Ulrich Hegner
Saly's Revolutionstage
Ulrich Hegner

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Der Wegweiser war ein armer gleichgültiger Tropf, der aber immerdar erzählte, man mochte ihm zuhören oder nicht. Uns selbst verhinderte die schneidende Kälte am Sprechen, die zunahm, je höher wir den Berg hinanstiegen. Zwar beklagte sich das 179 Mädchen nicht, allein es war mir beständig bange, so ein feines Geschöpf müsse frieren; doch sie lachte mich nur aus, und ließ sich von unserm Führer, zum Erwärmen wie sie sagte, die Mordgeschichten erzählen, die schon auf dieser Straße vorgefallen.

Ich war froh, als wir endlich die Höhe erreichten, und oben ein Bauernhaus antrafen, wo wir uns erhohlen konnten. Wir wollten hier unsern Mann verabschieden; allein die Bauersleute riethen uns, ihn noch weiter mitzunehmen, weil der Schnee die unwegsame Gegend noch verirrlicher gemacht habe. Ihm selbst war es gleichviel, zurückzukehren, zu bleiben, oder uns bis nach Arau zu folgen, wenn ich ihm nur im letzten Falle noch ein Glas Wein zahle; für seine Nachtherberge müsse ich nicht besorgt seyn, er kenne einen Fleischer daselbst, der ihm in seinem warmen Schafstalle gern einen Platz gönnen werde. – Welch ein Nachtlager! sagte Klare.

Der Bauer fragte uns nach dem doppelten Brande, den er in der Nacht von seiner Höhe hinunter gesehen. Als wir aber nicht viel davon wissen wollten, wandte er sich an unsern Führer, der ihm mit der gleichen Kälte, wie er seine Pfeife rauchte, zur Antwort gab: die Franzosen haben's angezündet.

Was! schrie der Bauer, sind denn die Franzosen im Lande?

Das weiß ich nicht, erwiederte jener; wenn sie aber noch nicht da sind, so werden sie kommen, bey 180 vielen Tausenden werden sie kommen, und Land und Leute zu Grunde richten! Das habe ich vom alten Bettler Klaus selbst gehört, der alles vorher weiß.

Ja wenn es der alte Klaus gesagt hat, seufzte der Bauer, so ist es leider nur zu wahr. Ich dachte, er wäre längst gestorben, so lange hat er sich nicht mehr sehen lassen.

Er kömmt nur zum Vorschein, sagte die Frau, wenn sich etwas Bedenkliches zuträgt, wie vor zwey Jahren, welches ich mein Lebtage nicht vergessen will, als er dem hochmüthigen Müller von S., der mit seinem Knecht auf die Musterung ritt, ein Almosen heischte; und dieser ihm sagte: Wenn du mir prophezeyst, Klaus, so will ich dir was geben; so antwortete der Alte: es ist Euch schon lange prophezeyt: Wer da stehet, der sehe zu, daß er nicht falle! – Und Tages darauf stürzte der Müller im Rausch in den geschwellten Bach und ertrank.

Jetzt ist er wieder im Lande, fuhr unser Führer fort, und hat sich vor einigen Tagen zu dem Landvogt auf W., dessen Schloß gestern im Rauch aufging, begeben; dieser aber ließ ihn mit einem armen Kinde, das er bey sich hatte, durch den Häscher wegführen, da schüttelte Klaus unter dem Schloßthore seine Pelzmütze aus, und es sollen glühende Funken heraus gefallen seyn.

Die Bauersleute erzählten nun noch manches von diesem Bettler, woraus sich wenigstens zeigte, daß er 181 ein eigner Mensch sey. Da aber die Erzählungen immer wunderbarer und märchenhafter wurden, so fragte ich, um solchen ein Ende zu machen, den Führer, ob er ihm selbst noch nichts geweissagt habe?

Der Stoffel bedarf keiner Weissagung, nahm die Bauersfrau das Wort; was geht ihn der morgende Tag an, er bekümmert sich nicht einmahl um den heutigen! Doch hätte ihm Klaus sagen können, was er an der Kirchweihe dem durstigen Knechte des Untervogts gesagt hat, als dieser fragte, ob er ihm nicht eine reiche und frische Frau verschaffen könnte? Schau, antwortete Klaus, dort streckt eine schon beyde Arme nach dir aus! und wies auf den Dorfbrunnen.

Jedermann lachte; Stoffel aber trank gemüthlich seine Flasche aus, und machte ein Gesicht, als ob er noch eine möchte.



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