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Einem wackern Männerherzen – Adam Bede, erblüht aus der schmerzlichen Niederlage seiner treuen Liebe zu einer die Erwiderung derselben verschmähenden, nur in unwürdiger Selbstliebe versunkenen und endlich zu Grunde gehenden eiteln Natur – Hetty, der ihm reichlichen Ersatz bietende und in Wahrheit sein Lebensglück sichernde Gewinn einer in reinster Gottes- und Menschenliebe aufgegangenen edeln Weiblichkeit – Dina.
Das der einfache Inhalt der allbekannten Erzählung »Adam Bede« von George Eliot, in Übertragung von Julius Frese (zwei Bände, Berlin, Fr. Duncker, 1860).
Daß Dina Methodistin ist, wird ihr keine erhöhte Sympathie beim deutschen Leser erweckt haben, der im Methodismus mit seinen enthusiastisch schwärmerischen Bibeldeutungen und Andachtsübungen, seinen überschwenglichen Erleuchtungen und unmittelbar göttlichen Eingebungen nur einen kopfhängerischen Pietismus zu sehen pflegt, ohne dessen praktischen Nutzen durch seine wohltätige sittliche wie materielle Förderung der ihm vorzugsweise angehörenden niedern und arbeitenden Volksklassen zu bestreiten. Die Verfasserin bedurfte wohlfür die ihr eigentümliche extrem minutiös-realistische Darstellungsweise eines idealen Gegengewichts; sie bedurfte für den eben durch diese minutiöse Manier bedingten engen und beschränkten Rahmen ihres Romans ein Dorfleben – eine weitere Anschauungen zulassende kulturgeschichtliche Perspektive. Für beide Bedürfnisse durfte ihr der Methodismus geeignet erscheinen, da er mit der bescheidenen Stellung der von ihr zu schildernden Personen und Verhältnisse harmonierte.
Die ganze Schwerkraft des Romans, welcher allein sein glänzender Erfolg in England zuzuschreiben ist, liegt in der realistisch-minutiösen Auffassung und Schilderung von Menschen, Dingen und Verhältnissen. Beide Momente werden von der Verfasserin mit so liebevoller, erschöpfender Hingabe und so künstlerischer Virtuosität durchgeführt, daß kaum ein Übertreffen der hierdurch von ihr erzielten Lebenswahrheit und Naturtreue denkbar ist. Sie hat sich begeistert für die ihr von ihr selbst gestellte Aufgabe, Menschen und Dinge gerade nur so zu schildern, wie sie in der Wirklichkeit sind, und zwar wie sie haarscharf genau bis in die feinsten Subtilitäten sind.
Als Spezialität lassen wir diese bis zur höchsten Potenz getriebene Methode gelten, wünschen aber nicht, daß sie allzu große Nacheiferung fände, weil sie den Dichter offenbar in zu enge Grenzen bannt. Um so ängstlich, pedantisch, gleichsam photographisch Menschen und Dinge abnehmen zu können, dürfte der Dichter sich nicht mehr über seine allernächste Umgebung hinauswagen und nichts anderes als die Misere des Alltagslebens zum Thema nehmen. Er müßte den Höhen des Lebens, die ihm fast nie unmittelbar zugänglich sind, fern bleiben, auf weltgeschichtliche Perspektiven verzichten und so um kleinerer Wirkungen willen größere dichterische Ziele aufgeben. Es wird dem Leser auch hier vor all den Handwerkern, Pächtern, Schulmeistern, Landgeistlichen, Gutsbesitzern, Müttern, Basen zuletzt doch ganz flau zu Mute. Im Dorfe leben wir und im Dorfe sterben wir! Laßt euch doch endlich auch – im Dorfe begraben!
»Die Mühle am Floß« heißt ein vielgelesener neuer Roman von Miß Eliot (deutsch von Julius Frese, zwei Bände, Berlin, Duncker, 1861). Die Verfasserin, aus einer der nördlichen Grafschaften Englands gebürtig, wählt die kleinen Verhältnisse ihrer speziellen Heimat zum Schauplatz ihrer Erzählungen. In »Adam Bede«, womit sie zuerst mit großem Glück vor das Publikum trat, begegneten wir ihr auf demselben Gebiete. In einem engen Rahmen sind diese Stoffe gefaßt. Was die Welt im großen und ganzen bewegt, liegt diesen Personen fern. Eng ist der Horizont, welchen die Lokalinteressen eines Dorfs begrenzen und dessen Bewohner einen eigenen Dialekt reden wie bei uns in der Dorfgeschichte.
Die kleine Mühle am Floß – wie man sagt der Geburtsort der Verfasserin – gehört einem betriebsamen Manne, der nicht schreiben kann. An seinem einzigen Sohne will er gut machen, was seine Erziehung zu wünschen übrig läßt. Er sendet ihn darum zu einem Landgeistlichen in die Schule. Damit beginnt die Erzählung. Maggie, die Tochter, mit schwarzen Glutaugen und Rabenhaar, des Vaters Liebling, trennt sich ungern von dem lichtblonden Bruder Tom. Das Mädchen hat Geist, der Knabe Charakter. Sie folgt stets ihrer Neigung, er seinem Begriff vom Rechten. Oftmals erfährt sie daher seinen Tadel. Die Kinder wachsen heran. Indessen verliert der Müller durch einen Prozeß mit seinem Todfeinde die Mühle und ist nun ein armer und geschlagener Mann. Tom arbeitet für den Vater und ruht nicht, bis er dessen Schulden gedeckt und die Mühle zurückgekauft hat. Maggie hat indessen mit dem Sohne des Todfeindes kleine heimliche Spaziergänge gemacht und sich mit ihm über Shakespeare unterhalten. Auch sie möchte gern recht gut und brav handeln; nur kostet es ihr einen schweren Kampf, wenn ihr Vergnügen dadurch beeinträchtigt wird. Tom weiß in der ersten Minute, was er zu tun hat; sie braucht Tage und Wochen, sich zu entschließen, und während sie schwankt, verliert sie sein Vertrauen.
In der Zeichnung der Charaktere dieser beiden Kinder liegt das Verdienst des Buchs, um dessen ungenügenden Schluß es schade ist. Kaum ist das Geschwisterpaar ins Leben getreten, so verschlingt es die hohe Flut vor unsern Augen und unsere Hoffnung, sie noch einmal auftauchen zu sehen, bleibt vergebens.