Josef Haltrich
Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen
Josef Haltrich

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69. Suche nur, es gibt noch Dümmere

Zwei Bauernfamilien, Vater und Sohn, wohnten einträchtig in einem Hause und hatten eine Wirtschaft. Es geschah aber, daß gerade zur Erntezeit die junge Frau des Sohnes in den Wochen war, und die alte Schwiegermutter blieb bei ihr, die andern gingen mit dem Gesinde ins Feld. Die Alte aber sollte daheim Brot backen und dann frische Hanklich und weiches Brot den Arbeitern aufs Feld hinaustragen; sie hatte den Teig schon geknetet, und die junge Schnur heizte draußen den Ofen, jetzt kam auch die Alte hin, die junge Frau aber ging hinein, um das Kind, das zu schreien anfing, zu stillen und zu säugen, und als sie neben der Wiege kniete, blickte sie einmal auf und sah über sich den Wetzstein, welchen ihr Mann dahin auf den Balken gelegt hatte. »Ach! ach!« fing sie nur einmal an zu jammern und zu klagen, »wenn der Stein herunterfällt, so schlägt er mein Kind tot!« Als die Alte draußen das Gejammer hörte, ging sie schnell hinein und fragte nach der Ursache, und als sie von der großen Gefahr hörte, fing sie auch an zu weinen; indem fing das Kind in der Wiege, erschreckt, durch das Gewimmer, auch an zu schreien. Dies Klagegeheul dauerte fort, der Teig stieg indes aus den Trögen heraus, das Feuer im Backofen brannte nieder und erlosch, der Mittag war da, keine Hanklich und kein weiches Brot kam aufs Feld. Der Alte ging nach Hause, um zu sehen, was es wäre; da hörte er auch die traurige Geschichte: wenn der Stein aufs Kind falle, so werde er's totschlagen, da mußte er freilich mitweinen. Der junge Sohn und das Gesinde auf dem Felde konnten aber vor Hunger nicht mehr aushalten. »Weiß auch der sichtliche Teufel, was die zu Hause machen, ich muß nun selbst nachsehen!« Als er eintrat und alle weinen sah und jammern hörte und sie ihm die Geschichte erzählten, rief er voll Unmut: »O ihr Narren, so nehmt doch den Stein fort, so wird ihm nichts geschehen!« Er tat es selbst, und da war nun alles in der Ordnung. Nun wurde schnell eine lange Suppe gemacht und den Arbeitern aufs Feld geschickt, die daheim mußten fasten. Der Sohn aber dachte und sprach bei sich: »Ich hätte doch nicht geglaubt, daß deine Leute so dumm wären, du mußt einmal in die Welt gehen und forschen, ob es noch so dumme Menschen gibt?«

Er sattelte sein Pferd und ritt fort; da kam er in ein Dorf und sah hier etwas, worüber er lachen mußte. Eine Frau stand unter einem Schöpfen und hielt ein Paar Gatchenhosen, der Mann stand auf dem Schöpfen und versuchte, mit beiden Füßen zugleich hineinzuspringen, allein es mißlang ihm immerfort. »Ihr Narren!« rief endlich der Fremde, »das macht man ja so und so!« und zeigte es. Der Mann war himmelfroh, daß er die Kunst gelernt, und beschenkte den Fremden; der ritt lachend weiter und tröstete sich und sprach: »Die sind nicht gescheiter als deine Leute!«

Nach einiger Zeit kam er in einen Wald und sah hier etwas, worüber er wieder lachen mußte. Ein Mann saß auf einem hohen Baum und hieb an dem Ast, auf dem er saß, und war mit dem Gesicht gegen den Baum gekehrt und mußte herunterfallen, sowie der Ast brach. »Halt, Törichter! was machst du?« rief er ihm, »du wirst gleich herunterfallen!« – »Nu ja, nicht daß ich!« sprach der und hieb weiter. Der Fremde war aber nur ein kleines Stückchen fortgegangen, plumps! hörte und sah er nur einmal, daß jener schon am Boden lag; er hatte sich glücklicherweise das Genick nicht gebrochen. Er raffte sich aber gleich auf und lief dem Fremden nach und rief: »Lieber Mann, jetzt sehe ich, daß Ihr ein Prophet seid, saget mir doch, wie lange werde ich leben?« – »Macht Euch nur schnell auf nach Hause, denn bis Euer Pferd dreimal von hinten bläst, seid Ihr tot!« Der Arme geriet in nicht geringe Angst, band schnell sein Pferd vom. Baum, schwang sich darauf und trieb es mit den Sporen heftig an. Das aber ließ gleich in der Angst einen Pumps. »Ach, das ist schon einmal!« rief er und trieb es noch ärger an. Bald ließ es wieder einen. »Das ist schon zweimal!« sprach er bestürzt, und die Haare standen ihm zu Berge. Er spornte sein Pferd noch mehr, da ließ es den dritten. »Das ist dreimal!« sprach er, »ach, jetzt bist du tot!« Er stieg ruhig ab und legte sich nieder an den Weg.

Der Fremde aber hatte ihm aus der Ferne zugesehen. Da kam er zu ihm und sprach: »Was ist mit Euch, was macht Ihr?« – »Ach Gott, ach Gott, ich bin tot und muß jetzt hier liegen und bin so hungrig! Seid so gut, lieber Mann, und geht und sagt meiner Frau, sie solle mir zu essen bringen, denn das wird sie doch einsehen, daß ich Toter nicht nach Hause kommen kann!« Der Mann dachte: »Der ist noch viel dümmer als deine Leute daheim!« und ritt weiter seines Weges.

Jener aber lag noch lange da, und es kam ihm keine Hilfe, nur Krähen und Adler flogen um ihn herum, da rief er ihnen zu: »Hesch! hesch! Ei wenn ihr nur tot wäret wie ich, so würdet ihr gewiß nicht herumfliegen!« Indem kam auch ein Zigeuner des Weges, der sah den Mann da liegen und das Pferd auf der Wiese allein, er glaubte, der Mann schlafe und benutzte die Gelegenheit, schwang sich aufs Pferd und ritt davon. »Ha!« schrie jener auf dein Boden und ballte seine Faust, »wenn ich nicht tot wäre, solltest du es bekommen, Räuber!«

Endlich wurde sein Hunger zu groß, und er konnte es nicht mehr aushalten, sprang zornig auf und rief: »Der Teufel soll tot sein, aber nicht ich, man kann ja dabei vor Hunger umkommen!« Er ging jetzt zu Fuß, so schnell er konnte, nach Hause. Der Fremde aber fand noch unzählige Dumme in der Welt, endlich dachte er: »Du weißt nun genug, alle kannst du doch nicht aufsuchen!« und ritt nach Hause und war froh und getröstet, daß seine Leute nicht zu den Dümmsten gehörten.


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