Rider Haggard
Das unerforschte Land
Rider Haggard

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19. Kapitel

Die Schlacht im Engpaß

Am dritten Morgen machten Sir Henry und ich uns auf den Weg. Mit Ausnahme einer kleinen Bedeckung war das ganze große Heer die Nacht zuvor aufgebrochen, so daß die Felsenstadt jetzt schweigsam und verlassen dalag. Wir fanden es wirklich unmöglich, eine Garnison zurückzulassen, wenn wir von einer persönlichen Leibwache für Nyleptha und etwa tausend Mann absahen, die aus Krankheit oder anderen Gründen dem Heere nicht folgten. Da indes Milosis tatsächlich uneinnehmbar war und unser Feind zudem vor und nicht hinter uns stand, fiel dieser Umstand nicht sehr ins Gewicht.

Good und Umslopogaas waren schon mit der Armee ausmarschiert, doch begleitete Nyleptha Sir Henry und mich bis an die Tore der Stadt, wobei sie einen prächtigen Schimmel ritt, der »Taglicht« hieß und das schnellste ausdauerndste Pferd in ganz Zu-Vendis sein sollte. Ihr Gesicht verriet, daß sie kürzlich geweint hatte, doch standen jetzt keine Tränen in ihren Augen und sie hielt sich, so schwer es ihr auch fallen mochte, tapfer aufrecht. Am Tore zügelte sie ihr Pferd und sagte uns Lebewohl. Tags zuvor hatte sie Heerschau abgehalten und dabei so 313 begeisternd beredte Worte an die Offiziere gerichtet, ein so vollständiges Vertrauen in ihre Tapferkeit und ihren Sieg ausgesprochen, daß sie aller Herzen im Sturm errungen hatte und ihr die Männer, als sie die Front abritt, zujubelten, daß die Erde zitterte. Heute schien sie in derselben Stimmung zu sein.

»Gehab' dich wohl, Macumazahn!« sagte sie. »Bedenke, daß ich mich auf deine Klugheit verlasse, die sich im Vergleich zu der meines Volkes wie eine Nadel zu einem Speer verhält. Ich weiß, daß du deine Schuldigkeit tun wirst.«

Ich verneigte mich und erklärte ihr, daß ich tiefen Abscheu vor jedem Kampf empfände und zudem für mein Leben fürchte, worauf sie nur heiter lächelte und sich an Curtis wandte:

»Lebe wohl, mein Gebieter!« sagte sie, »komme siegreich und als König oder auf den Speeren deiner Soldaten zurück.«

Sir Henry entgegnete nichts, sondern wandte sein Pferd zum Gehen, indem er mit Mühe seinen Schmerz hinunterwürgte. Es ist nicht leicht, Abschied zu nehmen, wenn man erst eine Woche verheiratet ist.

»Hier,« fügte Nyleptha hinzu, »will ich euch begrüßen, wenn ihr im Triumph zurückkehrt. Und nun, noch einmal, lebt wohl.«

Dann ritten wir davon; als wir jedoch hundertfünfzig Schritte oder etwas mehr zurückgelegt hatten, wandten wir uns um und erblickten sie noch immer auf ihrem Pferde auf derselben Stelle, von der sie uns nachschaute. Und das war das letzte, was wir von ihr sahen. Etwa eine Meile weiter vernahmen wir Galopp hinter 314 uns und gewahrten, als wir uns umdrehten, einen Soldaten auf uns zujagen, der Nylepthas unübertreffliches Pferd »Taglicht« am Zügel führte.

»Die Königin sendet ihrem Herrn Incubu den weißen Hengst als Abschiedsgabe und gebietet mir, meinem Herrn zu sagen, daß der Hengst der schnellste und ausdauerndste Renner im ganzen Land ist,« richtete der Soldat aus, indem er sich bis auf den Sattelknopf vor uns verneigte.

Anfänglich wollte Sir Henry das Pferd nicht annehmen, da es für solch rauhe Arbeit, wie sie unser wartete, zu schade sei. Ich überredete ihn jedoch dazu, da ich glaubte, daß es Nyleptha kränken würde, wenn er ihre Gabe zurückwies. Wenig ließ ich mir in jenem Augenblick träumen, welchen Dienst uns das edle Pferd in unserer größten Not erweisen sollte.

Nun, wir nahmen das Pferd an, das wirklich in seiner Art eine Schönheit war und setzten, nachdem Curtis den Soldaten mit Gruß und Dank zurückgesandt hatte, unsern Marsch fort.

Um Mittag holten wir die Nachhut der großen Armee ein, über die Sir Henry dann den Oberbefehl übernahm. Die damit verbundene schwere Verantwortung drückte ihn sehr nieder. Er machte jetzt die Erfahrung, daß Größe nicht nur Ruhm, sondern auch Verantwortlichkeit mit sich führt.

Dann marschierten wir weiter, ohne auf irgendwelchen Widerstand zu stoßen, ja fast ohne jemandem zu begegnen, denn die Bevölkerung der Städte und Dörfer längs unseres Weges war zum größten Teil geflohen, um nicht zwischen die beiden 315 feindlichen Heere zu geraten und wie das Getreide zwischen den Mühlsteinen zu Pulver zermalmt zu werden.

Am Abend des vierten Tages – das Vorrücken einer so großen Menge geht natürlich nur langsam vor sich – schlugen wir unser Lager nur zwei Meilen von dem erwähnten Hügelland entfernt auf. Unsere Vorposten brachten uns die Kunde, daß Sorais mit ihrer ganzen Macht gegen uns heranzöge, und ihr Lager an jenem Abend in einer Entfernung von zehn Meilen jenseits des Hügellandes aufgeschlagen hätte.

Vor Sonnenaufgang noch sandten wir daher fünfzehnhundert Reiter voraus, um die Stellung zu besetzen. Kaum aber hatten sie sie eingenommen, als sie auch schon von einer ebenso starken feindlichen Reiterschar angegriffen wurden. Ein hitziges kleines Kavalleriegefecht folgte, in dem wir dreißig Mann verloren. Bei dem Anrücken unserer Hauptarmee jedoch zogen sich Sorais' Truppen zurück und nahmen ihre Toten und Verwundeten mit sich fort.

Der Hauptteil der Armee traf um die Mittagszeit bei dem Paß ein, der, wie ich offen gestehe, Nylepthas Wahl glänzend rechtfertigte. Es war ein ausgezeichneter Platz, um dem Feind, besonders dem an Zahl überlegenen, eine Schlacht zu liefern.

Der Weg führte etwa eine Meile lang durch unebenes Gebiet, auf dem an ein Manövrieren bedeutender Truppenmassen nicht zu denken war, bis er den Kamm einer großen Anhöhe erreichte, die allmählich zu den Ufern eines kleinen Flusses abfiel und sich dann noch weiter zu der jenseits gelegenen Ebene abdachte. Diese 316 Anhöhe war auf jeder Seite durch felsiges, mit dichtem Gebüsch bewachsenes Terrain geschützt, das den Flanken des Heeres eine höchst wertvolle Deckung gewährte.

Curtis befahl seinen Truppen, auf dem diesseitigen Abhang der Bodenerhebung in derselben Stellung zu lagern, die sie in der heißen Schlacht, die bevorstand, einnehmen sollte. Diese Stellung war im gemeinschaftlichen Kriegsrat bestimmt worden.

Unsere Streitmacht war wie folgt verteilt: Das Zentrum bestand aus einer Schar von zwanzigtausend Fußsoldaten, die mit Speeren, Schilden, Schwertern, Brust- und Rückenpanzern aus Flußpferdhäuten bewaffnet waren, und einer Reserve von fünftausend Mann Fußtruppen und dreitausend Reitern. Auf beiden Seiten waren je siebentausend Reiter in tiefen Gliedern aufgestellt. Rechts und links von diesen Reitern, aber ein wenig vorgeschoben, hatten zwei Abteilungen von je siebentausendfünfhundert Speerträgern Aufstellung gefunden, die den rechten und linken Flügel bildeten und noch durch eine fünfzehnhundert Mann starke Reiterabteilung verstärkt waren. Alles in allem zählten wir sechzigtausend Mann.

Curtis war Oberbefehlshaber. Ich führte den Befehl über die siebentausend Reiter zwischen dem Zentrum und dem rechten Flügel, den Good befehligte, während die andern Bataillone und Schwadronen dem Befehl von Zu-Vendi-Generalen anvertraut waren.

Kaum hatten wir unsere Stellungen eingenommen, als Sorais' ungeheures Heer auf dem entgegengesetzten, etwa eine 317 Meile von uns entfernten Abhang auszuschwärmen begann, bis der ganze Platz von ihren Speeren bedeckt zu sein schien und der Boden unter dem Tritt der Bataillone zitterte. Unsere Spione hatten offenbar nicht übertrieben, der Feind war zum mindesten um ein Drittel stärker als wir. Anfänglich dachten wir, daß Sorais uns unverzüglich angreifen würde, da ihre Reiterei einige drohende Bewegungen machte. Sie überlegte es sich jedoch, und es fand an jenem Tage kein Kampf statt. Was die Aufstellung ihrer großen Truppenmassen betraf, so glich dieselbe in ihren Grundzügen der unsrigen, nur waren ihre Reserven weit stärker.

Unserm rechten Flügel gegenüber stand, Sorais' linken Flügel bildend, eine große Armee dunkler, wildaussehender Männer, die nur mit Schwert und Schild bewaffnet war und, wie ich mir sagen ließ, aus Nastas fünfundzwanzigtausend wilden Bergbewohnern bestand.

»Auf mein Wort, Good,« sagte ich, als ich sie sah, »es wird Ihnen morgen übel ergehen, wenn diese Herren angreifen,« worauf Good ziemlich finster aussah, was unter den Umständen erklärlich schien.

Wir warteten und warteten den ganzen Tag, es trug sich aber nichts zu. Endlich brach die Nacht herein und Tausende von Wachtfeuern wurden angezündet, um langsam, eines nach dem andern, den Sternen gleich, denen sie ähnelten, wieder zu erlöschen. Mit dem Vorrücken der Stunden wurde es auch bei den feindlichen Heerscharen immer stiller. 318

Es war eine sehr anstrengende Nacht, da uns, abgesehen von den unzähligen Sachen, um die wir uns bekümmern mußten, unsere Unruhe fast verzehrte. Der Kampf, den der nächste Morgen brachte, war aller Voraussicht nach so ungeheuer, und das Gemetzel so schrecklich, daß der ein sehr starkes Herz haben mußte, den der Gedanke daran nicht gänzlich niederdrücken sollte. Und wenn ich daran dachte, was alles von der Schlacht abhing, so gestehe ich, daß mir nicht wohl zumut war und daß es mich mit tiefem Kummer erfüllte, diese mächtigen Heere dem Tode geweiht zu sehen. Es war ein schrecklicher Gedanke und ganz dazu angetan, über die Verantwortung, die auf den Großen dieser Welt ruht, nachzudenken. Bis tief in die Nacht hinein saßen wir bleichen Antlitzes und schweren Herzens beim Kriegsrat zusammen, während die Schildwachen auf und ab marschierten und die in ihre besten Rüstungen gehüllten Generäle wie grimmige Schatten kamen und gingen.

So schlich die Zeit dahin, bis alles für den kommenden Kampf bereit war. Dann legte ich mich nieder und suchte noch ein wenig zu ruhen, konnte aber aus Furcht vor dem Morgen nicht einschlafen – denn wer konnte sagen, was der Morgen bringen würde? Elend und Tod, das war sicher. Darüber hinaus wußten wir nichts, und ich gestehe, daß ich mich sehr fürchtete. Zwecklos ist es jedoch, wie ich damals einsah, jene ewige Sphinx, die Zukunft, zu befragen. Von Tag zu Tag liest sie uns laut die Rätsel des vergangenen Tages vor, von denen die Kinder der Welt zu allen Zeitaltern auch noch nicht eins gelöst haben, oder je eins 319 lösen werden, mögen sie sich auch noch so sehr den Kopf zerbrechen, oder noch so laut nach Wahrheit schreien.

So gab ich denn zuletzt das Nachdenken auf, da ich dabei zu keinem andern Ergebnis gelangte, als daß wir demütig der Vorsehung und dem nächsten Morgen die Entscheidung überlassen mußten.

Endlich ging die rote Sonne auf und die riesigen Lager erwachten und rüsteten sich mit lautem Getöse zur Schlacht. Es war ein ebenso schöner wie beängstigender Anblick, und der alte Umslopogaas betrachtete ihn, auf seine Axt gelehnt, mit grimmigem Entzücken.

»Nie habe ich etwas Ähnliches gesehen, Macumazahn,« sagte er, »nie! Die Schlachten meines Volkes sind Kinderspiel im Vergleich zu dieser vor uns. Denkst du, daß sie es auskämpfen werden?«

»Ja,« antwortete ich traurig, »bis in den Tod. Gib dich zufrieden, Baumwürger, einmal wenigstens wirst du genug zu würgen bekommen.«

Die Zeit verging, und noch immer war kein Zeichen von einem Angriff zu bemerken. Eine Abteilung Reiterei überschritt den Bach und ritt langsam unsere Front entlang, offenbar, um sich von unserer Aufstellung und Stärke zu überzeugen. Wir ließen sie ruhig gewähren, da uns befohlen war, uns nur auf die Verteidigung zu beschränken und das Leben auch nicht eines einzigen Mannes nutzlos aufs Spiel zu setzen. Die Mannschaften frühstückten unter den Waffen, und die Stunden vergingen. Um 320 Mittag, als die Mannschaften ihr Mittagsmahl einnahmen – denn wir glaubten, daß sie mit vollem Magen besser kämpfen würden – erhob sich auf dem äußersten rechten Flügel des Feindes der donnernde Ruf: »Sorais! Sorais!« und ich erkannte, als ich mein Fernglas zur Hand nahm, die Königin der Nacht, wie sie, umgeben von einem glänzenden Stabe, langsam die Reihen ihrer Bataillone abritt. Dem Rasseln von zehntausend Wagen, oder dem Gebrüll des Ozeans bei wütendem Orkan vergleichbar, rollte jener donnernde Zuruf vor ihr her, bis die Erde erbebte und die Luft davon wiederhallte.

In der Annahme, daß dies das Vorspiel zum Beginn der Schlacht sei, verhielten wir uns still und machten uns bereit.

Wir hatten nicht lange zu warten. Plötzlich schossen, wie eine Flamme aus dem Munde einer Kanone, zwei große Reiterabteilungen hervor und jagten, mit immer zunehmender Geschwindigkeit, den Abhang in der Richtung nach dem kleinen Fluß hinunter. Ehe sie aber an den Fluß gelangten, erhielt ich von Sir Henry, der offenbar befürchtete, daß unsere Infanterie der Gewalt eines solchen Angriffes nicht gewachsen sei, den Befehl, ihnen mit fünftausend Reitern in dem Augenblick entgegenzutreten, wo sie, etwa vierhundert Schritt von unsern Linien entfernt, den steilsten Teil der Anhöhe hinaufreiten würden. Ich befolgte den Befehl, blieb aber selbst bei dem Rest meiner Mannschaften zurück.

Dahin sausten die keilförmig zusammengeschlossenen fünftausend Reiter, und ich muß gestehen, daß der kommandierende 321 General seine Sache gar nicht übel machte. In leichtem Galopp ritt er die ersten dreihundert Schritte grade auf die Spitze der feindlichen Reiterei zu, die wie eine Zunge formiert und etwa achttausend Mann stark im Begriff stand, sich auf uns zu stürzen. Da plötzlich schwenkte er nach rechts, vergrößerte die Geschwindigkeit, und ich sah den großen Keil, ehe noch der Feind anhalten und wenden konnte, etwa in der Mitte in ihn eindringen. Mit einem Krachen, ähnlich dem Aufbrechen großer Eisfelder, drang der Keil dem Feind ins Herz, zu beiden Seiten Hunderte von Reitern niederjagend, wie der Pflug die Erde aufwirft, oder, noch richtiger gesagt, wie das schäumende Wasser sich unter dem Bug des Schiffes zerteilt. Hinein, immer tiefer hinein! Vergeblich sucht die Zunge, wie eine verwundete Schlange im Todesschmerz, ihre Spitze herumzuschlingen und ihr Zentrum zu beschützen. Immer tiefer noch hinein, beim Himmel! Grade durch und unter dem Jubel unserer Truppen wieder zurück gegen die durchschnittenen Enden, sie niederschlagend und wie Gischt vor dem Sturm dahintreibend, bis schließlich die ganze große Abteilung wie ein leerer Handschuh zusammengeschrumpft ist, kehrt macht und dann in tollem Wirrwarr unter dem Jubelgeschrei ihrer Verfolger zu ihrer Hauptmacht zurückflieht, während reiterlose Rosse zu Hunderten auf dem Schlachtfeld umherirren.

Ich glaube nicht, daß von dem Feind, der uns vor zehn Minuten angriff, mehr als zwei Drittel mit dem Leben davongekommen waren. Die Linien, die jetzt zum Angriff vorrückten, 322 öffneten sich und nahmen die Fliehenden auf, gleichzeitig kehrte unsere Reiterei zurück, die etwa fünfhundert Mann verloren hatte – kein sehr bedeutender Verlust, wenn ich die Erbitterung des Kampfes berücksichtige. Ich konnte ferner sehen, daß die feindliche Reiterei auf unserm linken Flügel sich zurückzog, es ist mir aber nicht genau bekannt, wie der Kampf dort verlief. Ich muß mich daher auf eine Schilderung der Schlacht beschränken, wie sie sich unmittelbar vor meinen Augen abspielte.

Inzwischen hatten die dichten Massen des linken feindlichen Flügels, die fast ganz aus Nastas Schwertträgern bestanden, den kleinen Fluß überschritten und schwärmten nun, abwechselnd Nasta und Sorais rufend, mit fliegenden Fahnen und funkelnden Schwertern wie Ameisen auf uns ein.

Wiederum empfing ich den Befehl, diese Bewegung, und auch den Hauptangriff gegen die Mitte unserer Armee, durch Kavallerieattacken aufzuhalten, was ich auch nach besten Kräften tat, indem ich fortwährend Regimenter von etwa je tausend Reitern ihnen entgegensandte. Diese Angriffe fügten dem Feinde vielen Schaden zu, und es war ein überwältigender Anblick, sie den Hügel hinabsausen und sich wie ein lebendes Messer in das Herz des Feindes versenken zu sehen. Allein auch wir verloren viele Mannschaften, denn, nachdem wir diese Angriffe, die in dem Mittelpunkt von Nastas Schar ein blutiges Andreaskreuz von Toten und Verwundeten bildeten, einige Male wiederholt hatten, gaben es die Feinde auf, dem unwiderstehlichen Ansturm eine geschlossene Front entgegenzusetzen, und öffneten ihre 323 Reihen, um die Reiter zwischen sich durchzulassen, wobei sie sich auf den Boden warfen und Hunderten von Pferden die Sehnen durchschnitten.

So rückte, ungeachtet aller unserer Anstrengungen, der Feind immer näher, bis er sich zuletzt auf Goods Abteilung von siebentausendfünfhundert Regulären warf, die in drei starken Vierecken seinen Angriff erwarteten. Um die gleiche Zeit auch sagte mir ein entsetzliches Getöse, daß das Zentrum und der äußerste linke Flügel mitten im Kampfe drin waren. Ich richtete mich in meinem Steigbügel auf und blickte nach links: So weit das Auge reichte, sah ich einen langen Streifen von glänzenden Schwertern und Speeren, in denen sich die Sonne widerspiegelte.

Hin und her wogten die feindlichen Reihen in tödlichem Kampf, jetzt ein wenig weichend, dann in der wilden und doch geordneten Verwirrung von Angriff und Verteidigung ein wenig Boden gewinnend. Ich hatte jedoch genug zu tun, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf meinen eigenen Flügel beschränkte, und da die Reiterei sich für den Augenblick unter dem Schutze von Goods Karrees zurückgezogen hatte, bot sich mir ein ziemlich klares Bild dar.

Nastas wilde Schwertträger prallten, blutgeröteten Wellen vergleichbar, von den wie Felsen stehenden Karrees ab. Wieder und wieder stießen sie ihren Kriegsruf aus und warfen sich wild auf die langen dreifachen Speerreihen, doch nur, um immer wieder zurückzuweichen.

So wütete die Schlacht fast ohne Pause vier lange Stunden 324 hindurch, und hatten wir dann auch nichts gewonnen, so hatten wir auch nichts verloren. Zwei Versuche, einen Weg durch das Gehölz, das unsere linke Flanke deckte, zu erzwingen und diese dadurch abzuschneiden, waren gescheitert, und noch hatten Nastas Schwertträger, ungeachtet ihrer verzweifelten Anstrengungen, Goods Karrees nicht zu durchbrechen vermocht, wenngleich sie die Reihen derselben um mindestens ein Drittel verringert hatten.

Was das Zentrum der Armee anbetraf, wo Sir Henry mit seinem Stabe und Umslopogaas stand, so hatte sie furchtbar gelitten, sich jedoch mit Ehren behauptet und das gleiche ließ sich unserem linken Flügel nachsagen.

Endlich erlahmte die Wut des Angriffs und Sorais' Armee zog sich zurück, da sie, wie ich glaubte, für den Tag genug bekommen hatte. Hierüber sollte ich jedoch bald eines Besseren belehrt werden, denn sie griff uns, ihre Reiterei in verhältnismäßig kleine Schwadronen einteilend, jetzt mit diesen auf der ganzen Linie wütend an. Dann stürzten sich noch einmal ihre Zehntausende von Schwert- und Speerträgern in verbissener Tapferkeit auf unsere geschwächten Karrees und Schwadronen. Sorais selbst leitete die Bewegung und führte ihre Anhänger kühn wie eine Löwin zum Hauptangriff. Vorwärts wälzten sie sich wie eine Lawine – ich sah den goldenen Helm in der Vorhut blitzen – die Gegenangriffe unserer Reiterei erwiesen sich als viel zu schwach, um ihren Ansturm aufzuhalten. Jetzt erfolgte der Zusammenprall, unser Zentrum gab wie ein Bogen unter der Wucht ihres Anpralls nach – es teilte sich, und wären 325 nicht unsere zehntausend Reserven zur Unterstützung herbeigestürzt, wäre es gänzlich aufgerieben worden. Goods drei Karrees wichen rückwärts wie Boote vor einer einströmenden Flut. Das erste wurde nahezu durchbrochen und verlor die Hälfte der noch am Leben gebliebenen Mannschaft. Der Angriff war jedoch zu wild und furchtbar, um von Dauer zu sein. Plötzlich kam es zu einem Wendepunkt und einige Minuten lang war alles still.

Dann nahm der Kampf die Richtung auf Sorais' Lager zu. In jenem Augenblick wichen auch Nastas wilde und fast unbesiegbare Hochländer zurück, mochten sie nun durch ihre Verluste entmutigt sein oder aber eine Kriegslist anwenden, und mit wildem Jubel folgten ihnen die Reste von Goods tapferen Karrees den Abhang hinab, unbesonnen ihre so viele Stunden hindurch behaupteten Stellungen aufgebend. Im nächsten Augenblick aber machten die wütenden Hochländer wiederum kehrt und warfen sich unter lautem Gebrüll von neuem auf sie. Von jeder Seite angegriffen, wurden die Reste des ersten Karrees im Nu vernichtet, und auch das zweite, in dessen Mitte ich Good selbst auf einem großen Pferde bemerkte, schien dem Untergange geweiht zu sein. Noch wenige Minuten, und es war durchbrochen, seine flatternden Banner sanken zu Boden und in dem schrecklichen Wirrwarr und Gemetzel, das nun folgte, verlor ich Good aus den Augen.

Plötzlich jedoch brach ein isabellenfarbenes Pferd mit einer schneeweißen Mähne und ebensolchem Schweif aus den Trümmern des Karrees hervor und jagte reiterlos und mit 326 herabhängendem Zügel an mir vorüber. Es war das Pferd, das Good geritten hatte. Darum zögerte ich nicht länger, sondern nahm die Hälfte meiner jetzt noch etwa vier- bis fünftausend Mann starken Kavallerie mit mir, befahl meine Seele Gott und jagte, ohne weitere Befehle abzuwarten, direkt in Nastas Schwertträger hinein. Da sie uns kommen sahen und der donnernde Galopp unserer Pferde sie warnte, machte die Mehrheit von ihnen kehrt und bereitete uns einen höchst warmen Empfang. Keinen Zoll wollten sie weichen, vergeblich schlugen und ritten wir sie nieder, uns dabei eine breite rote Furche durch ihre Tausende bahnend. Zu Hunderten schienen sie wieder aufzustehen, um ihre schrecklich scharfen Schwerter in unsere Pferde zu stoßen oder ihnen die Kniesehnen durchzuschneiden, und die dann zu Fall kommenden Reiter in Stücke zu zerhacken. Mein Pferd war schnell unter mir getötet, doch hatte ich zum Glück ein Ersatzpferd bei mir, eine kohlschwarze Stute, die Nyleptha mir geschenkt hatte und die ich später bestieg. Mittlerweile mußte ich mich aber behelfen, so gut es ging, denn ich war meinen Mannschaften in der tollen Verwirrung des Augenblicks verloren gegangen und meine Stimme drang natürlich bei dem betäubenden Lärm nicht zu ihnen. Plötzlich befand ich mich mitten in den Trümmern des Karrees, das von Good angeführt worden war und das jetzt noch verzweifelt um sein Dasein kämpfte. Ich taumelte gegen jemanden und entdeckte, als ich niederblickte, Goods Einglas. Er war in seine Knie gesunken und ein großer Bursche über ihm holte grade zu tödlichem Schlage aus. Es gelang mir 327 noch rechtzeitig, dem Mann das Dolchmesser des Massai, dem ich die Hand abgeschlagen hatte, durch den Leib zu stoßen, ich empfing dabei jedoch von ihm über die linke Seite und Brust einen fürchterlichen Schwerthieb, und wenn das Kettenhemd auch mein Leben rettete, fühlte ich doch, daß ich stark verwundet war. Etwa eine Minute lang blieb ich auf Händen und Knien unter den Toten und Verwundeten liegen, wobei mir ganz krank und schwach zumute wurde. Als ich wieder zu mir kam, sah ich, daß Nastas Schwertträger, oder richtiger gesagt, die Überreste von ihnen, sich über den Fluß zurückzogen, und daß Good an meiner Seite stand.

»Eine verteufelte Patsche war es, in der wir uns befanden,« rief er aus, »doch Ende gut, alles gut.«

Ich pflichtete ihm bei, hatte dabei jedoch das Gefühl, daß die Sache für mich nicht gut geendet hatte – ich war schwer verwundet.

Grade in jenem Augenblick sahen wir die kleineren Abteilungen Reiterei auf unserem äußersten rechten und linken Flügel, verstärkt durch die dreitausend Mann starke Reserve, wie der Blitz von ihrem Posten über die aufgelösten Flanken von Sorais' Truppen herfallen und dieser Angriff entschied das Schicksal der Schlacht. Nach wenigen Minuten befand sich der Feind in langsamem, unfreiwilligem Rückzug über den kleinen Fluß, wo er sich noch einmal festsetzte. Dann folgte eine abermalige Pause, während welcher ich mir mein zweites Pferd bringen ließ und von Sir Henry den Befehl zum Vorrücken 328 empfing. Mit einem tiefen, leidenschaftlichen Schrei, wehenden Bannern und blitzenden Säbeln ging der Rest unserer Armee nun zum Angriff über und begann langsam, aber unwiderstehlich von der Stellung, die sie den ganzen Tag so tapfer behauptet hatte, herabzusteigen.

Endlich kam auch an uns die Reihe zum Angriff.

Wir rückten vorwärts, hinweg über die aufgestapelten Stöße von Toten und Verwundeten und näherten uns dem Fluß, als sich mir plötzlich ein außerordentlicher Anblick darbot. Ein Mann in der vollen Uniform eines Zu-Vendi-Generals kam, die Arme fest um den Nacken seines Pferdes geschlungen, an den er sein blasses Gesicht gepreßt hatte, in wildem Galopp auf uns zugeritten. Und wer war es? Kein anderer als unser verlorengegangener Alfons. Es war selbst in jenem Augenblick unmöglich, den stolzen schwarzen Schnurrbart zu verkennen. In der nächsten Minute schon drängte er sich durch unsere Reihen und wäre beinahe niedergeschlagen worden, wenn ihm nicht jemand im letzten Augenblick in die Zügel gefallen wäre und ihn zu mir gebracht hätte.

»Ah, Monsieur,« stieß er mit einer vor Furcht beinahe unartikulierten Stimme hervor, »Sie sind es, dank dem Himmel! Ah, was ich ausgestanden habe! Aber Sie gewinnen, Monsieur, Sie gewinnen, die feige Bande nimmt Reißaus. Doch hören Sie, Monsieur, fast hätte ich es vergessen, es besteht ein Komplott, die Königin morgen früh beim ersten Tageslicht in ihrem Palaste zu Milosis zu ermorden. Die Wachen werden ihren 329 Posten verlassen und die Priester die Königin töten. Oh ja, das ließen sie sich nicht träumen, daß ich unter einer Fahne verborgen lag und alles mit anhörte.«

»Was,« sagte ich entsetzt, »was erzählen Sie mir da?«

»Was ich sage, Monsieur. Jener Teufel von einem Nasta begab sich gestern zu dem Erzbischof (Agon), um die Sache zu besprechen. Die Wache wird das kleine Tor bei der großen Treppe auflassen und sich entfernen, dann werden Agons Priester hereingehen und sie töten. Selbst wollten Nasta und Agon die Tat nicht begehen.«

»Folgen Sie mir,« sagte ich, rief dem nächsten Stabsoffizier zu, das Kommando zu übernehmen, und galoppierte, so schnell ich konnte, nach der etwa eine Viertelmeile entfernten Stelle, wo ich das königliche Banner flattern sah und wo ich Curtis finden mußte, wenn er noch am Leben war. Und vorwärts ging es, über Tote und Verwundete und durch große Pfützen Blut, vorüber an den langen durchbrochenen Reihen der Feinde, bis ich Sir Henrys Gestalt auf seinem weißen Hengst, den ihm Nyleptha zum Abschied geschenkt hatte, in der Mitte seiner Generäle erblickte.

Grade als wir ihn erreichten, begann der Vormarsch von neuem. Ein blutiges Tuch war um sein Haupt gewunden, doch sah ich, daß sein Auge so feurig und scharf wie je funkelte. Neben ihm hielt der alte Umslopogaas, dessen Axt von Blut gerötet war, der selbst aber ganz frisch und munter aussah.

»Wo fehlt es, Quatermain?« rief er mir zu.

»Eine schlimme Angelegenheit führt mich zu Ihnen. Es 330 besteht ein Komplott, die Königin morgen früh bei Sonnenaufgang zu ermorden. Alfons hier, der Sorais eben entflohen ist, hat alles mit angehört.« Und geschwind wiederholte ich ihm die Erzählung des kleinen Franzosen.

Curtis wurde leichenblaß und ließ den Kopf hängen.

»Bei Sonnenaufgang,« keuchte er, »und jetzt ist es Sonnenuntergang. Die Sonne geht vor vier Uhr auf, und wir sind nahezu hundert (englische) Meilen von Milosis entfernt – volle neun Stunden. Was ist da zu tun?«

Mir kam ein Gedanke. »Ist Ihr Pferd da frisch?« fragte ich.

»Ja, ganz frisch. Ich bin eben erst auf ›Taglicht‹ gestiegen, da mein letztes getötet worden ist. Es ist auch gefüttert worden.«

»Das meine auch. Steigen Sie herunter und lassen Sie Umslopogaas aufsitzen, er kann gut reiten. Wir werden noch vor der Dämmerung in Milosis sein, oder wenn nicht – nun, so können wir es nicht ändern. Nein, nein, es geht, Sie dürfen nicht von hier fort, man würde Sie sehen – die Schlacht wäre verloren. Sie ist noch nicht halb gewonnen. Die Soldaten würden glauben, daß Sie entwichen. Schnell, nur schnell!«

Im nächsten Augenblick stand er auf der Erde und Umslopogaas sprang auf mein Geheiß in den leeren Sattel.

»Nun, leben Sie wohl!« sagte ich. »Senden Sie uns tausend Reiter mit Ersatzpferden, wenn möglich in einer Stunde nach. Doch halt! Schicken Sie auch einen General nach dem linken Flügel, um dort den Befehl zu übernehmen und meine Abwesenheit zu erklären.« 331

»Sie werden Ihr Bestes tun, um sie zu retten, Quatermain,« sagte er mit gebrochener Stimme.

»Ja, das will ich tun. Doch bleiben Sie ja zurück, Sie müssen die Vorhut einholen.«

Er warf uns noch einen letzten Blick zu und galoppierte dann, von seinem Stabe begleitet, der Vorhut nach, die um diese Zeit den kleinen, blutig gefärbten Fluß überschritt.

Was Umslopogaas und mich anbetraf, so verließen wir das schreckliche Schlachtfeld, wie Pfeile einen Bogen verlassen, und in wenigen Minuten lagen der Anblick des Gemetzels, der Blutgeruch, das Getöse und Geschrei hinter uns und schlugen nur noch schwach wie die fernen Donner einer Brandung an unser Ohr. 332

 


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