Hermann Heiberg
Todsünden
Hermann Heiberg

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Am Vormittag desselben Tages traf Hederich in Holzwerder ein. Er hatte die Tasche voll Neuigkeiten und konnte es nicht erwarten, sie auszukramen. Schon an seinen leuchtenden Augen erkannten Tressens, daß er Günstiges zu melden habe, und er platzte denn auch gleich damit heraus.

Er wußte, daß Brecken bei Brix gewesen, und daß dieser jede Intervention eben so entschieden abgelehnt hatte wie Frau Höppner. Jedes Wort, das letztere Tankred entgegengeschleudert, hatte er in der Erinnerung und gab es – ein Labsal für sich selbst – wieder. Endlich wußte er auch, daß Brecken später noch im Krug gewesen war und dort geäußert hatte, daß er sich gleich wieder nach dem Süden begeben wolle.

»Was soll er denn auch hier thun?« schloß Hederich eben so überzeugt wie vergnügt und rieb sich die Hände. »Drum und dran – es war ein großartiger Gedanke von Ihnen, gnädige Frau, den Spieß umzukehren und hier einzuziehen. Wir sehen es ja jetzt. Er ist völlig entwaffnet und bittet um gut Wetter. Aber nicht wahr, Sie lassen sich auf nichts, auf gar nichts ein? Jetzt nur nicht noch einmal weich werden, gnädige Frau!«

»Sie kennen mich nicht, lieber Hederich, wenn Sie glauben, ich könnte gutwillig diesem Menschen jemals wieder die Hand bieten. Übrigens möchte ich Theonie gleich benachrichtigen. Sie will reisen, vorzugsweise um ihrem Vetter unter allen Umständen aus dem Wege zu gehen. Vielleicht ändert sie nun ihren Entschluß. Wie wär's, lieber Hederich, wenn Sie auf der Rücktour einen Augenblick bei ihr vorsprächen und ihr Mitteilung machten? Die Neuigkeiten würden sie auch um unseretwillen angenehm berühren, ich weiß es!«

Diesem Ersuchen stimmte Hederich bereitwillig zu; nach eingenommenem Frühstück nahm er von den Herrschaften Abschied und ritt nach Falsterhof.

Wie immer öffnete stumm, ernst und gelassen der alte Frege die Thür, wie immer bellte in dem dumpfhallenden Flur der bald sich wieder freundlich anschmiegende Hund, und wie immer erschien Theonie mit ihren ruhigen Bewegungen und ihrem ernsten Antlitz und reichte Hederich die Hand. Es drängte sich dem Besucher unwillkürlich die Frage auf, wie die Menschen es in ihrer abgeschlossenen Einsamkeit aushielten, womit sie den Tag ausfüllten, wie sie Herz und Sinne nährten. Alles war so freudeleer, so eintönig, düster und bedrückend. –

Hederichs Bericht nahm Theonie mit großer Spannung und sichtlicher Befriedigung entgegen. Sie hatte sich um Tressens sehr gesorgt, starke Konflikte, gar Gewaltakte erwartet, und nun war alles weit über die günstigste Voraussetzung verlaufen. Sie wurde auch wirklich schwankend, ob sie reisen solle, und äußerte sich in diesem Sinne gegen Hederich.

»Sie begreifen nicht, daß ich es in der Einsamkeit aushalte, Hederich!« sagte sie. »Aber hier werde ich durch die Umgebung auch an das Gute erinnert, das mir der Himmel während meines Lebens schenkte. Meine Eltern, und was ich später liebte –«

Theonies Augen feuchteten sich, und für Augenblicke vermochte sie nicht weiter zu sprechen. Sie brach auch von dem Thema ab, fragte nach Carin und bat, von einem raschen Entschluß beeinflußt, ob Hederichs nicht am kommenden Tage mit Tressens und Höppners, die sie auch bitten wolle, zu Tisch und Abendbrod kommen möchten.

»Also wirklich, Sie geben die Reise auf?« warf Hederich nach ausgesprochener Zusage hin.

»Ja, Hederich! Ich war mit meinem Herzen durchaus nicht dabei. Nachdem ich nun den schrecklichen Menschen fern weiß, atme ich wieder auf und will mich meiner Ruhe von neuem freuen. – Hier, nehmen Sie das Ihrer lieben Frau mit!« schloß sie, als Hederich aufstand und sich zum Abschied rüstete. »Es ist eine Brosche, die aus der Erbschaft stammt, und die ich für sie neu habe fassen lassen. – Nein, nein, keinen Dank, ich liebe ja Ihre Frau wie eine Schwester und wollte ihr vor der Abreise den Schmuck doch zusenden!«

Nun kam auch Frege und meldete, daß Klaus den Schimmel vorgeführt habe, und Hederich, der heute besonders gut gelaunt war und dem Alten einen Thaler in die Hand schob, nahm in schnellerem Tempo als sonst den Weg zurück nach seinem kleinen Gütchen.



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