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Es war ein Uhr nachts. Die ersten Vorboten des Frühlings regten sich. Die Kälte war gewichen, die Luft war lind selbst in dieser späten Stunde, und solche windstille Ruhe herrschte, daß die Schritte eines sich Falsterhof nähernden Wanderers unheimlich laut das Schweigen der Natur unterbrachen. Und das störte den Spätling. Er wünschte Sturm und Finsternis statt dieses sanften Träumens der Natur, und als nun eben der Mond durch die Wolken brach, und zu der Ruhe sich die Helle gesellte, auch vom Gehöft her das laute Gebell eines Hundes an sein Ohr drang, ging ein wilder Fluch über seine Lippen.
»Ah, die Bestie! Immer diese Bestie!« murmelte er zähneknirschend.
Doch ließ Tankred von Brecken sich nicht abschrecken. Wie das letztemal nahm er den Weg über das Feld durch das Gehölz und hielt erst inne, als er die Rückseite des Hauses erreicht hatte.
Nun schlug abermals der Hund an, das Gebell kam indes nicht aus dem Hause, sondern aus dem Stall, und doch war's derselbe Ton, den Brecken vordem gehört hatte. Das Tier befand sich also offenbar – vielleicht durch einen Zufall – nicht im Hause; und die schwerste und zunächst wichtigste Arbeit, es zu beseitigen, fiel dadurch fort. Brecken hoffte, daß dem so sein werde, und sein Mut wuchs. Der Himmel kam ihm entgegen, und nun schwankte er auch nicht länger. Im Nu drehte er den Schlüssel im Schlosse um, horchte gespannt, ob das Geräusch jemanden geweckt habe, und entzündete, als alles still blieb, die Blendlaterne.
Und dann, nach einer Sekunde, stand er in dem Flur des alten Falsterhofhauses, leuchtete atemlos rings umher, umfaßte mit seinem Blick die hochschmalen, steifgerahmten Gemälde an den weißen Wänden, horchte noch einmal gespannt auf und vernahm zu seiner Erleichterung nichts, als das regelmäßige, laut durch den eingeschlossenen Raum dringende Ticken der großen, alten, aufrechtstehenden Wanduhr. Für Augenblicke weckte der in dem Flur herrschende dumpfe Geruch in Brecken Erinnerungen, ja, mehr noch, Bilder stiegen greifbar deutlich vor ihm auf. Er sah die alte Tante, wie sie in ihren guten Zeiten sich vom Wohnzimmer aus in die Gemächer ihres Mannes begeben, dort nach dem Rechten gesehen und mit vorgebeugtem Kopfe aus dem geöffneten Vorzimmer nach den Dienstboten gerufen hatte. Und vor seinem Auge erschien ihr gütiges Antlitz, die hohe Gestalt seines Vaters, die unerbittlich strenge Miene seiner Mutter und zuletzt – seltsam, – der alte Frege. Brecken war's, während er zum Dämpfen seiner Schritte ein paar Filzsohlen unter die Stiefel knüpfte, als ob er ihn hinten aus seinem Zimmer treten höre, und jetzt, als ob er dastehe und all sein Thun beobachte. Thorheit! Vorwärts! Und wirklich klomm Tankred katzenschnell empor, legte, bevor er Theonies Zimmer betrat, eine Maske vor das Gesicht und schlich bis an die Thür.
Ein Druck – sie gab nach – jetzt war sie angelehnt. – Er horchte – sein Herz pochte – Nichts. – Langsam und vorsichtig erweiterte er die Öffnung – nun war er im teppichbedeckten Vorzimmer.
Er leuchtete vor sich hin. Er sah im Nebengemach das Himmelbett, in dem Theonie schlief, er hörte ihren regelmäßigen Atemzug. Noch einmal flog's ihm durchs Gehirn, bevor er zur That schritt, wie er's begönne. Er wollte über sie hinstürzen, ihr mit der Linken den Mund verschließen und sie mit der Rechten würgen – so lange würgen – bis – –
Aber was war das? – Theonie regte sich – Tankred wich unhörbar zur Seite. – Blitzschnell verschwand die Laterne unter seinem Rock. – Wohl zwei Minuten stand er regungslos da. – – Ohne zu sehen, war's ihm, als ob Theonie sich emporgerichtet habe und mit angstvoll entsetzten Blicken durch das Dunkel spähe. – Endlich – endlich – war sie wieder eingeschlafen – ihr ruhiger, tiefer Atem ging durchs Gemach. – –
So, und nun vorwärts! –