Ulrich Hegner
Saly's Revolutionstage
Ulrich Hegner

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Q. kam zurück, und warf sich sogleich ermüdet, jedoch mit fröhlichem Muthe auf einen Stuhl, und fing an, seinem Freunde zu erzählen, die heutige Rathsversammlung müsse ziemlich stürmisch seyn, indem schon zwey Mitglieder nach Hause gelaufen. Unsern Obrigkeiten, sagte er zu mir, geht es jetzt, wie den Fuhrleuten, die ihr Lebenlang nur einen Weg gefahren sind; sie können sich in einen andern gar nicht mehr finden.

Doch wisse er von sicherer Hand, sprach er weiter zu seinem Mitarbeiter, daß die Mehrheit sich auf die vernünftige Seite zu wenden anfange, und daß der Vorschlag, die Gesandten von Arau zurückzurufen, bald durchdringen werde. Mit der Bürgerschaft habe 103 es keine Noth, die fürchte sich vor den Bauern, wie sich der Magistrat vor den Franzosen fürchte. Des Abends beym Weine seyen sie zwar alle Helden, und machen über den Gedanken, sich von den Bauern Gesetze vorschreiben zu lassen, großen Lärm und Fäuste in den Taschen; kommen aber des Morgens wieder zu sich selber, und lassen sich so nach und nach alles gefallen, wenn nur der liebe bürgerliche Wohlstand gesichert bleibe! Auf solche häusliche Leute müsse man des Morgens, und auf die Lumpen des Abends wirken.

Habt Ihr denn auch mit diesen zu thun? fragte ich.

O genug, antwortete er, und mehr als genug! das sind unsre eifrigsten Anhänger, wahre Verehrer der Gleichheit. Wir schicken sie aber, so viel wir können, dem Mengaud zu, der zahlt sie gut, und sendet sie als seine Jünger in alle Welt, um den neuen Glauben unter die Leute zu bringen.

Die heiligen Rechte der Menschheit sollten also durch Lumpen ausgebreitet werden! sagte ich lachend. – So ist's, erwiederte er. – So wie oft das noch Heiligere: that der Freund hinzu, durch Lügner und faule Bäuche.

Sie sprachen noch manches über die Bedrängnisse des Vaterlandes; sie zeigten mir, daß jetzt Frankreich hauptsächlich im Wadtlande den Anfang zu Händeln suche, weil da die Stimme des Volkes am lautesten gegen das bisher Bestandene ertöne. – Das gehe ich aber vorbey, weil ich nur von dem reden will, dessen 104 ich selbst Zeuge war, was mich zunächst zum Handeln bestimmte.

Es kamen nun mehrere Vertraute dieser beyden Männer, um sich über die Verhandlungen in der Eintrachtsgesellschaft auf heute Abend zu berathen. Ich entfernte mich, und wandelte in der Stadt umher.

Die Bürger standen noch immer in kleinen Haufen herum, und suchten Beruhigung im Beysammenseyn und in lautem Sprechen. Es schien jetzt in dieser Stadt, so arbeitsam sonst die Bewohner seyn sollen, wenig gethan zu werden; die magern Kühe der allgemeinen Angelegenheiten verschlangen die fetten der Berufsgeschäfte. Jeder hoffte bey einem solchen Häufchen etwas neues zu erfahren, ich sahe manchen bey mehr als einem stehen. Es liegt aber auch in der auf Einen Punkt gerichteten Neugier der Menge so was anziehendes, daß einer sehr stark in sich selber oder sehr stolz seyn muß, um untheilnehmend vorüberzugehen. Hätten sie mich nicht als einen Fremden schief angesehen, ich wäre auch hinzugestanden, um das menschliche Herz zu erforschen, das sich in der Angst so gerne bloß gibt, und mich der Kraft zu freuen, womit es sich aus allem, selbst aus dem Unheil, einen Genuß zu bereiten weiß, wäre es auch nur, wie hier, der Genuß eines verzeihlichen Müssiggangs.

Es ist eine eigne Empfindung, so als ein Fremdling durch die Straßen einer Stadt zu ziehen, abgeschnitten von aller Gemeinschaft; Männer, Weiber, Kinder, 105 Vieh und Häuser in hülfreicher Wirksamkeit mannigfaltig verbunden zu sehen, und eine geheime Stimme der Zukunft über diese kleine Welt vernommen zu haben; es ist ein Vergnügen der Geister, eine einsame Liebe. – Ich kam mir vor wie der Prophet Jonas, als er durch die Gassen von Ninive ging; das Wort des Herrn war ausgesprochen über diese Stadt, zwar nicht zum Untergange, aber doch zu Ungemach und Trübsal. Auch hier fände jetzt eine Predigt zur Buße wohl sichern Eingang bey den erschrockenen Bürgerherzen, dachte ich, und mich jammerte ihrer, wie Jonas der Kürbisse; allein ich hatte keinen Ruf dazu; und vielleicht finden sie ohnedies Gnade; sind doch ebenfalls so manche unter ihnen, »die nicht wissen Unterschied was rechts oder links ist, dazu auch viele Thiere!«



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