Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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List gegen List.

                  Im Edelhof zu Mödling wohnt
Nithart und lebt ein selig Leben,
Den Treuen hat sein Fürst belohnt
Mit Hof und Feldern, Wald und Reben.
Sein Lied, das Ohr und Herz besticht,
Es will auch blühn dem Augenlicht,
Er will's auch schreiben in die Erde;
Der schwere Pflug zur Harfe werde,
Und seine Flur ein schön Gedicht.

Der Wald ist kahl, die Flur ist fahl,
Der Frost hat draußen Schnee gebettet,
Des Frühlings Sänger mit kluger Wahl
Hat sich den Lenz ins Haus gerettet.
Er sitzt zu Füßen seiner Frauen,
Ihr nimmermüd' ins Aug' zu schauen:
Das ist so hell, so warm, so licht,
Als schien' auf ihn die Maiensonne,
Das Wort der Liebe, das sie spricht,
Ist wie ein Flüstern der Wiesenbronne,
Wie Laubeslispeln auf Waldesstegen,
Ein wallender, fallender Blüthenregen.
Sein schönes Haupt sie streichelt lind,
Als kose die Locken ein Frühlingswind.

Es ruht der Wald in tiefem Traum,
Ein banges Schweigen rings im Raum,
Der Wolf nur wandelt durch die Eichen,
Der Haß nur will nach Beute schleichen.
Zum Herzog tritt der Engelmar:
»O Herr, das nenn' ich wunderbar,
An Kurzweil seh' ich dich verwaist
Und weiß dir süßen Zeitvertreib;
Durch fernes Land bist du gereist
Und kennst nicht, was die Heimat preist,
Des Landes Stolz, das schönste Weib.
Werth, als des Kaisers Braut zu wallen,
Ist sie dem Nithart zugefallen,
Sein Liedeslenz ihr wonniger Leib!«
Der Herzog spricht mit lächelndem Munde:
»Den Fehler bessr' ich, Freund, zur Stunde.
Zu Nithart eil' auf flinkem Fuß,
Mein Bote sag' ihm schönen Gruß,
Er gönne morgen uns im Früh'n
In seinem Forst die Lust zu jagen;
Und da nach edlen Waidwerks Müh'n
Ein Imbiß nicht will mißbehagen,
Mag seine Hausfrau uns nicht grollen,
Daß wir zu Gast ihr kommen wollen.«

Herrn Nithart in der Seele graut,
Sobald er diesen Boten schaut;
»Ein böses Zeichen, deutend Wehe,
Brieftaube ward die schnöde Krähe!«
Zum Weibe heimlich spricht er so:
»Wir werden hohen Gastes froh,
Herr Otto will im Walde beizen;
Zum Imbiß ihn erquicke reich,
Was Hof und Forst bringt, Faß und Teich,
Mit leckrem Mahl sollst du nicht geizen.
Wie schade, daß beim Ritterspiel
Der gute Herr einst taub sich fiel!
Drum schrei' ins Ohr ihm, statt zu girren,
Laß auch sein Zürnen dich nicht irren,
Er hat die Art von allen Tauben,
Daß sie noch gut zu hören glauben.«

Am Herde prasselt die Flamme hell,
Im Forste schallt der Meute Gebell;
Schon müde sind die Bratendreher,
Das Horn im Wald tönt immer näher.

Dem Fürsten wallt Nithart entgegen,
Er trifft ihn schon auf nahen Wegen.
»Begnügt Euch heut', o Herr, mit Kleinem,
Laßt Haus und Leut' Euch wohlgefallen;
Mir ward ein Weib, hold, schön vor Allen,
Nur ein Gebrechen blieb der Reinen,
Ach, daß sie taub von Kindesbeinen!
Ihr sprechend müßt Ihr huldreichst schreien,
Auch wollt ihr lautes Wort verzeihen,
Sie hat die Art von allen Tauben,
Daß taub sie auch die Andern glauben.«

Frau Friederune stand an der Schwelle,
Aus lauter Kehle schmettert sie helle:
»Welch hohe Gunst so niedrem Dach!«
Rückprallt der Fürst, hintaumelnd jach,
Sein Ohrfell traf's wie Keulenhieb,
Davon ihm lang ein Sausen blieb.
Aus voller Brust er freundlich wettert:
»Viel Dank so huldigem Empfang!«
Das Haupt der Armen läutend klang,
Als wär's von Hammerschlag zerschmettert.
Ein süß Willkommen, das sie pflegen,
Sich Hammer und Keul' ums Ohr zu legen!

Treppauf, treppab die Wirthin steigt,
Bestellend sorglich Tisch und Teller,
Sie bringt manch frischen Krug vom Keller,
Handbecken neigt sie, stumm verneigt,
Sie kommt und geht, jedoch sie schweigt;
Ihr banger Geist nur heimlich sinnt;
O arme Frau, die er einst minnt,
Die ihres Herzens süße Laune
Dem Liebsten nur durchs Sprachrohr raune,
Sogar das Liebesflüstern dämpfe:
Ihr bringt's Bluthusten, Lungenkrämpfe.
O armes Reich, dein Fürst ist taub!
Weh, wer vertrauend, bittend wallt,
Sein scheu Geheimniß laut erschallt
Dem Hof, der Stadt, dem Land zum Raub.
O armes Land, deß Herrscher taub!

Am reichen Tisch den Fürsten laben
Anstatt der Hausfrau ihre Gaben,
Er dankt, der Lieblichen sich neigend,
Er schmaust und zecht, doch immer schweigend!
Nur insgeheim denkt er dabei:
Geheimnißvolle Zaubermacht,
O Liebeslauschen in stiller Nacht,
Wann sich begegnen Herzen zwei,
Wo leises Lispeln, Athemzüge,
Des Herzens Schlagen, der Pulse Flüge,
Ein heimlich Knistern vom heiligen Feuer
Verständlich spricht, je stiller, so treuer!
O armes Weib, du bist gewiesen
Aus diesen säuselnden Paradiesen!
Weh, Nithart dir, dein Lenz ist taub!
Es müssen, daß die Arme sie höre,
Wie Hagel brausen die Waldeschöre,
Wie Kiesel prasseln ihr Blüthenstaub,
Mit Wetterschlägen die Knospen springen,
Die Wiesenquellen wie Sturmflut brüllen,
Die Lerchen wiehern wie junge Füllen!
Dein Lenz kann nicht mein Herz bezwingen.

Nithart sieht's froh, wie immer schneller
Der Herzog leert Pokal und Teller;
Er denkt im Stillen: Herz und Magen
Sind Freunde, die sich schlecht vertragen,
Ist Hunger groß, ist klein die Liebe;
Daß ihm's gedeih' und stets so bliebe!
Hat Einer ein Gärtchen, fried' er's ein,
Hat Einer ein Liebchen, hüt' er's fein!

Kein Abschiedswort! Ein schweigend Scheiden
Soll des Willkommens Wunden meiden.
Verstimmt zog Otto seiner Wege,
Nie jagt er mehr in Nitharts Gehege.


Ein fernes Rosenwölkchen loht
Die Wolke, die so schwarz gedroht;
So die Gefahr auch, nun sie schied,
Verwandelt sich dem Sänger zum Lied.
Nithart sein treues Lieb umschlingt,
Die Flamme prasselt, der Sänger singt:

»Weh, Winter, du spinnst aus Eis und Schnee
Bahrtücher den Vöglein, den Blumen, dem Klee!

Zu Köln liegt Schnee auf den Klostermauern,
In warmen Zellen die Mönche kauern.

Albertus Magnus am Fenster steht,
Das nach dem Klostergarten geht.

Da ruht gebreitet die weiße Decke,
Da starrt erfrierend die nackte Hecke;

Der Abt blickt froh, als ob ihn weide
Der Blätter Schmelz, der Blumen Geschmeide.

Den Mund des Brünnleins knebelt Eis,
Die Laube streckt ihr kristallnes Reis;

Der Abt horcht auf, als wie zu lauschen
Auf Vogelfang, auf Wasserrauschen.

Schneewolken schwer und träge schleichen,
Nordlüfte scharf wie Messer streichen;

Der Abt aufathmet, schlürfend Wonne,
Als ob er sich in Mailuft sonne.

Die Brüder meinen; das viele Denken
Mag ihm den Sinn zum Irrsal lenken.

Zu Weihnacht wallt er mit seinem Buche
Im Baumgang, als ob Schatten er suche;

Und läutet's Mittag, läßt er decken
Sein Tischlein in verschneiten Hecken.

Der Abt noch selig lauscht und späht,
Da pocht's, ein Frater vor ihm steht,

Ein Ordensmann aus der Ferne weit,
Gespiele seiner Jugendzeit,

Ein Freund, dem du erschließen mußt
All' Schmerz und Wonne deiner Brust!

Da jauchzt der Abt: »O Fest zu Zwei'n!
Wir tafeln heut im Grün, im Frei'n!«

Den Freund ein Frösteln überlief,
Er hüllte sich in den Mantel tief;

Er streicht den weißen Reif aus dem Bart
Und stampft den Schnee von den Sohlen hart;

Er scherzt: »Weiß Tischzeug seh' ich zwar
Und Trinkgeräth von Kristall so klar;

Doch wird erst abgedeckt dieß Linnen,
Wenn Frühlings Gaukelei'n beginnen;

Der Gaukler verschlingt, o Possenstreich!
Den Becher dann und den Trank zugleich.«

Der Abt faßt stumm des Freundes Hand
Und führt ihn in das Gartenland;

Er schwingt ein Stäblein, spricht ein Wort,
Da grünt und blüht, was rings verdorrt;

Es schmilzt der Schnee da, wo sie schreiten,
Und Rasenpfade grün sich breiten;

Vielfarb'ge Blumen blühn in den Beeten,
Sie wandeln sorglich, keine zu treten;

Breitblättrig ranken an den Stäben
Zur Laube Feigen sich und Reben.

Da ist gedeckt ein reicher Tisch
Mit Brod und Wein, Wildpret und Fisch.

Goldlockig ein schöner Götterknab
Wallt als Aufwärter zu und ab.

Spielleute flattern in den Zweigen,
So lieblich tönt's, wie Harf' und Geigen!

Die Lüfte lau und würzig wallen,
Da läßt der Freund den Mantel fallen;

Da thau'n die Herzen auf, da gleiten
Durch ihr Gespräch die fernen Zeiten;

Die Lebensflut sich hebt und neigt,
Wie dort der Springquell sinkt und steigt;

Aus Licht in Nacht sie wechselnd schau'n,
Wie hier aus dem Lenz in Winterau'n.

Zum Nachtisch von den Zweigen klauben
Sie duft'ge Feigen, süße Trauben.

Da mahnt der Abt; »Nicht zu vergessen
Gedeihlich Bewegen nach dem Essen!«

Er führt den Freund zur Kegelbahn,
Gefegt, geglättet ist der Plan;

Aufstellt die fallenden Kegel geschwind
Ein lieb blauäugig Elfenkind.

Ein Lebewohl! Der Fremde schied,
Da winkt der Abt! – Es schweigt das Lied,

Die Halme knicken, die Blätter erbleichen,
Die Quellen erstarren, die Blumen sind Leichen.

Sein Stäblein schwingt er, sein Wort er spricht,
Eishülle deckt den Garten dicht.

Schneewolken schwer und träge schleichen,
Nordlüfte scharf wie Messer streichen.

Doch über die Winterlandschaft wallen
Des Abtes Blicke mit Wohlgefallen;

»Ruh', warmes Herz, in eisigem Siegel,
Nur ein Geweih'ter löse den Riegel!

Dem rauhen Troß verbirg, verhehle
Das Lenzgeheimniß deiner Seele.« –

Hat Einer ein Gärtlein, fried' er's ein,
Hat Einer ein Liebchen, hüt' er's fein.


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