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Flößerzechen machte der vom Teufelstein nie mit, Einmal waren sie ihm zu weit weg vom Walde, den er nie gern verließ, und dann war er im Essen und Trinken äußerst mäßig und hätte in die Flößergesellschaft nicht gut gepaßt. Er begnügte sich, die Pfeife im Mund, ihnen, wenn sie aus der Hölle gefahren, ein Glückauf zuzuwinken, und dann schritt er den Wald hinauf seinem Forsthause zu. Seine Freude war's, die Höllenfahrt kommandiert zu haben. Selten ging er hinüber zum Bachvogt nach St. Roman, noch seltener hinab in den Heuwich zum Auerhahn. Wo er gerne einkehrte, wenn seine Waldgänge ihn dahin führten, das war in Wittichen, seiner Vaterstadt. Dort trank er, aus den Wäldern herankommend, am Abend gerne sein Bier entweder in der Schaffnei oder in der später entstandenen »Schmutzküche«, einem Bierhäuschen außerhalb des Klostertores.
Hier saß er bisweilen beim Spiel bis tief in die Nacht hinein, und bei ihm seine zwei Leibjäger, des Roßburen Isidor und der Schreinerlorenz.
Der Teufelsteiner hatte das Jagdrecht in allen fürstlichen Waldungen ringsum, und die Genannten waren seine Gastschützen. Sie hatten vom Jagdherrn das Privilegium, zu jeder Zeit nach Belieben jagen zu dürfen, sollten ihm aber die Beute abliefern. Das letztere vergaßen sie sehr oft, was er ihnen jedoch nie übel nahm.
Wenn er dann selbst jagte, mußten sie ihm als Treiber dienen.
Beide waren arme Teufel, der Isidor ein Holzhauer und der Lorenz Besitzer eines kleinen Gütchens und später Maulwurffänger.
So oft der Oberjäger ein Schwein schlachtete, lud er seine Unterjäger zur Metzelsuppe ein, ebenso seine Holzhauer und Flößer. Denn wenn und so lange der Teufelsteiner etwas Gutes hatte, mußten seine Untergebenen auch davon haben.
Zur Metzelsuppe spielte er ihnen dann auf der Drehorgel die Tafelmusik.
Einst ließ er seinen zwei Jagdkollegen sagen, sie sollten zur Metzelsuppe kommen und könnten dann, da seine Schweineställe jetzt leer seien, auch bei ihm übernachten, da er im Hause seiner sieben Kinder halber keinen Platz hatte.
Am Nachmittag trabten sie an, jeder ein Bündel Stroh auf dem Rücken. Als der Teufelsteiner sie fragte, was sie da hätten, meinten sie: Unser Bett, wenn wir im Stall übernachten sollen.
So verstanden diese Waldleute Humor mit Humor heimzuzahlen.
Kam er bisweilen lange nicht heim von Wittichen, der Teufelsteiner, und seine Heli wollte ihm eine Predigt halten, so spekulierte er auf die Leichtgläubigkeit seines braven Weibes. Er entschuldigte sich mit allerlei Gespenstern, die ihm unterwegs begegnet seien. Einmal war das Gespenst ein Lichtlein, das ihn begleitet und irregeführt hatte, ein andermal war eine Herde geheimnisvoller Schweine ihm in den Weg gelaufen, oder die Felsen hatten sich in Jungfrauen verwandelt oder Haselstauden, die er früher nie gesehen, ihm mitten im Weg das Gehen erschwert.
Düster genug war sein Heimweg, und darum konnte einem allerlei passieren.
Das Tälchen des Böckelsbachs hinauf führt der Weg in Wald und bleibt 1 ½ Stunden lang bergauf, bergab im Tannengrün. Durch das »Rabinerloch« führt er zunächst zum »Schlößle«, wo einst der Ritter hauste, der einen Rabiner im Wald getötet. Vom Schlößle geht's zur Bergwand, Meiers Helge Helge bedeutet Heiliger, Heiligenbild. genannt, wo an einer Tanne ein Bild der Dreifaltigkeit hängt, von da steil hinab ins Tal des Heubachs – und von dem wieder durch den Wald hinauf zum Forsthaus.
Und doch hätte der Teufelsteiner mehr denn einmal jede Wette eingegangen, mit verbundenen Augen den Weg von Wittichen nach seinem Heim zu machen. Es wettete aber niemand mit ihm, weil man es für unmöglich hielt.
In Wittichen war es auch, wo sie in den siebziger Jahren einmal ein unehelich Kind von den Bergen herabbrachten, dem niemand Pate sein wollte. Da saß in der Schmutzküche der Teufelsteiner, und den sprach der Pfarrer um die Patenstelle an. Er sagte zu, wollte aber nicht in dem alten Waldkittel, den er eben anhatte, der heiligen Handlung beiwohnen; darum zog er einen langen, schwarzen Rock des Pfarrers an und hob das Kind über die Taufe.
Der Täufling, eine »Sie«, lebt heute im Waldstein bei Hasle, und als 1893 die Kunde kam, der Pate am Teufelstein sei gestorben, machte sie den weiten Weg nach St. Roman und ging ihm aus Dankbarkeit »mit der Leich'«. –
Im Witticher Tal wohnte in jenen Tagen auch einsam am Weg ein durstiger Schuhmacher, und der hätte den Förster manchmal gerne begleitet, wenn dieser zur Sommerszeit aus dem Wald an seiner Hütte vorbeikam und vor der Heimkehr in Wittichen noch sein Bier trinken wollte.
Aber wenn des Schusters Weib daheim war, ging es nicht, und wenn dieses draußen an der Berghalde gegen das Kloster hin Kartoffeln hackte, ging es auch nicht, weil sie unten den Weg passieren mußten, über dem das Weib an der Halde stund.
Für den letzteren Fall wußte der Teufelsteiner Rat. Er riet dem Meister Knieriem, die Kleider seines Weibes anzuziehen und als »Wible« mit ihm gen Wittichen zu wandern. Ein Weibsbild sei um Wittichen 'rum gekleidet wie das andere, und niemand werde von der Halde herunter in den Weiberröcken den Schuhmacher vermuten, selbst sein eigenes Weib nicht.
Es geschah, und der Schuster kam zu seinem Bier, bis es die Schusterin wunder nahm, was für ein Weiblein so oft mit dem Förster unten vorbeiwandle und dann wieder allein zurückkehre. Sie ging deshalb eines Tages beiden nach bis in die Schmutzküche und erkannte dann in dem Häs der Schusterin ihren eigenen Schuster.
Dieser, ein kleiner Mann, lustig und lebensfroh, kam bald darauf elendiglich ums Leben. Er hatte mit seiner Ehehälfte an einem Sonntag einen Ausflug gemacht hinab ins Städtle Schiltach. Hier trank er beim »Jaköbele« einige Schöpple und machte sich dann munter und fidel Schenkenzell und der Heimat zu.
Hinter dem Dorf Schenkenzell fließt aus dem Eselsgrund ein kleines Wasser in den Talbach. Seine Mündung heißt das Eselswehr. In dieses fiel das lustig tanzende Schuhmächerle. Sein Weib sprang ihm nach, konnte ihn aber nicht herausfischen; sie hielt ihm den Kopf über Wasser und schrie aus Leibeskräften um Hilfe.
Es kamen Leute; die retteten das Schusterspaar aus dem Eselswehr, legten aber den Bewußtlosen in den nassen Kleidern beim Eselsschreiner in eine kalte Kammer. Am Morgen war der lustige Schuhmacher ein toter Mann. Der Fürst vom Teufelstein aber erwies ihm die letzte Ehre. –
Dieser kam nie aus seinem Waldrevier, außer wenn er amtlich nach Wolfe mußte. Es gefiel ihm eben auch nirgends, als in seinem Walde. Nie ging er deshalb auch nur nach Hasle zu seinem Bruder, dem Wagner Fürst, meinem Nachbar, der mir, dem Knaben, oft vom Förster im Heubach sprach. Ja nicht einmal hinab nach dem nahen Schilte oder hinauf nach Alpirsbach zog er zu einem der vielen Jahrmärkte.
Eine Ausnahme machte er bisweilen an des Großherzogs Geburtstag, 9. September; da ritt er in Gala und mit dem Hirschfänger hinab nach Wolfe, wobei einmal beim Heimritt sein Rößlein so üppig wurde, daß es mit seinem Reiter in den Brunnentrog des Stadtbrunnens setzte.
Sein Waldfreund, der Forstverwalter Bogenschütz, dessen Frau von Offenburg war, drang, als die Eisenbahn im Jahr 1866 bis Hausach ging, in den Teufelsteiner, mit ihm nach Offenburg zu fahren, um die Eisenbahn und auch einmal eine größere Stadt zu sehen.
Ungern gab der Waldmann endlich nach und stellte sich am bestimmten Tage im grünen Rock mit Pfeife und Hirschfänger in Wolfe ein. Mit dem Omnibus ging's bis Hufen und von dort mit der Bahn talab. Je weiter sich diese aber von den Bergen und Wäldern des oberen Kinzigtals entfernte, um so kleinlauter und melancholischer wurde unser Beiförster.
In Offenburg angekommen, verabschiedete er sich alsbald von seinem Freunde unter dem Vorwand, ein wenig in der Stadt sich umzusehen. Kaum war er aber dem Forstverwalter aus den Augen, so eilte er dem Bahnhof zu und fragte nach dem Abgang des nächsten Zuges ins Kinzigtal.
Die Zeit bis zur Abfahrt benützte er, um seinem Freund Bogenschütz folgenden Brief zu schreiben, den er ihm per Eilboten in die Brauerei Schuhmacher zuschickte, wo dieser, als dem Geburtshaus seiner Frau, logierte:
»Lieber Herr Forstverwalter! Verzeihen Sie mir, daß ich Sie itzt schon wieder verlassen habe; ich halte, es aber vor Heimweh nach meinem Walde nicht mehr aus. Seien Sie für mich außer Sorgen, denn ich bin mit dem nächsten Zuge wieder heimgereist und will diese Nacht noch am Teufelstein sein.« –
So ungern der brave Mann in die Welt ging, ebenso begierig war er auf das, was in derselben vorging. Er hielt darum, als seine Kinder größer geworden waren, und ihr Brot teilweise selbst verdienen konnten, stets einige Zeitungen. Es waren dies abwechselnd die Berliner Morgenzeitung, die Konstanzer Zeitung, der Schwarzwälder Bote, die Badische Presse, das Mannheimer Journal, der Anzeiger für Stadt und Land, das Donaueschinger Wochenblatt, der Kinzigtäler, der Vetter aus Schwaben und das landwirtschaftliche Wochenblatt.
Auch ein großer Liebhaber von Lotterielosen war er, gewann aber nur einmal – zwölf Paar Kinderstrümpfe. Trotzdem nahm er alljährlich zehn Lose der Donaueschinger Pferdelotterie und schrieb dann jedesmal dem Verkäufer derselben, er möge die gewonnenen Pferde in Empfang nehmen und ihm alsbald übersenden.
Seine ganze, aber ungestillte Sehnsucht war ein schönes, kostbares Pferd. Er mußte sich stets mit den allerbilligsten begnügen und kaufte in der Regel die elendesten Klepper. Sie waren bei ihm aber so geschont und so gut gepflegt, daß sie fett wurden.
Hatte er dann eines gemästet, so erschien im Schwarzwälder Boten oder im Kinzigtäler die folgende Notiz: »Ein schönes Pferd, zwölf Zentner schwer, zum Wursten geeignet, zum Reiten gut, zum Fahren ausgezeichnet, hat zu verkaufen oder gegen einen alten, mageren Klepper mit guten Knochen zu verhandeln – der fürstlich fürstenbergische Förster Fürst am Teufelstein.«
Aehnlich hieß es ein andermal: »Einen himmelblauen Wagen und eine hartfette Kuh hat abzugeben der Fürst vom Teufelstein.«
Pferde- und Kuhhandel war eine Lieblingsbeschäftigung des alten Jägers, und die Metzger von Wolfe und Schilte, die Juden von Schmieheim und der Viehhändler Bärlocher von St. Roman waren gern gesehene Leute im Forsthaus. Doch als der letztere ihm einmal für gutes Geld eine Kuh verkaufte, die nichts taugte, ließ er alsbald im Kinzigtäler also sich vernehmen: »Wenn jemand eine teuere Kuh kaufen will, die nicht trägt, keine Milch gibt und sonst nichts ist, der soll sich vertrauensvoll an den Bärlocher wenden. Fürst vom Teufelstein.«
Der Bärlocher war auch ein Original. Er war ein nachgeborener Sohn des Klausenburs von St. Roman und hatte »im Bärloch« ein Gütchen, daher sein Name.
Sonst hieß er Klaus Dieterle und war der schlauste christliche Viehhändler im oberen Kinzigtal. Mit seinen Konkurrenten, den Juden, teilte er auch die Sparsamkeit und Genügsamkeit. Mit einigen gekochten Kartoffeln in der Tasche zog er über Berg und Tal.
Ein großer, schlanker, magerer Mann mit schmalem, bartlosem Gesicht und spitziger, gebogener Nase kam er auf alle Höfe im Obertal und war trotz seiner Schlauheit bei allen Buren beliebt, weil er stets bar bezahlte. Beim Fürsten am Teufelstein galt er viel, obwohl er ihm beim Handel manchen Streich spielte.
Er lebt heute noch, der Bärlocher, ein Achtziger, auf seinem einsamen Gütchen. –
Bei seinem Handel mit Pferden oder Kühen hatte der Teufelsteiner selten besonderes Glück, weil er eine zu offene und zu ehrliche Natur war und unter den Viehhändlern bekanntlich die geriebensten Kunden sich finden.
Schlauer war sein Freund, der Bachvogt und Adlerwirt von St. Roman. Der bot eines Tages einem Juden ein Paar Stiere billig an mit der Bedingung, daß derselbe jedem Kind des Verkäufers einen Kronentaler zu geben habe.
Der Israelite schlug ein, erschrak aber nicht wenig, als ihm der Bachvogt 24 Kinder als die seinen präsentierte. –
Beliebt im Forsthaus am Teufelstein waren auch alle Pfarrer von St. Roman, deren keine kleine Zahl in dem einsamen Bergkirchlein funktionierte in den 52 Jahren, da unser Förster in der Nähe hauste.
In St. Roman bleiben in der Regel die geistlichen Herren nur so lange, als sie müssen. Es ist den meisten zu einsam und zu weltfern. Jeder war darum froh, in der Nähe am Fürst vom Teufelstein einen braven, heitern Mann zu haben, den man in einsamen Stunden aufsuchte, und der allerlei zu erzählen wußte und nebenbei Waldhorn blies und die Drehorgel spielte.
Mein Rastatter Studienfreund, Christian Walk, jetzt längst Privatgeistlicher und Bankier, war einst einige Jahre in St. Roman. Fast täglich besuchte er den Förster. An Samstagen trug er ihm seine Predigt vor, die er am Sonntag halten wollte. Am Sonntag Abend brachte der Christian bisweilen seine Staatspapiere mit und breitete sie vor den Augen des armen Mannes auf Tisch und Bett aus, und an Werktagen begleitete er diesen in den Wald und zeigte bei den Holzmachern, mit der Axt hantierend, seine Kraft.
Heute noch erzählen die Leute von Christians Staatspapieren und von seinen Axthieben im Walde.
Im Herbst 1896 traf ich den Christian nach Jahren wieder einmal auf der Straße zu Freiburg und erinnerte ihn an den Fürst vom Teufelstein. Obwohl stets ernst und in Gedanken an das Steigen und Fallen der Papiere, fing der Christian an zu strahlen und den Teufelsteiner zu loben ob seiner Biederkeit und Offenheit und ob der vielen Stunden, die er dem vom Mammon geplagten Christian versüßt habe. Er erzählte: »Als ich ihn das erstemal, ehe ich ihn kannte, in der Kirche sah, den Teufelsteiner, in seiner grünen Uniform, seinen hellen Augen, seiner gebogenen Nase und dem grauen Schnurrbart, da glaubte ich, ein vornehmer Edelmann möchte wohl in der Nähe wohnen und zur Kirche gekommen sein.«
Gerne neckte der Förster seine geistlichen Freunde mit ihrem kleinen, dunkeln Kirchlein, in dem er nicht so gut beten könne, wie in seinem Waldrevier »zum blauen Loch«. Dort ständen die Tannen wie die Säulen des Himmels, und wenn er an ihnen hinaufschaue, so werde er gottesfürchtiger, als wenn er eine Predigt von ihnen höre.
Auch meinte er oft zu den Pfarrherren, er brauche nicht so viel zu beten, sein Wible bete dafür um so mehr.
Und in der Tat war die Heli vom Holzwald ein wahres Muster einer frommen, gottesfürchtigen Hausfrau und Mutter und dabei immer lustig und heiter in Ehren. Sie war allzeit fröhlich mit den Fröhlichen und traurig mit den Trauernden.
Sie gebar dreizehn Kinder und zog zwölfe davon groß. Den Armen gab sie, so lange sie selbst hatte; die Kranken in den abgelegenen Hütten besuchte sie, und den Sterbenden stund sie in ihrem letzten Kampfe bei mit lautem Gebet.
Aber sie konnte auch lustig sein und bei Hochzeiten tanzen wie eine junge. Ihr Haupttänzer war Johannes, der Aeckerbur und Pläsierflözer aus dem Heubach. –
In der Erziehung der Kindes war der Mann am Teufelstein ebenso originell, als streng und praktisch. Die Ueberwachung der kleinen Herde hatte tagsüber die Mutter, da der Vater stets und bei jedem Wetter im Wald und über Mittag nur kurze Zeit daheim war. Aber jeden Abend mußte ihm sein Wible Bericht erstatten über das Verhalten der Buben und Meidle den Tag über.
Er hatte ein eigenes Büchlein, in welches täglich das Betragen der Kinder verzeichnet wurde. Wer brav war, bekam am Abend einen Tupfen (Punkt) hinter seinen Namen, wer unartig, einen Strich.
Für jeden Punkt vergütete der Vater am Ende des Monats einen Kreuzer und tat die Summe in eine Sparkasse. Für den Strich wurde die Strafe gleich ausgesprochen: Der Delinquent mußte alsbald ins Bett und durfte nicht zum Vater »zu Licht gehen«.
Wenn er nämlich heimgekommen war, so begab er sich nach dem Nachtessen in seine Schreibstube und machte seine schriftlichen Arbeiten. Da durften dann die bräveren Kinder den lieben Vater besuchen und noch einige Zeit vor dem Zubettegehen bei ihm bleiben. Alle empfanden es als eine harte Strafe, wenn dem einen oder dem andern dieses Vergnügen entzogen wurde.
Strengere Strafen bestanden darin, daß das Kind am andern Morgen auf die Stiege oder unter den Tisch sitzen mußte, bis der Vater aus dem Walde heimkam.
Wie sehr die Kinder das Notenbüchle des Vaters fürchteten, geht aus folgenden tapfern Worten eines seiner Knaben hervor. Dieser hatte drunten im Tale bei der Heubachmühle seinen Fuß gebrochen.
Der Arzt von Schiltach wurde in die Mühle geholt, den Buben einzuschindeln. Während der Operation weinte und jammerte der Knabe, weil er jetzt vom Vater einen Strich bekomme. Dieser Strich tat ihm weher, als der gebrochene Fuß.
Auch die Mutter war strenge und schlug, wenn der Vater nicht da war und sie sich des Mutwillens der Kinder nicht mehr erwehren konnte, tüchtig zu.
Und doch hingen die Kinder alle mit großer Liebe an ihren Eltern, besonders an der Mutter. Die Tochter Kreszenz schreibt mir noch in ihren alten Tagen: »Wenn ich in der Schule war, hatte ich als so lange Zeit (Sehnsucht) nach der Mutter, daß ich es manchmal nicht erwarten konnte, bis ich sie wieder sah.«
Die Kinder hatten nur zwanzig Minuten in die Schule von St. Roman und doch Heimweh, wenn sie dort waren. Sobald sie aber aus der Schule heimkamen, mußten sie der Mutter helfen in Haus und Feld. An Wintertagen lehrte diese die Mädchen zeitig das Blumenmachen, eine Kunst, die sie selbst zu Wittichen von der letzten Klosterfrau erlernt hatte und die den Mädchen bald manchen Pfennig eintrug.
Sie machten die Sträuße für die Hochzeiten ringsum, denn es ist im ganzen Kinzigtal Sitte, daß nicht bloß die Hochzeitsleute, sondern auch die Gäste mit künstlichen Sträußen geziert werden.
So herrschte im Forsthaus auf dem Abrahamsbühl Ordnung, Disziplin, Friede und Liebe, und der Fürst am Teufelstein hat es keine Stunde bereut, die arme Heli vom Holzwald als Lebensgefährtin genommen zu haben. –
Aber auch in seinem Dienste war der Teufelsteiner der Liebling seiner Vorgesetzten und seiner Untergebenen und der Berater der Buren.
Manchen Bur, der in schlechten Zeiten zum Förster kam, um ihm seinen Hof für die fürstliche Standesherrschaft anzubieten, hat er vom Verkauf abgehalten.
»Der Fürst von Fürstenberg hat zu leben, wenn er euren Hof auch nicht hat; aber ihr werdet arme Teufel und verkauft euren Kindern das Brot aus der Tischlade,« so sagte er ihnen. Dann ging er mit den Buren in ihre Wälder, taxierte ihnen dieselben und schickte die Leute zum großen Holzhändler Trick nach Alpirsbach, der ihnen daraufhin Geld gab oder Kredit eröffnete.
Es sind heute noch stolze Höfe im ehemaligen Revier des Teufelsteiners in den Händen der Nachkommen jener Buren, deren Söhne jetzt zu den vermöglichsten Leuten zählen: sie wissen aber kaum, daß sie ihren Besitz dem armen Beiförster im Heubach zu verdanken haben.
Seinen Holzmachern und Flößern war er ein väterlicher Freund. Wenn einer oder der andere ein Stück Holz aus dem Wald wünschte, um sich einen Schlitten oder einen Karren zu machen, da vertröstete er sie auf das Kommen des Forstverwalters. Kam dann sein Freund Bogenschütz, so führte er ihn in den Wald, wo die Leute an der Arbeit waren, trug ihm die Bitte derselben vor und schloß mit den Worten: »Geben Sie, Herr Forstverwalter, den Holzmachern die Stämmchen, denn sie holen sie doch, wenn Sie nein sagen!«
Hauptsächlich viel hielt der Teufelsteiner auf gute Waldwege. Fand er in einem Weg herabgerollte Steine oder Felsstücke, die der Wegwart übersehen, so gab er dem Mann am hellen Tag eine Laterne in die Hand und sprach: »Geh' hinüber auf die Bockseck' und zünd um, 's liegt was im Weg!«
In seiner Saatschule, die unweit vom Forsthaus lag, traf er eine eigene Einrichtung, wenn in derselben frisch ausgesät war und die Vögel des Waldes kamen, um den Fichten- und Tannensamen zu verspeisen.
Er baute eine Hütte in die Saatschule und setzte ein altes, armes Wibervolk in dieselbe. Dieses mußte an einer Glocke ziehen, wenn Vögel einfielen, und sie so verscheuchen. Es hieß Kätteile und bekam von diesem Amt seinen Taglohn und den Namen »das Hüttenkätterle«.
Von seiner Wohnung aus konnte der Förster mit einem Perspektiv in die Hütte sehen, in der das Kätterle saß und strickte, bis Vögel kamen: dann hatte es zu läuten. Aber manchmal sollte es für seine Geißen Futter holen und entfernte sich von seinem Posten. Wenn der Mann mit dem Perspektiv dies bemerkte, ging er hinunter und entfernte die Glocke; hierauf versteckte er sich und wartete den Schrecken des Weibleins ab, da es, zurückgekehrt, läuten wollte und die Glocke fort war.
»Kätterle,« sprach er dann, aus seinem Versteck hervortretend, »ein Kreuzvogel hat dir die Glocke gestohlen, als er sah, daß du fortgingst. Sie war aber zu schwer, und der Vogel hat sie wieder fallen lassen, und ich hab' sie im Wald gefunden. Also bleib' auf deinem Posten, Kätterle, sonst gibt der Fürst von Fürstenberg das Geld umsonst aus.«
Oft hatte er auch selbst Taglöhner im Dienst für seine Felder und die eigene Landwirtschaft. Wann gab er das Zeichen zum Mittagessen und zum Feierabend vom Forsthaus aus entweder mit einem weißen Tischtuch oder mit einem Signal aus seinem Waldhorn.
Wenn sie daraufhin zum Essen kamen, so war der Tisch mit Lasten von Speisen bedeckt, und er sprach den Leuten zu: »Eßt, sonst bricht der Tisch, mein Wible hat ihn überladen.« Dann machte er mit der Drehorgel die Tafelmusik.
So wußte der brave Mann mit seinem Humor rings um sich Freude zu bereiten, und alles diente ihm gern und alles hatte ihn gern.
Je mehr aber seine äußeren Verhältnisse sich besserten, um so mehr ließ er seinem originellen Wesen den Lauf.