Friedrich Halm
Das Haus an der Veronabrücke
Friedrich Halm

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Als Ruggiero am nächsten Morgen Ambrosia aufsuchte, um mit ihr wie gewöhnlich die Ereignisse des Abends zu besprechen, fand er sie zerstreut und verstimmt; sie erwähnte zwar Malipieros und des Fremden, den er ihr vorgestellt, ging aber bald auf andere Gegenstände über und zeigte sich überhaupt minder gesprächig und aufgeweckt, als dies sonst der Fall war, wenn sie ihrem Gemahl über die Abenteuer eines Festabends Bericht erstattete. Da sie nun ein ähnliches Benehmen auch bei der Besprechung der beiden nächstfolgenden Maskenbälle beobachtete und da auch während dieser letzteren Heinrich Ilsung keine Gelegenheit versäumte, sich Ambrosien zu nähern, ja sie eigentlich wie ihr Schatten auf Schritt und Tritt verfolgte, so konnte Ruggiero um so weniger zweifeln, daß der junge Deutsche es wäre, auf den er für das Gelingen seiner Pläne fürs erste sein Hoffen zu setzen habe, als auch Ambrosia an den Huldigungen des jungen Mannes unverkennbar Geschmack zu finden schien. Mit um so größerer Spannung sah Ruggiero demnach dem nächsten Maskenball entgegen, der bei dem Stande der Dinge und bei der leidenschaftlichen Erregung des jungen Deutschen auf dessen Bewerbungen offenbar von entscheidendem Einflusse sein mußte. Ruggiero versäumte auch nicht, sich an dem bestimmten Abend in seiner gewöhnlichen Verkleidung rechtzeitig im Ridotto einzufinden und sah auch gleich bei seinem Eintritte Ambrosia und Ilsung in einer Fensternische im eifrigen Gespräche begriffen; allein, als er sich zu näherer Betrachtung an sie heranzuschleichen versuchte, geriet er in das Gewirre des Maskenzuges, dessen Mitglieder als Lazzaroni und Fischermädchen von Capri angetan, von Tamburin und Kastagnetten begleitet, eine Tarantella zum besten gaben. Nach Beendigung des Tanzes dem Gedränge sich entwindend, fand er die Fensternische leer und sah Ambrosia wie gewöhnlich von einem Schwarm ihrer Bewunderer umgeben, deren Huldigungen sie jedoch an diesem Abend weder mit der Unbefangenheit hinzunehmen, noch mit der Heiterkeit zu erwidern schien, die sie sonst auszeichneten. Zerstreut, wortkarg und beinahe verlegen entzog sie sich vielmehr entweder ganz dem Gespräche oder gab sich demselben plötzlich mit fast fieberhafter Lebendigkeit hin; sie schien überhaupt eine gewisse innere Unruhe nicht bemeistern zu können, die sich am auffallendsten in dem fast ängstlichen Vestreben kundgab, jedes Zusammentreffen mit Heinrich Ilsung zu vermeiden, während dieser letztere seinerseits mit der Miene äußerster Niedergeschlagenheit am letzten Ende des Saales an einem Pfeiler lehnte und wie ein Verbannter nach der Heimat zurückschauend, nur noch seine Blicke den Bewegungen der Geliebten folgen ließ.

Ruggiero besaß zu viel Erfahrung und Menschenkenntnis, um nicht aus diesem Verhalten der jungen Leute die Überzeugung zu schöpfen, daß es zwischen beiden zu einer Erklärung gekommen sei und daß Ambrosia fürs erste die Bewerbungen des jungen Deutschen zurückgewiesen habe. Darauf hatte er bei seiner Kenntnis von Ambrosias Charakter und ihren Gesinnungen allerdings rechnen müssen, aber ebenso zuversichtlich rechnete er darauf, die Leidenschaft des jungen Mannes werde ihren Widerstand zu überwinden und sich ihr vereinsamtes, liebebedürftiges Herz früher oder später zu erobern wissen. In dieser Hoffnung bestärkte ihn der Umstand, daß er Tags darauf zu seiner Gemahlin sich begebend auf der Schwelle ihres Gemaches die Nachricht empfing, sie sei unpäßlich und unleidlicher Kopfschmerz mache es ihr unmöglich, irgend jemand vor sich zu lassen. Der Kampf war also ein harter, blutiger gewesen, der Sieg nur mit schweren Wunden erkauft worden; der junge Deutsche hatte Eindruck gemacht, und so galt es nun, seiner Leidenschaft freien Spielraum zu gewähren, ihm Zeit und Gelegenheit zu schaffen, seine Bewerbungen fortzusetzen und Ambrosia vereinzelt und von dem eigenen Herzen verraten, ihm, dem gefährlichen Gegner, gegenüberzustellen. Ruggiero glaubte nach kurzer Überlegung in seiner scheinbaren Entfernung das untrüglichste Mittel zur Lösung dieser Aufgabe zu erkennen, und so ließ er Ambrosien noch an demselben Morgen melden, daß dringende Geschäfte ihn zwängen, sich auf längere Zeit nach Treviso zu begeben und, hierauf einiges Gepäck zusammenraffend, trat er ohne irgendeine Begleitung in einer Mietgondel unverweilt seine Reise an, die er aber nicht weiter als bis in die offene, gegen Mestre hin gelegene Lagune fortsetzte, wo er gegen Murano abzulenken befahl. Hier den Tag über verweilend, kehrte er bei dunkelndem Abend nach Venedig zurück, wo er in der Nähe des Campo San Stefano ans Land stieg und die Wohnung seines alten Bekannten Beppo aufsuchte, den er jedoch, um Ambrosiens Namen nicht ins Spiel zu bringen, nur insoweit ins Geheimnis zog, daß er ihm mitteilte, er habe gewisser Anschläge wegen, die Heinrich Ilsung, ein deutscher Abenteurer gegen ihn im Schilde zu führen scheine, eine Reise nach Treviso anzutreten vorgegeben, um, mittlerweile sich in Venedig verborgen haltend, das Vorhaben seines Gegners in aller Sicherheit auskundschaften zu können. Zu diesem Behufe beauftragte er Beppo, mit seinen Söhnen dem Treiben dieses Heinrich Ilsung und jedem seiner Schritte auf das sorgfältigste nachzuspüren und ihm täglich darüber Bericht zu erstatten, worauf er, von Beppo seines unbegrenzten Diensteifers versichert, dem Verstecke zueilte, in dem er sich für die Dauer seiner angeblichen Reise aufzuhalten gedachte. Dieser war kein anderer als das Haus an der Veronabrücke. Ruggiero hatte seit der letzten verhängnisvollen Zusammenkunft mit Anselmo nicht nur seine Schwelle nicht mehr betreten, sondern auch sorgfältig vermieden, der Gegend nahe zu kommen, in der es lag; ja selbst nur davon zu hören war ihm allmählich so peinlich geworden, daß er die für Anselmos Haushalt bestellten Diener bis zum Hausbesorger hinab entließ und, das Haustor kurzweg abschließend, das Haus lieber in Trümmer gehen zu lassen, als auch nur mehr einen Gedanken daran zu wenden, beschlossen hatte. Allein die dämonische Gewalt, die sein ganzes Wesen verwandelnd ihn seit Monaten ruhelos vorwärts trieb, hatte ihn auch über die Kluft dieses Vorsatzes leicht hinweggehoben und er schritt, nun ein freiwilliger Bewohner des verhaßten Hauses, durch den Anblick der fürstlich geschmückten Räume nur noch mehr erbittert, über seinen Plänen brütend, die lange Reihe seiner todstillen Gemächer auf und nieder.

Mit Einbruch der Nacht erschien Beppo, ihn mit den nötigen Lebensmitteln zu versorgen und ihm die Ergebnisse der Beobachtungen, die er den Tag über angestellt hatte, mitzuteilen. Diese letzteren entsprachen jedoch keineswegs den Erwartungen Ruggieros, sondern erwiesen sich vielmehr der Erreichung seiner Zwecke täglich ungünstiger. Denn über Heinrich Ilsung und dessen Verhältnisse wußte Beppo nur zu berichten, daß er junge Mann des besten Rufes genieße, mit Eifer seinen geschäftlichen Obliegenheiten nachkomme und ein bei weitem stilleres und eingezogeneres Leben führe, als die meisten seiner Altersgenossen. In Beziehung auf die Anschläge, die er gegen Ruggiero, wie dieser Beppo und dessen Söhnen vorgespiegelt hatte, im Schilde führen sollte, war den letzteren aber nur der Umstand aufgefallen, daß der Fremde ab und zu im Kanal an Ruggieros Haus vorüberfahre oder gegen Abend in dem Gäßchen, auf welchen die Fenster des Schlafgemaches Ambrosiens hinausgingen, auf und nieder wandle. Dies war seit Ruggieros vorgeblicher Reise täglich geschehen; dabei aber war es geblieben. Was Ambrosia betraf, so meldete Beppo, der von Ruggiero Auftrag hatte, gelegentlich auch über den Stand der Dinge in dessen eigenem Hause Nachricht einzuziehen, daß seine Gemahlin unter dem Vorwande, es sei nicht schicklich, sich in der Abwesenheit ihres Ehegatten in der Welt zu zeigen, im Laufe des Karnevals keinem Ballfeste mehr beizuwohnen gedenke. Bei dieser Schüchternheit des jungen Deutschen und bei der Entschiedenheit, mit der Ambrosia jede Möglichkeit, das angeknüpfte Verhältnis fortzusetzen, abschneiden zu wollen schien, konnte Ruggiero nicht mehr erwarten, daß die Durchführung seiner Entwürfe, wie er gehofft hatte, durch die überwältigende Macht der Leidenschaft im Laufe der Dinge gleichsam von selbst sich ergeben würde. Bei den Charakteren, die sich hier einander gegenüberstanden, mußte er selbst Hand ans Werk legen, wenn seine Pläne zur Ausführung kommen sollten, und er war auch dazu entschlossen.

Vor allem setzte er der weiteren Überwachung Heinrich Ilsungs als einer ferner unnützen Maßregel ein Ziel, um freie Hand für seine Unternehmungen zu gewinnen und um Ambrosiens Ruf nicht zu gefährden; ferner erklärte er, unmittelbar nach dem nächsten Maskenballe, der im Ridotto stattfinden würde, von seiner vorgeblichen Reise nach Treviso in sein Haus zurückkehren zu wollen, beides zum großen Mißvergnügen Beppos und seiner Söhne, die den Tag verwünschten, der den Geldbeutel Ruggieros dem Bereiche ihrer Ansprüche entrücken sollte, während dieser letztere eben diesen Tag mit Ungeduld erwartete, um dem Stillstande, der in der Ausführung seiner Pläne eingetreten war, entgegenzuarbeiten. Der aber diesen Tag am sehnlichsten herbeiwünschte, war Heinrich Ilsung. Denn wenn auch Ambrosia das glühende Bekenntnis seiner Leidenschaft mit der Erklärung erwidert hatte, sie sei vermählt und ihre Pflicht gebiete ihr, bei den Gefühlen, die er für sie zu hegen bekenne, für jetzt und immer allen ferneren Umgang mit ihm abzubrechen, und wenn auch diese Erklärung, obgleich sie seine Hoffnungen rettungslos vernichtete, ihm selbst nicht nur als eine natürliche und notwendige erschien, sondern seine Verehrung für die Geliebte und seine hohe Meinung von der Reinheit und Vortrefflichkeit ihres Wesens nur noch steigerte: so konnte es doch selbst seiner deutschen Treuherzigkeit und Bescheidenheit nicht entgehen, daß sie, wenn er ihr vollkommen gleichgültig geblieben wäre, seine Bewerbungen ohne Zweifel eher mit einer scherzhaften Wendung, als mit der Heftigkeit und Entschiedenheit abgelehnt hätte, mit der sie ihnen entgegengetreten war; und eben daraus hatte er die Hoffnung geschöpft, daß es ihm bei einer späteren Zusammenkunft gelingen werde, Ambrosien zu überzeugen, daß seine leidenschaftliche Bewunderung ihrer Vorzüge eine vollkommen uneigennützige und anspruchslose sei, und daß sie dadurch sich bestimmt finden werde, ihn wenigstens als Freund, als Bruder in ihrer Nähe zu dulden, eine Ansicht der Dinge, die ihm allmählich so geläufig wurde, daß er an dem für den Maskenball bestimmten Abend der erste war, der die Säle des Ridotto betrat, um nur gewiß keine Gelegenheit zu versäumen, sich in diesem Sinne mit Ambrosia zu verständigen. Anfangs hatte er nur mit seiner Ungeduld zu kämpfen, die aber, als die Nacht vorrückte, ohne daß Ambrosia erschien, allmählich zu fieberhafter Unruhe sich steigerte und später, als mit dem Eintritte Donna Olympias sich das Gerücht verbreitete, ihre schöne Begleiterin gedenke weder diesen Abend noch späterhin an den Freuden des Karnevals mehr teilzunehmen, in solche Bestürzung umschlug, daß er, unfähig sich zu sammeln und seinen Schmerz zu verbergen, halb bewußtlos den Saal verließ und ins Freie flüchtend den Markusplatz entlang, der stilleren und dunkleren Piazetta zueilte. Dort nicht mehr von dem Gewühle der frohbewegten Menge umbraust, nicht mehr von den heiteren Klängen der Musik verfolgt, starrte er, an einen Pfeiler des Dogenpalastes gelehnt, zum Tode betrübt auf die im Mondlicht glitzernde Lagune hinaus.

Sein Schicksal war also entschieden; seine Hoffnungen hatten ihn getäuscht, sie zürnte seiner Vermessenheit, und ihr Zorn war unversöhnlich; seinetwegen entzog sie sich den Festen des Karnevals, sie wollte ihn nicht mehr sehen, die haßte ihn! Diesen folternden Gedanken nachhängend fühlte er plötzlich eine Hand seine Schulter berühren und hörte eine offenbar verstellte Stimme ihm leise zuflüstern: »Messer Enrico, warum so einsam?« – Sich rasch umwendend, sah er einen Mann in einen schwarzen Domino gehüllt vor sich stehen, aus dessen Kapuze ein Mulattenantlitz hervorgrinste. Er trat einen Schritt zurück und war im Begriffe, die Maske kurz abzufertigen und zu verlassen, als sich Ruggiero wieder an ihn herandrängte und sprach: »Habt Ihr nie gehofft, daß der Schein trügt und daß oft auf Morgennebel die schönste Tage folgen? Gebt Euch doch erst die Mühe zu zweifeln, ehe Ihr verzweifelt! Oder macht es Euch unglücklich, als gefährlich gemieden zu sein und möchtet Ihr lieber als gleichgültig geduldet werden? Steht Ihr da und gafft in den Mond, weil Euch die goldenen Äpfel nicht in den Schoß fallen, noch ehe Ihr den Baum geschüttelt?« – Diese Worte paßten genau auf die Lage, in der sich Ilsung befand und entsprachen zu sehr den Gedanken, die ihn bewegten, als daß sie ihre Wirkung auf ihn hätten verfehlen können; auch fuhr der Jüngling augenblicklich wie ein Adler auf den schwarzen Domino los, hielt ihn fest und bestürmte ihn mit Fragen: Wer er sei? Was er mit den Worten meine, die er eben gesprochen? Was und wieviel er von ihm wisse? – »Ich weiß von Euch,« erwiderte Ruggiero, »daß Ihr eben aus dem Neste kommt und noch nicht flügge seid; denn Ihr möchtet siegen, ohne gekämpft, ernten, ohne das Feld bestellt zu haben; geliebt sein, aber weder um die Geliebte werben, noch das Glück der Liebe, wie es sich ziemt, mit Unruhe, Sorge und Zweifel bezahlen! Ich weiß, daß Ihr Worte bedürft, die Euch aufstacheln, Augen, die für Euch sehen und Hände, die Euch führen, und was ich von diesen Artikeln besitze, steht Euch zu Diensten, wenn Ihr anders davon Gebrauch machen wollt!« – Der Jüngling, erst betroffen und unschlüssig, ward bald von diesen und anderen Redensarten so bestrickt und eingenommen, daß er in arglosem Vertrauen dem schwarzen Domino allmählich alle Geheimnisse seines Herzens, seine leidenschaftliche Liebe zu Ambrosia, den Anteil, den sie ihm anfangs bezeigt, die Kälte und Härte, mit der sie später das Bekenntnis seiner Liebe zurückgewiesen und ihn aus ihrer Nähe verbannt hatte, rückhaltlos mitteilte und sich als Entgelt für diese Geständnisse seinen Rat, seinen Beistand, seine Freundschaft erbat.

Da nun Ruggiero aus diesen mit der ganzen Überschwänglichkeit der Jugend vorgetragenen Mitteilungen zu seiner Befriedigung entnahm, daß Heinrich Ilsung, bei seiner Schüchternheit und seiner Unkunde der Menschen und der Dinge, bisher in Beziehung auf Ambrosia und ihre Verhältnisse nicht viel mehr als eben nur ihren Namen und ihre Wohnung zu erkunden vermocht habe, so war es ihm ein Leichtes, dem Arglosen auseinanderzusetzen, daß Malgrati, Ambrosias Gatte, ein wunderlicher, grämlicher und eigenwilliger Geselle, ihr das Leben auf alle Weise verbittere und vergälle, daß er, Ilsung, daher seine Liebe zu ihr durchaus nicht als ein Unrecht, sondern vielmehr als eine Fügung des Himmels aufzufassen habe, der ihn der Unglücklichen als Freund und Tröster in ihren Nöten zusende, wie denn auch die Zurückweisung, die er von Ambrosien erfahren, gewiß nicht ernst gemeint, sondern nur eine Mahnung wäre, bei seinen Bewerbungen die einer ehrbaren Frau schuldigen Rücksichten gehörig ins Auge zu fassen. Als nun aber der Jüngling in leidenschaftliche Klagen darüber ausbrach, daß sie an den Festen des Karnevals nicht mehr teilzunehmen gedenke und ihn dadurch aller Gelegenheit beraube, ihre Neigung zu gewinnen, wenn dies überhaupt noch im Bereich der Möglichkeit läge, meinte der Domino mit der Mulattenlarve, bequemer wäre es allerdings, wenn die Geliebte sich ihm geradezu an den Hals würfe; allein Frauen hätten eben die Schwachheit, erkämpft und erobert, nicht nebenbei wie Gänseblümchen am Wiesenrain abgepflückt werden zu wollen! Gelegenheit, setzte er hinzu, wenn sie sich nicht von selbst fände, müßte hervorgerufen werden, dem fliehenden Feinde beizeiten der Rückzug abgeschnitten werden; es müßte denn sein, daß kein Blumenstrauß mehr in Venedig zu beschaffen oder er selbst nicht imstande wäre, ein paar Sonette zusammenzuleimen, oder einen Trupp Musiker zu einer anständigen Serenade aufzutreiben. Diese Andeutungen eröffneten dem jungen Manne eine ihm bisher verschlossen gewesene Welt und erfüllten ihn mit um so größerem Entzücken, als sich Ruggiero hierbei schlau genug das Ansehen zu geben verstand, als wäre bei seiner Einmischung in die Herzensangelegenheiten Heinrich Ilsungs insgeheim Ambrosias Einfluß im Spiele. Der erste Freudentaumel des Verliebten wurde indes durch die Erwägung der Schwierigkeiten getrübt, mit denen ihm, einem völligen Neulinge in solchen Dingen, die Ausführung der Vorschläge Ruggieros verbunden schien, bis dieser ihm nicht nur Ort und Stunde für die Serenaden auszukundschaften versprach, sondern auch die richtige Bestellung der Blumensträuße wie der Sonette verbürgte und sich dadurch das unbedingte Vertrauen des jungen Mannes gewann. Sie besprachen denn auch sofort die ersten und dringendsten Vorkehrungen, verabredeten die Stunde, um die sie sich in den folgenden Nächten bei San Giovanni e Paolo vor dem Reiterstandbilde des Colleoni zu ferneren Verhandlungen treffen wollten, und trennten sich sodann, um ihr Lager aufzusuchen, jeder, wenn auch in ganz anderem Sinne, von den Ereignissen der hingeschwundenen Nacht höchlich befriedigt.


 << zurück weiter >>