Ida Gräfin Hahn-Hahn
Maria Regina. Erster Band
Ida Gräfin Hahn-Hahn

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Brautkränze.

Hyazinth hatte das wunderbare Erbe angetreten, das niemand durch irdische Begabung beanspruchen und durch irdische Berechtigung in Besitz nehmen kann; das wunderbare Erbe, welches dem Auserwählten himmlische Begünstigung zuwendet, an die zugleich irdische Entsagung geknüpft ist, damit er eingedenk bleibe, daß diese höchste Gunst von oben komme und keine Naturgabe sei; Hyazinth hatte die Priesterweihe empfangen. In seiner zärtlichen Andacht zur Mutter Gottes wählte er den Tag Maria-Hilf, um seine Primiz, seine Erstlingsfeier des heiligen Meßopfers, zu begehen. Ganz Windeck war in einem Freudenrausch; sogar der Graf – obgleich er behauptete, er werde nur durch die übrigen mit fortgerissen, ihm blute eigentlich das Herz, da ja nun der gute Hyazinth in sein kaplanisches Elend hineingehen müsse. Dennoch tat er alles, um in seiner Weise das Fest zu verherrlichen. Das Schloß wurde von oben bis unten bekränzt, bewimpelt und beflaggt, die Böller aufgestellt, die ganze Verwandtschaft und Freundschaft eingeladen, die Kappelle glänzend geschmückt. Ein wunderschöner Kelch sollte sein Angebinde für Hyazinth sein. Die Baronin Isabelle, Regina und Corona hatten jede ein Meßgewand für ihn gestickt und Regina ihm den Kranz gewunden.

»Denk' an mich, wenn Du ihn trägst und bitte Gott, daß ich bald einen ähnlichen Brautkranz tragen dürfe,« sagte sie, als sie ihm den Kranz reichte.

»Die heilige Gottesmutter vergißt Dich nicht,« entgegnete Hyazinth.

Es kamen viele Verwandte. Uriel fehlte nicht. Sogar Orest traf aus Mailand ein; Uriel hatte darauf gedrungen.

Am Tage Maria-Hilf trug die ganze Natur den bräutlichen Frühlingsschmuck; die Erde lachte im Blütenkranze des Mai und der blaue Himmel unter seiner Sonnenkrone. Die Schloßkapelle glich einer Blumenlaube mit Kerzenlicht durchwebt; der Altar war strahlend. Hyazinth im weißen, goldgestickten Meßgewande, den mystischen Brautkranz auf der reinen Stirn, ging zum Altar; neben ihm die mystische Braut, die ihm die brennende Kerze trug, ein kleines sechsjähriges Mädchen, die jüngste unter allen Verwandten. Levin und Pater Athanastus von Kloster Engelberg, Hyazinth's Beichtvater von Kindheit auf, assistierten. Ein wunderbares Fest! auf Erden wird es gefeiert, aber es gehört dem Himmel an. Die Weihe, das Opfer, der Gegenstand, die Bestimmung – alles ist himmlisch, alles ist Gnade, alles betrifft den übernatürlichen Menschen. Da wandelt ein Jüngling zum Altar, verliebt in die göttliche Liebe und dem geheimnisvollen Opfer, das seine gebenedeite Hand als reines und demütiges Werkzeug vollzieht, schließt er das Opfer seiner vollkommenen Hingebung an und da, wo der süße Wohlgeruch des heiligsten Blutes zum Throne Gottes emporwallt, da steigt auch aus der zartesten Blüte des Menschenwesens ein Arom von unirdischer Lieblichkeit und Schönheit auf. Der Jüngling, der da zum Altare wandelt, der meint es ernst mit Gott – und Gott mit ihm, Gott hat ihn aus der Welt auserkoren und geheiligt; dafür soll er die Welt geheiligt an Gott zurückgeben. Er hat den Zuruf des Apostels im vollen Umfange verstanden: »Was droben ist, habet im Sinn; nicht was hienieden;« und deshalb wandelt er zum Altar, er selbst ein geschmücktes Opferlamm, um sich für jetzt und für immer mit seinem Opfer in das Opfer seines Gottes zu verabgründen, um – das Droben mit dem Hienieden zahlend – in die Gnadenwelt einzugehen, die der Priester der Menschheit vermittelt und durch die er der Fortsetzer des Erlösungswerkes, der Stellvertreter und Mitarbeiter Gottes ist. Eine Feier, die holdseliger und erhabener, rührender und großartiger wäre als eine Primiz, gibt es auf Erden nicht, denn nirgends sonst erscheint der Mensch in so idealischer Verklärtheit, nirgends sonst steht er auf so lichter Höhe des Tabor und nirgends sonst ist ihm ein Gethsemane so gewiß. Die Seelen lieben, die Christus geliebt hat, den Seelen dienen, denen er gedient hat, – das bringt Leiden mit, die er gelitten hat, und die leiden nur Seelen, die sich ihm verähnlichen.

Wie ein Engel, in demütige Anbetung Gottes versunken, ganz weltvergessend, ganz aufgelöst in die Gnadenfülle, die sich um ihn, in ihn, über ihn ausgoß, vollzog Hyazinth die Feier der heiligsten Geheimnisse, ohne sich auch nur einen Augenblick aus der Gegenwart Gottes zu verlieren. Mit heiliger Andacht und tiefer Rührung dienten ihm seine Assistenten, beide – Meister und Vorbilder seines inneren Lebens, beide – treue Glieder der lehrenden und streitenden Kirche, beide – wohlgeübt in der Schule des Kreuzes, beide – betend, daß er gewürdigt werde sie zu durchwandeln. Levin sah so strahlend von seliger Freude aus, daß Regina den Greis Simeon zu sehen glaubte, nachdem er »das Heil Israels« geschaut hat und in Frieden heimzugehen wünscht. Stille Wonne durchschauerte sie bei dem Gedanken, daß diese beiden Erwählten, der Greis und der Jüngling, ihr die Hand reichten, um sie in die Chöre der Bräute Christi einzuführen. Ihrer Ängste und Versuchungen achtete sie seit jenem Gespräch mit Levin nicht mehr, als der Wandersmann, der einen hohen Berg ersteigen will, der Nebel achtet, die sich zuweilen um ihn zusammenziehen; er schreitet rüstig weiter. Wer »dem Lamme folgen will, wohin immer es geht,« muß die Siegespalme tragen, sprach sie bei sich selbst; und sie hatte Uriel mit der klaren Stille empfangen, die ihm deutlicher als tausend Worte sagte: Solo Dios basta.

Das heilige Opfer war dargebracht und der fromme Gebrauch vorüber, nach welchem sich die Andächtigen den Segen des Priesters, der seine Primiz gefeiert hat, geben lassen. Sie knien vor ihm nieder und er spricht, indem er ihnen die Hände auf das Haupt legt: »Durch die Auflegung meiner Hände segne dich der Vater und der Sohn und der heilige Geist;« und macht das Kreuzzeichen über sie. Frommer und lieblicher, aus tiefer Andacht zum heiligsten Fronleichnam entspringender Gebrauch! wie sollen die Hände nicht segensreich sein, die zum erstenmal so glücklich waren, daß sich unter ihrer Segnung die gnadenvolle Wandlung vollzog! Graf Damian, der sich noch nie um eine Primiz bekümmert hatte, weit weniger je dabei anwesend war, kannte den Gebrauch nicht und wußte nicht, was geschehen solle, als seine Töchter, die Baronin und die übrigen Damen zum Altare vorgingen und dort niederknieten. Als er es aber gewahr wurde und die schlichten Worte hörte – und Hyazinth so demütig in seiner priesterlichen Würde – und die knienden Frauen so würdig in ihrer demütigen Unterwerfung sah: so ging ihm der Anblick dermaßen zu Herzen, daß er ebenfalls aufstand und vor Hyazinth niederkniete, vor dem Jüngling, den er sonst gar nicht anders, als mit einem gewissen Gefühl von Mitleid und Protektion zu betrachten pflegte. Orest tat dasselbe – keineswegs aus Andacht oder Ehrfurcht, sondern weil er glaubte, das gehöre mit zu einer Primiz. Uriel verließ nicht seinen Platz; er war zu einem starren Abschluß mit Herz und Leben, nicht zu frommer Ergebung in den Willen Gottes gelangt; deshalb ging er auf keine Äußerung froher und gerührter Andacht ein. Er hielt sich knapp auf der Grenze des Schicklichen. Allein Hyazinth schien zu ahnen, was in seinem geliebten Bruder vorgehe, und er ging zu Uriel, legte ihm die Hände auf und sprach den Segen über ihn.

Am Abend ließ der Graf den Garten illuminieren und auf der unteren Terrasse ein prächtiges Feuerwerk abbrennen, welches Raketten und Leuchtkugeln wie fliegende Sterne zum Himmel hinaufschickte und in dem stillen Main das Rosen- und Silberlicht des bengalischen Feuers abspiegelte. Tausende von Menschen waren zusammengeströmt, um in Nachen oder von den Ufern aus an dem prächtigen Schauspiel sich zu ergötzen. Die Meisten dachten gar nichts dabei; sie gafften nur. Einige freuten sich aufrichtig, daß einer der Windecker Grafen geistlich geworden sei und daß all' der Jubel zu Ehren seiner Primiz stattfinde; und andere fanden es unbegreiflich, daß man für eine Primiz solche Freudenbezeugungen verschwende, da sie ja den jungen Mann zu einem beklagenswerten Leben und zu einer beständigen Heuchelei verdamme. Ja, wenn's eine Hochzeitsfeier gewesen wäre – daran könnte man teilnehmen! aber eine Primiz!! – Regina sagte zu Hyazinth:

»Da Deinetwegen heute auf Erden schon solch Frohlocken ist, wie mag dann erst der Himmel jubilieren!«

»O Regina!« rief Hyazinth sehr bewegt, »nach ein paar Tagen oder Jahren kommt ein Stündlein, da ist alles ganz still auf Erden, denn ich liege auf dem Sterbebett und alle Freudenfeuer sind erloschen und es brennt nur meine Sterbekerze, die Brautfackel für's ewige Leben. Bitte für mich, daß alsdann im Himmel ein Jubilieren sei.«

Corona sagte, als man auseinander ging:

»Ach, wie schade, daß solche Tage ein Ende haben und daß man zuletzt äußerst prosaisch schlafen geht.«

»Ich meinesteils,« rief Orest, »fühle mich von der vierundzwanzigstündigen Rührung dermaßen erschöpft, daß mir jene Prosa höchst willkommen ist.«

Als nach einigen Tagen die gewohnte Ruhe und Ordnung wieder eingetreten war, begab sich Uriel zum Grafen und bat ihn, den Onkel Levin rufen zu lassen, da er ihnen beiden etwas mitzuteilen habe. Uriel war in dieser Zeit so ernst und abgeschlossen gewesen, daß der Graf ganz betroffen sagte:

»Onkel Levin? ja, sehr gern! aber Du wirst doch kein wunderlicher Kauz sein und uns ankündigen. Du wollest geistlich oder Ordensmann oder dergleichen werden.«

»Sei ruhig, lieber Onkel, so hochfliegende Ideen hab' ich nicht,« entgegnete Uriel mit Bitterkeit.

»Ich müßte sie mir auch recht sehr verbitten und Onkel Levin würde gleichfalls keine Freude daran haben. Nun komm' zu ihm!« sagte der Graf und nahm vergnügt Uriel unter den Arm, denn er zweifelte nicht, daß es jetzt ein Brautpaar geben werde.

»Uriel will uns eine gute Nachricht bringen, lieber Onkel!« rief er, bei Levin eintretend.

Levin warf einen fragenden Blick auf Uriel und sagte liebreich: »Möge sie zur Ehre Gottes gereichen.«

Uriel nahm das Wort und sagte zum Grafen:

»Im vorigen Spätjahr machtest Du mir auf Stamberg einen Vorschlag, den ich in Erwägung zu ziehen versprach. Er betraf meine Verehelichung mit Corona, welche zur Erbtochter eingesetzt werden, während Regina die Freiheit erhalten sollte, ins Kloster zu gehen. Ich habe ihn während dieser langen sieben Monate überlegt und bin zu einem festen Entschluß gekommen, der Dir hoffentlich genehm sein wird, bester Onkel, und dessen Ausführung ich schon begonnen habe.«

»Und der wäre?« fragte der Graf gespannt.

»Ich trete Stamberg an Orest ab und er heiratet Corona.«

»O nimmermehr!« rief Levin schmerzlich.

»Und Du? was wird mit Dir?« fragte der Graf.

»Ich gehe nach Kopenhagen, wo man soeben ein Schiff ausrüstet, das eine Reise um den Erdball machen soll. Es ist nicht auf Handel und Wandel dabei abgesehen, wenn er auch nicht ausgeschlossen wird. Man will der Reiseliebhaberei unserer Tage eine Weltumsegelung, und den Gelehrten, den Naturforschern, den Künstlern die Möglichkeit anbieten, den Horizont ihrer Wissenschaft und ihres Studiums durch eigene Beobachtungen und Anschauungen, und durch praktische Erfahrungen in Länder-, Völker- und Sprachenkunde zu bereichern. Ich bin nun freilich kein Gelehrter, kein Künstler und kein Tourist; aber ich werde die ganze Welt in lebendigen Bildern an mir vorüber ziehen sehen und werde vielleicht etwas entdecken, wofür es sich der Mühe lohnt zu leben, nachdem ich nicht für Regina leben kann. Im nächsten Monat reise ich ab und in zwei Jahren komme ich zurück: so lange dauert die Reise.«

»Uriel, ich glaube Du hast in Deinem Bergschloß den Verstand verloren!« rief der Graf und setzte sich zurecht, um eine lange Rede zu halten. Doch Uriel unterbrach ihn:

»Ich habe mich, mein Wollen und mein Können nach allen Seiten betrachtet und gründlich erwogen. Um freiwillig die schweren Verpflichtungen des Welt- und Familienlebens zu übernehmen, und sie mit einiger Geschicklichkeit und Ausdauer zu erfüllen, dazu könnte mich nur mein Herz bestimmen, meine Neigung, meine Liebe. Ich müßte ein Wesen an meiner Seite haben, bei dem ich sicher wäre, daß das Alltagsleben mit seinem Einerlei, seinen Forderungen, seinen Bedürfnissen, seinen Gewohnheiten, kurz mit seiner ganzen Wucht von Irdischkeit ein Gegengewicht fände in der Richtung auf Himmlisches, und in dem Streben, das Irdische mit diesem Himmlischen zu durchgeisten. Mein Glück ruht nicht auf Geld und Gut; ruht nicht darauf, eine blinde Leidenschaft zu empfinden und einzuflößen. Lieben will ich – und geliebt sein, edel, rein, geheiligt: das ist mein Ideal von Glück, und hätte Regina mich lieben können, so hätte ich es mit ihr verwirklicht und dann keine Pflicht zu streng und keine Aufgabe zu schwer gefunden. Ohne Regina – ist aber die Last zu groß für meine Schultern, und da ich es weiß – lege ich sie nieder. Ich darf es. Stamberg kommt mir nicht eigentlich zu; es sollte ursprünglich eine Sekundogenitur sein und hat während eines halben Jahrhunderts dafür gegolten. Eine Laune der guten Großmutter wendete es zu unserer aller höchster Überraschung mir zu; mir, weil sie glaubte, Regina würde dann Herrin auf Stamberg. Aber Regina wird es nicht. Sie kommt nicht wieder dahin. Folglich hab' ich nicht das mindeste Anrecht an Stamberg, und freudig trete ich es an Orest ab, dem es nach Billigkeit gehört. Die gerichtlich notwendigen Schritte habe ich bereits getan. So kommt alles in's richtige Geleis – Orest in sein Erbe, Regina in's Kloster und Corona wird Erbtochter – oder Orest tritt auch für Windeck in die Rechte der Primogenitur ein.«

»Halt! mit nichten!« rief der Graf ganz außer sich. – »Das hängt von mir ab! ich nehme diese Veränderungen nicht vor. Willst Du Stamberg an Orest abtreten – gut! Willst Du die Welt umsegeln – gut! beides ist Unsinn, aber ich kann's nicht hindern. Willst Du Regina aufgeben – das ist verständig, denn sie läßt sich nicht überwinden und Zeit, Geduld und Mühe sind bei ihr verschwendet. Aber was Corona betrifft – hab' ich ein Wörtchen mitzureden. Sie heiratet binnen zwei Jahren nicht, und kehrst Du heim von Deiner Weltumsegelung, so reden Wir abermals von der Sache. Weißt Du, wie sie diesen Winter genannt wurde? »Die Krone des Bundes« nannte man sie, symbolisch, als die schönste Person in Deutschland. Warum bist Du nicht nach Frankfurt gekommen? was kalmäuserst Du auf Deinem Odenwäldischen Bergschloß mutterseelenallein sieben lange Monate? Da muß man ja mit Gewalt melancholisch werden und das Leben verabscheuen, nämlich solch ein Leben zwischen Eulen und Raben! Sei kein Tor! führe Corona nach Stamberg und Du wirst bald aus einem anderen Ton sprechen. Bist so untröstlich um Regina, daß Du zwei Jahre der Weltumsegelung brauchst, um Dich zu fassen, so segle ab und komm' vernünftig wieder. Ich bin sehr froh, wenn ich Corona noch zwei Jahre behalte.«

»Lieber Onkel,« sagte Uriel entschieden und eine helle Glut flog über seine Stirn, »so wahr ich ein Windecker bin, ich heirate Corona nicht! sie ist Regina's Schwester und würde mich an die geliebte Regina erinnern. Das darf nicht sein!«

Der Graf setzte sich im Lehnstuhl zurück, ließ die Hände ermattet auf die Knie sinken und sagte tief niedergeschlagen zu Levin:

»Bester Onkel, haben Sie es gehört? Uriel fällt auch in einen Raptus von sublimen Gefühlen und will Corona nicht heiraten.«

»Ja, es gibt noch immer zarte Herzen auf der Welt,« entgegnete Levin.

»Was zarte Herzen!« fuhr der Graf auf. »Überspannte Gehirne gibt's – und die wuchern in meiner Familie! aber nun hab' ich's satt, nun schieb' ich einen Riegel vor. Diese Influenza soll nicht weiter grassieren! Corona heiratet Orest, lieber heute als morgen – so wahr ich ein Windecker bin! Basta.«

Als Uriel erfreut seine Hand küßte, wendeten sich seine Gedanken aber wieder diesem, seinem Lieblingsneffen zu, den er seit so langen Jahren als seinen Erben und Schwiegersohn geliebt hatte, und er sagte kopfschüttelnd:

»Wenn Du aber nach zwei Jahren wiederkehrst – was willst Du beginnen? Aus der diplomatischen Karriere bist Du ausgetreten, Stamberg hast Du abgegeben. Also was bist Du, was hast Du dann? Sollte ich bis dahin sterben, so bekommst Du freilich Windeck mit allem, was dazu gehört, und damit kannst Du schon in der Welt bestehen. Aber ich sollte meinen, daß ich noch so zwanzig, dreißig Jahre leben und Kinder meiner Enkel sehen könnte.«

»Ich habe mir eine kleine Apanage vorbehalten, die der Besitzer von Stamberg mir alljährlich zahlen wird und die mir genügen soll.«

»Du hast aber immer wie der Sohn eines reichen Mannes gelebt!«

»Ja, bester Onkel, Dank Deiner Güte. Wer – so gewiegt zu werden im Wohlleben, so aufzuwachsen in allem Behagen, so zu genießen die Vorzüge des weltlichen Glücks – darin liegt ein Etwas, das die Entwickelung des inneren Menschen hemmt, seine sinnlichen Bedürfnisse ins Unglaubliche steigert und seine geistigen nicht befriedigt. Nie war die Welt in einem so rasenden Rennen nach eben diesem Zustande begriffen: Glücksgüter erringen und genießen ist ihr Ideal. Ein sehr brutales – man muß es gestehen! Darum ist sie denn auch selbst ungemein brutal unter ihrem glatten, blanken Bildungsfirniß; oberflächlich der Verstand, schwach der Charakter, trüb das moralische Bewußtsein, lahm der Sinn für Höheres, Null – das Verlangen danach. Im kläglichsten Subjektivismus zerfällt die große Einheit der Menschheit, wie ein toter Körper in widerliche Atome sich zersetzt. Ich habe nicht wie ein Blinder und Tauber diese letzten verhängnisvollen Jahre durchlebt. Ich hab' mich umgeschaut, ich habe aufgehorcht; ich bin da gestanden, wo es genug zu sehen und zu hören gab. Eines ist mir klar: in ihrem tiefsten Grunde ist die Welt ratlos. Sie hat die Wahrheit nicht. Hinter all' der pomphaften Prahlerei mit Civilisation und Ausklärung, mit Wissensdurst und Freiheitsdrang, mit Völkerglück und Bildungsfortschritt liegt eine ungeheuere Leere. Bildungsfortschritt? – und die Gefängnisse, die Zuchthäuser, die Strafanstalten vergrößern sich mehr und mehr, und die statistischen Tabellen weisen nach, daß diese Vergrößerung nicht Schritt hält mit der wachsenden Zahl derer, für welche diese Anstalten bestimmt sind. Völkerglück? und das Proletariat und das Elend des Fabrikwesens wächst in monströser Progression. Freiheitsbedürfnis? und Niemand will das edle Joch der Selbstbeherrschung tragen, und jeder spricht sich das Recht zu, Selbstherrscher – über andere zu sein, Wissensdurst? – ja: freche Neugier und Forschungen auf der Oberfläche der Dinge und Erscheinungen. Aufklärung? – ja: Bankrott an gesundem Menschenverstand, an Sinn für Recht und Unrecht, an klarer Einsicht und Beurteilung der Verhältnisse und entschiedene Sympathie für jede Art von Marktschreierei und Charlatanismus. Civilisation? – ja: Eisenbahnen, Telegraph, Schreibfedern, Papiergeld, Zeitungen, stehende Heere, Büreaukratie, Branntweinschenken, allgemeine Begier nach materiellen Freuden und Genüssen, allgemeines Mißvergnügen, weil sich Keiner auf dem Punkt befriedigt fühlt. So sieht es aus in der Welt! Weil sie die Wahrheit nicht hat, wird sie wehrlos sein, wenn der Umsturz kommt. Und er wird kommen, denn es ist unmöglich, daß die Fiktion oder, deutsch gesprochen, die gleißende Lüge dauernd die Menschheit beherrsche. Frei muß sie werden von der Lüge; dann kann die Wahrheit sie retten. Ich will suchen nach dieser rettenden Wahrheit und deshalb brechen, so weit ich vermag, mit der großen Lüge der Zeit, mit der Überschätzung von Geld und Gut.«

»Uriel!« rief der Graf, »Du wirst ja ein leibhafter Don Quixote: ziehst aus für Deine Dulzinea – Wahrheit!«

»Uriel!« fügte Levin, »wenn Du alles, was Du tun willst, aus übernatürlichen Beweggründen tätest und die Wahrheit mit dem Auge des Glaubens suchtest: so würde sich Dir ein seliges Leben erschließen, und – wenn nicht die Welt, so doch gewiß Deine Seele fände sicher ihren Rettungshafen.«

»Ich suche die Wahrheit, weil ich die Liebe verloren habe und weil ich ohne etwas Göttliches nicht leben kann,« sagte Uriel kalt.

»O, sage doch: nicht ohne Gott leben kann!« rief Levin. »In ihm hast Du die ewige Wahrheit vereint mit der ewigen Liebe – und folglich das, was Deine Seele, was jede Seele begehrt.«

»Nicht doch!« sagte Uriel und blieb bei seiner abwehrenden Kälte; »wer nur mit dem Auge des Glaubens sucht, verliert gar leicht die Liebe aus dem Gesicht und gerät auf Irrwege.«

Levin schwieg. Er hatte Mitleid mit diesem wunden Herzen. Der Graf sagte gelangweilt:

»Um auf die praktische Wahrheit, nämlich auf das wirkliche Leben zu kommen, Uriel: willst Du denn gar nicht heiraten? Auch ohne Stamberg bist Du als Windecker Erbgraf eine brillante Partie.«

»Hu! schrecklicher Gedanke, eine brillante Partie zu sein!« rief Uriel scherzend. »Da sehe ich im Vordertreffen die heiratslustigen Augen von hundert Komtessen – und im Hintertreffen die nicht minder heiratslustigen, aber im zweiten Grade, von hundert Mama's. Nein! da schlag' ich Chamade über den Ocean.«

»Wenn Du schon auf dem Punkt des Scherzes angelangt bist,« sagte der Graf, »so bleibt mir freilich nichts übrig, als die neuen Verhältnisse in Gang zu bringen, damit sie endlich einmal zum Abschluß kommen und damit jeder wisse, woran er ist. Ich bin von der langen Ungewißheit schon ganz morsch geworden.«

Orest wurde zuerst vorgerufen.

»Was geht hier vor?« rief er in seiner lustigen Weise. Warum seht Ihr so feierlich aus? Wollt Ihr mich in den Freimaurerorden aufnehmen! Papachen bist Du Meister vom Stuhl?«

Aber zum ersten Mal in seinem Leben wies der Graf entschieden Orest's Scherze zurück, eröffnete ihm die neue Lage der Dinge, durch welche nunmehr Orest der Stammhalter der Windecker werde und setzte hinzu, er hoffe alle Freude, die er durch Ariel und Regina nicht gefunden habe, jetzt doppelt durch Orest und Corona zu finden. Orest war mehr überrascht als erfreut. Der Gedanke, in die Ehe zu treten, hatte ihm stets ganz fern gelegen und erschien ihm nur als eine Bürde und Schranke – besonders jetzt, da er in Judiths Zauberfesseln gefangen war. Indessen schmeichelte es doch seiner Eitelkeit, plötzlich zu solcher Geltung in der Familie zu kommen, eine viel eminentere Stellung in der Gesellschaft einzunehmen und ein so liebliches Mädchen wie Corona als Gattin heimzuführen. Er nahm sich vor, sich auf der Stelle in sie zu verlieben – was in der Tat recht leicht war – und erklärte sich dankbar einverstanden mit dieser Wendung seines Schicksals. Der Graf ließ die Brüder beisammen, die Hyazinth aufsuchten, während er mit Onkel Levin zu seinen Töchtern ging und während des Gehens sagte:

»Corona wird sich doch nicht weigern? was meinen Sie?«

»Armes Kind!« sagte Levin: »ich glaube, der frühere Besitzer von Stamberg wäre ihr lieber als der gegenwärtige.«

»O Gott!« rief der Graf, »nur nicht abermals eine unglückliche Liebe.«

»Das behaupte ich nicht,« entgegnete Levin, »dazu ist sie noch zu jung. Aber der Keim ist da.«

»Den wollen wir geschwind ausrotten! Die exaltierten Gefühle meiner Kinder machen mich ganz nervenschwach.«

Er trat bei seinen Töchtern ein und rief ihnen fröhlich zu:

»Nun, Kinder, kommt her und wünscht mir Glück! ich habe zwei Bräute unter meinem Dach! eine für den Himmel – das ist Regina, und eine für Orest – das ist Corona. Nun sind wir alle auf unserem Platz.«

Beide Schwestern erbleichten – Regina vom Affekt der höchsten Freude, Corona von einem leisen Schmerz, der durch ihr Herz glitt. Sie hatte es sich wohl nie eingestanden und es war auch nie ein bestimmter Wunsch gewesen; aber unwillkürlich waren ihr liebliche Bilder vor die Seele getreten, als ob sie, an Reginen's Stelle, sehr glücklich auf Stamberg sein könnte; doch in diesen Bildern hatte Orest nie einen Platz eingenommen. Regina sank ihrem Vater zu Füßen, bedeckte seine und Levin's Hände mit Küssen und Tränen und sprach ihm Dank, Liebe und Freude in abgebrochenen einzelnen Worten aus. »Also endlich hat es der Papa denn doch recht gemacht!« sagte der Graf mit dem Ausdruck inniger Zufriedenheit. »Es ging nicht anders! ich mußte erst die Standhaftigkeit Deines Entschlusses prüfen. Da Uriel und ich uns nunmehr überzeugt haben, daß Du eine uneinnehmbare Festung bist, so siedle Dich an auf Deinem Karmel! Ich hätte Dich vielleicht noch länger zappeln lassen, aber Uriel's Entschluß brachte alles in's Reine und macht jetzt meine Corona zum Trost meines Alters.«

Schweigend und mit niedergeschlagenen Augen hatte Corona sich in die Fensternische zurückgezogen. Als der Graf das Wort an sie richtete, schlug sie die Augen zärtlich zu ihm auf und zwei schwere Tränen fielen von ihren Wimpern.

»Kind, weine nicht!« sagte der Graf liebevoll; »Du gehst einer schönen Zukunft entgegen, Du machst uns alle glücklich und Orest wird Dich auf den Händen tragen.«

»Ach, ich möchte lieber noch etwas warten,« sagte sie schüchtern. »Larifari! das sagen alle jungen Mädchen. Spürst Du etwa auch den Klosterberuf?«

»Nein, lieber Vater, dazu bin ich nicht fromm genug,« erwiderte sie aufrichtig und unbefangen.

»Möchtest Du etwa in der Welt eine alte Jungfer werden?«

»Das wäre just nicht meine Liebhaberei,« sagte sie mit der Munterkeit ihrer siebzehn Jahre.

»Weshalb wolltest Du also warten? Ein Sprichwort sagt: Jung gefreit, hat niemand gereut. Deine selige Mutter war ein Jahr älter – und Orest's Mutter ein Jahr jünger wie Du, als sie heirateten. Also habe nur guten Mut. Du bleibst in der Familie, Du kommst in alte wohlbekannte Umgebungen – das erleichtert den Schritt.«

Nach ihrer Neigung fragte der Graf durchaus nicht. Er würde auch nichts anderes von ihr gehört haben, als daß sie für Orest schwesterlich gesinnt und immer bereit sei, die Wünsche ihres Vaters zu erfüllen.

Regina eilte in die Kapelle, zum Tabernakel ihres himmlischen Bräutigams – und ihrem äußerst irdischen wurde Corona vom Grafen zugeführt. Die Baronin Isabelle, die ihren Gatten kaum ein Jahr nach ihrer Verheiratung verloren und ihn schwärmerisch geliebt hatte, beurteilte den Ehestand nach den Erfahrungen ihrer eigenen Rosenmonde und fühlte grenzenloses Bedauern, daß Regina eines solchen Glückes verlustig gehe. Es tat ihr aber auch sehr leid, in Corona nicht die leiseste Spur der schwärmerischen Gefühle wahrzunehmen, in denen sie einst geschwelgt hatte, und sie sagte beängstigt, wie sie leicht war, zum Grafen:

»Bester Schwager, wenn nur Corona's Herz mit Ihrer Wahl übereinstimmt! sie sieht so gewiß melancholisch aus, wie sonst nie.«

»Beste Isabelle«, unterbrach sie der Graf, »verschonen Sie mich mit melancholischen Beobachtungen, denn ich bin endlich einmal in Jubilo und mein Haus ist es mit mir. Solch' ein Bräutchen weiß nicht recht, was es für ein Gesicht machen soll, halb freundlich, halb verlegen; das nennen Sie melancholisch. Bedenken Sie doch, daß Corona, die von Kindesbeinen an den guten Orest gekannt hat, unmöglich stanta pede in heftige Liebe zu ihm verfallen kann.«

»Das bedaure ich eben, weil ich nicht einsehe, wie sie ohne Liebe die schweren Pflichten, die ihrer harren, erfüllen soll.«

»Und ich justement nicht! Bei solcher gewaltigen Liebe sind gewaltige Enttäuschungen unvermeidlich und diese machen viel unglücklicher, als das bischen Liebe glücklich gemacht hat. Aber je weniger man erwartet, desto mehr findet man. Also trösten Sie Sich!« –

Corona ging inzwischen zu dem, an den sich alle wendeten, die Rat oder Trost suchten; – zu Levin, und fragte ihn mit großer Entschiedenheit:

»Nicht wahr, lieber Onkel, Orest ist doch ein guter katholischer Christ?«

»Gott sieht in's Herz, mein Kind! wir aber hoffen es.«

»In London ging er nie Sonntags mit uns zur Messe.«

»Vielleicht ging er zu anderer Stunde! Nicht selten ist es den Männern unangenehm, gerade von den nächsten Verwandten bei ihren Andachtsübungen beobachtet zu werden. Hier in Windeck fehlt Orest nie.«

»Lieber Onkel,« sagte sie beklommen, »ach bitte, frage ihn doch, wie es mit seinem Glauben steht.«

»Es ist viel besser, wenn du selbst, liebes Kind, Dich darüber mit ihm aussprichst. Habt Ihr Euch erst in den höchsten Interessen zusammen gefunden, so ordnen und gestalten sich alle übrigen befriedigend.«

»Ich fürchte einen Ton anzuschlagen, der keinen Wiederhall findet!« rief sie schmerzlich.

»Welch' Mißtrauen, Corona!« sagte Levin und drohte freundlich mit dem Finger. »Es findet sich gewiß recht bald eine Veranlassung, um Dich darüber mit Orest auszusprechen, und ich hoffe, Du wirst dann beruhigt sein.«

Da trat Orest ein, um im Namen des Grafen zu fragen, ob Levin schon wegen der Dispense von der Verwandtschaft nach Rom geschrieben habe.

»Ich war damit beschäftigt, als Corona mich unterbrach,« entgegnete Levin. »Sage mir, Orest,« fuhr er fort, um ein Gespräch anzuknüpfen, welches Corona dann in ihrem Sinne, fortsetzen konnte – »ist die Kapelle im Stamberger Schloß fertig? und hat Uriel vielleicht eine Messe daselbst gestiftet?«

»Ich weiß von nichts, lieber Onkel, von gar nichts – als daß ich unerhört glücklich bin! glücklicher noch wie Saul, der Sohn Eis, der ausging, seines Vaters Eselinnen zu suchen und eine Krone fand; denn ich suchte nichts und fand doch eine Krone.«

»Du bist ja sehr belesen in der heiligen Schrift,« sagte Corona lächelnd.

»Laßt mich jetzt schreiben, meine Kinder!« unterbrach sie Levin und Corona sagte scherzhaft:

»Komm' ein wenig auf die Terrasse mit mir, Orest! der Abend ist herrlich.«

Levin nickte ihnen freundlich zu und sie gingen hinab; Orest seelenfroh, endlich einmal mit seiner Braut allein zu sein, der er doch unmöglich vor allen Leuten sagen konnte, wie lieblich, wie reizend, wie bezaubernd er sie finde; und sehr geschmeichelt, daß auch sie mit ihm unter vier Augen zu sein wünschte, weil sie ihm vermutlich etwas Ähnliches zu sagen hatte. Sein Erstaunen war daher grenzenlos, als Corona sich auf einen Basaltblock an dem plätschernden Springbrunnen setzte, ihm mit ihrem lieblichsten Lächeln tief in's Auge sah und mit ihrer süßesten Stimme eindringlich fragte:

»Orest, wie steht es mit dem Glauben?«

Er prallte förmlich zurück vor Überraschung; doch schnell gefaßt rief er scherzend:

»Aber Krönchen, Du irrst im Wort! Du willst wohl sagen: Wie steht's mit der Liebe!«

»O nein! danach brauch' ich nicht zu fragen!« antwortete sie mit einem Anflug von Selbstbewußtsein, der sie so anmutig machte, daß Orest meinte, er habe nie ein holdseligeres Wesen erblickt, und am Rande des Bassins neben ihr niederkniete.

»Ah!« rief sie, »das ist gerade die Stellung, in der ich Dich haben will. Nun beichte! also: wie steht's mit dem Glauben?«

»Ich glaube, daß Corona ganz dazu geschaffen ist, angebetet zu werden, und ich bekenne, daß ich auf gutem Wege dazu bin,« entgegnete Orest.

»Laß uns nicht mehr scherzen, lieber Orest,« sagte sie sanft und ein milder Ernst trat in ihr Auge: »laß uns von dem Höchsten und Heiligsten reden, wie es sich geziemt. Sieh, ich habe öfter sagen hören, die junge Männerwelt unserer Tage sei recht ungläubig, verachte die Lehren der heiligen Kirche, welche doch nichts anderes sind, als Gottes Gebote – und verschmähe die Sakramente, deren Ausspenderin die Kirche ist. Nun ist es Gottes Wille, und der Wunsch unseres Vaters, daß wir in die Ehe treten. Nun mußt Du mir sagen, daß Du nicht zu der ungläubigen Männerwelt gehörst, sondern gläubig für wahr hältst, was die Kirche lehrt und gläubig hinzutrittst zu den heiligen Sakramenten. Verachtetest Du sie: so würdest Du ja auch die Ehe als Sakrament verachten und sie ohne die Mitteilung der Gnade Gottes schließen. Woher sollten wir dann aber die Zuversicht nehmen, daß unsere Ehe gottgefällig wäre, daß die göttliche Gnade uns beistehen werde? und wie könnte ich mich auf Dich verlassen, wenn Du Dich nicht auf Gott und seine Gnade verläßt?«

Diese tief wahren, einfachen Worte trafen Orest in seinem Gewissen. Er dachte an die bunte Kette von gottentfremdeten Freuden, welche sich durch sein Leben schlang, an die tausend Fäden, welche seine Seele umspannen und von denen auch nicht einer den inneren Menschen an Höheres knüpfte – an Judith, die eine unerklärliche Macht über ihn ausübte, eine Macht, die ihm so zauberisch lockend erschien, daß er, auf welchen Punkt der Zukunft er sein Auge heftete, überall in sie hineinschaute, wie in eine blendende Sonne. Wenn er an Judith dachte, so kam er sich in seinen gegenwärtigen Verhältnissen wie das Opferlamm seiner Familie vor, obzwar er eingestehen mußte, daß sein Opfer mehr ein Empfangen als ein Geben sei. Er empfing die schöne Braut, die große Herrschaft, das bedeutende Vermögen; aber er opferte doch sein ungebundenes, zwangloses Dasein. Freilich war mit Judith an keine Ehe zu denken und er konnte doch unmöglich ihr zu Gefallen unter den gegenwärtigen Umständen ehelos bleiben und das alte edle Geschlecht der Windecker aussterben lassen. Und gab es nicht tausend Ehen, neben denen eine Judith stand? Ich muß mir das alles aus dem Sinne schlagen, Judith gar nicht wieder sehen und jetzt mein Bestes tun; dachte er bei sich selbst, während Corona sprach. Als sie schwieg und ihn fragend ansah, antwortete er:

»Ich wußte gar nicht, daß Du so enorm fromm wärest, Corona! aber das tut nichts. Fromme Frauen – allen Respekt! Ich werde Dich nie in Deiner Frömmigkeit irgendwie beeinträchtigen; Du aber mußt auch nie verlangen, daß ich in diesem Punkte genau mit Dir sympathisiere.«

»Ich verlange es nicht – ich hoffte es nur,« antwortete Corona traurig und sah dabei so lieblich aus, daß Orest ganz hingerissen ausrief:

»Du bist ja wahrhaftig ein kleines himmlisches Geschöpf, Dich zu grämen, weil ich nicht die Sakramente zu empfangen pflege.«

»Ah, Du empfängst nicht die Sakramente?« fragte sie.

»Nein,« sagte er unbefangen, »diese Gewohnheit habe ich nicht; aber in die Messe geh' ich – zuweilen.«

Corona stand von ihrem Basaltblock auf, warf einen Blick voll unaussprechlichem Ausdruck auf Orest und ging ernst und schweigend von dannen. Seine erste Bewegung war, ihr nachzueilen. Aber nein! sprach er zu sich selbst, ich rede lieber mit Onkel Levin und schütte ihm mein Herz aus. Ganz aufgeregt eilte er zu dem frommen Vertrauten aller verstörten Gemüter und rief:

»Bester Onkel, ich bin im höchsten Grade betroffen! ich scheine Corona sehr betrübt und verletzt zu haben. Als es sich in unserem Gespräch herausstellte, daß wir nicht vollkommen harmonierten, sah sie mich an – mit einem Blick ... einem unbschreiblichen, sagte kein Wort – und verließ mich.«

»Und wie entstand Eure Disharmonie?«

»Bester Onkel, es war ein unerhörtes Gespräch, Es steht gewiß einzig im Jahrhundert da, daß Verlobte, zum ersten Mal unter vier Augen, ein solches Gespräch führen!«

»Um welchen Gegenstand drehte sich denn dies merkwürdige Gespräch?«

»Um die Lehre von den Sakramenten.«

»Ah so! um die Lehre! – nicht wahr, um die praktische Ausübung dieser Lehre?«

»Richtig getroffen, lieber Onkel. Es ist doch wahrhaftig unmöglich, daß unsereiner in dem Punkt Schritt halten soll mit einem Geschlecht, das nicht nur das schöne, sondern noch ganz extra das fromme heißt! Der Soldat dient Gott in anderer Weise, mit Blut und Leben, in Gefahr und Ungemach, in Schlacht und Krieg. Da bekommt er denn ganz natürlich aus gewissen Gewohnheiten heraus.«

»Wenn ich nicht irre,« unterbrach ihn Levin, so werden die Soldaten pünktlich dazu angehalten, sich jeden Sonntag beim Gottesdienste und alljährlich zur österlichen Zeit zum Empfang der heiligen Sakramente einzufinden.«

»Versteht sich, bester Onkel, das gehört zum Reglement!« rief Orest eifrig. »Ordnung muß sein und der Offizier muß sorgen, daß sie von den Mannschaften beobachtet werde.«

»Ich kann nicht glauben, daß sich das militärische Reglement nur auf die Mannschaften beziehe; aber das weiß ich gewiß: das kirchliche Reglement macht keine Ausnahme für Offiziere, bei dem Leutnant angefangen, und bei Kaiser und Königen aufgehört, welche die obersten Anführer ihrer Heere sind. Und da Du so besorgt bist, das erstere aufrecht zu halten, mein' ich, Du könntest doch auch für das zweite etwas Eifer bewahren.«

»Wenn Du wüßtest, lieber Onkel, wie ungeheuer beschäftigt ich gerade immer in der österlichen Zeit war, wie ungeheuer viel Gedanken mir im Laufe eines einzigen Tages durch den Kopf wirbeln, so daß man gar nicht zur Besinnung kommt und das Aufgeschobene nicht mehr nachholen kann ...«

»So würd' ich Dir raten,« unterbrach ihn Levin, »all' diesen Ungeheuerlichkeiten auf eine Zeit Valet zu sagen und Dich als ein guter Soldat, der nicht bloß treu seinem Kaiser, sondern treu dem Herrn aller Kaiser dient – um das kirchliche Reglement zu kümmern.«

»Werde ich dadurch mit Corona meinen Frieden stiften?«

»Mit Corona auch; aber zuerst mit Gott, und das ist es eben, was Corona von Dir mit Recht verlangt. Liebe, Achtung und Vertrauen kann eine Frau nur zu dem Manne fassen, mit dem sie eine und dieselbe aus dem gemeinsamen Glauben entspringende Lebensrichtung hat. Ist diese Richtung bei dem einen Teile der Ehegatten unchristlich, so führt sie beide ins Unglück.«

»Unchristlich! ach, lieber Onkel, ich bin ein sehr guter Christ – nur nicht immer strikt kirchlich. Aber das mag wohl nur eine schlechte Gewohnheit sein; und kurz, um mit Corona – ich wollte sagen mit Gott, meinen Frieden zu machen, will ich mein pater peccavi beten. Es ist wahrhaftig kurios, was man alles lernt als Bräutigam.« –

Corona aber nahm die Sache nicht so leicht, wie Orest, und tröstete sich nicht so schnell über seinen Mangel an strikter Kirchlichkeit, wie er es nannte. Sie erkannte, daß sein Glaubensleben unter dem Gefrierpunkt stehe und sie fühlte mit dem richtigen Instinkt des reinen Herzens, daß diese Kälte nicht die Folge von Orest's Tugenden sei. Nun, so muß ich Gott doppelt lieben! sprach sie zu sich selbst und trocknete ihre schönen Augen, die noch nie so bittere Tränen geweint hatten und die ihrem Vater gegenüber heiter sein sollten. Sie wäre gern glücklich gewesen, ihr junges Herz hatte unbestimmte Träume von Glück gehabt und Bräute pflegen ja glücklich zu sein; aber sie war es nicht! Regina war es. –

»Jetzt hast Du, was Du verlangst,« sagte Hyazinth freudestrahlend zu ihr.

»Und was Du schon besitzest,« erwiderte sie. »Ja, Hyazinth, jetzt beginnt das Leben schön für uns zu werden: jetzt beginnt das Leiden aus Liebe, das vollkommene Opfer ohne irdischen Trost.«

»Bist Du so leidensdurstig?« fragte er.

»O nein!« sagte sie; »mich will zuweilen große Furcht übermannen, daß ich von Euch allen auf immer getrennt sein soll, und das enge Menschenherz zittert und bebt vor dem nahen Opfer – und dennoch geht mir ein unsägliches Frohlocken durch die Seele; denn ich denke, Hyazinth, daß die Nahrung der Liebe hienieden im Leiden für Gott und mit Gott besteht – und liebe ich nur immer vollkommener – was frag' ich dann nach Leid!«

»Droben wird's anders sein, Regina! droben nährt sich die Liebe von ihrer Seligkeit und die steigert sich in dem Maß, als wir im irdischen Leben gelitten haben.«

»Ich hörte einmal,« sagte sie, »die vollkommene Liebe dächte nie an die vergeltenden Wonnen der Ewigkeit und es sei ein jüdischer Handel, etwas zu geben und zu tun, um viel zu erlangen.«

»Das klingt ja ungemein erhaben und ist doch nur halb wahr,« entgegnete Hyazinth; »denn wenn die vollkommene Liebe gewiß niemals an eine Vergeltung denkt, die ihr in der Form dieser oder jener himmlischen Freudengenüsse ausgezahlt werden müßte: so ist es doch eben so gewiß, daß sie mit all' ihrem Denken und Empfinden, Wollen und Handeln, mit jeder Fähigkeit und Tätigkeit ihres Wesens zu jeder Zeit den Gegenstand ihrer Liebe umschlingt und die Kluft, welche das Gnadenleben vom Leben in der Glorie trennt, auch als Trennungsschmerz von dem göttlichen Geliebten empfindet. Der Uebergang in die Ewigkeit schließt diese Kluft, das weiß sie. Da gibt es keine Trennung, keine Schleier mehr. Da besitzt sie auf ewig, ungeteilt und unzertrennlich, nicht diese oder jene ewigen Güter, sondern das eine Gut, das Urgut, ihren Gott, den einzig geliebten, und in ihm – die Fülle der Seligkeit. Das ist kein niedriger Handel; denn um Gott zu besitzen, müssen wir das Ich fallen lassen. Wucher treiben können wir ebenso wenig mit der vollkommenen Liebe, als diese bestehen könnte ohne die beständige Sehnsucht nach Vereinigung mit Gott.« –

Zu Uriel, der mit kalter Abgeschlossenheit auf all' die bewegten Herzen sah, sagte Regina:

»Gott vergelt's, Uriel! ich weiß, daß ich des Vaters Nachgiebigkeit Deinem großmütigen Entschluß zu danken habe.«

»Ich hoffe,« sagte Uriel finster, »daß Gott Dir vergelten werde, wie Du es verdienst: mit dem Kreuz – weil Du mein Herz gekreuzigt hast.«

»Sein Wille geschehe!« entgegnete sie sanft.

Immer zerschmolz ihm das Herz in unsäglicher Liebe, wenn er in ihres Auges klare Stille sah.

»Sieh'!« sagte er in verändertem Tone, »Du wirst gekreuzigt werden innerlich; denn das fehlt Dir zu Deiner Vollkommenheit. Also, Regina, wenn Du es wirst, so werde es für mich.«

»Wenn Gottes Wille mir Kreuz schickt, Uriel, so werd' ich es vereinigen mit dem Kreuz auf Golgatha. Christus litt nicht für Dich allein, nicht für mich allein! Er litt für alle, ohne Ausnahme, ohne Bevorzugung. In Seine Hände geb' ich mich ohne Rückhalt.«

»Deine Herzenskälte ist schauerlich!« rief er.

Sie lächelte und schwieg. »Ah, Du lächelst, als ob Du es besser wüßtest!« fuhr er fort. »Nun, wohlan, Regina, Du bist aufrichtig, also sage mir: hast Du eine Ahnung davon, wie sehr ich Dich liebe?«

»Ja!« sagte sie einfach.

»O dann,« rief er freudig, »werd' ich immer einen besonderen Platz in Deiner Erinnerung haben.«

»So lange es Gott gefällt!« erwiderte sie ruhig. »Ich habe zu viel in der Welt leben müssen, um nicht einige weltliche Eindrücke im Gedächtnis zu haben ....«

»Weltliche Eindrücke!« rief Uriel zürnend. »Du nimmst eine Liebe wahr, die so tief, so stark, so umfassend ist, daß sie mein ganzes Schicksal über den Haufen – und mich selbst, Gott weiß in welche Bahn wirft – und das macht Dir einen weltlichen Eindruck!«

»Lieber Uriel,« antwortete Regina, »wir beide dürfen uns auf keine Erörterungen einlassen. Wir sprechen jeder eine Sprache, von welcher der andere nur einzelne Worte versteht; da find denn Mißverständnisse ganz unvermeidlich – und die tun weh. Ich wiederhole Dir: Gott vergelt's! – und dabei wollen wir es lassen.«

»Wann wirst Du eingekleidet?« fragte er finster.

»Ich hoffe am Tage der heiligen Maria vom Karmel,« sagte sie mit strahlendem Blick.

»Deinen Kalender kenn' ich nicht!« entgegnete er hart. »Den Datum will ich wissen – um vorher abzureisen.«

»Ende dieser Woche gehe ich nach Himmelspforten, um, wie es üblich ist, einige Wochen in weltlichen Kleidern im Kloster zu leben. Finden die Oberen, daß ich mich ins Klosterleben schicke – und finde ich mich darin heimisch: so darf ich mein Noviziat und mit ihm die ernste und gründliche Prüfung meines Berufes beginnen. Die Einkleidung bezeichnet den Eintritt ins Noviziat; ich vertausche dann die weltlichen Gewänder mit dem geweihten Ordenshabit und empfange den weißen Schleier der Novizen. Hoffentlich findet diese heilige Handlung am 16. Juli statt. Erst nach einem Jahre werde ich zur Ablegung der heiligen Gelübde zugelassen und dann erhalte ich den schwarzen Schleier, der da bedeutet, daß die Ordensfrau tot und begraben für die Welt ist.«

»Und wenn sie es nicht ist, Regina?« »So betet sie, daß sie es mehr und mehr werde, Uriel.«

»Und wie lange betet sie so?«

»Lebenslang! denn das Stück Welt in uns muß täglich von neuem sterben.«

Jedes ihrer Worte tat ihm weh und doch wollte er immer sie hören und sehen, und sehen und hören, weil sie jenseits dieser paar Tage fürs Leben ihm verloren war. Die ganze Familie wollte Regina nach dem Karmelitessenkloster Himmelspforten bei Würzburg begleiten; nur Uriel nicht! er hätte das Kloster in Brand stecken mögen: so haßte er es. Corona war fast ebenso traurig, wie er. Häufig umschlang sie die geliebte Regina, legte den Kopf auf ihre Schulter und weinte bitterlich.

»O,« sagte Regina zärtlich, »weine nicht um mich. Die Bräute Christi haben es besser, als die weltlichen Bräute.«

»Das fühl' ich nur zu gut!« seufzte Corona, »und doch kann ich Dir nicht nachfolgen.«

»Nein, Gott will es nicht! Deine Aufgabe ist, Dich in der Ehe zu heiligen – und Orest mit Dir.«

»Ich werde der Aufgabe erliegen!« jammerte Corona; »sie ist allzuschwer.«

»Sie wäre es, wenn Du mit Deinen menschlichen Kräften sie lösen solltest. Wer die Gnade des Sakramentes steht Dir bei und Deine Last trägt Gott ebenso gut mit Dir, wie er die meine mit mir teilt.« –

Der Graf war dermaßen erfreut über die Verheiratung der einen Tochter, daß er den Klosterberuf der anderen darüber verschmerzte. Was Uriel betraf, so hegte er die Hoffnung, die Weltumsegelung werde ihn von seinem Liebesleid herstellen und dann sei es ja noch immer Zeit, sich nach einer passenden Partie für ihn umzuschauen.

Drei Wagen standen im Hof. Der eine sollte gen Westen fahren und die beiden anderen nach Osten. Um die Wagen, auf dem Perron in der Vorhalle des Schlosses war die ganze Dienerschaft versammelt und viele Leute aus den Besitzungen des Grafen, um von Regina Abschied zu nehmen. Man hatte zwar schon längst gesagt, sie sei so fromm, daß ihr Sinn nach dem Kloster stehe; der Graf wolle es jedoch nicht erlauben. Nun ging sie wirklich in das arme, strenge Kloster – die junge, schöne, reiche, liebenswürdige und geliebte Regina! nun verließ sie wirklich das Vaterhaus und die Familie und den jungen Mann, der sie anbetete! in welcher übernatürlichen Liebe zu Gott mußte das Herz entbrannt sein. Sie hatte in der Frühe zu Kloster Engelberg die heiligen Sakramente empfangen, Abschied genommen von der Gruft ihrer Mutter, von dem Gnadenbilde der Mutter Gottes, von den frommen Patres, die ihre Seele gepflegt hatten; dann Abschied genommen von dem lieben Windeck, von jedem Zimmer im Schloß, von jedem Plätzchen im Garten; ach! und von der trauten Kapelle. Jetzt trat sie in Onkel Levin's Zimmer, bleich, verklärt, wie ein Geist, der – wie einst Ernest von ihr gesagt hatte – die Schwingen entfaltet zum Auffing in die Heimat der Geister.

»Mein Herz stirbt, geliebter Onkel!« sagte sie leise und sank zu seinen Füßen nieder.

»Wohl Dir, teures Kind! in dem durchwundeten Herzen unseres Gottes findet es sein Leben wieder! Nimm nur getrost alle Kronen von Deinem Herzen ab, auch die der Kraft, auch die der freudigen und stolzen Zuversicht; setze keine Grenzen Deiner inneren Verdemütigung und Selbstentäußerung – verlange auch die Dornenkrone nicht, denn das könnte Dich stolz machen; aber nimm sie selig an, wenn Dein Herr und Heiland sie mit Dir teilen will – und nun komm'! die Stunde ist da.«

Er segnete sie, hob sie von der Erde auf und sagte mit unaussprechlicher Zärtlichkeit:

»Nicht hier nehme ich Abschied von Dir. Ich gehe auch mit nach Würzburg. Ich will selbst das Kleinod meines Herzens im Schrein Gottes niederlegen.«

Sie verließen Levin's Zimmer. Da stand Uriel an eine Säule gelehnt.

»Regina!« rief er und trat ihr entgegen; »ist's denn wirklich ein Lebewohl für immer?«

»O nein, Uriel!« sagte sie gefaßt, »nur für die Erde – ein kurzes Lebewohl. Und dann: auf Wiedersehen, lieber Uriel!«

Sie ging vorüber mit Onkel Levin. Uriel folgte ihr gedankenlos. Wie durch einen Schleier sah und hörte er, was um ihn her vorging. Er hörte sprechen, er hörte weinen; er sah sich umringt von der ganzen Familie, die ihm tausend Liebes und Herzliches sagte und ihm glückliche Reise und glückliche Heimkehr wünschte. Onkel Levin sagte:

»Der Engel Raphael geleite Dich zu uns zurück.«

Das verstand Uriel, sonst nichts. Er antwortete auf alles ganz gedankenlos: »Ja, ja!«

Der Graf, Onkel Levin, Regina und Hyazinth stiegen in den ersten Wagen; die Baronin Isabelle mit Corona und Orest in den zweiten. Kinder und junge Mädchen warfen den beiden Schwestern Blumen zu. Die Wagen rollten vom Hof.

»Dahin ist mein Glück!« seufzte Uriel. Er sprang in seinen Wagen, schloß die Augen und sein Kammerdiener sagte zum Postillon:

»Fort nach Frankfurt! von da geht's weiter nach Hamburg und rund um die Welt.«


 << zurück