Friedrich Wilhelm Hackländer
Namenlose Geschichten - Zweiter Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Fünfunddreißigstes Kapitel. Im Hoftheater.

Es war ein heißer Sommernachmittag. Schattenlos lagen die Straßen der Stadt, kein kühles Lüftchen ging, und wenn sich hie und da einmal ein kleiner Wind erhob, so war das, als bliese die Natur in übermäßiger Hitze und stieße einen heißen, schweren Seufzer aus, der aber nur einige Kehrichthaufen beunruhigte oder eine leichte Staubwolke durch die heißen Straßen jagte.

In den Zimmern des Grafen Alfons war das Mögliche gethan, um durch Zugluft, Jalousieen, aufgespannte Marquisen die Hitze zu verscheuchen, und dies war auch so weit gelungen, daß, wenn man von der Straße hereintrat, man eine angenehme Kühle fühlte und eine frische, würzige Luft, hervorgezaubert durch die Menge von Gewächsen und Blumen, welche auf der Treppe, im Gange und in den Zimmern dufteten und blühten. Der Hausherr lag in einem Fauteuil am Fenster und rauchte eine Cigarre, wobei er fleißig einer Limonade zusprach, die neben ihm auf dem Marmortischchen stand. Das Zimmer war ganz verdunkelt und kein Strahl der Sonne drang durch die rothen Fensterverhüllungen. Es herrschte eine tiefe Dämmerung, sämmtliche Bilder an den Wänden sahen bräunlich aus und die breiten goldenen Rahmen glänzten wie dunkelglühendes Feuer. Am Ende des Salons vor einem großen Flügel saß ein junger Mann, den Arm auf das Notenpult gestützt und den Kopf in die Hand gelegt. Er rauchte ebenfalls eine süß duftende Cigarre und schlug jetzt mit der linken Hand eine chromatische Tonleiter pianissimo an, wie um eine im Gespräch entstandene Pause auszufüllen.

»Wie schon bemerkt, mein lieber Charles,« lachte der Graf nach einer Weile, »ist durchaus nichts Anderes zu machen, als Donna Elisa, unsere stolze erste Tänzerin, um Verzeihung zu bitten und sie beinebst feierlicher Versprechung einer künftigen besseren Aufführung zu vermögen, daß sie die Rolle in Ihrem Ballet dennoch übernimmt.«

»Nimmermehr!« sagte der Andere und schlug einen dröhnenden Accord an.

» Aut aut!« antwortete der Graf; »entweder Elise oder kein Ballet; was Sie nun von diesen Sachen vorziehen, weiß ich wahrhaftig nicht; aber das wird Ihnen jeder Coulissenkundige schriftlich geben, daß Ihr Ballet, so schön und gediegen es ist, nimmermehr zur Aufführung kommt, wenn unsere erste Tänzerin sagt: ich will nicht!«

»Aber ist es nicht entsetzlich,« sprach der Musiker am Flügel, »ist es nicht herabwürdigend für Kunst und Künstler, daß es von dem Willen einer Tänzerin abhängen soll, ob ein Musikwerk, über welches sich der Kapellmeister günstig ausgesprochen, ob ein Ballet, welches der Balletmeister für eines der besseren neueren erklärt, gegeben werden soll oder nicht? ist es nicht ganz entsetzlich, von der Laune eines Weibes abhängen zu müssen?«

Der Graf lachte laut auf und sagte alsdann: »mein guter Charles, man sieht wohl, daß Sie die Welt nicht mehr besuchen, oder vielmehr, daß Sie eigentlich nie den Versuch gemacht haben, den inneren Mechanismus unseres gesellschaftlichen Verkehrs zu ergründen. Ihnen kommt es entsetzlich vor, von der Laune eines Weibes abzuhängen; aber sagen Sie mir, Theuerster, wer, der einigermaßen eine Stellung einnimmt, befindet sich nicht im selben Falle? Glauben Sie mir, wir Herren der Schöpfung sind im Grunde nichts als die Sclaven des sogenannten schwachen Geschlechts und werden von diesem, wenn es hoch kommt, sanft geleitet, gewöhnlich aber derb an der Nase herumgeführt. Ich könnte Ihnen davon merkwürdige Geschichten erzählen.«

Abermals trat eine Pause ein, und wieder säuselte eine chromatische Tonleiter aus den Tasten hervor. Dann antwortete der Musiker: »ich verstehe vollkommen, was Sie eben sagten, aber mein Fall ist eigentlich ein ganz anderer. Sich von einem vielleicht geliebten Weibe leiten zu lassen, oder von der tyrannischen Laune eines unbekannten abzuhängen, ist zweierlei.«

»Versteht sich, ist zweierlei,« entgegnete der Graf; »aber es ist darum nichts Unerhörtes, das Sie zu einem Schrei des Entsetzens veranlassen könnte, und Sie sind wahrhaftig nicht der Einzige, dem die Laune einer Frau einen Strich durch seine schönste Rechnung macht; das kommt uns Allen täglich, ja stündlich vor und ich wollte vorhin nur sagen, daß ich nicht begriffe, wie dergleichen Sie eigentlich so außer sich bringen kann. Und dann haben Sie im Grunde gegen die Tänzerin gefehlt.«

»Ich hätte gegen sie gefehlt?« sagte hastig der Musiker; »und in wie fern, wenn ich fragen darf?«

»Das liegt auf der Hand,« versetzte der Graf, »und ich hätte Sie bei Gott nicht für so befangen, nicht für so blind gehalten, daß Sie die Ecken, wo Sie anstoßen, nicht sehen sollten. Ich werde mir eine neue Cigarre anstecken und Ihnen es dann aus einander setzen, was Sie verschuldet. Wenn wir auf diese Art Anfang und Sitz der Krankheit ergründen, so finden wir vielleicht ein Heilmittel. – Brennt Ihre Cigarre noch? Werfen Sie sie weg und nehmen Sie sich eine andere. – Ich würde mir einen geistreichen Vergleich erlauben, indem ich Ihnen sage, daß mir das ganze Leben wie eine Cigarre vorkommt, süß und berauschend, versteht sich von selbst, oder auch scharf und bitter; aber der Hauptpunkt, worin sich Cigarre und Leben außerordentlich ähnlich sind, ist, daß beide nur bis zur Hälfte schön sind: dann geht's abwärts, sie will nicht mehr recht brennen, sie bekommt zugleich mit dem angenehmen Dampf mehr und mehr einen bitteren Nachgeschmack, die Asche glimmt nicht mehr rund und voll; kurz, es ist eine ganz verdrießliche Geschichte. Darum werfen Sie Ihren Rest weg und nehmen eine neue. – So. – Ach! die ersten Züge haben etwas wunderbar Wohlschmeckendes, wie die ersten vollen Züge aus dem Becher des Lebens.«

Der Musiker hatte den Rath seines Freundes befolgt, und einen Augenblick darauf sah man zwei dunkle glühende Punkte durch die Dämmerung des Zimmers leuchten.

»Jetzt also hören Sie Ihre Geschichte, Theuerster! Sie haben eine vortreffliche Oper geschrieben, die aber nicht ganz fertig ist; der zweite Akt soll, ich mache ihm keine Complimente, nach dem Urtheil von Musikkennern ein kleines Meisterwerk sein – sehr gut! Sie componiren in der Zwischenzeit ein Ballet, und da das schneller fertig ist als die Oper, so beeilen Sie sich, es der Intendanz zur Aufführung zu übergeben.«

»Um einmal selbst zu hören,« unterbrach ihn der Musiker, »um einen vollkommen klaren Begriff von meiner eigenen Instrumentation zu bekommen; es war mir dies für meine Oper von großem Nutzen.«

»Ganz recht!« fuhr der Graf fort, »die Intendanz nimmt Ihr Ballet an, man schickt Sie zu dem Balletmeister und so weit ist Alles in Ordnung. Sie kommen zu Signor Benetti und hätten ihm sagen müssen: Hier bin ich, der Componist des neuen Ballets, dem ein Erfolg in Aussicht steht, sowie Sie es in Ihre Künstlerhand nehmen. Was die Besetzung der Rollen anbelangt, Herr Balletmeister, – so mußten Sie nämlich sprechen – so verfahren Sie darin ganz nach Ihrem Gutdünken. – Statt aber also zu thun, sehen Sie bei dem Italiener zufällig unsere zweite, auch sehr gute Tänzerin, Demoiselle Pauline, und sagen dem Balletmeister, dieser und keiner andern dürfe die erste Rolle in Ihrem Ballet zu Theil werden. – Und weßhalb thaten Sie das, junger, leichtsinniger Künstler? – Sie thaten es nur, wie Sie mir selbst eingestanden, weil das Mädchen so schöne blonde Haare hat.«

»Ich gebe das zu,« sagte der Musiker mit leiser Stimme, indem er eine reizende Melodie anschlug; »ich gebe das vollkommen zu, denn mir schwebte bei meiner Arbeit ein himmlisches Wesen vor, mit hellem, lichtem, goldenem Haar.«

»Das ist Alles schön und gut,« antwortete der Graf, »man kann seine Passionen haben – auch ich liebe die blonden Haare leidenschaftlich; doch hören wir weiter, wohin diese Liebhaberei Sie geführt! Daß Demoiselle Pauline Ihren Ausspruch, den Ausspruch des Componisten, für ein Orakel hält und sich die Rolle zueignet, können Sie sich denken. Sie ist entzückt davon, sie wird in den vier verschiedenartigen neuen Costümen deliciös aussehen und alle Einwendungen des Eigner Benetti beantwortet sie kurz dahin, daß die Rolle für sie componirt sei. Mit ähnlichen Geschichten, mein lieber Freund, machen Dichter und Componisten den Intendanzen viel böse Händel, und wenn der Verfasser irgend eines neuen Trauerspiels an einen beliebigen Schauspieler, um ihm zu schmeicheln, schreibt: diese oder jene Rolle (die eigentlich gar nicht für ihn paßt) wird in Ihren Händen gut aufgehoben sein, so klammert sich der Mime daran, und gute Nacht Rollenaustheilung von Seiten der Intendanz oder der Regisseure! Diese Rolle ist speziell für mich geschrieben, sagt der Künstler, der Dichter hat meine Persönlichkeit dabei bis in die kleinsten Einzelnheiten berücksichtigt, er hat mir die Rolle selbst zugetheilt, und ich werde sie spielen, werde groß darin sein, jeder Zoll ein Künstler!«

»Nun ich sollte meinen,« antwortete der Musiker, »daß im Grunde genommen Dichter und Componist auch wohl das Recht haben, eine Rolle in irgend einem Stück, einer Oper für diese oder jene Persönlichkeit zu schreiben.«

»Verzeihen Sie, theuerster Freund,« antwortete der Graf, »dieses Recht gebe ich Ihnen für die Pariser große Oper zu, auch vielleicht für ein paar unserer ersten Bühnen in Deutschland, wo die Künstler und ihre Fähigkeiten so genau bekannt sind; aber für kleinere Theater kann man Dichtern und Componisten dieses Recht durchaus nicht einräumen, wenigstens ihre Ansicht nicht zum Gesetz erheben. Was nun überhaupt das Ballet anbelangt, so ist dieses in der Theatergrammatik ein höchst unregelmäßiges Zeitwort, und die Eigenheiten und Launen der Tänzerinnen sind nach keiner feststehenden Regel zu conjugiren.«

»Das ist ihre eigene Schuld und schlimm für sie,« sagte der Musiker.

»Nein, mein Freund!« lachte der Graf, »im Gegentheil, das ist schlimm für den Componisten, wir werden das erfahren. – Also Demoiselle Pauline hat kaum ihre Rolle erhalten und Demoiselle Elise, dem Rang und Titel nach die erste Tänzerin, hat dies kaum erfahren, so reklamirt sie die Rolle als ihr Eigenthum, die Andere, von Signor Benetti unterstützt, gibt nicht nach. Elise fährt zum Intendanten, der Intendant zuckt die Achsel, sagt, sie habe ein Recht auf die Rolle und weist sie an den Balletmeister. Signor Benetti sucht sie zu besänftigen, versichert sie, es sei für Demoiselle Pauline die größte Demüthigung, wenn sie eine einmal empfangene Rolle abgeben müsse. Umsonst! Die Andere besteht auf ihrem Recht; jetzt werden Sie, edler Musikmeister, nochmals gefragt und ...«

»Bleibe bei meinem ersten Ausspruch,« sagte der Musiker.

»Richtig!« fuhr der Graf lachend fort, »Demoiselle Pauline soll die Rolle erhalten, weil sie blonde Haare hat.«

»Ja, weil sie blonde Haare hat,« sprach ebenfalls lachend der Musiker.

»Der Intendant,« fuhr der Graf fort, »nachdem er sich natürlicher Weise lange gesträubt, gibt endlich Ihren Bitten, meinen Bitten, denen des Balletmeisters und der schönen blonden Tänzerin nach und Sie triumphirten für einen Augenblick; ich aber, der die Verhältnisse besser kenne, triumphirte nicht und fand es vollkommen begreiflich, als am selben Tage, wo die Proben Ihres Ballets beginnen sollen, unser erster Tänzer sich unwohl erklärt, indem er versichert, Alles, was er für die Intendanz thun könne, sei, das morgen stattfindende, schon längst einstudirte Ballet ein paar Mal zu tanzen, dann müßte er aber wegen seiner geschwächten Gesundheit einige Monate Ruhe haben. Nun sieht der Tänzer allerdings erbarmungswürdig mager und elend aus, aber so war er schon so lange ich ihn kenne, und wenn morgen Demoiselle Elise die bewußte Rolle erhielte, so tanzte er Ihr Ballet sechsunddreißig Abende nach einander, ohne dadurch kränker zu werden.«

»Gleichviel!« sagte heftig der junge Musiker, »ich habe das Meinige gethan und bin nicht im Stande, diese Intriguen zu contrecariren.«

»Also ist das Ende vom Lied,« versetzte der Graf, »daß der Tänzer nicht tanzt, und daß, da wir keinen andern haben, Ihr Ballet nicht gegeben wird.«

»Immerhin!« entgegnete der Musiker, »ich habe der Demoiselle Pauline einmal die Rolle übertragen und kann sie ihr nicht wieder abnehmen, und wenn ich es könnte, thäte ich es doch nicht. Ich habe mir einmal vorgenommen, dies Mädchen in meinem Ballete zu sehen und dabei bleibe ich!«

»Wegen der blonden Haare,« lachte abermals der Graf. »Sie sind ein Trotzkopf, aber da mir diese Caprice gefällt – man hat sogar in der Gesellschaft sich über diese Ihre Grille schon beifällig geäußert und die Damen behaupten, wenn Sie nicht gar ein stiller Anbeter unserer blonden Tänzerin seien, so müßte Ihre Geliebte nothwendiger Weise ein ähnliches Haar haben – so will ich alles Mögliche versuchen, allen meinen Einfluß aufbieten, um zu sehen, ob etwas für Sie oder Ihr Ballet zu thun ist; meine einzige Hoffnung beruht auf Signor Benetti, der Alles daran setzen wird, Ihr Werk durchzubringen. – Jetzt wollen wir aber gleich einen Schritt hiezu thun und Sie können mich begleiten.«

Mit diesen Worten zog der Graf an einer Klingelschnur, die in der Nähe hing, worauf der Kammerdiener leise eintrat und auf die Frage seines Herrn: wann heute die Balletprobe anfinge, zur Antwort gab, es sei ihm angezeigt worden, dieselbe beginne um fünf Uhr. Ein Blick auf die Pendule belehrte den Grafen, daß bis dahin eine Viertelstunde Zeit sei, er erhob sich langsam und schwerfällig aus seinem Fauteuil, ließ die Gardinen zu einer Glasthüre, die in den Garten führte, aufziehen, die Thüre selbst öffnen, und da die Sonne von dieser Seite des Hauses verschwunden war, so zog eine kühle, mit Blumenduft geschwängerte Luft in den Salon.

In wenigen Minuten war die Toilette beendigt, der Phaeton des Grafen fuhr vor, Beide stiegen ein und die munteren Pferde, sich der kühleren Luft freuend, tanzten lustig und heiter dem Theatergebäude zu. –

Wenn die Treppen und Gänge im königlichen Hoftheater, welche auf die Bühne führen, schon am Abend bei spärlicher Lampenbeleuchtung ziemlich finster waren, so gehörte heute am Tage, wo die einzige Beleuchtung in einem Sonnenstrahl bestand, der sich am Ende eines ungeheuer langen Corridors durch ein kleines, vergittertes Fenster stahl, keine geringe Ortskenntniß dazu, um nicht, statt auf die Bühne, unter das Podium oder auf den Schnürboden zu gerathen.

Graf Alfons aber, der diese Ortskenntniß hier in hohem Grade besaß, behielt die richtige Mitte, und so gelangten die Beiden durch eine kleine, von selbst zufallende Thür hinter die Coulissen, wo ein lebendiges, aber nebelhaftes Getreibe stattfand.

Es wurde hier, wie schon bemerkt, eine Balletprobe gehalten, mit sehr vielen Maschinerien, Versenkungen, Statisten und sehr wenig Licht. Nur vorne brannten einige Prosceniumslampen und aus dem Orchester glänzte hie und da ein Lichtstrahl gedämpft unter einem Schirm hervor und beleuchtete das Notenblatt, die Violine des Musikanten und dessen Nase, die eifrig dem abgespielten Takt auf dem Papier folgte.

Der Anzug der Tänzerinnen war ganz in derselben Art, wie wir ihn auf dem Balletsaale kennen gelernt haben, ebenso der des Balletmeisters. Der erste Tänzer mit dem seidenen Faden um den Kopf stand in der vordersten Coulisse und versuchte mit einigen kühnen Verdrehungen seines Körpers, ob kein Gelenk an demselben eingerostet sei. In der zweiten Coulisse stand unser Freund, der Herr Dubel, jetzt Dubelli, in gelben Nanking gekleidet und sein langes blondes Haar wurde ebenfalls durch den unentbehrlichen seidenen Faden festgehalten. Herr Dubel wurde gerade von einigen ältern Ratten haranguirt, indem es denselben zu Ohren gekommen war, der College wohne in dem allerliebsten Hause vor dem Thore ganz allein, was die Tänzerinnen im höchsten Grade unpassend, ja menschenfeindlich und durchaus nicht gentil fanden. Eine volle kleine Person aber mit einem der elegantesten, sehr langen Oberkörper, wie man ihn nur sehen konnte, und den sie so leicht in den Hüften wiegte, daß man glauben mußte, sie müsse nothwendiger Weise einmal mitten von einander brechen, meinte: wenn der Baron Karl noch immer ein Beschützer der Kunst ist, so soll er es beweisen und einigen von uns in seinem hübschen Hause ebenfalls Wohnung einräumen. »Seien Sie ganz unbesorgt, Dubelli,« sagte die kleine Kokette und machte ein immenses Barrement, »seien Sie ganz unbesorgt, Ihr Ruf sollte nicht darunter leiden, denn Sie wissen, ich wohne mit meiner Mutter zusammen.«

»Ja,« lachte eine Andere mit einem außerordentlich kurzen Tanzrock und sehr starken Waden, »und die ganze Welt weiß ja auch, daß du einen feurigen Anbeter hast. Eure treue Liebe ist bekannt.«

»Das ist sie auch, Jungfer Naseweis,« entgegnete die Erste gereizt und warf sich mit einer halben Pirouette dem Tänzer für einen Augenblick in die Arme; »und ich hoffe nicht, daß es dich etwas angeht; du solltest dich überhaupt in deinem Alter besinnen und nicht von Courmachen und dergleichen sprechen. Pfui! du junges, unreifes Ding!«

Nach dieser Strafpredigt schritt sie stolz auf die Bühne hinaus, mit den Händen fest ihre Hüften umspannend und hin und her wedelnd wie ein junger Wachtelhund. Die Anderen lachten ihr unbändig nach, namentlich die Ausgescholtene, eine schlanke Blondine mit einem reizenden Gesichtchen. Sie mochte siebenzehn Jahre alt sein und die erzürnte Tugend, die eben von dannen schritt, vielleicht neunzehn.

»Es ist recht, daß sie geht, das hochmüthige Ding,« sagte eine Dritte, während sie einen Entrechat um die Andern machte, »ihre Courmacher hat sie nicht durch gutes Tanzen erworben und wenn sie hie und da einmal applaudirt wird, so weiß man schon, aus welcher Loge das Zeichen gegeben wird und wo im Parterre die bezahlten Claquers sitzen. Das braucht unsereins nicht.«

Die also sprach, war von der Natur mit minderer Körperschönheit begabt, aber die erste Chortänzerin, die auch zuweilen zu kleinen Partien benutzt wurde. »Wohnen Sie denn wirklich in dem Hause allein, Dubelli?« fragte sie, während sie ihren Fuß ans eine der Coulissenlatten setzte und an dem Sitz ihrer Trikots etwas corrigirte. »Wohnen Sie denn wirklich in dem ganzen Hause allein? na, da könnten Sie wirklich unsereinem ein Stübchen abtreten; der Baron, so heißt es, kommt ja doch nicht wieder, er soll artig sein und sein Haus jungen tugendhaften Tänzerinnen vermachen, die natürlicher Weise keine Liebhaber haben dürfen und sich solid und anständig aufführen.«

Alle lachten abermals laut auf, als nun der Tänzer antwortete: »auf solche Art, unter solchen Bedingungen glaube ich, kann's der Baron schon versprechen, da wird's ziemlich leer bleiben,« worauf die schlanke Blondine erwiderte:

»Pfui, Dubelli! meinen Sie das wegen dem solid und anständig sein?« Doch küßte ihr der Tänzer galant die Hand und sagte:

»Nein, theuerssss-te Bertha, ich meine es nur von wegen der Liebhaber.« Er wollte noch einige passende Worte hinzufügen, doch machte in diesem Augenblick auf der Bühne die dritte Solotänzerin, Mademoiselle Therese, ein so gewaltiges Pirouette, daß sie darüber das Gleichgewicht verlor und sich nur vor dem Fallen retten konnte, indem sie dem Tänzer an die Brust stürzte, der sie auch als guter College festhielt und von dem Fall rettete.

»Du wirst dich auch mit deinen wilden Pirouettes einmal blamiren!« sprach die erste Chortänzerin, »dein Oberkörper ist viel zu schwer zu dergleichen und dann trittst du mit dem Fuße viel zu heftig ab. Ihr meint aber immer, ein Pirouette sei nur schön, wenn man vierundzwanzig Mal herumfliegt wie ein Kreisel. Das ist aber eine ganz falsche Voraussetzung, dreht euch drei – vier Mal sicher, und steht dann mit einem Applomb und einer graziösen Attitude vor dem Publikum fest, so ist's viel schöner. Da ist der Dubelli, der macht ein Pirouette, wie es vielleicht Benetti in seiner guten Zeit nicht besser ausgeführt.«

»Oho!« sagte der geschmeichelte Tänzer, »Sie sind viel zu gütig, ich? – ein Anfänger? ein Pirouette ist eine sehr schwere Sache.«

»Ja, das ist's!« versetzte Demoiselle Therese, »und ich weiß, das meine ist mangelhaft.«

»Du hast recht, mein Schatz,« lachte die Chortänzerin, »Takt und Applomb muß einem angeboren sein. Allons, Dubelli! machen Sie uns einmal ein Pirouette in vier schnellen Touren und dann stehen Sie wie eine Mauer, – kommt hinaus auf die Bühne!«

»Ja, ja,« sagte Demoiselle Therese, »er soll eins machen, hat ja heut' doch nichts zu thun.« Und das Corps der Ratten drängte ihn auf die Bühne und wiederholte unter lautem Gelächter: »ja, ja, er muß ein Pirouette machen!«

Nun hatte sich mit dieser Art von Exercice der ehemalige Schneider schon früher eifrigst beschäftigt. Denken wir nur an jenen unvergeßlichen Bürgerball, wo er dadurch den jungen Eduard und die Putzmacherin so sehr entzückte; und er war wirklich im Stande, ein Pirouette zur vollkommensten Zufriedenheit des Signor Benetti und zum vollkommensten Aerger des ersten Tänzers aufzuführen. Doch war er durchaus nicht geneigt, dem Drängen, ja Befehlen dieses jungen unverschämten Volkes nachzugeben. Er sträubte sich mit Händen und Füßen gegen den Vorschlag, diese Tanzübung anzustellen; aber umsonst! je mehr er sich weigerte, um so stärker lärmten die Ratten, und von dem Spektakel angelockt, eilten alle Chortänzerinnen aus ihren Schlupfwinkeln hervor auf die Bühne, hinter Felsen und Büschen, aus Pallästen und Grotten kamen sie hervor und der einstimmige Ruf erscholl: »Dubelli muß ein Pirouette machen!« Umsonst klopfte der Balletmeister, der mit einigen Kunstfreunden im Hintergründe stand, mit seinem Stock auf die Bühne, es half Alles nichts, die Tänzerinnen bildeten einen großen Kreis und sogar Signor Benetti sah sich endlich veranlaßt, lächelnd näher zu treten und seinen Schüler zu ersuchen, dem wilden Volke diesen Gefallen zu thun.

Endlich gab er nach, strich das Haar zurecht, wiegte den Oberkörper aus den Hüften heraus, nahm seine Stellung, stieß sich kunstgerecht mit dem Fuße ab, fuhr sechs Mal herum und stand danach wie eine Mauer. – Allgemeines Bravo! – Hiedurch ermuntert und geschmeichelt, machte der Tänzer ein zweites und drittes Pirouette, eins besser als das andere. Sogar der Balletmeister klatschte ihm Beifall zu. Jetzt spähte Dubelli neben sich auf den Boden, wo eine Versenkung mit einem weißen Kreidestrich bezeichnet bereit war, um einen bösen Geist zu Anfang des Ballets in die Hölle hinabzuführen, er wußte, ein leichter Stoß mit dem Fuß war das Zeichen für die Zimmerleute drunten, um die Fallthüre herabzulassen. Dies überlegend und angespornt durch die Blicke des ganzen Personals, die auf ihm ruhten, machte er ein neues wunderschönes Pirouette, stand darauf, sich zierlich verneigend, einen Augenblick still, sprang aber mit einem gewaltigen Satz auf die Versenkung, gab das Zeichen und verschwand unter einem nimmer enden wollenden Beifallsgeschrei.

Der Graf, der mit dem Musiker bei Signor Benetti stand, hatte eifrigst applaudirt und wandte sich alsdann zum jungen Künstler, indem er ihm leise in's Ohr flüsterte: »unbesorgt, lieber Freund, wir sind gerettet! Dubelli muß die erste Partie in Ihrem Ballet übernehmen und wird sie glanzvoll ausführen.«

Als nun der Tänzer unter dem Podium herauf wieder an das Tageslicht hervortrat, wurde er mit einer Fluth von Complimenten überschüttet. Der Balletmeister schüttelte ihm die Hand, nannte den Sprung etwas gewagt, aber von außerordentlichem Effekt. Die erste Chortänzerin hob stolz den Kopf, als wollte sie sagen: sie sei es, die den Collegen auf die in ihm wohnende Kraft aufmerksam gemacht, und Demoiselle Pauline, die ebenfalls herbeigeeilt war, versicherte ihn, sie sei bereit, morgen, wenn es sein müßte, ein Pas de deux mit ihm zu tanzen.

Nur zwei Personen schienen von dem Talent des Herrn Dubelli nicht erbaut, das war der magere erste Tänzer und Mademoiselle Elise, La Prima Ballerina Assoluta. Sie saß in einem kleinen Fauteuil vorn bei den Prosceniumslampen und that, als ob sie den Spektakel gar nicht gesehen. Er drehte der Bühne den Rücken zu und sagte etwas von Seiltänzern, von Mangel an jedem Kunstgefühl, und dann warf die Tänzerin trotzig den Kopf in die Höhe und versicherte, es sei bald auf dieser Bühne gar nicht mehr auszuhalten.

Es waren noch einige Vorbereitungen an Maschinerien und Zaubereien aller Art zu machen, ehe die Probe beginnen konnte, und während dieser Zeit näherte sich Graf Alfons der ersten Tänzerin, die er sehr genau gekannt, um ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen.

Doch drehte ihm die schöne stolze Dame, als er nun neben ihrem Fauteuil stand, entschieden den Rücken, antwortete auf seine verbindlichen Redensarten lange nicht und als er nicht nachließ, ihr ein freundliches Wort abzugewinnen, wandte sie ihm das reizende, erzürnte Gesicht zu und sagte heftig: »Graf, ich hasse Sie!«

»Das ist ja entsetzlich, schöne Elise!« entgegnete der also Empfangene, »und doch ist mir selbst Ihr Haß schmeichelhaft, man kann nur etwas hassen, dem man einstens Werth beigelegt hat; aber Scherz bei Seite,« fuhr er schmeichelnd fort, »ich glaube in der That nicht, daß ich Ihren Haß verdiene.«

»In der That, Sie glauben das nicht?«

»Wahrhaftig nicht, schöne Elise!«

»Das ist in der That komisch.«

»Es ist gar nicht komisch, Ihr Haß ist mir schrecklich, um so mehr, da ich mir nicht bewußt bin, ihn verdient zu haben.«

»Sie protegiren meine Feinde!« fuhr die Tänzerin heftig auf, und der Graf entgegnete:

»Ich Ihre Feinde protegiren? haben Sie überhaupt Feinde, reizende Künstlerin?«

»Sie protegiren jenen jungen Musiker,« sagte sie entrüstet, »Sie protegiren sein abgeschmacktes Ballet, ein Ballet ohne Sinn und Geschmack, wie der Maestro selbst, der es gemacht!«

»O, Sie urtheilen in doppelter Hinsicht ungerecht; erstens, indem Sie voraussetzen, daß ich durch meine Protektion jenes jungen Künstlers Ihnen zu schaden beabsichtigte, und dann, daß Sie einen jungen Menschen unsinnig und geschmacklos nennen, der noch nicht das Glück hat, von Ihnen gekannt zu sein.«

»Wahrhaftig, Graf,« sagte die Tänzerin bitter lachend, »ich bin nach der Bekanntschaft nicht lüstern. Haben Sie je etwas Lächerlicheres gehört, als das, eine zweite Künstlerin für eine Rolle befähigter zu halten, als die erste, weil die zweite blondes Haar hat? o es ist ganz absurd!« »Nennen Sie es eine Grille,« antwortete begnügend der Graf.

»Eine Grille?« rief entrüstet die Tänzerin und fuhr in die Höhe, »eine Laune also? ein junger, unbekannter Mensch wagt es, gegen eine erste Tänzerin grillenhaft, launenhaft zu sein! – doch was ereifere ich mich? mich geht die Geschichte weiter nichts an, und vielleicht ist es auch Bescheidenheit von Ihrem jungen Menschen,« setzte sie höhnisch lachend hinzu, »er zieht es wahrscheinlich vor, sein Ballet zweiten Ranges mit Künstlern zweiten Ranges zu besetzen. Aber Ihnen, Graf, werde ich diese Perfidie niemals vergessen; wie gesagt, ich hasse Sie!«

Damit sprang die Dame so hastig auf, daß ihr atlaßnes Mieder krachte und rauschte, und ging in die Coulissen. Der Graf sah ihr achselzuckend und lächelnd nach und sagte zu sich selber: »wenn ich nur einmal das Protegiren lassen könnte! da stehe ich nun, wie Herkules am Scheidewege. Es ist mir zum Bedürfniß geworden, mit den Tänzerinnen auf einem guten Fuß zu leben, ich kann nicht leiden, wem mir eine auf der Bühne ein böses Gesicht macht. Was thun? Sie wieder ärgern und der tugendhaften Pauline nun zuletzt die Cour machen oder der da morgen das kleine Pferd schicken, das sie neulich so auffallend gelobt? mich dauert nur der arme Charles! – – – – Nun, wenn sie ferner keine Geschichten machen will, so will ich das Pferd schon opfern, schreib's zu dem Uebrigen.« – – –

In diesem Augenblicke begaben sich die Musikanten an ihren Pult, der Kapellmeister schraubte seinen Stuhl in die Höhe, setzte sich hinauf, grüßte auf die Bühne und schlug die Partitur auf, nachdem er eine Prise genommen. Signor Benetti trat vor, an der Hand führte er die kleine Marie, seinen Liebling, und setzte sie sorgfältig auf den Fauteuil nieder, den die erste Tänzerin eben verlassen. Hier mußte das liebliche Kind die Probe mit ansehen und der alte Italiener trat öfter neben ihren Stuhl und erklärte ihr dies und das. Die Kleine wurde aber auch von dem ganzen Personal auf den Händen getragen, und als nun die Probe begann und der Chor mit Blumenkörben auf die Bühne tanzte, neigten sich Alle freundlich vor dem Kinde und grüßten sie mit Hand und Mund, und die, welche gerade in ihre Nähe kamen, drückten ihr die kleinen Händchen.

Nach dem ersten Akte versuchte es der Balletmeister unter Beihülfe des Grafen, nachdem sie vorher den jungen Charles bearbeitet, Demoiselle Elise zu bereden, sie möge die Rolle in dem Ballet übernehmen. Aber umsonst! Sie erklärte fest und bestimmt, eine Partie, die ihr einmal entzogen, nicht anzunehmen. Dann begann der zweite Akt, und da die erste Tänzerin in demselben fast nichts zu thun hatte, so ging sie zu ihrem Fauteuil, auf welchem die kleine Marie saß. Sorgfältig hob sie das Kind empor, nahm es auf ihren Schoos und drückte sein Köpfchen an ihre Brust. Da saß sie nun auf der halbdunklen Bühne, die gefeierte Tänzerin, reich, jung und schön, ein munteres, lebenslustiges Mädchen, und vor ihren Augen entwirrten sich die Touren, in welchen auch sie morgen erscheinen würde, mit ungeheurem Beifall überschüttet; und während sie das dachte und das Kind, das die Tänzerin gern hatte, sich fest an sie schmiegte, wurde ihr Auge feucht und schwere Thränen tropften dann unter den langen, schwarzen Wimpern hervor. Sie umschlang das kleine Geschöpf mit ihren Armen, und der Schmerz, der in ihrem Herzen zuckte, war keine Folge der ihr entrissenen Partie, auch haßte sie in diesem Augenblicke diejenigen nicht, welche ihr die Rolle genommen, weil sie sie genommen, sondern sie haßte sie, weil Beide im öffentlichen Leben einen so verschiedenen Standpunkt einnahmen. Pauline war arm, das heißt, sie hatte nur ihre Gage, und die junge Männerwelt sagte: sie ist ein kaltes Geschöpf. Sie, die erste Tänzerin, dagegen war sehr reich, und die elegantesten jungen Männer geizten darnach, ihr die Hand küssen zu dürfen. An Alles das dachte sie und drückte das unschuldige Mädchen auf ihrem Schooße fester in die Arme. Sie neigte das Gesicht auf das schwarze Haar des Kindes und flüsterte unhörbar: »warum mußt du eine Tänzerin werden, mein Kind? thu' es nicht! flieh' unser glänzendes Elend! so gut, so lieb, so unschuldig! O, wenn ich denken muß, welcher Schmerz nach zehn Jahren in dieser kleinen Brust wohnen wird, wie viel getäuschte Hoffnungen, wie viel Kummer und Leid! O Kind, dir wäre besser, du hättest kein Talent, und Gott möge es denen vergelten, die dich hieher brachten!«

Sie drückte ihre heißen Lippen auf die Stirn des Mädchens und sagte unter reichlichen Thränen: »armes Kind, warum willst du eine Tänzerin werden?«.

Die Probe ging unterdessen ihren Gang fort, es kam die Scene, deren sich der Leser vom Balletsaal her erinnern wird, das Pas de deux des Ritters Astolfo mit Demoiselle Pauline. »Was sind die Reize meiner Braut, die mir vom Schicksal bestimmt ist, gegen die deinigen, o Holde?« und dann antwortete sie: sie könne ihn nicht lieben, er habe ja eine Braut und doch liebt sie ihn, aber das Schicksal trennt sie unerbittlich. Auch das ging vorüber und das ganze Ballet zur vollkommensten Zufriedenheit des Signor Benetti. Als Alles beendigt war, verließen die Musiker ihre Plätze, der Kapellmeister wechselte noch ein paar Worte mit dem Inspicienten, dann wurden die Lichter an den Musikständern ausgelöscht, die Prosceniumslampen verschwanden, die Theaterwagen mit den ersten Tänzerinnen rollten nach Hause, die Ratten gingen zu Fuß hinweg, unter dem Arm ein kleines Bündel oder ein Paar Schuhe tragend, die nothwendiger Reparaturen bedurften, und die Letzten, die das Opernhaus verließen, waren der Balletmeister, Graf Alfons, Charles der Musiker und der Herr Dubelli.

Auf dem Gesicht des Letzteren strahlte ein außerordentliches Glück, und wir finden das begreiflich, nachdem wir die letzten Worte des Signor Benetti vernommen. »Es bleibt also dabei,« sagte dieser würdige Mann, »Demoiselle Pauline behält ihre Partie und Sie, Dubelli, tanzen die andere. Ich will doch sehen, ob ich noch Herr und Meister im Balletsaal bin. Aber, junger Mann, es gilt ein ernsthaftes Studium, Tag und Nacht bis zu der Aufführung, Tag und Nacht unausgesetzt fort, da Sie das ungeheure Glück haben, nach kaum zweimonatlichen Studien eine schöne glänzende Rolle vor dem Publikum tanzen zu dürfen. – Guten Abend, meine Herrn!«

Die Pferde des Grafen, die lange gewartet – es war beinahe halb Neun geworden und die Sonne am Untergehen – knirschten ungeduldig in die Zügel und fuhren nun wie der Blitz mit dem leichten Phaeton davon. Der Graf brachte den Musiker nach dessen kleinem bescheidenem Gartenhause vor der Stadt, und als nun der Künstler allein in seinem Zimmer war, setzte er sich an sein Instrument, rief wilde schmerzliche Melodien aus den Saiten und seufzte, indem er das Licht der untergehenden Sonne sah: »o Anna, mein entschwundener Schutzgeist, wenn auch du mein erstes Werk hören könntest!«


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