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Der Professor besucht mit Lorenz die Anstalt für Menschenherstellung. Die Erziehung der Homunkuliden.
Es folgten böse, traurige Tage; der Professor sprach mit Lorenz kein Wort. Die Einsamkeit wurde dem treuen Diener bald fürchterlich und er entschloß sich, seinen Herrn reumütig um Verzeihung zu bitten.
Der Professor kanzelte ihn ab wie einen Schulbuben. Lorenz stand wie ein zerknirschter Pudel vor ihm, der demutsvoll seine Prügel erwartet. Dem gestrengen Herrn kamen die Tränen ins Auge, denn auch ihm war die Einsamkeit unter den Homunkuliden schon fürchterlich geworden und er verzieh dem reuigen Sünder.
»Ich hoffe, so etwas kommt nicht mehr vor«, schloß er seine Strafpredigt.
»Sehr wohl, Herr Professor!« antwortete Lorenz überglücklich.
Wohlwollend fuhr der Herr Professor fort:
»Wir werden nächste Woche die jungen Homunkuliden sehen; da besuchen wir eines jener Etablissements, in denen die Homunkuliden erzeugt werden.«
»Das wird wohl recht hübsch werden«, sagte Lorenz, »obwohl ich von diesen Etablissements gar nichts halte!«
Lorenz war infolge der Güte seines Herrn sofort wieder in seinen alten Fehler verfallen.
»Warum nicht?« fragte der Professor. »Das ist doch wohl der Gipfel aller Entwicklung, der Natur das Geheimnis der Zeugung abgelauscht zu haben!«
Lorenz zuckte geringschätzig die Achseln. »Ich glaube, zu unserer Zeit war die Sache einfacher und auch angenehmer.«
»Lorenz, Sie verstehen das nicht«, lachte der Professor.
»Ich glaube doch – wenn die Sache mit der Wetti anders gekommen wäre...«
»Lorenz, Sie können schlafen gehen.«
Nun folgten einige ruhige, angenehme Tage. Der Herr Professor arbeitete an seinen Memoiren und studierte die Sprache der Homunkuliden, wobei ihm Plato als Sprachmeister zu Hilfe kam. In kurzer Zeit machte der Professor solche Fortschritte, daß er sich mit den drei Herren, Plato, Archimedes und Lessing, ganz gut in ihrer Sprache verständigen konnte.
Auch Lorenz studierte, daß ihm der Kopf rauchte. Er kam aber weit langsamer vorwärts als sein gelehrter Herr, was ja niemand wundern wird. Lorenz erklärte eines Tages dem Professor, daß er auf seine Vorfahren wütend sei. Wenn die es verstanden hätten, die Welt zu erobern, so würden die heutigen Homunkuliden deutsch sprechen und er hätte es jetzt nicht notwendig, unter so großen Anstrengungen die schwere Sprache der Homunkuliden zu lernen.
»Man würde Sie doch nicht verstehen, Lorenz«, erwiderte der Professor, »denn eine Sprache verändert sich im Laufe der Zeiten – und zweitausend Jahre im Leben der Völker sind viel, wie Sie jetzt sehen können! Sie hätten dann das allerneueste Hochdeutsch lernen müssen!«
»Das würde mir nichts machen. Es wäre doch Deutsch! Und dann noch eines, wenn die Deutschen gesiegt hätten, so würde man hier im Lande Bier bekommen. Denn das hätten die Deutschen wegen der Luftschiffe und so weiter doch nicht aufgegeben!«
Eines Abends, als der Professor mit den drei Homunkuliden, Plato, Archimedes und Lessing, bei Tisch saß, war Lorenz nahe daran, wieder einen Nervenanfall zu bekommen.
Der Professor unterhielt sich mit den drei Herren nur in der Homunkulidensprache. Lorenz vermochte nur hie und da ein Wort zu verstehen. Er sprach den Professor deutsch an, der Professor antwortete nur in der landesüblichen Sprache. Lorenz hatte darin noch sehr geringe Fortschritte gemacht, da er die schönen Tage meist zu Spaziergängen im Garten benützt hatte. Lessing hatte ihm aus der Bibliothek der Homunkuliden einige deutsche Bücher gebracht, darunter auch Zeitschriften aus den Jahren 1907 bis 1920, und er hatte mit großem Interesse die zweitausend Jahre alten Zeitungen gelesen.
Die Welt war doch damals angenehmer gewesen. Was da alles passierte! Er las fort und fort, bis auch die Zeitungen ihm immer unverständlicher wurden, bis die Namen, die darin vorkamen, seinem Ohr fremd wurden, bis sich alles so änderte, daß er auch für diese uralten Zeitungen kein Verständnis mehr hatte. Und darüber hatte er das Studium der Homunkulidensprache versäumt, und so kam er sich an jenem Abend einsam und verlassen vor.
»Mein Herr«, dachte er sich, »ist auch so ein richtiger Deutscher, der gar kein Nationalgefühl hat; kaum sind wir ein paar Tage da, so spricht er schon nicht mehr Deutsch!«
Der Abend verlief für Lorenz sehr ungemütlich. Auf einmal fing der Professor deutsch an.
»Lorenz«, sagte er, »ich hoffe, daß Sie jetzt fleißiger sein werden in Ihrem Studium. Sie werden jetzt jeden Abend zu mir kommen, daß ich Sie überhöre, ob Sie Ihr Pensum gelernt haben. Und wenn Sie sich in Zukunft nicht mehr Mühe geben, so wird an den Abenden nur mehr in der Homunkulidensprache geredet.«
Lorenz versprach Besserung. Und er hielt, was er versprochen hatte. Er lernte sehr fleißig, wozu am meisten der Umstand beitrug, daß der Professor jeden Abend ihn prüfte. In wenigen Wochen hatte er so viel von der Homunkulidensprache erlernt, daß er sich mit den Herren abends schon ganz leidlich verständigen konnte.
Die Linden, Buchen und Eichen im Park ihres Palastes nahmen schon herbstliche Färbung an, als der Professor Lorenz eröffnete, daß heute abends große Prüfung sein werde.
»Herr Professor, mit dem Mündlichen wird es leidlich gehen«, erwiderte zuversichtlich der treue Diener, »aber mit dem Schriftlichen hapert es noch.«
»Das macht nichts, mein lieber Lorenz; infolge des eigentümlichen Charakters der Homunkuliden werden Sie wohl nie in die Lage kommen, Briefe zu schreiben. Lesen können Sie...?«
»Ja!« erwiderte stolz der Diener.
»Und reden auch?«
»Ich habe mich in der Konversation immer geübt. Ich habe mit unseren Domestiken gesprochen, mit den Leuten, die in unserem Park arbeiten. Und habe auch mit anderen Automaten gesprochen, die mir unterkamen. Aber die meisten Automaten hier sind etwas schwerhörig.«
»Woraus schließen Sie das?«
»Ich mußte, besonders anfangs, meine Frage oder Anrede stets zwei- oder dreimal wiederholen, bis sie mich verstanden.«
»Ihre Aussprache ist noch schlecht.«
Die Prüfung fiel abends zur größten Befriedigung des Kollegiums aus. Plato, Archimedes, selbst der kunstverständige Lessing erklärten sich von den Fortschritten des zweitausend Jahre alten Schülers höchst befriedigt. Der Professor drückte ihm die Hand.
»Es tut mir sehr leid«, sagte er, »daß ich Ihnen ob Ihres Fleißes keine Freude bereiten kann. Aber was soll ich Ihnen schenken? Eine goldene Uhr?«
»Hat hier zu Lande keinen Wert. Ich glaube, hier machen sie sogar die Mistgabeln aus Gold!« lehnte Lorenz ab.
»Geld gibt es keines...«
»Nein!...« antwortete tiefsinnig Lorenz. »Es ist hier wirklich sonderbar, man kann beim besten Willen hier niemandem eine Freude machen. Es ist wirklich traurig!«
»Sehr traurig«, sprach der Professor nach.
»Aber das eine freut mich doch«, sagte Lorenz, »und diese Freude ist mir noch in diesem Lande möglich. Wenn Sie sagen, Herr Professor, daß ich Ihnen ein Vergnügen gemacht habe, so ist mir das mehr wert als eine goldene Uhr.«
»Lorenz, Sie haben mir jetzt große Freude gemacht. Wir haben erreicht, daß wir uns frei in der ganzen Homunkulidenstadt, in der ganzen Homunkulidenwelt bewegen können. Wir kennen die Sprache dieser Leute, und es wird uns vielleicht diese sonderbare, traumhafte Welt, die uns umgibt, mit Hilfe unserer frisch erworbenen Kenntnisse lebendiger und angenehmer vorkommen als bisher. Wir werden das auf unserer nächsten Reise sehen. Nächste Woche ist also ein Besuch jener Anstalten geplant, in denen die Homunkuliden erzeugt werden. Ich hoffe, Lorenz, es wird Sie das interessieren!«
»Sehr wohl, Herr Professor; wenn es mir möglich ist, so werde ich mit dem Leiter dieser Anstalt einige ernste Worte reden!... Ich getraue mich fast nicht, es auszusprechen; ich geniere mich...«
»Na, sagen Sie nur, was Sie meinen!«
Zögernd begann Lorenz: »Ich werde den Direktor fragen, ob es ihm nicht möglich wäre, für uns beide zwei weibliche Homunkuliden zu erzeugen. Ich bin der Meinung, daß die Erhaltung einer Familie hier nicht teuer kommt!«
Der Professor war sprachlos. Nach einer geraumen Weile erholte er sich.
»Das ist doch die verrückteste Idee, auf die jemand kommen kann!« rief er aus. »Diese Bitte wird Ihnen wohl niemals erfüllt werden. Was Sie wünschen, verstößt gegen die Grundsätze dieses Staates!«
»Was geht mich dieser Staat an?« fragte Lorenz. »Übrigens sind diese Automaten hier so gefällig, daß sie uns wohl auch diesen Wunsch erfüllen werden!«
»Ich habe Sie wirklich für klüger gehalten«, sagte der Professor. »Aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß es mir sehr unlieb wäre, wenn Sie wirklich diesen Wunsch äußerten. Auf keinen Fall dürfen Sie sagen, daß ich mir auch eine Homunkulidin wünsche; das verbiete ich mir! Sie werden übrigens sehr wenig Entgegenkommen finden!«
Lorenz ging. Bei der Tür drehte er sich nochmals um.
»Herr Professor, verzeihen Sie eine Frage...«
»Bezieht sie sich auf denselben Gegenstand?«
Lorenz zögerte erst. »Ich habe eine Photographie von der Wetti – eine aus ihren jüngeren Jahren. Sie war damals ein sehr hübsches Frauenzimmer. Wenn ich dem Direktor diese Photographie gebe, glauben Sie, daß er mir danach eine Frau machen lassen kann?«
»Sie sind ein Narr!«
Der Professor drehte sich geärgert um.
Eines Abends kündigte der Professor Lorenz an, daß in der Frühe des nächsten Tages die interessante Expedition unternommen werde.
Lorenz' Herz klopfte vor Freude.
»Ich hoffe, Sie haben unterdes auf Ihren törichten Wunsch verzichtet«, meinte der Professor.
Lorenz schwieg, er wollte den Professor nicht ärgern und wollte auch nicht lügen.
»Sie wissen gar nicht«, fing der Professor an, »wie unendlich schwer es ist, Einlaß in dieses Etablissement zu erlangen. Es ist ein großartiges Entgegenkommen der Regierung, die es uns, wenn auch nach einigen Schwierigkeiten, gestattete, die seltsame Anstalt zu besichtigen. Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, den Direktor nicht mit Ihrer verrückten Bitte zu behelligen!«
»Wird uns der Herr Direktor selbst führen?«
»Jawohl – aber ich werde es ja zu verhindern wissen, daß Sie Ihre Bitte vorbringen!«
Lorenz schwieg. Er zuckte bloß die Achseln, was er immer tat, wenn er etwas im Sinne hatte, was nicht mit den Wünschen des Professors übereinstimmte.
Ein großes Automobil nahm die Herrschaften auf. Lorenz war schon sehr begierig, die merkwürdige Anstalt kennenzulernen. Er erklärte, daß er glaube, noch nie ein so langsames Automobil gesehen zu haben wie dieses.
Plato und Archimedes fuhren mit. Der Professor erklärte ihnen, er habe die ganze Nacht nicht schlafen können. Er mußte immer daran denken, wie groß, wie mächtig die Einwirkung der Erfindung der Homunkuliden die ganze Welt verändert habe.
»Ich bin eigentlich viel schlechter daran als jeder Reisende oder Forscher vor mir«, sagte er. »Was diese erforscht und gefunden haben, konnten sie als Neues und Großes ihren Mitlebenden mitteilen. Ich kann das nicht tun. Was ich hier sehe und erfahre, sehe ich für mich allein. Die einst mit mir lebten, sind viele Hunderte von Jahren schon tot und begraben. Wofür habe ich diese Reise unternommen?« Das Automobil fuhr in eine riesig breite Straße ein, die von ganz eigenartigen Fuhrwerken belebt war. Dunkel lackierte Omnibusse, mit seltsamen sargähnlichen Kisten beladen, fuhren in ununterbrochener Reihe daher.
»Das sieht ja aus wie Särge?« fragte der Professor betroffen.
»Es sind auch Särge«, erklärte Plato. »Diese Straße führt zum Krematorium der Stadt und alle Homunkuliden, die diese Stadt derzeit bewohnen, werden einst diese Straße fahren!«
Der Professor sah sinnend hinaus. Das Automobil passierte Hunderte von Leichenwagen.
»Na, eine solche Leiche gefällt mir nicht«, gab Lorenz seinen Senf dazu. »Das war bei uns schon hübscher. Erstens die Menge von Kränzen, die schönen Wagen mit den Leidtragenden, dann gar eine Veteranenleich' oder eine Generalsleich', wo sie mit den Kanonen geschossen haben! Das war etwas! Oder wenn ein berühmter Mann gestorben ist und an dem Grabe wurden Reden gehalten – das da draußen heißt ja gar nichts!«
»Erinnern Sie sich nicht mehr«, sagte der Professor, »an das große Krankenhaus in unserer Stadt, aus dem dann bei Nacht die Leichen der Armen und Elenden hinausgeführt wurden, die Leichen jener, um deren Leben und Sterben sich niemand kümmerte? Hier ist das alles gleich – einer wird wie der andere begraben. Es hat ja auch einer wie der andere gelebt!«
»Und von gar keinem Homunkuliden wird die Asche aufbewahrt? Auch nicht von denen, die sich große Verdienste erworben haben?«
»Ihre Verdienste leben in ihren Werken fort. Ihre Asche ist tot. Wir begnügen uns mit den Werken!«
»Herr Professor, das ist das Traurigste von allem, was wir in dem Homunkulidenlande gesehen haben!« sagte Lorenz. »Ich habe genug davon.«
»Ich verstehe Herrn Lorenz nicht«, sagte Plato. »Warum ist er so böse?«
Der Professor ergriff das Wort. »Meine Herren, zu unserer Zeit war die Sache eine andere. Die Verehrung, die wir für einen großen Menschen hegten, übertrugen wir auch auf seinen Leichnam. Dorthin, wo die Gebeine des großen Toten ruhten, wallfahrtete die gebildete Welt. Sein Grab deckte ein Denkmal, das der Ausdruck der Dankbarkeit seiner Zeitgenossen war, Und wenn Hunderte von Jahren vergangen waren, zu der durch die große Erinnerung geweihten Stätte pilgerten Jahr für Jahr Tausende und aber Tausende. Dem Andenken des großen Mannes wurden dann allerorten Denkmäler errichtet.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte Plato einfach; »wenn das Leben aus ihm geschwunden war, dann verehrte man in den toten, verfaulenden und vermorschenden Knochen noch den großen Geist, der in dem zerfallenen Gehäuse lebte? Eine sonderbare Sache das!«
»Und wenn Sie die Totenasche wie Mist auf die Felder streuen, so finde ich das nicht viel sonderbarer, ich finde es – wie soll ich nur sagen – gemein, ordinär, niederträchtig, einfach scheußlich«, fuhr Lorenz auf.
Aber Plato blieb ruhig.
»Wenn wir den toten Staub der Erde, aus der er entnommen war, wieder zurückgeben, dann tritt er wieder in den Kreislauf des Lebens ein. Neues Leben bindet ihn zu neuer Form – und der tote Staub erfährt eine Auferstehung; jenes sehnsüchtige Ideal, das in allen Religionen Ihrer Zeit lebte, wird zur Wahrheit! Aber in höherer, reinerer Form, als die Menschen Ihrer Zeiten es sich vorstellten.«
»Und woher soll das Leben für den toten Staub kommen?« fragte höchst geringschätzig Lorenz.
»Dorther, wo alles Leben dieser Erde kommt, von der Sonne!«
»Wie ich sagte: Sonnenkinder!« fiel der Professor ein.
»Die reinen Feueranbeter!« bemerkte Lorenz. Er sah dabei sehr verdrossen drein.
Während die Herren dieses Gespräch führten, wurden unablässig Särge in den elektrischen Flammenofen geschoben, und unaufhörlich rollten die Wagen mit neuen Särgen herbei. Ruhig, ohne jedes Zeichen der Erregung, schritten die Homunkuliden dahin. Lorenz und der Professor folgten.
Beim Ausgang der Halle blieben die Homunkuliden stehen, den Professor und Lorenz erwartend.
»Ich verstehe Sie jetzt«, sagte der Professor. »Für Sie ist der für uns so traurige Akt kein Akt der Trauer. Hier beginnt bei Ihnen die Umwandlung. Hier ist die Stelle – nicht des Todes, nein, hier ist die Stelle, wo der tote Staub, wie Sie sagten, wieder in den Kreislauf des Lebens eintritt.«
Die Homunkuliden nickten.
Lorenz hatte seine eigenen Gedanken dabei. »Ja, wenn man sich nur erinnern könnte, daß man einmal schon dagewesen ist«, dachte er sich. »Und die Geschichte soll immer so fort gehen – siebzig – achtzig Jahre leben, dann sterben – dann auferstehen, dann wieder leben, um wieder zu sterben und wieder aufzuerstehen. Abwechslung ist wenig, verflucht wenig dabei. Möglich, daß es so ist – mir kann's recht sein.«
Die Herren bestiegen wieder das Automobil.
»Wohin geht es jetzt?« fragte Lorenz.
»Dorthin, wo die Homunkuliden erzeugt werden«, erklärte der Professor.
»Das wird doch etwas hübscher sein als dahier«, bemerkte Lorenz und griff dabei in die Seitentasche seines Rockes, um sich zu vergewissern, ob er die Photographie seiner Wetti noch da habe.
Die Anstalt, zu der sie nach reichlich einer Stunde gelangten, war ein umfangreicher Komplex von Gebäuden, umgeben von grünenden Anlagen. Der Eintritt gestaltete sich etwas schwierig. Als die Gesellschaft anlangte, ward sie erst in ein großes Zimmer neben dem Tor geführt. Plato wies einem Beamten eine Anzahl von Papieren vor, die alle, wie Lorenz' scharfsichtiges Auge bemerkte, das rote Staatssiegel der Homunkuliden trugen. Der Beamte bat die Herren, ein wenig zu warten, und entfernte sich.
»So genau ist es noch nirgends zugegangen«, bemerkte Lorenz, »haben die Angst, daß wir ihnen ein paar Kinder stehlen?«
»Nein, nein«, sagte Plato, »aber es ist wirklich sehr schwer, in eine solche Anstalt Eintritt zu erlangen. Und das mit Recht. Der Dienst hier ist ein außergewöhnlich strenger, das geringste Versehen kann dazu führen, daß eine große Anzahl von Homunkuliden nicht in solchem Maße lebensfähig wird, daß sie in voller Gesundheit die beanspruchte Zeit dem Staate dienen kann. Wir werden auch, trotz der außerordentlichen Erlaubnis, die wir erhalten haben, uns in jenem Raume, in dem sich die erste Entwicklung des Homunkuliden vollzieht, nicht lange aufhalten dürfen.«
Nachdem die Herren ungefähr eine Viertelstunde gewartet hatten, erschien ein Homunkulide, geleitet von zwei anderen Herren. Es war der Direktor der Anstalt.
Er begrüßte die Herren und teilte ihnen gewissermaßen als Mahnung zu einem äußerst ruhigen und vorsichtigen Verhalten mit, daß es heute das erstemal während seiner nun schon fast dreizehnjährigen Dienstzeit sei, daß er die erfreuliche Gelegenheit habe, Fremde in diesen Räumen herumzuführen.
Man merkte es dem Herrn an, daß er noch nicht viel in Gesellschaft gewesen sei, er war sehr ernst, fast abweisend, und schien über den Besuch durchaus nicht erfreut zu sein.
Zuerst wurden sie in einen großen Saal geführt, der wie ein chemisches Laboratorium aussah. Tische, mit Diamantplatten bedeckt, standen in Reihen da. Auf den Tischen lag und stand mancherlei sonderbar geformtes wissenschaftliches Gerät. An vielleicht zehn bis zwölf solcher Tische waren Herren bei ihren Apparaten beschäftigt. Sie sahen nicht einmal auf, als die Gesellschaft eintrat.
»Dieser Raum dient eigentlich nur zur Durchführung von Proben oder besonderen Experimenten«, erklärte beim Durchschreiten der Direktor. »Interessanter ist der Nebenraum;« er öffnete eine Tür und die Herren traten in ein großes, dem Nebenraum ähnlich eingerichtetes Zimmer. Die gleichen Tische, die gleichen Apparate, aber an jedem Tisch saßen sehr ernste Herren, die eifrig mikroskopische Beobachtungen anstellten.
»Als es uns gelungen war«, fing der Direktor zu dozieren an, »Eiweiß, diese sonderbarste und in ihrer Wandelbarkeit wundervollste organische Verbindung, künstlich darzustellen, war die Möglichkeit gegeben, lebende Wesen zu schaffen. Es dauerte Jahrhunderte, ehe das Geheimnis der unzähligen verschiedenen Eiweißverbindungen gelöst war. Als man aber den Schleier auch von diesem großen Geheimnis gehoben hatte und es einem Forscher gelang, durch Zusammenführung verschiedener Eiweißverbindungen das lebende Protoplasma zu erzeugen, hatten wir gewonnenes Spiel. Schlag auf Schlag folgten nun die großartigsten Entdeckungen, als deren Kern die Erkenntnis vom Wesen des tierischen Lebens gilt. In diesem Räume wird das künstliche Protoplasma erzeugt und diese Herren haben die Aufgabe, das erzeugte Protoplasma physikalisch und chemisch zu untersuchen, ob es den von der Anstalt gestellten Anforderungen entspricht.«
Der Professor tat einen Blick durch ein Mikroskop, Lorenz desgleichen und schüttelte enttäuscht sein weises Haupt und erklärte sich sehr unzufrieden.
Auch der Besuch der nächsten Säle befriedigte ihn nicht.
Der Herr Direktor hielt einen langen Vortrag, von dem Lorenz gar nichts verstand. Man sah durch verschiedene Mikroskope und stets behauptete er, daß nichts darin zu sehen sei.
Der Herr Professor zeigte sich ungemein dankbar für die Darbietungen des Direktors.
Dann aber kamen sie in ein Gemach, das Lorenz lebhaft fesselte. Unangenehm war ihm nur, daß es fast nachtdunkel darin war. Eine Kugel, die ein seltsames, gelbes Licht ausströmte, erhellte höchst ungenügend den Raum.
Als sich endlich Lorenz' Augen halbwegs an die Dämmerung gewöhnt hatten, sah er, daß in dem Raum große Regale aufgestellt waren, in deren Fächern, schön geordnet, sechskantige Glasprismen aufgestapelt waren, so daß ein solches Regal beinahe wie die Wabenwand eines Bienenstockes aussah. Mit Erstaunen vernahm Lorenz, daß die Glaszellen auch dem gleichen Zwecke dienten wie die Brutzellen in den Bienenwaben, daß in diesen Glaskästen die Entwicklung der Homunkuliden vom künstlichen Ei bis zum künstlichen Menschen sich vollziehe.
Nach längerem genauen Betrachten merkte er, daß jedes Kästchen mit zwei feinen Gummischläuchen versehen war, die zu einem großen Glasgefäß führten, das in der Mitte des Raumes aufgestellt war.
Aus den Gesprächen des Professors konnte er entnehmen, daß in jenem Glasgefäß die Ernährungsflüssigkeit für all die hundert Embryos in den Kästchen enthalten war, die den im Werden begriffenen Wesen automatisch durch die Schläuche zugeführt wurde. Der Professor sah auf Einladung des Direktors in mehrere dieser Kästchen hinein und zeigte sich immer über das Gesehene höchst befriedigt. Auch Lorenz sah hinein, sah zuerst einen kleinen rötlichen Klumpen, im nächsten Kästchen einen größeren rötlichen Klumpen. Er war darob sehr enttäuscht.
In dem Räume herrschte eine fürchterliche Hitze. Lorenz rann der Schweiß in hellen Tropfen über das Gesicht. Er war herzlich froh, als man hinausging. Auf dem Gange draußen atmete er erleichtert auf. »Ah – Luft, nur Luft!«, sagte er begeistert. Jetzt erst bemerkte er, daß die Homunkuliden Plato und Archimedes nicht mehr bei der Gesellschaft waren. Verwundert fragte er nach ihnen und erfuhr, daß jedem Homunkuliden strengstens verboten sei, diese Räume zu betreten.
Die größte Überraschung aber ward ihm im nächsten Saale zuteil. Es war darin etwas heller und ein sonderbares Geräusch erfüllte den Raum. Eine Menge dienender Homunkuliden war darin beschäftigt. Ihre Tätigkeit versetzte Lorenz in grenzenloses Erstaunen.
Sie öffneten die Glaszellen, nachdem sie die darin enthaltene Flüssigkeit durch einen der beiden Schläuche abgelassen hatten, und hoben aus dem Kästchen den rötlichen Klumpen heraus. Und dieser Klumpen, dessen Formen Lorenz infolge der herrschenden Dämmerung nicht ausnehmen konnte, fing unter den Händen der Arbeiter wie ein neugeborenes Kind mißtönig zu quaken an.
»Aha«, sagte Lorenz, »hier kommen Homunkuliden zur Welt...!«
Der Professor sah mit leuchtenden Augen auf die geschäftigen Homunkuliden. Er wollte etwas zu dem Direktor sagen, aber das allgemeine Gequake und Wimmern im Saal machte seine Rede unverständlich. Die Temperatur war fast die gleiche wie im früheren Saale, nur machte sich hier zur Erhöhung der Unannehmlichkeiten ein sonderbarer fader Geruch bemerkbar und eine Schwüle, die den Atem beklemmte. Trotz seiner Bewunderung der ungeheuren Fortschritte der Homunkuliden war er herzlich froh, als er mit dem Direktor und Lorenz den Saal verlassen konnte.
»Sie werden jetzt ein wenig müde sein«, meinte der Direktor. Er lud sie ein, an einem Tisch unter einer herrlichen Platane ein wenig Platz zu nehmen, Er rief einen Diener herbei, dem er befahl, für die Herren einige Erfrischungen zu bringen.
»Wir sind zum großen Teil mit der Besichtigung dieser Anlage eigentlich fertig«, sagte der Direktor, »es erübrigt uns nur noch, jene Räumlichkeiten zu besichtigen, in denen die neugeborenen Homunkuliden während der ersten Wochen ihres Lebens gepflegt werden.«
Lorenz, dem der Appetit nicht vergangen war, trotzdem er so vieles hatte sehen müssen, was seinen Anschauungen, die er im allgemeinen über die Menschwerdung des Stoffes hatte, zuwider war, begrüßte den Speisenträger mit höchst wohlwollendem Kopfnicken. Während des Speisens fragte der Professor den Direktor, wie viel Homunkuliden jährlich aus dieser Anstalt hervorgingen und ob ihre Zahl eine konstante sei.
Der Direktor verneinte.
»Wir wären wohl imstande, durch diese Anstalt die Anzahl der Homunkuliden jährlich um zwanzigtausend Nummern zu vermehren. Doch werden stets nur achttausend bis höchstens zehntausend im Jahr erzeugt. Alljährlich gibt uns die Regierung den notwendigen Bedarf von Homunkuliden nach Kategorien geordnet an.«
»Ihr Budget bezieht sich also nicht auf Millionen in Geld, sondern auf Millionen von Menschen?«
»So wie bei uns der Kriegsminister Rekruten verlangt hat«, schaltete Lorenz ein.
»Herr Professor haben nicht unrecht. Eine Grundbedingung unseres Staates, unseres Wohlbefindens ist die, daß nie viel mehr oder viel weniger Homunkuliden da sind, als wir benötigen. Nach Elementarkatastrophen, wie bei dem letzten Erdbeben in Italien, bei dem der südlich von Neapel gelegene Teil mit der Insel Sizilien fast gänzlich im Meere verschwand und mit einem Schlage Millionen Homunkuliden vernichtet wurden, werden freilich an unsere Anstalt erhöhte Ansprüche gestellt. Wir müssen dann trachten, jenen Verlust an Menschenleben sobald als möglich wieder gutzumachen, damit das Getriebe unseres Staates keine erhebliche Störung erfährt.«
»Sagen Sie mir nur noch eines«, begann der wißbegierige Professor. »Werden alle Homunkuliden gleichartig erzeugt oder gibt es da gewisse Unterschiede?«
»Jawohl!« erwiderte der Direktor. »Aus dieser Anstalt kommen zumeist Beamte, Lehrer, Professoren, kurz, geistige Arbeiter heraus. Der Embryo wird da von Anfang an anders behandelt; auf die Vorbildung des Gehirns wird das größte Gewicht gelegt. Auch bei der späteren Erziehung der jungen Homunkuliden wird strengstens darauf geachtet, alles vorzukehren, damit sie in dem Beruf, für den sie geschaffen wurden, recht tüchtig sind. In anderen Anstalten werden nur Arbeiter ausgebildet, Leute, die zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit stark entwickelter Muskeln bedürfen, und so weiter.«
»Wo bleibt da die Gleichheit?« empörte sich Lorenz. »Hier muß einer das werden, wozu er in der Fabrik bestimmt wurde! Ist das recht? Bei uns konnte ein Bauernsohn Papst werden! Napoleon war der Sohn eines kleinen Advokaten! Nein, das ist ungerecht!«
»Sind bei Ihnen keine Talente verkümmert? Sind bei Ihnen infolge der Ungunst der Verhältnisse nicht Genies zugrunde gegangen und haben niemals Dummköpfe über Weise geherrscht?« fragte der Direktor.
Lorenz schwieg. Er dachte an seine Zeit zurück, in der solche Fälle ziemlich häufig waren.
»Wir sind nicht ungerecht, Herr Lorenz«, fuhr der Direktor fort. »Die Gleichheit bei uns besteht darin, daß jeder, er mag aus der oder jener Fabrik stammen, das gleiche Anrecht am Leben hat. Derjenige, der mit seiner Körperkraft für den Staat arbeitet, ist in seinen Pflichten und Rechten vollkommen gleichgesetzt dem, der nur mit seinem Gehirn arbeitet. Nach Ihrer Anschauung bin ich einer der ersten Beamten des Homunkulidenstaates – mir ist, was die Befriedigung meiner Bedürfnisse anlangt, kein besseres Los beschieden als dem einfachen Fabriksarbeiter oder Feldarbeiter, der die Sämaschine über die Gebreite der Fluren führt. Bei Ihnen war maßgebend für die Zukunft eines Menschen die Wiege, in der er als Kind gelegen ist. War's eine königliche Wiege, nun, da ward er König oder Prinz, wenn er auch kaum zu einem Straßenarbeiter getaugt hätte. Er war immer mehr als die tausend und aber tausend anderen, die in minderwertigen Wiegen das Licht der Welt erblickten und trotzdem in jeder Beziehung hoch über ihm standen. Dem haben wir gründlich abgeholfen. Wir geben im vorhinein jedem Homunkuliden ein gewisses Maß von Fähigkeiten mit, das ihn zu einem gewissen Beruf tauglich macht, und reihen ihn dann in diesen Beruf ein!«
»Zu unserer Zeit ist's eben nicht so fabriksmäßig zugegangen!« sagte Lorenz kleinlaut.
»Ja, ja, Herr Lorenz«, fuhr der Direktor fort, »bei der einen Kategorie entwickeln wir das Gehirn, bei der anderen die Muskeln.«
Lorenz mußte unwillkürlich an die dickköpfigen Mathematikprofessoren denken.
»Ja, das kenne ich«, sagte er. »Es ist in jeder Beziehung großartig, was Sie da zustande bringen. Ich glaube auch, daß Sie, wenn Sie wollten, mir auch meine Bitte erfüllen könnten.«
»Und worin bestände die?« fragte der Direktor.
Lorenz griff nach seiner Photographie.
Der Professor riß ihm den Arm zurück.
»Lorenz, Sie werden doch jetzt nicht wirklich mit dieser unsagbaren Dummheit daherkommen?«
»Es ist keine Dummheit, Herr Professor«, sagte Lorenz, »als ich mit Ihnen einschlief, war ich der festen Meinung, daß es auch nach zweitausend Jahren noch Weiber geben werde. Hätte ich gewußt, daß das nicht der Fall ist, ich hätte mir es wohl überlegt, das Experiment zu machen. Ich bin vom Weibe geboren, und so zieht es mich immer zum Weibe hin. Sie sind anders in der Art, Herr Professor, und Sie dürfen es mir nicht verübeln, daß ich so bin, wie ich bin.«
»Was will Herr Lorenz?« fragte der Direktor.
»Es ist ein Unsinn, den Sie niemals gestatten können«, wehrte der Professor ab. »Lorenz«, wendete er sich an diesen, »lassen Sie heute diese Sache! Ich werde zu Hause eingehend mit Ihnen darüber reden. Und wenn Sie dann trotz meines Zuredens nicht anders wollen, dann will ich selbst Ihre Bitte den kompetenten Persönlichkeiten zu Gehör bringen.«
»Nein«, sagte der obstinate Lorenz, »wir werden nicht so bald wieder mit dem Herrn Direktor zusammenkommen; ich muß die Gelegenheit beim Schopf ergreifen.«
»So tun Sie, was Sie wollen oder müssen!« beendete der Professor die Rede und kehrte dem Diener empört den Rücken zu.
»Was wünschen Sie denn, Herr Lorenz, von mir?« fragte der Direktor.
Der Professor saß zornig in sich gekehrt da. Lorenz begann nach einigem vorbereitenden Schweigen folgendermaßen:
»Hochverehrter Herr Direktor! Sie werden von Ihren Studien her noch wissen, daß die Menschen zu unserer Zeit anders waren als die Homunkuliden. Sie besorgten die Fortpflanzung in eigener Regie, was den meisten sehr angenehm war, besonders, wenn einer die Mittel dazu hatte. Ich bin auch aus jener Zeit und hab' vor zweitausend Jahren eine Geliebte zurückgelassen, die mich sehr verehrt hat!«
»Lügen Sie nicht!« fuhr der Professor dazwischen.
»Pardon, Herr Professor, eine Geliebte, die ich sehr verehrt habe und die nun natürlich schon lange gestorben ist. Ich lieb' sie noch immer sehr und möchte Sie bitten, Herr Direktor, ob Sie mir nicht die kleine Gefälligkeit erweisen wollten, mir nach diesem Muster...«, er zog Wettis zweitausendjährige Photographie aus jüngeren Jahren aus der Tasche und reichte sie dem Direktor hin, »ob Sie mir nicht nach diesem Muster ein Frauenzimmer herstellen lassen könnten?«
Der Direktor war ganz betroffen.
»Wir sollten einen weiblichen Homunkuliden erzeugen?« fragte der Direktor.
»Ich würde sehr darum bitten«, antwortete Lorenz und faltete, mit Tränen im Auge, demütig die Hände.
»Das wird nicht gehen, Herr Lorenz«, antwortete der Direktor. »Da muß in erster Linie die Staatsregierung befragt werden, und ich glaube kaum, daß die ein so gefährliches Experiment gestatten wird.«
»Lorenz, das hätten Sie mir und sich ersparen können«, sagte erregt der Professor. »Ich habe Ihnen das Vorbringen einer solchen Bitte doch strengstens verboten!«
»Herr Professor, diese Sache ist eine Privatangelegenheit«, erwiderte energisch der treue Diener.
»Das wird wohl nicht leicht möglich sein«, erwiderte gedankenvoll der Direktor. »Ich werde jedenfalls pflichtgemäß Ihren Wunsch der Regierung vorlegen!«
»Wie lange kann es dauern, bis die Sache erledigt wird?« fragte aufgeregt Lorenz.
»Wenn es vor das Parlament kommt, was jedenfalls bei der Wichtigkeit der Angelegenheit der Fall sein wird, so nimmt das immerhin vier bis sechs Wochen in Anspruch.«
»Das wäre nicht so viel«, sagte befriedigt Lorenz.
»Wenn das Parlament den Antrag genehmigt, so ergeht dann sofort der Auftrag an unsere Anstalt.«
»Das ist brav«, meinte Lorenz und rieb sich vergnügt die Hände. »Also ich bitte recht sehr, Herr Direktor, unterstützen Sie mein Gesuch!«
»Ich werde mein Bestes tun.«
Lorenz war überfroh. »Herr Professor«, wendete er sich an diesen, »seien Sie mir nicht gar zu böse, aber ich kann nicht anders. Meine Sehnsucht ist zu groß. Wenn ich geahnt hätte, daß man in dieser Zeit die Weiber abgeschafft hat, ich wäre sicherlich nicht mitgegangen!«
»Und haben Sie denn auch überlegt, wann diese neu zu erzeugende Homunkulidin fertig sein kann? Ich bitte, Herr Direktor, ihm darüber Aufschluß zu geben.«
»Vor zwanzig Jahren tritt kein Homunkulide in den öffentlichen Dienst. Herr Lorenz wird also mindestens einundzwanzig Jahre warten müssen – günstigstenfalls –, bis wir seinen Wunsch erfüllen können.«
»Einundzwanzig Jahre, das ist viel – sehr viel«, murmelte Lorenz vor sich hin. »Bis dahin bin ich zweitausendsiebenundfünfzig Jahre alt und werde nicht mehr viel von meiner Homunkulidin haben. Das ist böse, sehr böse! Daran habe ich gar nicht gedacht!«
Dem Professor tat der Schmerz des Dieners jetzt leid. »Trösten Sie sich, Lorenz, vielleicht überlegen Sie sich's noch!«
»Nein«, sagte entschieden Lorenz, »ich warte. Schon die Aussicht auf die Erfüllung meines Wunsches hat mich froher und vergnügter gemacht. Ich will warten! Eventuell bringe ich ein Gesuch ein, daß die Regierung ihr gestattet, mit siebzehn oder achtzehn Jahren zu heiraten. Herr Direktor, ich danke Ihnen recht sehr und bitte, unterstützen Sie mich bei meinem Ansuchen!«
»Wie gesagt, ich werde tun, was möglich ist«, sagte mit einer Verbeugung der Direktor.
Damit endete die Unterredung. Der Direktor fragte, ob die Herren geneigt wären, auch die Säuglingsräume zu besichtigen. Der Professor erklärte, vor Begierde zu brennen, auch diesen Teil des Hauses kennenzulernen.