Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XV
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Die Katze und die Maus.

Ein Meister Hinz, das ist ein Kater, strich eines Nachts durch ein Feld auf einen Fang aus, ohne etwas zu finden, und ward schwach von der großen Kälte und dem Regen jener Nacht. Da fing er an über eine List zu brüten und gewahrte mit einem Male auf seiner Streife ein Loch am Fuß eines Baumes, worauf er an dasselbe trat und so lange schnüffelte und schnurrte, bis er spürte, daß sich im Loch eine Maus befand, und nun um dasselbe herumging und hineinzukommen suchte, um die Maus zu fangen. Als aber die Maus die Katze roch, kehrte sie ihr den Rücken und kratzte mit allen Vieren, ihr den Eingang zu ihrem Loch zu verstopfen, worauf die Katze eine schwache Stimme annahm und zur Maus sprach: »Weshalb thust du dies, mein Bruder, wo ich bei dir Zuflucht suche, damit du mir Barmherzigkeit erweisest und mich für diese Nacht in deinem Loch beherbergst; denn ich bin schwach wegen meiner hohen Jahre und des Schwindens meiner Kraft und kann mich kaum mehr regen. Ich habe mich heute Nacht in diesen Garten geschlichen, 113 und wie oft rief ich den Tod herbei, um Ruhe zu finden! Hier bin ich nun vor deiner Thür und liege von Kälte und Regen niedergestreckt am Boden; und ich bitte dich um Gottes willen, in deiner Güte mich an die Hand zu fassen und zu dir hineinzuziehen, daß ich im Vorraum deines Nestes Herberge finde; denn ich bin ein Fremdling und elend dazu, und es heißt: Wer in seiner Wohnung einen Fremdling, und noch dazu einen elenden, beherbergt, dessen Herberge wird sein das Paradies am Tag des Gerichts. Und du, mein Bruder, verdienst es, an mir Gottes Lohn zu gewinnen und mir zu erlauben, die Nacht über bis zum Morgen bei dir zu verbringen, worauf ich wieder meines Weges gehen will.«

Neunhundertunderste Nacht.

Die Maus entgegnete jedoch der Katze: »Wie dürftest du in mein Nest kommen, wo du mein natürlicher Feind bist und wo deine Nahrung mein Fleisch ist? Ich fürchte, du könntest Verrat an mir üben, da dies zu deinen Merkmalen gehört, dieweil in dir weder Treu noch Glauben ist. Und es heißt auch: Man soll dem Leichtfuß kein hübsches Weib, dem Bettler kein Geld und dem Feuer kein Holz anvertrauen. So geziemt es auch mir nicht, mich dir anzuvertrauen, zumal wo es heißt: Feindschaft von Natur wird um so stärker, je schwächer der Feind wird.«

Die Katze antwortete ihr hierauf mit erlöschender Stimme, als läge sie in den letzten Zügen: »Was du da an schönen Lehren beigebracht hast, ist wohl wahr, und ich leugne nichts ab; jedoch bitte ich dich um Vergebung für das, was dahinten liegt von der natürlichen Feindschaft zwischen uns beiden; denn es heißt auch: Wer einem Geschöpf seinesgleichen vergiebt, dem wird auch sein Schöpfer vergeben. War ich zuvor dein Feind, nun, so stehe ich heute da und bitte um deine Freundschaft; und es heißt doch: Wenn du dir den Feind zum Freund machen willst, so erweise ihm Gutes. O mein Bruder, ich gebe dir Gottes Eid und Schwur, dir 114 nimmermehr Schaden zuzufügen, zumal wo ich nicht mehr die Kraft dazu habe. Vertrau' daher auf Gott, thue Gutes und nimm meinen Eid und Schwur an.«

Die Maus versetzte jedoch: »Wie kann ich den Eid von jemand annehmen, zwischen dem und mir eine tiefgewurzelte Feindschaft besteht, und dessen Gewohnheit es ist Verrat an mir zu üben? Wäre unsere Feindschaft nicht eine Blutsfeindschaft, so würde es mir ein leichtes Ding sein; jedoch ist es eine angeborene Feindschaft zwischen Seele und Seele, und es heißt: Wer sich seinem Feinde anvertraut, der gleicht einem, der seine Hand in den Rachen einer Viper steckt.« Da erwiderte die Katze zornerfüllt: »Meine Brust ist beklommen und meine Seele schwach; ich liege in den letzten Zügen und in Bälde sterbe ich vor deiner Thür, und die Schuld daran lastet auf dir, da du mich aus meiner Not retten konntest; und dies ist mein letztes Wort zu dir.«

Da bekam die Maus Furcht vor Gott, dem Erhabenen; Barmherzigkeit zog ein in ihr Herz, und sie sprach bei sich: »Wer von Gott Hilfe haben will wider seinen Feind, der erweise ihm Barmherzigkeit und thue ihm Gutes. Ich vertraue in dieser Sache auf Gott und will die Katze aus diesem Unheil befreien, um Gottes Lohn dafür zu empfangen.« Und so kroch die Maus zur Katze heraus und zog sie in ihr Nest, wo die Katze so lange blieb, bis sie sich erholt und ausgeruht hatte und sich ein wenig besser fühlte, worauf sie über ihre Hinfälligkeit, ihre entschwundene Kraft und ihren Mangel an Freunden zu jammern begann. Die Maus war voll Güte zu ihr und tröstete sie, indem sie sich um sie zu schaffen machte, während die Katze zum Ausgang des Nestes kroch, bis sie ihn in ihrer Gewalt hatte, um die Maus am Entkommen zu hindern. Und als nun die Maus zum Nest heraus wollte und dabei wie zuvor der Katze sich näherte, packte diese sie und nahm sie zwischen ihre Krallen, worauf sie sie biß und schüttelte und ins Maul nahm und sie vom Boden hob und wieder niederwarf und hinter ihr herlief und 115 sie knautschte und quälte. Da schrie die Maus um Hilfe und flehte zu Gott um Befreiung und hob an die Katze zu schelten, indem sie sprach: »Wo ist der Bund, den du mit mir machtest, und wo sind die Schwüre, die du schwurst? Ist das mein Lohn von dir dafür, daß ich dich in mein Nest nahm und mich dir anvertraute? Jedoch hat jener recht gesprochen, der da sagt: Wer dem Schwur seines Feindes glaubt, begehrt keine Rettung für sich. Und ebenso wahr ist der Ausspruch: Wer sich seinem Feinde anvertraut verdient seinen eigenen Untergang. Jedoch vertraue ich auf meinen Schöpfer, denn er wird mich von dir erretten.«

Während die Maus in dieser Weise zur Katze sprach, und die Katze sich gerade auf sie stürzen und verschlingen wollte, kam ein Jäger mit Jagdhunden des Weges daher. Einer der Hunde, der an dem Mauseloch vorüber kam und einen großen Lärm darin vernahm, glaubte es wäre ein Fuchs darin, der etwas zerrisse; infolgedessen kroch er hinein, um ihn zu fassen, bis er auf die Katze stieß und sie an sich zerrte. Als nun die Katze sich in der Gewalt des Hundes sah, dachte sie an ihr eigenes Leben und ließ die Maus lebendig und unverwundet los, während der Hund ihr das Genick zerbiß und sie tot hinwarf. Und so ward das Wort an ihnen bewahrheitet, das da lautet: Wer Barmherzigkeit thut, wird einst Barmherzigkeit finden; wer unterdrückt, soll sofort unterdrückt werden.

Dies ist die Geschichte von der Katze und Maus, und deshalb soll niemand den Bund mit denen brechen, die ihm vertrauen; denn wer Treulosigkeit und Verrat übt, dem ergeht's wie der Katze. Wie der Mann richtet, soll er gerichtet werden, und wer Gutes thut, der soll seinen Lohn empfahen. Jedoch, o König, bekümmere und gräme dich nicht hierüber, denn dein Sohn wird vielleicht nach seiner Tyrannei und Gewaltthätigkeit wieder zu deinem schönen Wandel umkehren; und ich hätte wohl gewünscht, daß jener Weise, dein Wesir Schimâs, dir nichts von dem, was er dir andeutete, 116 verheimlicht hätte. Das wäre richtig von ihm gewesen, wie es denn auch heißt: Die Leute, die die größte Besorgnis hegen, haben die weitesten Kenntnisse und trachten am meisten nach dem Guten.«

Der König fügte sich diesen Worten und entließ die Ausleger, nachdem er sie mit reichen Ehren hatte auszeichnen lassen; dann erhob er sich und begab sich, nachdenklich über den Ausgang seiner Sache, in seine Wohnung. Des Nachts aber suchte er eine seiner Frauen auf, die er am meisten auszeichnete und liebte, und ruhte bei ihr; und als etwa vier Monate verstrichen waren, regte sich die Last in ihrem Schoß, so daß sie sich mächtig hierüber freute und es dem König mitteilte. Und der König sprach: »Mein Traum ist wahr gewesen, bei Gott, dem Hilfebringer!« Hierauf quartierte er sie in die schönste Wohnung ein und zeichnete sie mit den höchsten Ehren aus, indem er ihr reiche Geschenke machte und vielerlei Dinge gab. Dann rief er einen seiner Pagen und ließ Schimâs zu sich entbieten. Als er vor ihm erschienen war, machte ihm der König erfreut von der Schwangerschaft seiner Frau Mitteilung und sagte: »Mein Traum hat sich bewahrheiter, und meine Hoffnung ist eingetroffen; vielleicht wird dieses Kind ein Sohn werden und meines Reiches Erbe. Was sagst du hierzu, Schimâs?« Schimâs schwieg jedoch und gab keine Antwort. Da sagte der König zu ihm: »Wie kommt es, daß du dich nicht über meine Freude freust und mir keine Antwort erteilst? Ist dir diese Sache unangenehm, o Schimâs?« Da warf sich Schimâs dem König vor die Füße und sprach: »O König, Gott schenke dir langes Leben! Was nützt es einem im Schatten eines Baumes zu sitzen, wenn Feuer aus ihm steigt? Was für Wonne hat einer, der lautern Wein trinkt und daran stickt? Und was für einen Nutzen hat der, der seinen Durst an frischem süßem Wasser löscht und darin ertrinkt? Ich diene Gott und dir, o König; jedoch heißt es: Von drei Dingen zu sprechen bringt dem Verständigen keinen Gewinn, ehe sie nicht ein Ende genommen 117 haben: Der Reisende soll nicht eher von seiner Reise sprechen als bis er heimgekehrr ist, der Mann im Krieg nicht eher als bis er seinen Feind bezwungen hat, und die schwangere Frau nicht eher als bis sie ihre Last niedergelegt hat.

Neunhundertundzweite Nacht.

Denn wisse, o König, wer über etwas spricht, bevor es beendet ist, der gleicht dem Büßer, der die Butter über seinen Kopf goß.« Da fragte ihn der König: »Wie ist die Geschichte des Büßers, und was trug sich mit ihm zu?« Der Wesir versetzte:

 


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