Karl Gutzkow
Der Zauberer von Rom. VII. Buch
Karl Gutzkow

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124 5.

In der »Stadt der Wunder« bewohnte die Herzogin von Amarillas einen dem Cardinal gehörenden, äußerlich dunkeln und ganz unansehnlichen Palast in einer den Corso durchschneidenden Straße zwischen Piazza Sciarra und der Gegend um Fontana Trevi.

Mit seiner verschwärzten Außenseite stand das heitere und bequeme Innere im Widerspruch. War der Thorweg geöffnet, so sah man wol erst einen kleinen düstern Hof, umgeben von einem hier und da von Marmorkaryatiden geschmückten viereckten Arcadengang von Travertingestein, sah in der Mitte ein kleines blumengeschmücktes Bassin, das ein wasserspritzender Triton aus Bronze dürftig belebte, sah Remise und Stallung kaum von den Arcaden bedeckt; aber die hintern Fenster des einen Flügels gingen in einen hier ungeahnten kleinen Hausgarten von Rosen, Myrten und Orangen hinaus. Sie hatten ein volles, schönes Licht und gewährten im geräuschvollsten Theil der Stadt ein friedlich beschauliches Daheim. Zudem war in der Einrichtung dieser hohen und geräumigen Zimmer nichts gespart. Es war eine Wohnung, die verlassen zu müssen Schmerz verursachen durfte.

Und doch konnte die Herzogin dies Ende voraussehen! Der Cardinal behauptete seit einiger Zeit, ihre Augen nicht mehr ertragen zu können. Was Olympia von ihm gesagt, das sagte er 125 von der Herzogin. Ihre Augen hätten für ihn die Wirkung des »Malocchio«. Der Italiener hat vor dem »bösen Blick« eine selbst von Aufgeklärten nicht überwundene Furcht.

Diese üble Wirkung ihrer Augen, von welcher sie hörte, erläuterte die Herzogin nur aus Ceccone's Gewissen. Wohl müssen meine Augen einen giftigen Eindruck auf ihn machen, sagte sie ihrem alten Diener Marco, der schon früher im Unglück bei ihr gewesen und nur des Alters wegen nicht damals mit nach Wien gefolgt war. Meine Augen nennen ihn undankbar!

Keineswegs wollte die Herzogin sagen, daß der »böse Blick« eine Fabel ist. Als echte Italienerin glaubte auch sie an solche Menschen, welche »Jettatore« heißen. Sie können Krankheit und Tod »anblicken«. Sie hatte ihre alte Freundin und Gesellschafterin Marietta Zurboni schon lange begraben, aber die Fabel und Traumbücher derselben waren ihr und dem alten Marco geblieben. Konnte sie doch zittern vor Angst, als eines Tages Olympia, die ebenso dachte wie sie, sagte: »Seh' ich im Leben diesen Signore d'Asselyno wieder und er verräth, daß ich Wahnwitzige ihm in zwei Tagen meine ganze Seele zum Geschenk gab, so laß' ich die Erde aus der Stelle ausschneiden, die sein Fuß berührte, und hänge sie – in den Schornstein! . . .« Um Jesu willen! hatte die Herzogin erwidert, du wirst solche Sünden unterlassen! Sie wußte, daß ein solcher Zauber einen Abwesenden langsam zum Tod dahinsiechen läßt.

Olympia war nach dem ersten Rausch der Flitterwochen und nach den vorauszusehenden Zankscenen mit ihren Schwiegerältern ins Sabinergebirg gezogen. Dort und im Albanergebirg besaßen Ceccone und die Ruccas prächtige Villen. Zur Zähmung des wilden Charakters der jungen Fürstin hatte der welt- und menschenkluge Cardinal angerathen, sie zu beschäftigen. Er hatte (von der Hand der ihm immer vertrauter werdenden Lucinde) 126 einige anonyme Briefe an sie schreiben lassen, in denen von Unterschleifen in der Verwaltung dieser Güter die Rede war. Unterschleifen, die zu bestrafen, Uebelthätern, die zu züchtigen waren. Das wurde dann sogleich ein Feld für die erste unruhige Thatenlust der jungen Ehefrau. Einige Wochen hindurch, vielleicht einige Monate konnte man auf diese Art Hoffnung hegen, daß sie sich in ihrer neuen Stellung als Fürstin und Gattin gefallen würde. Bis dahin hatte sie ohne Zweifel mit den Aeltern vollständig gebrochen, hatte das Personal in der Rucca'schen Verwaltung umgewandelt, hatte soviel Scenen des Zanks, soviel angedrohte Dolchstöße, auch Fußfälle und Handküsse erlebt, daß sie damit vollauf beschäftigt war. Lucinde und der Cardinal stimmten in dem Serlo'schen Wort überein: »Die Seele des Menschen will gefüttert werden wie der Magen.«

Die Herzogin erzürnte den Cardinal immer mehr durch ihre Festigkeit, Lucinden als Mitbewohnerin ihrer Behausung abzulehnen. Lucindens neuliches Wort von ihrem »Briefwechsel mit Benno« war beim Begegnen von ihr nicht wiederholt worden. Vielleicht hatte auch nur der Schrecken über den gleichzeitigen Ueberfall durch die Räuber ein Misverständniß veranlaßt. Auch auf Villa Torresani, einem Erbgut der alten Fürstin Rucca, wo jetzt die junge Fürstin wohnte, wurde die »Abenteurerin«, wie sie Benno mehrmals genannt hatte, abgelehnt. Lucinde wohnte bei der alten Fürstin Rucca, beim Wasserfall von Tivoli, in einer andern Rucca'schen Villa, Villa Tibur genannt. Niemand kam nun noch zur Herzogin, da der Cardinal nicht mehr kam. Seltener und seltener kam sie selbst aus ihrem Palast heraus, in dem es gespenstisch öde und einsam wurde. Wie mußte sie bereuen, ein Wesen von so gefährlicher Schmiegsamkeit in die Kreise ihres bisherigen Einflusses gezogen zu haben! Lucinde wurde immer mehr die Seele in dem alten Rucca'schen Kreise 127 und in dem jungen . . . Und wenn sie sich geirrt hätte! Wenn Lucinde wirklich von einem Briefwechsel zwischen ihr und Benno damals gesprochen! Dann fehlte nur noch das eine Wort: Benno von Asselyn ist dein Sohn! und ihre Niederlage war für die Sphäre, wo Olympia herrschte, entschieden. Olympia würde dann gesagt haben: Nun versteh' ich alles! Du warst es, die den Angebeteten von mir entfernt gehalten hat und ein Opfer meiner Rache hab' ich zunächst nun in Dir!

Daß den Cardinal, von welchem sich die junge Fürstin nicht minder wie von ihr zu befreien suchte, eine Leidenschaft für die fremde Abenteurerin ergriffen hatte, wurde immer mehr zum öffentlichen Geheimniß. Und bei alledem konnte doch niemand die demselben deutschen Mädchen dargebrachte Huldigung des Grafen Sarzana begreifen. Hätte es sich um eine Scheinehe gehandelt, durch welche die Schulden eines leichtsinnigen Cavaliers gedeckt werden sollten, so würde man in Rom, in der Stadt der Heiligung des Priestercölibats, dies Benehmen Don Agostino's begriffen haben; denn solche Arrangements kommen hier täglich vor und konnten niemanden auffallen – die Contracte werden nur nicht in den Archiven der Curie niedergelegt. Don Agostino war jedoch keiner der Leichtsinnigsten unter den »Achtzig«, ja er besaß Kenntnisse, liebte sie zu vermehren und galt seinen Kameraden für einen Pedanten. Die Wartung seiner Uniform, seines Pferdes, noch mehr seiner kleinen Häuslichkeit war bis in die minutiösesten Dinge sauber und zierlich. Seine Familie war verwildert, alle wußten das, die Umstände hatten aus ihr Creaturen eines geistlichen Würdenträgers gemacht, dessen Unregelmäßigkeiten sie decken mußte. Graf Sarzana würde die Hand keiner Dame auch nur zweiten oder dritten Ranges in Rom haben erhoffen können. Doch auch eine Geliebte des Cardinals zu nehmen zwang ihn nichts. Noch weniger begriff man seine Leidenschaft, 128 wenn sie eine aufrichtige war. Lucinde konnte die Capricen des ermüdeten Alters reizen, sie konnte die Vorstellung einer Vernunftehe durch eine darum noch nicht ausgeschlossene Möglichkeit jugendlicher Reminiscenzen mildern; was war sie einem jungen, noch in Lebensfrische befindlichen Krieger? Sie besaß Geist, Belesenheit, Koketterie. Fesselte das ihn vorzugsweise? Seine Kameraden pflegten ihn mit seinem Einsiedlerleben, das der Lectüre gewidmet war, zu necken; sein wärmster Freund sogar, der Herzog von Pumpeo, hatte ihm den Beinamen des »Küsters vom Regiment« gegeben. Bei alledem ließ es sich immer mehr dazu an, daß die Herzogin den Palast würde zu verlassen und – dem jungen Ehepaar Sarzana einzuräumen haben!

Ihrem Giulio Cesare schrieb die Mutter von allen diesen ihren Leiden und Befürchtungen nichts – nichts von den Gefahren, die ihr durch Lucinden drohten. Einestheils wollte sie Benno's bei solcher Mittheilung leicht vorauszusehende Absicht ihr zu helfen nicht früher hervorrufen, als nöthig war; anderntheils vermochte es ihr Stolz nicht, Befürchtungen auszusprechen, die sie mit dem größten Zorn erfüllten, so oft sie nur an sie dachte. Benno hatte ihr die Versicherung gegeben, daß der einzige Vertraute ihres Briefwechsels nur Bonaventura blieb.

Eines Morgens lag die Herzogin noch in ihren Hauskleidern auf der Ottomane und blätterte in den französischen Zeitungen, die in Rom verboten sind, jedoch vom Cardinal gehalten und, noch nach alter Gewohnheit, wenn sie benutzt waren, an sie abgeliefert wurden. Um so lieber las sie in ihnen, als die einheimischen Blätter fast von nichts als von Festen und großen Ceremonien berichteten, zu denen sie nicht mehr geladen wurde. Auch bei einem großen Ereigniß, das vier Wochen nach Olympiens Hochzeit statthatte – es war die wirklich erfolgte 129 Einkleidung des Paters Vincente als Cardinal – hatte sie gefehlt (nie hatte sie sonst bei einem solchen Fest, das wiederum ganz Rom in Bewegung setzte, gefehlt) – bei einem Fest, wo Olympia und Lucinde die üblichen Honneurs des ersten Cardinalsempfanges machten – bei einem Fest, das eine Woche dauerte und alle Zeitungen erfüllte! Voll Demuth, aber durchaus gewandt, fand sich der neue Cardinal Vincente Ambrosi in seine Würde.

Unmuthig warf die Herzogin die einheimischen Blätter fort; wieder auch war im Gebirg eine große Kirchenfestlichkeit gewesen, wo die junge Fürstin Rucca als erster Stern am Himmel der Gnade und Wohlthätigkeit geglänzt haben sollte. Und schon ergriff sie die Feder und wollte dem Cardinal schreiben, sie bedürfte Unterhaltung. Sie bäte um einige Einlaßkarten für den Tag, wo die Räuber guillotinirt würden, die man als Complicen Grizzifalcone's aufgegriffen hätte – Die Mission des Bruders Hubertus war ihr durch die vorläufig wirklich erfolgte Befreiung des Bischofs von Macerata bekannt geworden. Sie wollte ihrem Schreiben hinzufügen, der Cardinal vergäße seine – unversteuerten – Weine, die in ihrem Keller lagerten. Sie grübelte allen Intriguen Ceccone's nach, allem, was sie von ihm wußte und dessen Erwähnung ihn schrecken konnte. Benno's letzter Brief lag vor ihr, worin dieser auf Anlaß des von Lucinden an Bonaventura eingesandten Briefs der beiden deutschen Flüchtlinge und eines inhaltreichen Couverts, das sie hinzugefügt, geschrieben: »O fände sich doch dieser Wanderer nach Loretto! Wäre es der, den mein Freund schon seit fast dreiviertel Jahren sucht! Er wird es nicht sein. Die Dominicaner haben ihre anderen Gefangenen herausgeben müssen – diesen schickten sie nach Rom, wo ihre Gefängnisse unzugänglicher sind, als hier. Ceccone verweigerte bisjetzt die Genehmigung, die Kerker des heiligen Officiums 130 untersuchen und den Dominicanern einen Beweis von Mistrauen geben zu lassen. Frâ Federigo schmachtet in ihren Händen wie Galiläi, Benno, Pignata und so viele andere Opfer der Unduldsamkeit!« Daß in Rom schreckenvolle Dinge möglich waren, wußte die Herzogin. Sie wußte, daß Ceccone mit dem Meisten, was er that, eine andere Absicht verband, als von der Welt vorausgesetzt wurde. Zwischen dem alten Rucca und dem Cardinal war es bereits zu einer Spannung gekommen, seitdem zwar Hubertus durch eine List den Bischof ans Tageslicht gebracht hatte, aber von einer Entdeckung des Pilgers nichts hören und sehen ließ, ja seit einiger Zeit sogar von sich selbst nichts mehr. Schon war das Gerücht verbreitet, die Carabinieri der Grenzwache hätten vorgezogen, statt den römischen Abgesandten in seinen Bemühungen zu unterstützen, ihn todt zu schlagen.

Ueberall sah sie Gewalt und Intrigue. Sie kannte Ceccone's Ansichten über die Zeit und die Menschen. Wo durchgreifende Zwecke auf dem Spiele standen kümmerte ihn Menschenleben wenig. Durch einen der Verwandten Sarzana's, eine der von ihr beförderten Creaturen, hatte Ceccone alle Häfen auch der Nordküste in Obhut. Wer konnte auf diese Art im vorliegenden Falle wissen, was aus dem Rucca'schen Sendboten, dem deutschen Mönche Hubertus, geworden war. Jenseits der Apenninen, am Fuß des Monte Sasso, an der Grenze der Abruzzen war jede Controle abgeschnitten und dorthin hatten sich in That die letzten Wege des kühnen deutschen Mönches verloren.

Die Zeitungen waren durchflogen – »mit ihren Lügen«, wie die Herzogin vor sich hin sprach. Die Herzogin konnte nun an den Besuch einer Messe denken. Da bemerkte sie, daß im Hause laut gesprochen wurde. Sie wollte klingeln. Marco war nach dem Pantheon auf den Fleisch- und Gemüsemarkt, um ein Mittagessen einzukaufen; die Dienerinnen waren an der 131 Arbeit. Schon hörte sie Schritte. Sie unterschied die Stimme Olympiens. Dann war alles wieder still.

Die Herzogin glaubte sich getäuscht zu haben. Schon öfter war ihr geschehen, daß ihre aufgeregte Phantasie Menschen nicht nur hörte, sondern deutlich vor sich stehen und wandeln sah, Menschen. die mit ihr sprachen. Sie brauchte nur ihren geheimen Schrank aufzuschließen, nur Angiolinens blutiges Haar aus einem großen Pastell-Medaillon des Herzogs von Amarillas herauszunehmen, dies Haar nur eine Weile vor sich hinzulegen – und deutlich sah sie Angiolinen sich an ihren Tisch begeben und hörte sie laut mit ihr sprechen. In dieser Art trat Benno jeden Abend in die Zimmer der von Ueberspannung ergriffenen Frau. Nach Benno hatte sie die Sehnsucht einer Braut – eine Sehnsucht voll Eifersucht. Aber kein Madonnenbild mehr konnte sie sehen in dieser madonnenreichen Stadt, ohne voll Zärtlichkeit an Armgart von Hülleshoven zu denken, die ihr Lucinde als ihres Cesare Ideal bezeichnet hatte.

Die Stimmen kamen wieder näher. Diesmal aber rief wirklich Olympia selbst: Da nicht! Nein, nein! Dort geht das Kamin entlang! Die Hitze ist für ein Bett unerträglich.

Was will – die Mörderin meiner Tochter? fuhr die Herzogin mit sich selbst sprechend auf. Weiß sie denn in der That noch, wo ich wohne? Will sie doch wieder zu mir ziehen oder nicht –? Was soll – das Bett – von dem sie spricht?

Nebenan rückte man die Möbel. An einer andern Stelle des Hauses hörte man ein so starkes Hämmern, als sollten Mauern eingeschlagen werden.

Indem öffnete sich die Thür und aus dem Empfangssalon trat die kleine Fürstin, in glänzend outrirter Toilette; Lucinde, nicht minder gewählt gekleidet; die Schwiegermutter, eine noch immer anziehende und gefallsüchtige Frau; Herzog Pumpeo, der 132 für ihren Liebhaber galt; hinter ihnen zwei junge elegante, wohlfrisirte Prälaten; zuletzt auch Graf Sarzana.

Alle schienen überrascht zu sein, die Herzogin anzutreffen. Sie wollten sogleich, Olympia ausgenommen, wieder zurück. Sie hatten die Herzogin nicht anwesend vermuthet oder thaten wenigstens so. Olympia hielt sie jedoch fest, schritt weiter, achtete nicht auf die am Tisch beim Sopha erstaunt Verharrende, sondern rief, beim Durchschreiten des Zimmers: Hierher würd' ich rathen, von jetzt an das Eßzimmer zu verlegen. Oeffnen wir diesen Balcon, so hat man das Beste, was dieser alberne Garten bieten kann, etwas Kühle. Chrysostomo! Wir nehmen ein Frühstück! Setzen Sie sich Lucinde! Graf, Sie werden hungrig sein! Kommen Sie doch! Wir sind ja bei uns!

Mit Widerstreben und in offenbar ungekünstelter Verlegenheit war Graf Sarzana gefolgt, hatte sich der Herzogin, die hier nicht mehr wohnhaft geglaubt wurde, stumm verbeugt und trat in das Balconzimmer zu den übrigen, die unterdrückt kicherten – Lucinde ausgenommen, die von einem der Prälaten geführt wurde und scheu zur Erde blickte.

Die junge Fürstin, wenig bis über den Thürdrücker, einen schönen bronzenen Greifen-Flügel, hinausreichend, warf zornig die Thür zu.

Im ersten Augenblick hätte ihr die Herzogin nachspringen und sie zerreißen mögen. Viper, Schlange, Basilisk! zitterte es auf ihren Lippen. Die Worte erstickten. Sie hatte in diesem Augenblick keine andere Waffe, als ein lautes, gellendes Lachen. Hahahaha! schallte es sogleich nebenan zur Antwort. Olympia war es, die in gleichem Ton erwiderte. Dabei klirrten Teller und Gläser.

Olympia hatte ein Frühstück hieher beordert. Der Mohr Chrysostomo wollte ihr eben durch eine andre Thür folgen und 133 trug bereits ein Plateau voll Gläser und silberner Gefäße. Die Herzogin ergriff den Diener und warf ihn zur Thür hinaus. Dann schloß sie sämmtliche Thüren so hastig zu, als fürchtete sie, ermordet zu werden.

Olympia lachte und sprach nebenan mit gellender Stimme fast immer allein. Sie that wie jemand, der hier noch zu Hause war. Demnach wurde also die Herzogin, da sie nicht von selbst ging, gleichsam zum Hause hinausgeworfen. Hatte Olympia vielleicht erfahren, wer Benno war? Verdankte die Herzogin diese Demüthigung Lucinden? War diese wirklich in ihr Leben eingedrungen oder woher dieser plötzliche Angriff, diese Scene ohne jede Vorbereitung –? Sie wußte es nicht und verzweifelte.

Die Herzogin besann sich freilich, daß Olympia dergleichen Stückchen ihres Charakters auch ohne alle Veranlassung auszuführen liebte. Es konnte ein ganz momentan gekommener Einfall des Uebermuths sein. Möglich war, daß sie sich für einige Tage mit ihrer Schwiegermutter ausgesöhnt hatte, von dieser vielleicht eine Anerkennung für einen neuen pariser Kleiderstoff fand und so wurde denn ein gemeinschaftlicher »Carnevalsspaß« auf Kosten einer Person ausgeführt, »die der Lächerlichkeit zu verfallen« anfing.

Die Herzogin weinte. Sie dachte an die Jahre, die sie dahingegeben an dies herzlose Wesen, an die sorgenvollen Stunden, wenn Olympia krank gewesen. Da sie Olympia's angeborene Natur entschuldigen und dafür Ceccone verantwortlich machen mußte, so hätte sie diesem an den Hals springen und ihn erwürgen mögen. Sogar Lucindens Haß auf sie ließ sie gelten; denn sie hatte abgelehnt, der Deckmantel eines Verhältnisses zum Cardinal zu sein. Aber seltsam! auch Lucinde war wieder versöhnt mit Olympia? Hatte doch Olympia die Erklärung der Herzogin, 134 Lucinden nicht bei sich wohnen zu lassen, gebilligt! Olympia war eifersüchtig auf den Einfluß und die Macht, die Lucinde auf ihren Onkel gewann, und die Herzogin hatte geglaubt, von Olympiens Eifersucht auf Lucinden Vortheil ziehen zu können. Nun sah sie das Leben dieser Menschen des Müßiggangs und des Glücks, diese Zerwürfnisse, diese Versöhnungen um nichts. Um irgendein auf der Villa Torresani gesprochenes Schmeichelwort Lucindens war Olympia dennoch im Stande zu sagen: Was ist das nur mit dieser armseligen Herzogin? Ihr Palast soll jetzt bald nur Ihnen und Sarzana gehören! Machen wir doch damit einen kurzen Proceß –! Oder irgendetwas dem Aehnliches war vorgefallen. Männer waren dabei zugegen, Priester sogar! Ja sogar Graf Sarzana, der sie zwar immer kalt, aber höflich behandelt hatte!

Sich aus diesem Zimmer entfernen konnte die Herzogin nicht, da das ganze Haus sich belebt hatte. Von den Köchen der jungen Fürstin war ein Frühstück überbracht worden. Ein Troß von Dienerschaft schien aufgeboten. Dabei arbeitete man im Nebenzimmer zur Linken, klopfte und hämmerte – Es waren Schreiner und Tapezierer in Thätigkeit. Die Gardinen wurden abgenommen, die Tapeten abgerissen. Das Ganze war eine Unterhaltung des Uebermuths. Wer konnte hier so schnell einziehen wollen? Die Declaration des Grafen Sarzana war doch wol noch in weiter Entfernung.

Vernichtet sank die somit mit Gewalt Verjagte auf ihr Kanapee zurück. Ihre Brust hob sich in hörbaren Athemzügen. Sollte sie rufen: Megäre, lade noch deine Mutter zu deinem Gelage, drüben die tolle Nonne aus den Gräbern der »Lebendigbegrabenen«! Was half das jetzt –! Sie hatte nicht einmal den Muth, dem alten Marco zu erwidern, der ihr am Schlüsselloch unverständliche Worte wisperte. Sarzana, Sarzana! sprach sie 135 wiederholt vor sich hin, auch Er läßt die Mishandlung einer Frau zu und ißt und trinkt und stößt mit dem Teufel in Menschengestalt an! Wenigstens malte sie sich das alles so aus.

Mit doppelt starker Stimme, damit davon nichts der Herzogin nebenan verloren ging, rief beim Mahle Olympia und fast immer allein sprechend: Wie viel Lösegeld würde damals wol Don Pasquale für Sie gefordert haben, Signora Lucinda? . . . Wie sagen Sie, Graf? . . . Zum Gelde würde es gar nicht gekommen sein? . . . Sie hätten sie mit Ihrem Säbel herausgehauen? . . . Haha! Ich weiß noch ein anderes Mittel, falls die Herzogin mit gefangen gewesen wäre; ein Mittel, wodurch sie alles in die Flucht geschlagen hätte! Durch eine ihrer alten Arien –!

Schallendes Gelächter folgte.

Gewiß hatte sie auf meiner Hochzeit die Hoffnung, zum Singen aufgefordert zu werden. Darüber vergaß sie den Auftrag meines Mannes, mir die Anwesenheit des Cardinals Ambrosi anzuzeigen.

Jetzt blieb alles still.

Erbebend und mit einem tiefen Seufzer sagte sich die Herzogin: Das war der Grund dieses plötzlichen grausamen Einfalls? Nimmermehr! sagte sich die Herzogin. Oder doch –? Die Erhebung des Paters Vincente war auffallend genug. Man schrieb sie der Absicht zu, dem neuen Großpönitentiar, Fefelotti, zuvorzukommen. Er hatte diesen Mönch zur nächsten Cardinalswahl empfohlen. Ceccone hatte sich dann rasch des neu zu ernennenden Cardinals selbst bemächtigt. Olympia hatte die Honneurs seiner Ernennung im dazu hergeliehenen Palazzo Rucca gemacht; alle Welt war in den schönen jungen Cardinal Ambrosi, der wie ein Ganymed, ein David im Purpur aussah, verliebt; gar nicht unmöglich, daß Olympia ihre erste Untreue als Frau zu einer geistigen machte und wieder in leidenschaftlicher Andacht 136 für einen Priester schwärmte, den sie schon einmal so unglücklich gemacht hatte.

In der That – die Herzogin konnte hören: Zieht sonst niemand hier ein, den der Onkel lieb hat, so ist das kleine Haus durchaus geeignet, von einem so bescheidenen Priester bewohnt zu werden. Ich mache dem Cardinal Ambrosi seine ganze Einrichtung.

Cardinal Ambrosi soll hier wohnen? Benno's Nachfolger in deinem – oberflächlichen Herzen? sprach die Herzogin zu sich selbst.

In der That wurde das Gespräch jetzt rücksichtsvoller geführt und die Herzogin verstand nichts mehr.

Herzog Pumpeo machte den Wirth und schenkte ein. Trinken Sie, Graf Sarzana! rief er. Oder haben Sie noch immer Ihre geringe Meinung über den Champagner nicht verloren, den Sie damals – vor drei Jahren – auf unserer Landpartie nach Subiaco das »Bier der Franzosen« nannten?

Graf Sarzana, Sie sind überhaupt inconsequent! fiel Olympia ein. Wie konnten Sie je die Deutschen und die Franzosen so hassen! Jetzt lieben Sie – ein deutsches –

Halt, Principessa! unterbrach einer der Prälaten. Wir lieben in diesem Augenblick gar nichts – als die Heiligen! Die Signorina hier kennt alle Gebräuche der Beatification vom Tu es Petrus an bis zur Rede des Advocatus Diaboli –!

Wenn die Seele der Eusebia Recanati nächstens heilig gesprochen wird, fiel der andere der Prälaten ein, wer wird die Rolle des Advocaten der Hölle übernehmen?

Schweigen Sie! Keine Lästerungen, Monsignore! unterbrach Olympia mit energischem Ruf.

Die Herzogin lachte bitter auf und sprach für sich: Fürchtest du diese »heilige« Eusebia, weil sie dich – an deine Mutter 137 erinnert? Oder ängstigen dich die Ansprüche, die selbst der Teufel an die Heiligen macht – wie vielmehr an deinesgleichen –!

Graf Sarzana's Stimme, ein wohlklingender voller Baryton, wurde mit den Worten vernehmbar: Cardinal Ambrosi lebt noch vierzig Jahre. Also erst in 140 Jahren ist es möglich, auf seine Kanonisation anzutragen. Auch bei ihm wird jemand den Auftrag bekommen, geltend zu machen, welche Rechte der Teufel an ihn hat. Abbate Predari! Gesetzt, Sie bekämen diese Aufgabe! Wie würden Sie Ihr Thema anfassen? Halten Sie eine Rede gegen den Cardinal Ambrosi zum Besten der Hölle! Vergessen Sie aber dabei nicht diesen schönen Palast!

Und die nichtswürdige Art, wie er eingeweiht wurde! ergänzte die Herzogin zähneknirschend.

Und die zerbrochenen Beine, als die Tribüne einstürzte, auf welcher bei seiner ersten Messe im St.-Peter Tausende von Menschen standen! bemerkte die alte Fürstin.

Die schlechten Plätze, die der römische Adel gewöhnlich bekommt! ergänzte der zweite der Prälaten, ein jüngerer Chigi.

Lassen Sie mich! rief sich räuspernd Abbate Predari. Die Rede halte ich! Ich kann von Ambrosi's erster Jugend anfangen, von seinen ersten Ketzereien bei den Waldensern. Ich war sein Schulkamerad in Robillante . . .

Dann wird nur zu sehr die Stimme des Neides aus Ihnen sprechen! unterbrach ihn Olympia, die befürchten mußte, selbst in dieser Rede eine Rolle zu spielen. Genug! Genug! unterbrach sie aufs neue die Ermunterungen zu einer Rede, die auch Abbate Predari durchaus halten wollte. Aber ihre Furcht war unbegründet. Als Advocat des Teufels würde er doch schwerlich gesagt haben: Siehe, ich sandte dir einst eine meiner Botinnen in den Beichtstuhl! . . . Von allen diesen »Blasphemieen« wollte aber Olympia nichts hören und erklärte jetzt, denjenigen strafen zu 138 wollen, der dies Thema aufgebracht hätte, den Grafen Sarzana. –

Wissen Sie, Lucinde, sprach sie, daß ich früher eine Neigung für diesen Grafen hatte? Ich will es Ihnen nur gestehen. In meiner kurzen Geschichte mit Don Pallante, die Sie kennen, machte dieser Herr den Vermittler und die Vermittler wissen die Thränen oft so gut zu trocknen, daß sie selbst an die Stelle der Ungetreuen treten. Ich liebte Don Agostino, den Boten Pallante's – aber beruhigen Sie sich! nur drei Tage. Mir war er zu gelehrt, zu pedantisch, zu spöttisch, zu eingebildet – er las zu viel. Viel lesen, das beweist, daß man selbst wenig Geist hat. Graf! Ich rathe Ihnen, sich bei der Entzifferung der Obelisken und Pyramiden anstellen zu lassen. Und im Ernst, wenn Sie nicht im nächsten Carneval tanzen, so geb' ich Sie zu unsern gelehrten Eminenzen oben am Braccio nuovo im Vatican in die Lehre, zu Angelo Mai und Giuseppe Mezzofanti!

Die Männer lachten über diese Spöttereien. Die Schwiegermutter rief sogar: Auf das Wohl des Küsters vom Regimente!

Diesen Witz hatte Herzog Pumpeo gemacht. Pumpeo bat um Frieden und brachte das Wohl aller schönen Spötterinnen aus, denen bereits die Männer ihr Uebermaß an Witz und guter Laune zu vergeben hätten.

Die Empfindungen der völlig ignorirten Herzogin, die zuletzt nur noch das Klappern der Schüsseln und Klingen der Gläser und ein Durcheinander von Witzen und Anekdoten hörte, in denen Pumpeo und die beiden Prälaten excellirten, lösten sich wieder in Thränen auf. Nur das Stillschweigen des präsumtiven Sarzana'schen Ehepaars versöhnte sie etwas.

Als das Frühstück beendet, die Gesellschaft entfernt, die Dienerschaft mit den Resten der Mahlzeit gefolgt war, nahm die Herzogin die Unschuldsbetheuerungen der Dienerschaft, die ihr noch 139 geblieben war, entgegen, vor allen die Versicherungen des mit weinenden Augen eintretenden alten Marco und suchte noch am selbigen Tage eine andere Wohnung. Sie wollte zu einem Miethbureau und dann in der Runde zur Besichtigung von Wohnungen fahren.

Als sie den Wagen bestellt hatte, erfuhr sie, daß auch Wagen und Pferde auf Befehl der jungen Fürstin Rucca fortgeführt waren.

Auf diese Nachricht sank sie in Ohnmacht. Der »Intendente« des Hauses, der bisher ihren Unterhalt bezahlt hatte, zuckte die Achseln; es war ein von Ceccone eingesetzter Koch. Er gestand, daß er schon lange vom Cardinal nur mit Widerstreben die Zahlungen für die Bedürfnisse des Hauses erhalten hatte, packte dann seine Sachen und zog ins Gebirge nach Villa Torresani, wo es hoch und herrlich herging. Er hinterließ die Erklärung, daß sich wahrscheinlich das ganze Hauswesen zur Bedienung des Cardinals Ambrosi neugestalten würde.

Nun mußte Marco Vorschläge von Wohnungen machen, die der Bedachtsame lange schon für diesen voraussichtlichen Fall in Augenschein genommen. Noch an demselben Abend und bis um Mitternacht zog die Herzogin aus. Sie hatte sich schnell für ein Stockwerk von mehren gesund gelegenen und schön möblirten Zimmern auf der Höhe des Monte Pincio entschieden. Die dortigen luftreineren Straßen konnte sie als Vorwand der Veränderung nehmen. Um sich nicht zu sehr als eine Gestürzte darzustellen, setzte sie alle ihre Ersparnisse daran.

Zu solchen Scenen aus dem geheimen und offnen Leben der großen Prälaten läuteten die Glocken der dreihundertfünfundsechzig Kirchen Roms – brausten die Orgeln – schmetterte die Janitscharenmusik der Hochämter – wandelten unter Pfauenfederwedeln und Baldachinen die wohlgenährten Pairs der Kirche – 140 rannten die convertirten Engländer nach den Katakomben – schwärmten die Deutschen von den Bildern des Fiesole – knieten die Franzosen in Trinità di Monti und küßten die Hände einer Gräfin-Aebtissin der hier eingepfarrten »Soeurs grises« aus den ersten Geschlechtern Frankreichs. Rom spielt seine äußere heilige Rolle mit Glanz. Wer kennt das Innere –!

An Benno schrieb die in Wahrheit vernichtete Frau jetzt noch nicht alles, was ihr begegnet war. Sie erschien sich zu tief gedemüthigt! Auch hatte sie zu lange Jahre hindurch die den Umgang verscheuchende und die Menschen vereinsamende Wirkung des Unglücks kennen lernen. Dann beredete sie sich, sie wollte lieber erst die Antwort abwarten auf einen Brief, den sie an Ceccone schrieb und in welchem sie nichts von ihren Empfindungen zurückgehalten hatte. Schließlich hatte Benno selbst seit Wochen nicht geschrieben. Sie fing für die Sicherheit ihres Briefwechsels immer mehr zu fürchten an.

Am vierten oder fünften Tage weckte sie aus einem Zustand der Erstarrung, den das fortgesetzte Nichteintreffen eines Lebenszeichens von Benno mehrte, der erste Besuch, den sie in ihrer neuen Wohnung empfing. Eine glänzende Equipage stand am Hause. Sie kam aus Villa Tibur und brachte – Lucinden!

Mit kalter Ruhe und Sammlung führte sich diese bei ihr mit den Worten ein, der Cardinal hätte sie beauftragt, der Herzogin einen Jahrgehalt anzubieten, den er ihr mit Dank für die geleisteten Dienste ausgesetzt hätte. Er bedauerte, fügte sie hinzu, den Einfall der jungen Fürstin, an welchem er gänzlich schuldlos wäre – wie wir alle – Olympia schwärme, fügte sie hinzu, für den Cardinal Ambrosi und sie wollte wol auch, sagte sie lächelnd, alle diejenigen strafen, welche dem Bischof von Robillante den Ruf des ersten Priesters der Christenheit gegeben 141 hätten – Cardinal Ceccone, schloß sie, würde selbst gekommen sein –

Wenn er nicht meine bösen Augen fürchtete! fiel die Herzogin ein und in der That schien in diesem Moment ihr Blick den Tod androhen zu können. Kaum reichte der ausgesetzte Jahresgehalt für die Wohnung und eine für Italiens Sitten so nothwendige Equipage aus.

Lucinde zuckte die Achseln. Für allzu viele Erörterungen schien sie nicht aufgelegt zu sein. Sie behauptete, Eile zuhaben; sie sagte, sie käme überhaupt nur selten in die Stadt – ihr ganzes Wesen war voll Unruhe, gemachter Vornehmheit, Uebermuth.

Sie kam von Santa-Maria, dem Mutterkloster der Franciscaner, wo sie bei Klingsohr gewesen. Dort hatte sie den nach glücklich vollendeter Heilung wieder zu Gunst und Gnaden angenommenen Pater Sebastus am Sprachgitter gesprochen. Sie hatte ernste Dinge mit dem vor Schwäche allerdings noch an Händen und Füßen Zitternden, aber in ihrem Anblick Ueberglücklichen verhandelt.

Nach dem, was sie von Hubertus schon in Palazzo Rucca, als dieser daselbst von ihr Abschied genommen, über die zweite Gemahlin des Kronsyndikus erfahren, ließen die jetzt endlich möglich gewordenen Mittheilungen Klingsohr's keinen Zweifel, daß allerdings diese zweite Gemahlin eine ehemalige kasseler Sängerin Fulvia Maldachini, also die – Herzogin von Amarillas gewesen sein mußte. In dem lateinischen Bekenntniß Leo Perl's hatten die Namen gefehlt und auch noch jetzt bei Verständigung mit Klingsohr hütete sie sich, die Fingerzeige allzu grell zu geben; auch mußte sie den kaum Genesenen schonen. Gab ihm das Wiedersehen einen erhöhten Ausdruck der Spannung und 142 Kraft, so forderte sein todblasses Aussehen, seine gekrümmte greisenhafte Haltung zur Schonung auf. Von Benno sprach sie zu Klingsohr nicht, da auch Hubertus nichts von Kindern dieser zweiten Ehe gewußt hatte. Noch war sie schreckhaft erregt von Klingsohr's Hosianna des Dankes für ihren Beistand, vom Triumphgesang seiner Hoffnungen für eine neue Zukunft in Rom, wo »selbst der Tod mit leichterer Hand abgewehrt würde, als anderswo«. Krampfhaft hatte er ihre Hand, die sie ihm durchs Sprachgitter reichte, festgehalten und sie mit Versen begrüßt, die für den Fall, wo er sie wiedersehen würde, schon bereit gehalten schienen. Er gab alles, Minerva, die Weisheit, Maria, den Glauben, hin – denn nur von ihr, der Botin Aphrodite's, käm' ihm die volle Lebenskraft.

Pallas Athene! Wär' ich immer
Gefolgt nur Deinem Schild und Speer –
Ich wäre längst ein Abendschimmer,
Begraben in dem ew'gen Meer!

Was zog mich nur mit Zauberhanden
Hinauf zu Schnee und Alpenhöhn
Und ließ in fernen, heil'gen Landen
Mich Ziele noch und Wünsche sehn?

Krank, todmatt, ausgedörrt die Lunge –
Nahst kaum dem Auge Du, dem Ohr,
Raff' ich mich schon mit Löwensprunge
Ein Held zu neuer That empor.

Was komme jetzt? Du nur gebiete!
Zum Frühling wird des Kerkers Haft.
Maria –? Pallas –? Aphrodite –?
Gib ihr den Preis – der Liebeskraft!

Sie berichtete dem Wahnbethörten, fieberhaft sie Anblickenden, von Reflexionen Umgewirbelten, daß ihn der Cardinal bei der Congregazione del' Indice für die Beaufsichtigung deutscher 143 Kunst und Wissenschaft verwenden wolle.Die Stelle Augustin Theiner's aus Schlesien. Von Hubertus wußte man auch in Santa-Maria noch nichts. Klingsohr versicherte, seines tapfern Freundes Entschlossenheit würde sich in jeder Lage zu helfen wissen.

Sie wohnen sehr hübsch hier? fuhr Lucinde, sich im Empfangzimmer der Herzogin umsehend und von ihrer Erschöpfung durch die empfangenen Eindrücke sammelnd, fort.

Hundert Fuß vom Erdendunst entfernter, als an Piazza Sciarra –! lautete die Antwort.

Wiederholt drückte Lucinde der Herzogin über die neuliche Scene mit Olympien ihr Bedauern aus und versicherte, ihrerseits angenommen zu haben, die Herzogin wäre bereits ausgezogen.

Der Cardinal hatte, denk' ich, die Absicht, Ihnen dies Palais – als Aussteuer anzubieten? sagte die Herzogin.

Immer hörte Lucinde von dieser Frau nur gewisse höhnische Betonungen. Immer nur gewisse Zweifel der Ironie –!

Graf Sarzana wird doch wol den Dienst bei Sr. Heiligkeit nicht aufgeben? fuhr die Herzogin fort. Sie hoffen ein stilles und glückliches Leben führen zu können? Vergessen Sie nicht, wenn der Cardinal Ambrosi die Wohnung zu beziehen ausschlagen sollte, einige Verbesserungen – des Küchenherdes im Palais vorzunehmen. Sonst ist alles gut im Stande.

Schwach sind die Frauen wahrlich nicht, wenn sie ihre Empfindungen aussprechen. Auch darauf hin kannte Lucinde ihre Mitschwestern. Aber der »Küchenherd« schien ihr denn doch eine Anspielung geradezu wie auf die Zeit, wo sie wirklich eine Magd gewesen.

144 Sie sehen mehr, als ich, Hoheit! sagte sie, ergrimmt auf die Lippen beißend.

Sind die Verhältnisse noch nicht so weit? fuhr die Herzogin fort.

Welche Verhältnisse? Ew. Hoheit haben mich ja in diese Verhältnisse empfohlen.

Sie sind auch für diese Empfehlung recht dankbar, lächelte die Herzogin ironisch.

Sie aber sind nicht großmüthig, Hoheit! sagte Lucinde. Ich höre, daß Sie diese mögliche Zukunft zu verhindern suchen und mich nicht für würdig halten, eine Gräfin zu werden. Ich bin allerdings keine geborene Marchesina von Montalto, wie Sie. Ich bin eine einfache deutsche Bäuerin – das ist wahr! Oder hat man Ihnen aus Robillante etwas Anderes geschrieben?

Aus Robillante –? Mir? . . . So hört' ich – also neulich am Hochzeitstage – doch recht? Wie kommen Sie denn –

Sie stehen im Briefwechsel mit Robillante! unterbrach Lucinde schnell und entschieden.

Ich – mit – Ihrem Bischof wol –? entgegnete die Herzogin, zwar noch mit einer gewagten Sicherheit, aber schon erzitternd.

Nein, mit Ihrem Sohne Benno von Wittekind-Neuhof. mein' ich –! Lucinde warf diese Worte wie einen den Sieg verbürgenden Trumpf aus.

Erst wollte die Herzogin auflachen. Dann deutete sie auf Lucindens Stirn, als wäre ihr Verstand wol nicht recht in Ordnung.

Aber Lucinde hielt sich zu unbeweglicher Ruhe und wiederholte langsam, was sie soeben gesprochen hatte.

Die Herzogin ergriff Lucindens Arm, starrte sie mit 145 aufgerissenen Augen an und schwankte an die Thüren, um diese wenigstens fester anzuziehen.

Sie litt nicht für sich – was hatte sie zu fürchten! Sie litt für Benno, der ihr unter solchen Umständen seines zweideutigen Ursprungs nicht froh werden zu können schien. Sie – sind – wirklich – ein Teufel! hauchte sie und setzte sich halb ohnmächtig nieder.

An diesem »Wirklich«, sagte Lucinde, erkenn' ich die mich betreffenden Stellen Ihres Briefwechsels. Ja, jenseits der Alpen ist man noch immer nicht im Reinen, für welchen Ofen der Dante'schen Hölle ich passe, aber das soll auch diesseits gelten. Und Ihr Sohn ignorirte mich doch noch mit einer gewissen mitleidigen Toleranz. Uebrigens ein vortrefflicher Mensch, nur mit dem Einen Fehler, daß er zu den Männern gehört, die den Verstand, den auch einmal Frauen besitzen können, für Anmaßung halten.

Eine lange Pause des Triumphes trat ein. Allmählich raffte sich die Herzogin auf und suchte das Fenster, um Luft zu schöpfen.

Ich spreche eine Vermuthung aus, die ich beweisen kann! fuhr Lucinde fort, indem sie ihr nachblickte. Der Geistliche, der Sie traute, hieß Leo Perl. Es war ein Jude. Die Trauung geschah auf dem Schloß Altenkirchen. Ich kenne manche Folgen dieses abscheulichen Betruges, arme Frau! Benno von Asselyn ist die beste davon. Wie gesagt, ein trefflicher Mensch, ob er gleich zu sehr den – guten Eigenschaften des Kronsyndikus ähnelt und – Ihren Fehlern. Madame, Sie wissen, daß ich nur wenig Freunde im Leben gefunden habe! Lassen Sie mir die, die ich hier gewinne! Ich verspreche Ihnen, Sie werden von mir unbehelligt bleiben! Daß nur die Jesuiten und der General der Franciscaner, Olympia im Allgemeinen, hier Ihr vergangenes Leben kennen, weiß ich vom Cardinal. Arme Frau! Da die 146 erste Hochzeit falsch war, konnte man Sie glücklicherweise nicht der Bigamie anklagen, was in der Absicht Ihrer und der Feinde Ceccone's lag. Glorreich wurden Sie gerechtfertigt. Dann ihr Geheimniß mit Benno – das weiß außer mir niemand. Ich werde es zu bewahren wissen. Nur – bitt' ich von jetzt an, und befehl' es Ihnen, lächeln Sie nicht mehr, wenn mein Name genannt wird –! Lächeln Sie nicht so spöttisch, ob diese Erwähnung nun in Verbindung mit dem Cardinal oder mit dem Grafen geschieht! Lassen Sie sich von Ihrem Sohne über mich nichts erzählen, was Sie etwa veranlassen könnte, den Hoffnungen, die ich habe, mögen sie sein, welche sie wollen, zu schaden! Das ist es, was ich Ihnen schon am Hochzeitsfest zu sagen hatte und nur verschob, weil uns die Räuber hinderten und wir seither im Gebirge kaum zur Besinnung kamen! Noch Eins und in aller Aufrichtigkeit: Erneuern Sie die Warnungen für den Bischof von Robillante! Schreiben Sie davon Ihrem Sohne! Man erwartet Fefelotti hier. Er bringt die Einleitung eines Processes auf Absetzung des Bischofs. Entsetzlich, wenn sich der Bischof um eine einzige ketzerische Persönlichkeit so fortreißen, von Gräfin Erdmuthe auf Castellungo so bestimmen ließe! Der Cardinal meinte es in allem Ernste aufrichtig, als wir den Pilger zu entdecken suchten. Nicht seine Schuld, daß auch Hubertus jetzt so räthselhaft an der Grenze der Abruzzen verschwunden ist. Hören Sie aus alledem, daß ich der Meinung bin: Wir sind Freunde, Verbundene, Herzogin! Waffenstillstand, Friede zwischen uns! Kein Wort an Olympien! Nimmermehr! Verlassen Sie sich auf mich! Das versprech' ich Ihnen. Jetzt aber muß ich auf Villa Tibur zurück. Der Weg ist weit. Achthundert Scudi nur, Herzogin! auch ich find' es erbärmlich! Was kann ich aber thun! Sagen Sie das Ihrem Sohne – Benno! Sie sind glücklich, einen solchen Sohn zu besitzen! Wo fanden 147 Sie ihn? Wie erkannten Sie sich? Sie haben recht! für Olympia war er zu gut. Aber nie, nie darf sie davon erfahren! Ihre Rache würde keine Grenzen kennen. Regen wir uns aber nicht auf! Sie kennen jetzt meine Wünsche, meine – Befehle! Auf Wiedersehen!

Lucinde war verschwunden, wie sie gekommen. Sie selbst hatte geklingelt, um die Bedienung in Bereitschaft zu halten.

Die Herzogin blieb zurück, erstarrt – an Händen und Füßen wie gebunden. Sie fühlte ganz die Wirkung, die Lucinde beabsichtigt hatte. Mußte sie »diese Schlange an ihrem Busen erwärmt« – sie selbst nach Rom gebracht haben! Unter diesem Damoklesschwert sollte sie nun leben! Was war aber zu thun? Was um Benno's willen zu unterlassen? Ihre Correspondenz schien ihr nicht mehr sicher, trotz der Adressen, die hier und in Robillante an die geringsten Leute gingen. Diese Sprache, diese kurze Eröffnung, diese Schonungslosigkeit des kecken deutschen Mädchens! Von Angiolinen hatte sie geschwiegen. Wußte sie von dieser nichts? Sie sah, Lucinde wußte genug, um sie in ewige Fesseln zu werfen.

Alles das mußte die vereinsamte Frau in sich selbst verwinden. Trotz des Vorwands, den sie für ihren Umzug in der »bessern Luft des Monte Pincio« fand, verließen die Ausgestoßene alle ihre Bekannte. Sie hatte ohnehin nie die erste Rolle spielen dürfen, auch solange sie mit Ceccone und Olympia lebte. Was war sie der Welt! Jetzt bereuete sie zu klug gewesen zu sein und sagte: Wie viel haben bei alledem die Menschen voraus, die sich nur den Ausbrüchen ihres Temperaments hingeben! Sie erleben immer noch etwas mehr Unglück und Demüthigung, als wir andern, die wir so klug sein wollen, das ist wahr; aber ihre Personen fesseln und ihre Natur laßt ihre Verhältnisse vergessen. Nicht einmal ein paar alte Prälaten hatten noch das Bedürfniß, bei ihr 148 zu speisen. Von Benno erhielt sie keine Andeutung, wie sie sich verhalten sollte. Seine Briefe blieben aus. Sie war in Verzweiflung.

Ihr Geist hatte seit einem Jahr ganz dem geliebten Sohne gelebt. Die Briefe, die sie von ihm empfing, waren wie an ein Ideal gerichtet. Nur einen einzigen Tag hatte er die Mutter gesehen und gesprochen und gerade darum war ihm alles neu und reizvoll an ihr geblieben. Die ganze, seit so lange von ihm beklagte Heimatlosigkeit seines Daseins fand in diesem neugewonnenen Besitze Ruhe und Sammlung. Und auch sie lebte nur in seinen Mittheilungen und bildete sich jetzt aus ihnen, so fragmentarisch sie waren, ihre Welt. Zitternd las sie alle seine letzten Briefe. Sie waren der einzige beglückende Eindruck, der ihr noch geblieben! Da lag vor ihrem fernblickenden Auge die schöne Alpengegend Piemonts –! Da lagen die Thäler, die schattenreichen Kastanien- und Nußbaumwälder, in denen sich der Geliebte mit Bonaventura erging –! Da schilderte Benno das rege Leben der Bewohner und die blühendste Seidenzucht –! Ort reihte sich an Ort – erkennbar war jeder Weiler an den viereckigen Kirchthürmen mit den heitern Glockenspielen –! Schlösser standen auf höchster Höhe, gebrochene Zeugen der Wildheit des Mittelalters; tiefer abwärts von diesen Trümmerstätten lagen wohnliche neue Sitze des Adels, darunter Castellungo, erkennbar schon in weiter Ferne am wehenden Banner der Dorstes –! Wie oft hatte der Kronsyndikus sie vor Jahren versichert, daß gerade um dieser Dorstes willen seine zweite Ehe noch geheim bleiben mußte! Sie sah Benno hinüber- und herüberreiten zwischen Robillante, einem freundlichen Städtchen, und Castellungo.

Die alte Gräfin Erdmuthe bediente sich seiner als Vermittlers zwischen ihr und dem Bischof, den sie seltner sah, obgleich er ganz in ihrem Sinne wirkte und Benno nicht genug von 149 Bonaventura's Muth schreiben konnte, der jenen von der Gräfin beschützten Waldensern die altverbrieften Gerechtsame wahrte. Sie sah die Eichen von Castellungo, die verlassene Hütte des Einsiedlers, die Processionen zur Kapelle der »besten Maria«. Seltsam durchschauerte sie's von Geheimnissen, die auf allen diesen Beziehungen liegen mochten. Sie wußte bereits, daß jene Gräfin Paula, die inzwischen die Nachfolgerin ihres Kindes geworden war, dem Bischof besonders werth gewesen. Sie fühlte die Dämmerungsschleier so vieles Zarten und Ahnungsvollen, das auf jenen Gegenden lag, und die sich schon ihr selbst auf Auge und Herz zu breiten anfingen. Selbst die Anstrengungen Bonaventura's, jenen Eremiten den Händen der Inquisition zu entreißen, machten ihr einen fast persönlich gewordenen Eindruck. Wie ein stilles trauliches Abendläuten vernahm sich alles, was von dort herüberklang. Nun sollte sie an Benno die unheimliche Nachricht schreiben: Dein Geheimniß ist in den Händen dieser Lucinde, die mich entwaffnet, versteinert hat – ich konnte ihr nicht widersprechen – konnte dich nicht verleugnen! Schien sie doch voll Antheil für unser aller Schicksal! Die Nachricht, jene düstern Gemäuer von Coni, die erzbischöfliche Residenz würde ihren Souverän, den grimmen Fefelotti entsenden und dieser selbst würde neue Schalen angesammelten Zornes mitbringen, um sie über die ihr so werthen Menschen auszugießen, war ihr die peinlichste. Und dabei der stete Ruf: Wenn er nur endlich, endlich selbst schreiben wollte!

Zunächst mußte ihr die Kraft ihres stillen Liebescultus für den Sohn und die Erinnerung helfen. Sie legte sich schon lange als Pflicht auf, die Plätze zu besuchen, von denen sie wußte, daß vorzugsweise von ihnen bei seinem Aufenthalt in Rom Benno gefesselt worden. Benno hatte an der Ripetta gewohnt, mit der Aussicht auf die Peterskirche. Er hatte seine Betrachtungen an so manches geknüpft, was sie bisher verhindert gewesen war, 150 wieder in Augenschein zu nehmen und nach Benno's Weise auf sich wirken zu lassen. Sie staunte, alles so zu finden, wie Er geschildert – in Briefen geschildert, die ihr ein Heiligthum wurden und die sie in ihren einsamen Stunden wieder und wieder las. Jetzt sagte sie: In, er hat Recht: Die Peterskirche macht keinen gewaltigen Eindruck! Die gelbangestrichenen Säulenarcaden drücken sie zum Gewöhnlichen herab –! Sie sagte: Er hat Recht: Das Innere der Peterskirche ist kalt; man athmet hier nur in der Sphäre des Stolzes und der Vermessenheit der Päpste –! Er hat Recht: Die Engelsburg ist wie ein Reitercircus –! Er hat Recht, wenn er schreibt: Als ich nach Rom kam, erschien mir der Engel auf ihrer Spitze wie ein Lobgesang auf die Idee des Christenthums, jetzt nur noch wie eine Satire –! Er hat Recht: Die Kirchen sind Concertsäle; nicht eine hat die Erhabenheit eines deutschen Domes –! Er hat Recht, wenn er schreibt: In den Museen verweilt' ich lieber unter Bildsäulen, als unter Bildern; sie lehren Vergänglichkeit und Trauer und das Museum auf dem Capitol ist geradezu die heiligste Kirche Roms; nur dort hab' ich Thränen geweint, unter den gespenstischen Marmorgöttern, den Niobiden, den sterbenden Fechtern. den gefangenen Barbarenkönigen –! Er hat Recht: Kein christlicher Sarkophag hat mich so gerührt, wie im Lateran die heidnischen Aschensärge mit den zärtlichsten Inschriften, wie: »Die Gattin dem Gatten –!« Er hat Recht: Nichts hass' ich so, wie das Coliseum! Ich kann es nicht mehr ansehen –! Er hat Recht: Wie wenig kann ich mich mit Michel Angelo befreunden! So oft ich von ihm ein Werk finde, hab' ich das Gefühl, er hätte etwas geben wollen, worauf die gewöhnlichen Vorstellungen vom Schönen nicht passen, und nach Neuem und Außerordentlichen gehascht – Rafael allein hat das Einfache und Richtige! Was ein Ding sein muß, das ist es bei Rafael; bei 151 Michel Angelo ist's immer etwas anderes, als das natürliche Gefühl erwartet –! Rafael's Bilder betrachtete sie nun stundenlang – die Madonnen waren dann Armgart – süßer heiliger Friede senkte sich auf Augenblicke in ihre Brust – Dann fuhr sie wieder auf und ängstigte sich um die Ahnung, daß sie Benno nicht wiedersehen würde. Nun fehlte ein Brief schon seit Wochen von ihm. Und ihr Herz, ihre ganze Seele war so übervoll –!

Es war die Zeit, wo in Rom jeder, der nur irgend kann, auf dem Lande lebt. Die Herzogin mußte sich diesen Schutz gegen die Wirkungen der »Malaria« versagen. Neulich war sie in ihrem vom Schrecken des Gemüths gehetzten »Wiederaufsuchen Roms nach Benno's Anschauungen« beim Kloster der »Lebendigbegrabenen« angekommen. Die Nonnen hatte einen schönen, luftreinen Garten. Oefters schon war sie hinübergegangen zu diesen Schwestern der »reformirten« Franciscaner; sie wohnten an Piazza Navona, nahe der Tiber. Sie, die Mitwisserin eines so schweren Geheimnisses, wie Olympiens Geburt, blieb dort noch immer gut aufgenommen, aber um achthundert Scudi jährlich kauften die Andern ihr Schweigen ab –! Sie, sie war es, die diesem Kloster die Last Olympiens abgenommen! Nicht alle Gründe hatte sie Benno erzählt, die damals die fromme Genossenschaft bestimmten, eine so gewagte Handlung zu begehen und eine Nonne einzukleiden, die ihnen eine geheime Commission des peinlichen Tribunals als eines Attentats auf den Inquisitor Ceccone verdächtig überwiesen hatte und die schon allein deshalb abzuweisen war, weil sie keine Jungfrau war und niederkommen mußte. Nichts Seltenes, daß Verbrecher den Klöstern zur Aufbewahrung übergeben werden; aber eine Braut des Himmels, gesegneten Leibes – und sogar von einem Monsignore, der unter Umständen, die keine nähere Untersuchung des 152 Frevels wünschen ließen, von ihr einen Mordanfall erlitten hatte –! Das Kind blieb am Leben und wurde aus dem geräumigen Kloster nicht entfernt. Für diese Zurückbehaltung hatte man Gründe. Vorzugsweise fürchtete man, solange man ein pflegbefohlenes Kind lieber selbst hütete, weniger für den Ruf des Klosters, das leicht seine gegenwärtige Auszeichnung, die Pallien weben zu dürfen, verlieren konnte und sie an andere Klöster abtreten mußte, die nicht wenig eifersüchtig waren auf diese Ehre und den reichen Gewinn. Außerdem hatte dies Kloster noch eine andere Ehrenaufgabe, auf welche die jungen Prälaten neulich angespielt hatten. In der zu ihm gehörigen Kirche befand sich eine »Mumie« – der Leichnam der Stifterin des Klosters, einer Franciscanerin, die im Jahre 1676 die strengere Regel Peter's von Alcantara angenommen hatte. Bei zufälliger Oeffnung ihres Sarges im Beginn dieses Jahrhunderts fand man die Schwester Eusebia Recanati nicht verwest. Der Leichnam hatte sich zu seiner ursprünglichen Gestalt erhalten, während die Gewänder, der braune Rock, der schwarze Schleier, das weiße Kopf- und Halstuch zusammenfielen. Ohne Zweifel lag hier ein Wunder vor! Seit dreißig Jahren petitionirte nun das Kloster um die Anerkennung dieses Wunders, um die Heiligsprechung der Eusebia Recanati, die an gewissen Tagen in einer Kapelle der Kirche, in einem verschlossenen Schrank, unter Verglasung, in sitzender Stellung dem Volke gezeigt wurde. Seit dreißig Jahren bestand eine Commission zur Prüfung der Ansprüche, die Eusebia Recanati auf den Schmuck des Heiligenscheins hatte. Dem Kloster wäre die wirklich erfolgte Heiligsprechung und ein unversehrter Heiligenleib zur Quelle des reichsten Gewinnes geworden. Aber die andern Orden regten sich voll Eifersucht – die schwarzen Oblaten und Ursulinerinnen, die weißen Camaldulenserinnen und Karthäuserinnen, die hellbraunen Olivetanerinnen, die schwarzweißen 153 Philippinen, die schwarzbraunen Augustinerinnen, die weißschwarzen Dominicanerinnen, die braunen Karmeliterinnen und Kapuzinerinnen, die blauen Annunciaden, die rothen Sakramentsanbeterinnen und hinter ihnen her die entsprechenden Mönchsorden mit ihren Generalen. Die geringere bloße »Seligsprechung« der Mumie genügte den »Lebendigbegrabenen« nicht, sie wollten der Christenheit eine heilige Eusebia geben, die in der That dem Kalender noch fehlte. Sie bewiesen, daß diese schreckhaft anzusehende, verschrumpfte, vollkommen braunem Leder gleichkommende Eusebia Recanati, dies geschmückt mit den glänzendsten Kleidern und mit goldenen Spangen befestigte Grauenbild Wunder verrichtete, Lahme gesund machte, Blinde sehend. Die Opposition blieb jedoch zu stark. Dreißig Jahre schmachteten die Nonnen um Entscheidung der Cardinäle! Als einen vorläufigen Ersatz erhielten sie das Pallienweben, in dem sie sich, dreißig an der Zahl, auszeichneten wie Penelope auf Ithaka; Ceccone war es, der sie zum Festhalten ihrer Hoffnungen auf die Heiligsprechung der Mumie ermunterte. Auch wären sie gewiß schon durchgedrungen, seitdem sie das Meisterstück ihres guten Willens, die Verheimlichung eines Prälatenkindes ausgeführt; wären nur nicht Fefelotti und die Jesuiten ihre Feinde geworden. Diese beschützten die vornehmen neuen Orden, die Salesianerinnen, die Annunciaden, die Sakramentsanbeterinnen, vorzugsweise die Damen vom Herzen Jesu. Die Jesuiten ließen mit jenem Schein »wahrer Aufklärung«, der ihnen überall an geeigneter Stelle durchaus geläufig ist, alle Wunder, welche diese Mumie vollzogen haben sollte, ärztlich untersuchen und erklärten sie für null und nichtig. Jesuiten lehrten auf der Universität Roms, der »Sapienza«, die Heilkunde und Naturwissenschaften. Die Gutachten, die ihre Commission für die Heiligsprechung der 154 Eusebia Recanati übergab, waren von einer Freimüthigkeit, als hätte sie Humboldt verfaßt.

In solchen Klöstern, wo ein Industriezweig getrieben wird, z. B. das Blumenmachen, sieht es wie in einer Fabrik aus. Man läßt anderwärts Zöglinge und Kinder zur Mithülfe zu; die »Lebendigbegrabenen« repräsentirten ihr kleines»Manchester« für sich. Ihr Fleiß hielt gleichen Schritt mit der Sterblichkeit unter den Bischöfen von 131 Millionen Seelen. Sie schoren und spannen und webten und die Herzogin von Amarillas konnte einige Uralte unter ihnen nicht anders betrachten, als unter dem Bilde der Parzen Clotho, Lachesis und Atropos. Auch Lucrezia Biancchi spann. Dazu sang sie alte Lieder – Freiheitslieder, die sie von ihren Brüdern gelernt hatte, weniger von Napoleone, als von Marco und Luigi. Für einen kleinen Schwestersohn von ihr, den die »schöne Wäscherin« vom Tiberstrande schon erzog, als sie die neue Judith zu spielen begann, hatte der liebevolle Ceccone gesorgt. Er war, als seine Oheime Luigi und Napoleone nur durch die Flucht von den Galeeren freikamen und als Marco sogar zum Tode verurtheilt, dann jedoch zu den Galeeren begnadigt, schließlich verbannt wurde, erst sieben Jahre alt. Ceccone ließ den kleinen Achille Speroni verschneiden und zum Sopransänger der Sixtina erziehen.

Die Herzogin besuchte am Abend nach der Schreckensscene mit Lucinden den Garten dieses Klosters. Da saß die Mutter Olympiens, die ihrem Kinde, als sie es empfing, fluchte, die irrsinnige, magere, hohläugige Lucrezia und spann wie immer. Selbst aufgeschreckt, wie ein verfolgtes Wild, erzählte sie ihr von ihres Bruders Luigi Gefangenschaft in Brünn. Die Spinnerin hielt einen Augenblick inne und zeigte auf die Wolle am Rocken und auf den langen Faden, den sie aufgewickelt hatte. Das ist 155 recht! Er muß Geduld haben! sagte sie und feuchtete den Faden an. Ja, sagte die Herzogin, du meinst die Zeit! Schwester Josepha – so war sie beim Einkleiden getauft worden – der lange Faden ist die Zeit! Auf den müssen wir viel, viel aufreihen –!

Die drei Parzen in der Nähe lächelten und nickten Beifall. Die Herzogin beneidete fast die Schwester Josepha um ihren Irrsinn. Dies arme Wesen, das einst auf einen Mann, in dessen Arm sie geruht, ein Messer zücken konnte, wußte nichts von ihrem Kinde, das eine Fürstenkrone trug und die Menschen tyrannisirte. Sie hatte die irre Idee von ausbleibenden Briefen – Briefen, die Gott, Jesus, St.-Johannes, die Heiligen an sie schrieben – es waren die Briefe ihrer verbannten Brüder –, die in den Gefängnissen Roms, unter all den Torturen gesessen hatten, die vom Rechtswesen des Mittelalters am längsten im Kirchenstaat zurückgeblieben sind.

Als die Herzogin aus dem Klostergarten, von den kleinen Lämmern, den Webstühlen zurückkam, war sie über ausbleibende Briefe ebenso trostlos wie Schwester Josepha. Endlich mußte sie doch auf alle Fälle Benno den Vorfall mit Lucinden, überhaupt alles berichten, was seit fünf Tagen ihr widerfahren war. Seit Benno's letztem Brief waren Wochen verflossen. Täglich fragte sie bei einem Lotteriecollecteur, der eine große Correspondenz unverfänglich führen durfte, ob nichts für sie angekommen wäre. Endlich, endlich durfte doch wol ein Brief – morgen eintreffen!

Er kam auch morgen nicht. Auch nicht am nächsten Tage. Schon fragte die Verzweifelnde und wie auf der Flucht vor sich selbst Dahinwankende das Orakel der Karten, das sie stundenlang vor sich ausgebreitet hatte und bei verschlossenen Thüren 156 durchforschte. Sie nahm eines jener schöngeformten eisernen Gestelle, in welche man in Italien die Waschschüssel stellt, und stand wie Pythia am Dreifuß, um an den Wellenschwingungen, die ins Wasser geworfene Kiesel hervorbringen, zu erkennen, ob die Ringe, große oder kleine, Glück oder Unglück bedeutende wären. Sie nahm Asche vom Feuer des Herdes, streute sie Nachts auf den Sims eines vom Wind bestrichenen Fensters und schrieb mit zitterndem Finger die Frage, ob Benno gesund wäre: »Sano?« Am Morgen dann las sie mit banger Erwartung, was der prophetische Wind aus den Buchstaben gemacht haben würde.

Das Orakel antwortete: Santo... Wie, dachte sie den Tag über – er ist doch wol nicht gar auch in ein Kloster gegangen? Auch er will ein Priester werden?

Damit quälte sie sich einen Tag. Kein Brief kam. Am Abend schrieb sie wieder: Sano? Am Morgen las sie in dem verwehten Aschenstaube: Cane.

Himmel, dachte sie jetzt und raufte sich wie wahnsinnig das Haar, ein toller Hund hat ihn gebissen –!

Am dritten Tage las sie: Caro. Das machte sie ein wenig ruhiger. So war er doch vielleicht nur verliebt und vergaß sie um – wessentwillen? Etwa Armgart's?

Am vierten las sie: Sale – Salz oder Verstand – Die Ironie des Zufalls lehrte sie nicht, daß sie ihre Thorheiten lassen sollte. Sie grübelte, worin Benno's Schweigen gerade jetzt ein besonderer Beweis von Verstand sein konnte.

Als sie am Tage, wo sie Sale gelesen hatte, von einer Corsofahrt nach Hause kam, wieder am Hause des Lotteriecollecteurs nichts für sich gefunden hatte, schleppte sie sich halb zusammenbrechend die Treppe hinauf.

Eben wollte sie ihre Hauskleider anlegen. Da hörte sie von 157 der Straße her einen Wagen anrollen und halten. Nach einer Weile klingelte es und mit hochaufgerissenen Augen kam Marco und brachte die Wundermär: Cardinal – – Fefelotti!

Die Herzogin traute ihrem Ohr nicht und erhob sich.

Es war in der That Erzbischof Fefelotti, Cardinal und Großpönitentiar der Christenheit – in eigener Person.

Von solchem Besuch ahnte sie jetzt nichts Uebles. Das »Salz« des Orakels – »Verstand« traf zu. Nicht besonders älter war Fefelotti geworden, seitdem die Herzogin ihn zum letzten male gesehen hatte. Im Gegentheil, die Ruhe in Coni, die Sicherstellung seiner Unternehmungen durch die Jesuiten, die Nothwendigkeit, die gottseligste Miene zu zeigen, hatte die sonst immer sehr lebhaften Verzerrungen seiner unschönen Gesichtszüge gemildert. Sind die Hunde aus den Wölfen entstanden, so stellte Fefelotti jenen Uebergang vor, wo möglicherweise zuerst die Wölfe anfingen sich in den Gewohnheiten des Hausthiers zu versuchen. Seine runde Nase, seine buschigen Augenbrauen, sein von Pockennarben zerrissenes Angesicht war wie sonst dasselbe, aber eine heilige, so zu sagen gesättigte Ruhe lag auf seinen Mienen. Konnte er doch wahrlich lächeln über seinen neuesten Sieg. Konnte er doch über seine Rückkehr aus einer Verbannung lächeln – wo er für den »schlechtesten Christen« hatte gelten sollen, dem man zur »Versöhnung der Gottheit« den »besten« gegenübergestellt! Konnte er doch mit vollstem Behagen lächeln über Ceccone's ohnmächtiges Schnauben, wovon er sogleich andeutete, daß es jetzt schon anfinge sich an Frauen auszutoben. Ja, das war die Dame, zu welcher Fefelotti sonst als Prälat so gern gegangen war, die jedoch seine Intrigue mit der »kleinen Wölfin« bei den »Lebendigbegrabenen« und die Verhinderung der Cardinalserhebung Ceccone's gekreuzt hatte.

In solchen Fällen denkt kein Italiener an ein Verschleiern 158 seiner Empfindungen. Fefelotti lachte sich weidlich aus. Sowol über die Höhe der Treppen, die er hatte ersteigen müssen, wie über die Möbel, wie über die Dienerschaft und – ein »Sommerlogis« auf dem Monte Pincio! Sie kluge Frau, sagte er, ich habe Sie immer so gern gehabt! Wie konnten Sie sich nur von meiner Fahne entfernen! Sie haben sechzehn Jahre Ihres Lebens verloren. Wie hoch ist die Pension, die ihnen mein alter Freund Don Tiburzio zahlt?

Die Herzogin hatte die Schule der Leiden in einem Grade durchgemacht, daß sie sich weder über Fefelotti's Besuch allzu erstaunt zeigte, noch auch Ceccone's Undankbarkeit ganz nach den Empfindungen schilderte, die sie darüber hegte. Sie wünschte dem Großpönitentiar Glück zu seiner neuen Erhebung, ließ die von ihr betonte wahrscheinlich nahe bevorstehende Papstwahl nicht ohne Bezüglichkeit für die Hoffnungen des ehrgeizigen Priesters – sie klagte Ceccone keineswegs allzu heftig an.

Fefelotti sah die Schlauheit der weltgewandten Frau. Sich müßigend schlug er die Augen nieder, beklagte die Leiden Sr. Heiligkeit und gestand offen, daß durch die Wiederherstellung des Jesuitenordens, dessen Affiliirten er sich schon seit lange nennen konnte, endlich Festes und Dauerndes in die schwankenden und von den Persönlichkeiten der Päpste abhängigen Zustände der Kirche gekommen wäre. Seine eigene Wiederberufung bewiese, daß sich ohne den Rath des Al Gesù nichts mehr in der katholischen Welt unternehmen lasse.

In der Art, wie sich's dann Fefelotti unter den vom trippelnden Marco inzwischen angezündeten Kerzenbüscheln bequem machte, wie er sogar herbeigeholte Erfrischungen nicht ablehnte, lag das ganze Behagen ausgedrückt, sich bei einer Frau zu befinden, die nach aller Berechnung menschlicher Natur seine Verbündete werden mußte. Von Ceccone's »häuslichen« 159 Verhältnissen ließ er sich erzählen. Er hatte seine Freude an dem kleinsten Verdruß, den das Schicksal »seinem guten Freunde« bereitet hatte. Er stellte sich wie ein in einem kleinen Landstädtchen Begrabener, nur um Neues, Ausführliches und recht viel kleine pikante Details erfahren zu können. Und die Herzogin war klug genug, trotz ihrer Abneigung gegen den häßlichen Mann, dessen falsche Zähne nach jedem Satz, den er sprach, ein eigenes Knacken der Kinnlade von sich gaben und gegen den noch jetzt Ceccone ein Apoll war, doch dies Verlangen nach Befriedigung seiner Schadenfreude nicht ganz unerfüllt zu lassen. Sie gab eine ungefähre Schilderung der Mühen und Sorgen, unter denen allerdings Ceccone's Ehrgeiz stöhnte und schmachtete.

Fefelotti schlürfte Sorbett. Seine Zähne bekamen vorübergehend einen bessern Duft von den Orangen, aus denen das Gefrorne bereitet war und sie knackten nur noch von der Berührung mit dem Löffel. Immer mehr gewöhnte sich die Herzogin an das Wiedersehen eines Mannes, der doch ohne Zweifel nur allein der Anstifter jener den Jesuiten nicht geglückten Verfolgung gegen sie wegen Bigamie gewesen. Kannte er alle Geheimnisse ihres Lebens? Kannte er die Existenz Benno's? Ihr Antheil an seinem Kampf mit Bonaventura, gegen den er vielleicht einen Proceß auf Absetzung instruirte, rüstete sich, ihn über dies und anderes möglichst unverfänglich zu befragen. Sie ließ den Gefährlichen den vollen Vorgeschmack der Annehmlichkeiten und Vortheile, die er durch diesen Besuch gewinnen konnte.

Roms Lage ist schwierig, sagte Fefelotti bei Erwähnung des Ceccone'schen Aufenthalts in Wien. Auf der einen Seite bilden wir das Centrum der Welt, auf der andern das Centrum Italiens. Wir sollten rein geistlich und für die Ewigkeit auf die Gemüther wirken und sind von allen politischen Strudeln des 160 Tags ergriffen. Die neue Zeit hat dem apostolischen Stuhl eine fast unerschwingliche Aufgabe gestellt. Ohne die weltliche Würde kann die geistige Souveränetät des Heiligen Vaters nicht auf die Dauer bestehen. Beides für die Zukunft zu vereinigen, erfordert die äußerste Anstrengung. Ich billige ganz, wenn Ceccone seine kleinen Koketterieen mit den sogenannten »Hoffnungen Italiens« zu unterlassen angefangen hat. Erzählen Sie mir doch noch mehr von Wien –!

Die Herzogin bestätigte, daß Ceccone von Wien in seinen politischen Neuerungstrieben bedeutend abgekühlt zurückgekommen. Der Fürst Staatskanzler hätte ihn belehrt, daß die Tribunen Roms sich immer erst am Entthronen der Päpste und am Halsabschneiden der Cardinäle geübt hätten.

Fefelotti lachte mit vollem Einverständniß. Die Herzogin dachte an Benno und dessen Freunde. Sie gab der guten Laune des Schrecklichen die gewünschte Nahrung. Sie erzählte: Ceccone hätte beim Nachhausefahren von einer solchen Scene mit dem Staatskanzler immer nur Fefelotti! Fefelotti! gerufen.

Bestia! unterbrach der Cardinal.

Dann hätte Ceccone, erzählte sie, Olympien geschildert, was »politische Reformen« wären. »Nur Ein Bedienter für dich, monatlich nur Ein Paar neue Handschuhe und die Nothwendigkeit, deine Hemden selbst nähen zu müssen!«

Fefelotti hielt sich die Seiten vor Lachen. Ich bin mit Ceccone's politischer Haltung ganz einverstanden, sagte er. Sie ist jetzt streng und durchaus fest. Sie läßt sich auf keine Transactionen mehr ein. Rom ist unterwühlt von Verschwörungen! Verbannung nur und Galeere können helfen! Das Geringste ist das Verbot aller zweideutigen Schriften – Apropos – Wissen Sie – nichts Näheres über den Grizzifalcone –?

161 Die Herzogin hörte Gesinnungen, die sie haßte, verbarg jedoch ihre Aufwallung hinter einem Erstaunen über die Verbindung Grizzifalcone's mit Roms – Politik.

Der Cardinal drückte seine kleinen Rattenaugen zu. Ein bedeutsames Knacken seiner Zähne trat wieder an die Stelle seiner Worte. Der Duft der Orangen verflog. Glücklicherweise nahm er eine zweite Schale Sorbett.

Die Herzogin mußte die Geschichte der Gefahr erzählen, die sie an Olympiens Hochzeitstage überstanden hatte. Lucindens Name mußte genannt werden. Dieser war ihm keineswegs unbekannt.

Eine Neubekehrte? warf er ein.

Sie hütete sich schon, ein Wort der Misachtung auszusprechen!

Fefelotti kehrte dringender auf Grizzifalcone zurück. Glauben Sie, sagte er, daß Ceccone jene für den Fürsten Rucca bestimmte Liste in den Taschen des Räubers fand und einsteckte? Ich glaube es nicht. Diese Liste besaß Ceccone ohne Zweifel längst vorher in Abschriften genug. Er brauchte sie ja – Hm! Räthselhaft sind die Aufträge, die dem wilden deutschen Franciscanerbruder gegeben wurden. Nun sagt man ja, er wäre spurlos verschwunden. Mit jenem Pilger zugleich! Hörten Sie davon nichts? Der Pilger und der Mönch sind von den Zollwächtern, die verrathen zu werden fürchteten, ohne Zweifel erschlagen worden.

Die Herzogin entsetzte sich. Und warum »brauchte Ceccone die Liste«? fragte sie sich.

Eine Weile verzog sich der bisherige heitere Ausdruck der Mienen Fefelotti's, seine schwarzen Brauen senkten sich auf die kleinen Augen, die ein verderbliches wildes Feuer zu verbergen 162 schienen. Dennoch suchte er die Stimmung des Scherzes zurückzuführen. Er sprach von Olympien, die er beschuldigte, bei allen neuen Opern in der »Argentina« diejenigen Stellen zu beklatschen, die für die Tausende von Carbonaris, die auch in Rom wären, gewisse Losungsworte gäben. Das junge Italien hat allein zwölf Comités in Rom! schaltete Fefelotti ein. Doch erzählen Sie von Olympien –!

Die Herzogin hörte nur und hörte.

Fefelotti sah, daß die Herzogin in politischen Dingen Ceccone's Vertrauen nicht mehr besessen hatte. In die Argentina geht Olympia jetzt seltener, sagte sie mit bitterer Erinnerung an den neulichen Spott Olympiens über ihre Beziehung zur Musik. Sie verlangte von mir, daß ich erklärte: Unsere neuere Musik anhören zu müssen verdiente, daß die Componisten mit den Ohren angenagelt würden!

Diese Strafe trifft in der Türkei die Bäcker, wenn sie schlechtes Brot backen! Dieser Witz wird den alten Rucca geärgert haben, wenn er ihn hörte! sagte Fefelotti.

In dieser heitern Weise dauerte die Unterhaltung noch fort. Auch auf den Cardinal Ambrosi kam Fefelotti zu sprechen. Ich habe ihm, sagte er, sofort eine Amtswohnung anweisen lassen, indem ich ihn zum Vorstand der »Congregation der Reliquien und Katakomben« machte. Vielleicht ist er so galant, Olympien mit der Heiligsprechung der Eusebia Recanati ein Gegengeschenk für seine Erhebung zu machen. Sie wissen doch noch, daß wir einst um die kleine »Wölfin« bei den »Lebendigbegrabenen« auseinander gekommen sind – Sie schlimme Frau, die Sie mir auch in Wien einen noch gottseligeren Priester auf Erden entdeckt haben, als dieser Vincente sein soll und versteht sich, ich selbst – Ja Sie! Sie! Ich weiß es – Meinen Nachbar bei Coni – den magnetischen Bischof Bonaventura von Asselyn! 163 Den haben Sie zuerst Olympien empfohlen. Der Spott dabei auf mich kam allerdings wol nur von dem kleinen Grasaffen her.

Die Herzogin spitzte ihr Ohr. Jedes Wort in diesen leichten Scherzen und drohenden Neckreden war ihr bedeutungsvoll. Ihr Palais an Piazza Sciarra stand also noch leer? Cardinal Ambrosi hatte sich dem Verehrungscultus Olympiens entzogen?

Bonaventura's heiliger Ruf wurde keineswegs von ihr abgelehnt. Mit einem fast schelmischen Trotz berief sie sich auf das Urtheil der deutschen Kirche.

Gut, daß ich mich an diesem Eindringling auf italienischen Boden habe überzeugen können, wie gefahrvoll diese deutsche Kirche wird! Kaum in sein Amt eingeführt, begeht der Freche eine Unthat nach der andern! Der Verbündete einer Ketzerin, die auf dem Schlosse Castellungo haust, wahrt er den durch die Milde der Zeiten noch übrig gebliebenen Resten einer schismatischen Sekte die Rechte, die sie verbrieft besitzen wollen, bestreitet das ihnen streng eingeschärfte Verbot, Proselyten zu machen, behauptet, die Dominicaner hätten außer diesen gefänglich eingezogenen, dann freigegebenen religiösen Fanatikern noch einen Eremiten eingekerkert, der die Rolle eines Wohlthäters des Volkes spielt und nur ein Verbreiter ruchloser Lehren war. Auch dieser Eremit war ein Deutscher! England und Deutschland! Das wird unser Kampfplatz werden! In Deutschland ist es schon wieder wie zur Zeit Luther's. Ein Priester ist aufgestanden, der dem Bischof von Trier die Aussetzung des Heiligen Rocks zum Verbrechen am »Geist der Zeit« macht! Die ketzerischen Bewegungen auf dem Gebiet der Lehre, ja des Cultus nehmen überhand. Erkundigungen, die wir über den Bischof von Robillante eingezogen haben, machen ihn zur Absetzung reif. Und der blinde Wahn dieses Mannes geht so weit, hieher nicht 164 als ein Angeklagter, sondern als ein Richter kommen zu wollen.

Hieher –? Er wird berufen? fragte die Herzogin erbebend vor Angst und doch wieder vor Freude.

Der Bischof behauptet, fuhr Fefelotti in gesteigerter Aufregung fort, die Nachricht, daß man jenen Eremiten in der Mark Ancona als Pilger gesehen hätte, wäre ein absichtlich ausgesprengter Irrthum; im Gegentheil, dieser Eremit wäre nach Rom überführt worden und säße in irgendeinem hiesigen Kerker. Der Pilger von Porto d'Ascoli, erklärte er noch kürzlich, wäre ein anderer. Seit man nun jetzt verbreitet, jener wäre ermordet worden, hat sich eine Scene mit ihm, die zu seiner sofortigen Verhaftung hätte führen müssen, zugetragen, wäre nicht die besonnene Vermittelung eines seiner Verwandten dazwischengetreten.

Des Signore – Benno – vielleicht? fragte die Mutter nach Gleichmuth ringend.

Der Cardinal bestätigte den Namen.

Benno lebt denn also noch! dachte die Mutter und verbarg hinter Bewegungen, welche ihr als Wirthin eines so hohen Besuches zukommen durften, das Gemisch ihrer Freude und Besorgniß. Fefelotti sprach Benno's Namen harmlos aus. Er schleuderte nur seinen Bannstrahl über Deutschland und Bonaventura. Dann fragte er wiederholt nach Lucinden. Er wußte, daß sie dem Cardinal nahe stand und Aussicht hatte, Gräfin Sarzana zu werden. Nach den Berichten der kirchlichen Fanatiker Deutschlands nannte er sie eine Hocherleuchtete, der sich nur Eine Schwäche nachsagen ließe, die, daß sie für jenen Bischof von Robillante eine unerwiderte Liebe im Herzen getragen.

Die Herzogin nahm ihm nichts von allen diesen Vorstellungen. Sie sah, dem Großpönitentiar lag das Leben aller 165 Menschen aufgedeckt. Er fragte wiederholt, was die Herzogin über Donna Lucinde wisse und ob sie selbst mit ihr gut stünde.

Die Herzogin sah, daß Fefelotti bei Ceccone eine Spionin suchte. Vielleicht fand er sie in Lucinden. Sie hütete sich, Lucinden nach ihrer Auffassung und eigenen Erfahrung zu charakterisiren. Eine Vermittelung dieser Bekanntschaft durfte sie aus nahe liegenden Gründen – um Ceccone's willen – ablehnen.

Es war schon halb elf Uhr, als der Cardinal sich endlich erhob. Er hatte ein paar angenehme, höchst trauliche, für ihn mannichfach anregende Stunden zugebracht. Er hatte sich schnell wieder in den römischen Dingen orientirt und versprach wiederzukommen. Dann küßte er der Herzogin mit aller Galanterie die Hand, sagte ihr die Tage und die Orte, wo er »zum ersten male aufträte« – d. h. die Messe lesen oder sie mit Pomp anhören würde. Das waren Schauspiele, wo sich alles, was zur Gesellschaft gehörte, versammeln mußte. Er versprach ihr die »besten Plätze«, unter andern zu einem morgenden Gebet von ihm in der Sixtina. Daß ich, sagte er beim Gehen, Ceccone's Feind nicht mehr sein will, beweise ich dadurch, daß ich den Schein von ihm entferne, als könnte er einer Dame, welcher sich seine Ehre lebenslang verpflichtet fühlen sollte, wie Ihnen, undankbar gewesen sein. Mit dieser artigen Wendung empfahl er sich.

Die »Dienerschaft«, die der alte Marco rasch durch einige Hausgenossen scheinbar vermehrt hatte, stand in den Vorzimmern. Die Umwohner hatten sich den Schlaf versagt, um dem Schauspiel der Abfahrt eines Cardinals beizuwohnen. Fefelotti's Pferde trugen am Kopfgestell der Zäume die rothen Quasten. Die Kutsche war vergoldet; zwei Lakaien sprangen hinten auf, während ein dritter mit dem Ombrellino an der Hausthür 166 wartete und beim Einsteigen den kleinen stämmigen Priester begleitete, der seinerseits nur einfach, mit dem rothen dreieckigen Interimshut erschienen war.

Einige Freude empfand die gedemüthigte Frau denn doch über diesen Besuch. Sah sie auch Gefahren über den Häuptern der ihr allein noch im Leben werthen Menschen sich zusammenziehen, so blitzte doch in solchen Nöthen ein Hoffnungsstrahl auf durch die Beziehung zu einem so mächtigen Manne, der glücklicherweise ihren wahren Antheil an den Schicksalen der Bedrohten nicht ahnte. Benno hatte also jener von Fefelotti erwähnten Scene beigewohnt und ihren schlimmen Ausgang gemildert. Sie wollte noch einen Tag warten und dann auf jede Gefahr hin dem Sohn mittheilen, worin sie ihre Sorge auf ihn, seinen Rath und seinen Beistand werfen müßte. Die Vorladung Bonaventura's schien noch nicht entschieden zu sein.

Am Abend nach dem Besuche Fefelotti's kam die Herzogin aus der Sixtinischen Kapelle, wo Fefelotti sein »erstes Abendgebet« gehalten hatte. Der kleine Raum war überfüllt gewesen. Der Qualm der Lichter, die Atmosphäre so vieler Menschen hatten sie fast ersticken lassen. Fefelotti hatte der Herzogin in aller Frühe schon einen reservirten Sitz zur Verfügung gestellt.

Wie kräftig sprach er sein »Complet« – las den 90. Psalm Qui habitat in adjutorio Domini, sang mit jenem conventionellen Tone, der so sanft der Rührung vom Herzen den Weg durch die Nase läßt, sein Gloria Patri, worauf die Kapelle mit Simeon's Lobgesang: Nunc dimittis antiphonisch einfiel. Nicht eine der zu Ceccone's engeren Beziehungen gehörenden Persönlichkeiten war bei diesem Debut Fefelotti's zugegen. Ceccone hatte jahrelang nur die ersten Weihen, er nahm vor kurzem auch die letzten; er übte sich täglich im Messelesen, um seinerseits mit den 167 unerläßlichen Bedingungen zur Papstwahl hinter andern nicht zurückzubleiben, Fefelotti's Virtuosität in allen kirchlichen Functionen war ihm ein Gegenstand besondern Neides.

Die Herzogin versank auch hier wieder in die schwärmerischste Sehnsucht nach ihrem Sohn. Gerade diese kleine Kapelle, die für die Hausandacht der Päpste bestimmt ist, enthielt Michel Angelo's »Jüngstes Gericht«. Man sieht nur noch an den lampenrußgeschwärzten Wänden ein unklares Durcheinander dunkler Farben. Benno hatte ihr geschrieben, der berühmte Gesang in dieser Kapelle hätte ihm nie die mindeste Erhebung gewährt; die unglücklichen Verstümmelten, die zur päpstlichen Kapelle gehörten, hätten im Discant gesungen wie Hühner, die plötzlich den Einfall bekämen, wie die Hähne zu krähen; die Bässe wären küstermäßig roh; die alten Weisen Durante's und Pergolese's kämen in ihrer einfachen Erhabenheit unwürdig zu Gehör. Und für alles das schwärme der deutsche Sinn! Diese Sixtinischen Kapellenklänge allein schon wirkten wie ein Zauber der Sehnsucht nach Deutschland hinüber! Erst der germanische Geist, der sonst schon das Christenthum überhaupt zur weltgeschichtlichen Sache des Gemüths gemacht hätte, hätte auch hier wieder in das Abgestorbenste, in die Kirchenmusik neues Leben gebracht. Wie klang das alles der Herzogin beim Schlußgebet des Erzbischofs von Coni jetzt so ganz in ihrem Sinne nach –!

Gestern Nacht hatte sie in die Asche »Sano?« geschrieben und der Wind hatte in der That an diesem Morgen etwas wie »Canto« daraus gemacht. Darum war sie mit Hoffnung in die Kapelle gefahren –! Sie war im Wagen die Treppe hinaufgekommen an den salutirenden, hanswurstartig gekleideten Schweizern vorüber; sie hatte, vorschriftsmäßig vom schwarzen Schleier verhüllt, zur Menschenmenge nicht aufgeblickt von dem kleinen ihr reservirten Plätzchen aus. Die von Michel Angelo in die Hölle 168 geschleuderten Bischöfe und Cardinäle waren ihr heute nicht wiewol sonst Gegenstände der Zerstreuung, wenn sie in ihnen zum Sprechen ähnlich getroffene noch lebende Würdenträger suchte. Das verschrumpfte Antlitz Achille Speroni's auf dem Singchor sah sie ohne Lächeln . . . Speroni, der Cousin der jungen Fürstin Rucca, stand in seinem violetten Rock mit dem weißen Spitzenüberwurf und der rothen Halsbinde anfangs wie ein Mann, sang auch eine Zeit lang wie ein Mann: Maria, ad te clamamus exules filii Evae! Plötzlich, bei den für einen exul filius doppelt rührenden Worten: »Maria, zu dir seufzen wir auf, weinend und flehend, in diesem Thal der Thränen!« sprang der Unglückliche in die äußerste Kopfhöhe über, fistulirte eine Weile und war zuletzt bei den für einen Entmannten erschütternden Worten: »Zeig' uns, Maria, die gesegnete Frucht deines Leibes!« ein vollständiges Frauenzimmer. Die Herzogin kannte nicht wörtlich den Inhalt dieser für die Trinitatiszeit normalen abendlichen Horengesänge; sie verstand nicht, wie die Worte in schneidender Ironie zur Verstümmelung des Sängers standen; im Geist aber hörte sie Benno's Aeußerung: Schon um diese krähenden Hühner der Sixtinischen Kapelle allein muß die römisch-katholische Kirche, wie sie ist, untergehen!

Mancher lächelnde und ironische Blick haftete an der Herzogin. Er sollte ihrem Sturz gelten. Sie dagegen durfte diesen Monsignores, Ordensgeneralen, Uditores und Adjutantes di Camera nicht minder ironisch lächeln. Wie nur eine Hofdame bei einer großen Cour die Geheimnisse all dieser so steif sich verbeugenden Welt von ihrer Reversseite übersieht, so auch blickte sie auf alle diese tonsurirten Häupter, die aus ihrem Leben das Frauenthum ausgeschlossen zu haben schienen und die alle, alle gerade doch vom Frauenthum am meisten abhängig waren – nächst ihrem Ehrgeiz.

169 Ihren Wagen behielt sie und befahl dem Kutscher, sie heute auf den Corso und in den Park der Villa Borghese zu fahren. Sie kam sich wie wiederhergestellt vor.

Wie sie gegen neun Uhr nach Hause kam, hörte sie, daß ein Fremder nach ihr verlangt hätte. Er wollte morgen zeitig wiederkommen – hieß es.

Dem beschriebenen Wuchse nach war es Benno. Ein dunkler, voller Bart, der das ganze Gesicht beschattete, ein grauer Calabreserhut – das stimmte freilich nicht zu ihrer Erinnerung. Aber – wer konnte es anders sein?

Zu Nacht speiste sie nichts vor Aufregung.

Mit zitternder Hand schrieb sie in ihre Asche: »Sano?«

Kaum, daß sie einige Stunden schlief.

Am Morgen las sie: »Salve!« . . .

Einige Stunden später lag sie in Benno's Armen.


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