachdem sie mich mit dem Rauch von Aloe beräuchert hatten, etwas Konfekt, Kaffee und Scherbetts verschiedener Sorte auf, worauf ich das Konfekt aß und hernach trank. Gegen Abend 40 verließ ich das Bad, begleitet von allen Eunuchen, und wir schritten einher, bis wir wieder in den Palast traten, wo sie mich in ein mit Teppichen und Kissen ausgestattetes Gemach führten. Und siehe, mit einem Male erschien sie in einem neuen Anzug, kostbarer als der, den sie zuvor getragen hatte, so daß sie mir in ihrem reichen Schmuck wie ein Zauberhort erschien, von dem der Talisman soeben genommen war. Sie setzte sich an meine Seite und neigte sich liebend über mich, während ich mich erhob, da ich meine Leidenschaft nicht länger bemeistern konnte, und das Werk that, das vollbracht werden mußte. Hernach verschwand sie wieder, kehrte jedoch bald in noch reicheren Kleidern zurück und that mit mir, wie zuvor, worauf ich sie von neuem umarmte. Kurz, o unser Herr Sultan, wir lebten beide in Freude und Fröhlichkeit, Lachen, Scherz und köstlichem Geplauder einen Zeitraum von zwanzig Tagen zusammen, bis ich nach Verlauf dieser Frist wieder meiner Mutter gedachte und zu dem Mädchen, das ich geheiratet hatte, sprach: »O meine Herrin, es ist lange Zeit. daß ich von Hause abwesend bin, und seit langem hat meine Mutter mich weder gesehen noch weiß sie etwas von mir; ganz gewiß sehnt sie sich nach mir und grämt sich um mich. Gieb mir daher Erlaubnis sie zu besuchen und ebenso nach meinem Laden zu sehen.« Sie versetzte: »Das kann nichts schaden; du darfst deine Mutter täglich besuchen und nach deinem Ladengeschäft sehen; jedoch soll dich diese Matrone, die meine Mutter ist, beim Ausgang geleiten und wieder zurückführen.« Ich entgegnete: »'s ist gut.« Alsdann kam die Alte herein und band mir wieder wie zuvor ein Tuch vor die Augen, worauf sie mit mir fortging, bis wir zu dem Platz gelangten, wo sie die Binde abzunehmen pflegte. Indem sie mir hier dieselbe abnahm, sprach sie zu mir: »Wir werden dich morgen um die Mittagszeit erwarten, und, wenn du an diesen Platz gelangst, wirst du mich auf dich wartend antreffen.« Ich verließ sie nun und begab mich zu meiner Mutter, die ich bekümmert und über meine Abwesenheit 41 weinend vorfand; sobald sie mich jedoch erblickte, erhob sie sich und schlang unter Freudenthränen ihre Arme um meinen Hals. Da sagte ich zu ihr: »Weine nicht, meine Mutter, denn die Ursache meines Ausbleibens ist die und die Sache gewesen«; alsdann erzählte ich ihr mein Abenteuer, und sie freute sich, als sie es vernahm, und rief: »Gott gebe dir Freude! Jedoch bitte ich dich, erfreue mich wenigstens alle zwei Tage durch einen Besuch, daß meine Sehnsucht nach dir gestillt wird.« Ich versetzte: »Es soll geschehen.« Dann, o unser Herr Sultan, begab ich mich zu meinem Laden und beschäftigte mich dort wie gewöhnlich bis zur Mittagszeit, worauf ich zum verabredeten Platz zurückkehrte, an dem ich die Alte meiner wartend antraf. Und von jener Zeit an verließ ich nie das Haus, ohne daß sie mir die Augen mit dem Tuch verband, das sie erst wieder abnahm, als wir mein eigenes Haus erreicht hatten. Fragte ich sie aber nach dem Grund hiervon, so antwortete sie mir stets: »Auf unserem Wege sind einige Häuser mit offenen Thüren, und die Frauen sitzen in den Vestibülen ihrer Häuser, so daß deine Blicke leicht auf eine derselben fallen könnte, sei es eine verheiratete Frau oder ein Mädchen; sie alle schnupfen die Liebe wie Wasser auf,Ein Bild entlehnt von der ceremoniellen Waschung, zu welcher das Schnupfen von Wasser ebenfalls gehört. und wir fürchten dein Herz könnte sich im Netz der Liebe ebenfalls verstricken.« Dreißig Tage lang, einen ganzen Monat, fuhr ich fort, in dieser Weise zu kommen und zu gehen, jedoch, o unser Herr Sultan, während all der Stunden und Tage war ich in Gedanken versunken und verwunderte mich in meinem Sinn, indem ich bei mir sprach: »Welcher Zufall brachte mich mit diesem Fräulein zusammen? Was hat sie bewogen mich zu heiraten? Woher kam sie zu dem Reichtum unter ihrer Hand, und wie kam ich dazu, die Vereinigung mit ihr zu gewinnen?« Denn ich wußte nicht den Grund von alledem. 42
Eines Tages jedoch fand ich Gelegenheit mit einer ihrer schwarzen Sklavinnen allein zu sein und fragte sie nach allen Sachen, die ihre Herrin betrafen, aus, worauf sie mir erwiderte: »O mein Herr, die Geschichte meiner Herrin ist wundersam, doch darf ich sie dir nicht erzählen, da ich fürchte, sie könnte etwas davon hören und mich umbringen.« Da sagte ich: »Bei Gott, o gutes Mädchen, wenn du mir die Wahrheit sagst, so will ich es dunkel verhüllen, denn keiner hütet Geheimnisse wie ich; und nimmermehr will ich es offenkund thun.« Alsdann verschwor ich mich hierzu hoch und heilig, und nun erzählte das Mädchen: »O mein Herr, meine Herrin begab sich eines Tages ins Bad mit der Absicht sich zu vergnügen und belustigen, zu welchem Zweck sie angemessene Vorkehrungen traf, Gaben und Geschenke von beträchtlichem Geldeswert eingeschlossen. Nachdem sie das Bad verlassen hatte, machte sie einen Ausflug, das Mittagsmahl in einem Blumengarten zu verzehren, wo sie sich aufs prächtigste vergnügte und belustigte, indem sie bis zum Abend schmauste und trank. Als sie dann aufzubrechen beschloß, sammelte sie die Reste des Festmahls und verteilte sie unter die Armen und Bedürftigen. Auf ihrer Rückkehr aber kam sie durch die Bazarstraße, in welcher dein Laden steht, und es war gerade ein Freitag, und du saßest geschmückt mit deinem feinsten Anzug da und unterhieltest dich mit deinem Nachbar. Bei ihrem Vorüberziehen gewahrte sie dich plötzlich in dieser Weise, und ihr Herz ward schwer von Liebe getroffen, wiewohl niemand von uns etwas von ihrem Zustand bemerkte und ahnte, was für eine Neigung sie für dich gefaßt hatte. Indessen begann, kaum daß sie ihren Palast erreicht hatte, ihr Trübsinn sie mit Seufzern zu quälen, Sorge und Gram stellten sich ein, und ihre Farbe schwand; sie aß und trank wenig und immer weniger, der Schlaf wich von ihr, und ihr Körper ward so schwach, daß sie sich schließlich ins Bett legen mußte. Da ging ihre Mutter fort einen gelehrten Mann oder einen Arzt zu holen, daß er den Zustand ihrer Tochter prüfte und 43 nachsähe, welche Krankheit sie befallen hätte. Nach einer Abwesenheit von einer Stunde kehrte sie mit einer alten Dame zurück, die sich neben sie setzte und, ihre Hand ausstreckend, ihren Puls befühlte. Da sie jedoch keine Leibeskrankheit oder Schmerzen in ihr entdecken konnte, erkannte sie ihren Fall, doch wagte sie nicht zu ihr davon zu sprechen oder ihrer Mutter zu sagen, daß das Herz des Mädchens von den Qualen der Liebe litt. Infolgedessen sagte sie: »Das hat nichts zu sagen; so Gott will, kehre ich morgen zu dir zurück und bringe eine gewisse Medizin mit.« Dann verließ sie uns und nahm die Mutter beiseite, zu der sie nun sprach: »O meine Herrin, um Gott, verzeihe mir, was ich dir zu sagen vorhabe, und sei von der Wahrheit meiner Worte überzeugt und hüte sie wohl vor jedem andern.« Da sagte ihre Mutter: »Sprich ohne Furcht, was dir von meiner Tochter Unwohlsein offenkund geworden ist; vielleicht gewährt Gott Wohlergehen.« Die Matrone erwiderte: »Fürwahr, deiner Tochter fehlt kein körperliches Leiden oder irgend eine Krankheit, vielmehr liebt sie, und es giebt keine andere Heilung für sie als die Vereinigung mit dem Geliebten.« Nun fragte die Mutter: »Und wie soll ihr Geliebter hierher kommen?« Die andere versetzte: »Das ist eine Sache, die nur bewerkstelligt werden kann, wenn du Mittel und Wege ausfindig machst, den Jüngling hierher zu bringen, daß wir ihn mit ihr verheiraten. Mittel und Wege sind aber bei Gott.« Alsdann ging die Matrone ihres Weges, während die Mutter des Mädchens ihre Tochter wieder aufsuchte und zu ihr mit freundlichen Worten sprach: »O mein Kind, was deine Krankheit anlangt, so ist sie ein Geheimnis und kein körperliches Leiden. Sag' mir, nach wem du verlangst, und befürchte nichts von mir; vielleicht öffnet Gott uns die Pforte zu einer Auskunft, wodurch du deinen Wunsch gewinnen magst.« Als das Mädchen diese Worte vernahm, schämte es sich vor ihrer Mutter und schwieg, da es vor Scham nicht zu sprechen vermochte; und zwanzig Tage lang erteilte sie keine Antwort. Während 44 dieser Zeit aber wuchs ihre Verstörtheit, und ihre Mutter ließ nicht nach dieselben Worte ihr zu wiederholen, bis sie erkannte, daß sie sich wie toll in einen jungen Mann verliebt hatte, worauf sie schließlich zu ihr sagte: »Beschreib' ihn mir.« Da versetzte sie: »O meine Mutter, er ist ein Mann, an Jahren jung und hübschen Gesichts; er wohnt auf dem und dem Bazar, wenn ich mich nicht irre, auf der Südseite.« Infolgedessen erhob sich die Mutter ohne Verzug und ging aus nach dem jungen Mann zu suchen, der du selber bist, o Jüngling. Als dich dann ihre Mutter sah, kaufte sie von dir ein Stück Zeug und brachte es ihrer Tochter, ihr versprechend, daß du sie besuchen würdest. Alsdann besuchte sie dich unablässig während der dir bekannten Zeit, bis sie dich durch ihre List hierherbrachte und dann geschah, was geschah, indem du ihre Tochter heiratetest. Das ist ihre Geschichte, und hüte dich, meine Enthüllung aufzudecken.« Ich versetzte: »Nein, bei Gott, ich werde es nicht thun.«
Nachdem ich nun, o mein Herr, einen Monat lang bei ihr gewohnt hatte, indem ich täglich ausging, meine Mutter zu besuchen und in meinem Laden zu verkaufen, und dann wieder des Abends mit verbundenen Augen von meiner Schwiegermutter wie gewöhnlich heimgeleitet wurde, traf es sich eines Tages, daß, als ich in meinem Geschäft saß, ein Mädchen auf den Bazar kam, das das Bild eines Hahns trug, welches aus kostbarem Metall gearbeitet und mit Perlen, Rubinen und andern Edelsteinen besetzt war. Sie bot dasselbe den Herren aus dem Bazar zum Verkauf an, und die Leute begannen das Gebot mit fünfhundert Dinaren und überboten sich bis auf neunhundertundfünfzig Dinare. Während dieser ganzen Zeit aber schaute ich zu, ohne daß ich mit einer Silbe dazwischenfuhr oder zu dem Gebot ein einziges Goldstück hinzuthat. Schließlich, als niemand mehr bieten wollte, kam das Mädchen zu mir und sagte: »O mein Herr, alle die Herren haben ihr Gebot für den Hahn erhöht; du aber hast weder geboten noch meinem Herzen durch ein 45 einziges freundliches Wort wohlgethan.« Ich versetzte: »Ich habe dafür keinen Gebrauch«; sie entgegnete jedoch: »Bei Gott, du mußt etwas mehr als die andern bieten.« Da erwiderte ich: »Wenn es denn sein muß, so will ich fünfzig Dinare hinzuthun, damit das Tausend gerade voll wird«; worauf sie antwortete: »Gott schenke dir Gewinn!« Ich ging nun in meinen Laden das Geld zu holen, indem ich bei mir sprach: »Ich will diese Merkwürdigkeit meiner Frau schenken; vielleicht gefällt sie ihr.« Als ich aber im Begriff war, ihr die tausend Goldstücke aufzuzählen, wollte sie nichts von mir annehmen sondern sagte: »Ich habe eine Bitte an dich, o Jüngling; ich möchte dir einen Kuß auf die Wange geben.« Ich fragte sie: »Zu welchem Zweck?« Sie versetzte: »Ich will dir einen Kuß auf die Wange geben, und das soll der Preis für meinen Hahn sein, denn ich bedarf nichts andres von dir.« Da sprach ich bei mir: »Bei Gott, ein einziger Kuß auf meine Wange für tausend Goldstücke ist ein annehmbarer Preis!« Und so gab ich meine Einwilligung hierzu, o mein Herr, worauf sie an mich herantrat und, sich über mich lehnend, meine Wange küßte; nach dem Kuß biß sie mich jedoch, daß die Spur des Bisses verblieb. Dann gab sie mir den Hahn und ging eilig ihres Weges. Als nun die Mittagszeit kam, ging ich wieder zum Haus meiner Frau und traf die Alte an der üblichen Stelle auf mich wartend an, worauf sie mir die Augen mit dem Tuch verband und mit mir weiter ging, bis wir zu unserm Hause gelangten, wo sie mir das Tuch wieder abnahm. Dort fand ich meine Frau im Saal sitzend, von Haupt zu Fuß in Karmesin gekleidet und mit zornigem Antlitz, so daß ich zu mir sprach: »O Retter, rette mich!« Alsdann trat ich zu ihr heran und zog den Hahn hervor, der ganz mit Perlen und Rubinen besetzt war, im Glauben, ihre üble Laune würde beim Anblick desselben vergehen, und sagte zu ihr: »O meine Herrin, nimm diesen Hahn an, denn er ist merkwürdig und wundersam anzuschauen; ich kaufte ihn, dir damit eine Freude zu machen.« Da streckte sie ihre Hand 46 aus und nahm ihn von mir, ihn prüfend, indem sie ihn nach rechts und links kehrte, worauf sie fragte: »Kauftest du dies wirklich um meinetwillen?« Ich versetzte: »Bei Gott, o Herrin, ich kaufte es für dich für tausend Goldstücke.« Sie aber schüttelte hierzu ihr Haupt zu mir, o mein Herr und Sultan, und rief nach einem langen Blick in mein Gesicht: »Was bedeutet der Biß auf deiner Backe?« Alsdann rief sie mit lauter und zorniger Stimme ihre Sklavinnen, worauf dieselben sofort die Treppenstufen mit dem Leichnam eines jungen Mädchens herunterkamen, dem der Kopf abgehauen und mitten auf den Rumpf gestellt war; und, wie ich genauer zusah, da war es der Kopf jenes Mädchens, das mir den Hahn für einen Kuß verkauft und mich in die Wange gebissen hatte. Meine Frau hatte sie nämlich mit dem Spielzeug ausgeschickt, um mir eine Falle zu stellen, indem sie zu ihr sagte: »Laß uns diesen Jüngling, den ich heiratete, auf die Probe stellen und sehen, ob er sich durch sein verpfändetes Wort gebunden fühlt oder ob er falsch und gemein ist.« Ich aber hatte von alledem nichts gewußt. Alsdann stieß sie einen zweiten Schrei aus, worauf drei Mädchen mit drei Hähnen ankamen, die dem glichen, den ich ihr gebracht hatte, und nun sagte sie zu mir: »Du bringst mir diesen einen Hahn, wo ich deren drei habe; da du aber, o Jüngling, den Bund, der zwischen mir und dir bestand, gebrochen hast, bedarf ich deiner nicht mehr. Pack' dich fort und gehe unverzüglich deines Weges!« Und voll Zorn wider mich rasend, rief sie ihrer Mutter zu: »Nimm ihn hinweg!« Da faßte mich die Alte bei der Hand und, mir das Tuch wie gewöhnlich um die Augen bindend, führte sie mich zu der üblichen Stelle, wo sie das Tuch abnahm und sprach: »Pack' dich!« worauf sie verschwand. Ich aber, o mein Herr, ward wie wahnsinnig und lief wie ein Verrückter durch die Straßen, indem ich dabei schrie: »Ach, ihre Lieblichkeit! Ach, ihr Wuchs! Ach ihre vollkommene Anmut! Ach, ihre Zieraten!« Als mich die Leute sahen und mich diese Worte schreien hörten, riefen sie: »Das ist ein 47 Irrsinniger!« worauf sie mich packten und ins Irrenhaus sperrten, wie du mich hier siehst, o unser Herr Sultan. Sie sagen, ich sei wahnsinnig, jedoch bin ich, bei Gott, nicht verrückt, o mein Herr; und dies ist meine Geschichte.«
Der König verwunderte sich hierüber und senkte für eine Weile sein Haupt nachdenklich über diese Sache zur Erde; dann aber hob er es wieder und sprach, sich zu seinem Wesir wendend: »O Wesir, bei Ihm, der mich zum Herrscher dieses Reiches gemacht hat, wenn du nicht das Mädchen, das diesen Jüngling heiratete, ausfindig machst, so büßest du es mit deinem Haupt!« Der Wesir, der voll Bestürzung den Fall dieses Jünglings vernommen hatte, sagte, da er dem königlichen Befehl nicht zuwider handeln konnte: »Gewähre mir eine Frist von drei Tagen, o unser Herr Sultan.« Der Sultan gewährte ihm diese Gnade, worauf der Wesir um Entlassung bat und den Jüngling mit sich nehmen wollte, als der Sultan rief: »Wenn du auf das Haus gestoßen bist, so soll der Jüngling in demselben wie andre Leute ein- und ausgehen.« Der Wesir versetzte: »Ich höre und gehorche.« Dann nahm er den Jüngling und ging mit ihm hinaus mit schmerzendem Kopf und schwindlig wie ein Trunkener, ratlos, wohin er sich wenden sollte. Er schritt die Straßen der Stadt von rechts nach links und von Osten nach Westen ab, bisweilen anhaltend, um die Leute auszuhorchen, jedoch entdeckte sich ihm nichts, so daß er seines Todes gewiß war. In dieser Weise war er bereits zwei Tage lang und den dritten bis zur Mittagszeit verfahren, als ihm ein Plan einfiel und er den Jüngling fragte: »Kennst du die Stelle, wo die Alte deine Augen zu verbinden pflegte?« Er versetzte: »Jawohl.« Da ging der Wesir mit dem Jüngling weiter, bis dieser rief: »Hier ist sie.« Alsdann fragte der Wesir: »O Jüngling, kennst du auch den Thürring mit dem sie anschlug und kannst du seinen Klang unterscheiden?« Der Jüngling erwiderte: »Ja, ich kann es.« Infolgedessen nahm ihn der Wesir und machte bei allen Häusern in jenem Quartier die Runde, 48 indem er mit jedem Thürring anschlug und den Jüngling fragte: »Ist es dieser?« worauf der Jüngling es verneinte, bis sie endlich auch zu der rechten Thür gelangten. Der Wesir schlug laut an und, als der Jüngling den Schlag hörte, rief er: »O mein Herr, fürwahr, dies ist zweifellos und ohne Irrtum und Fehl der Ring.« Infolgedessen schlug der Wesir noch einmal mit demselben Pocher an, worauf die Sklavinnen die Thür öffneten und der Wesir, der nun mit dem Jüngling eintrat, fand, daß der Palast der Tochter des früheren Sultans, dem sein Herr gefolgt war, gehörte. Als aber die Prinzessin den Wesir zusammen mit ihrem Gatten sah, schmückte sie sich und kam vom Harem hinunter sie zu begrüßen. Alsdann fragte der Wesir sie: »Was hast du mit diesem Jüngling vorgehabt?« Da erzählte sie ihm die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende, worauf er zu ihr sagte: »O meine Herrin, der König befiehlt dir, daß er wie zuvor aus- und eingeht und mit unverbundenen Augen hierher kommt.« Sie gehorchte und versetzte: »Die Befehle unsers Herrn Sultans sollen ausgerichtet werden.«
Dies ist die Geschichte des Jünglings, den der Sultan im Māristân, im öffentlichen Irrenhaus, den Koran lesen hörte. Als nun aber der Sultan den zweiten Irrsinnigen, der dagesessen und zugehört hatte, fragte: »Und du, wie ist deine Geschichte?« hob er an zu erzählen: