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Liegt auf dem Kahlenberg ein Schloß,
Von Oesterreich dem Herzog eigen,
Der Blick ins Land so weit, so groß,
Doch innen Stille, dumpfes Schweigen.
Im Söller Herzog Otto stand.
Licht, Glanz und Fülle rings im Land
Macht dunkler ihm der Seele Tiefen,
Und seine Gedanken scheu entliefen,
Vergang'nes suchend, der Gegenwart;
Doch bringt zurück er von der Fahrt
Nur Unlust, Schmerz und Ungeduld
Und, ach, das Mahnen eigner Schuld.
Geht wo der Herr im Trauerkleide,
Trägt das Gesind nicht Lustgeschmeide.
Liegt unter'm Schloß ein Dorf im Thal,
Inmitten ein Kirchlein, heiter, schmal,
Dabei ein kleines, heit'res Haus,
Da geht Herr Wigand ein und aus,
Der fröhliche Pfarrer, guter Dinge;
Sein Ausgang lichte Gleise zieht,
Gleichwie die Schwalb' ihr Nest nur flieht,
Daß hell sie zwitschre, froh sich schwinge.
Sein Herz, ein leuchtender Edelstein,
Wirft, selber hell, rings hellen Schein;
Ihm ist's kein sondres Wunder, vom Bösen
Die Seelen entknechten, Sünden lösen.
Und Schwalb' und Pfäfflein schwingt manchmal
Zu Berg sich in den Fürstensaal,
Ihn schmückend mit des Frohsinns Gold,
Ihm bringend frischen Schwalbengruß,
Und nimmt fürs Nest als Fürstensold
Manch Hälmlein sich vom Ueberfluß.
Wer ist hier Geber, wer der Beschenkte?
Wer hier der Reiche, wer der Bedrängte?
Da kam zum heitern Mann im Thal
Der finstre Mann vom Berg einmal:
»O löset meiner Seele Schwingen,
Lehrt wieder jubeln sie und singen!«
So sprach der Herzog, der vor'm Pfaffen
Im Beichtstuhl auf das Knie sich warf.
Herr Wigand sieht ins Aug' ihm scharf
Und müht sich, ihn empor zu raffen,
Streng hebt er sich vom Sitz zugleich:
»Hier beichte kein Fürst von Oesterreich.«
Ins Freie führt er ihn hinaus
Zur Gartenhöh' vor seinem Haus.
Das Gärtlein gleicht schier seinem Herrn,
Scheint seiner Seele bildlicher Kern,
Wie Becherklang zu Glockentönen,
So steht hier Nützliches zum Schönen.
Die Beete rings in Tafeln gelegt,
Mit Kohl und Kräutern wohlgepflegt;
Den schlichten Küchenflor verschönt
Inmitten die blühende Rosenlaube,
Wie einst mit Glorienglanz der Glaube
Ein redlich Erdenwallen krönt.
Dort auf die Bank im Rosenstrauch
Läßt nieder Wigand sich und spricht;
»Vor des Geklagten Angesicht
Den Kläger stellen, ist Richterbrauch.«
Dann läßt er rings die Blicke gleiten,
Man übersah hier Landesweiten,
Die grünen Au'n am schönen Strom,
Die Saatgefilde, Rebgelände,
Der Grenzgebirge blaue Wände,
Die blanke Stadt mit ihrem Dom,
Die Schiffer in den Silberwogen,
Die Wandrer, die des Weges zogen:
»Vor deinem Blick dein herrlich Reich,
Hier beichte, Fürst von Oesterreich!«
Der Fürst sinkt auf das Knie, er schlägt
Die Faust zum Herzen, reubewegt,
Und spricht: »Ich armer, sündiger Mann,
Vor Gott und euch klag' ich mich an.
Die Eine Brust mit mir genährt,
Die Brüder hielt ich hassenswerth,
Gen eigne Brüder focht mein Schwert.«
Der Priester schweigt, nur seine Hand
Bricht eine Rose von der Wand.
»Aus Czech's und Attila's Geschlecht
Die Feinde hetzt' ich ins Gefecht
Gen Oestreich. Weh, so Gott es rächt!«
Der Priester schweigt, nur bricht die Hand
Noch eine Rose von der Wand.
»Bald hielt ich Papst, bald Kaiser werth,
Schlecht deckt die Stirne, schmachbeschwert,
Geweihter Hut, vom Papst verehrt.«
Der Priester schweigt, nur bricht die Hand
Noch eine Rose von der Wand.
»Den Kriegern brachte mein Gebot,
Ein schlechter Führer, Schmach und Noth.
Weh, über mich ihr Schmerz und Tod!«
Der Priester schweigt, nur bricht die Hand
Noch eine Rose von der Wand.
»O jener Flucht, die 's Herz mir brach,
Als selbst der liebste Bruder sprach:
Nie kam auf Habsburg solche Schmach!«
Der Priester schweigt, nur bricht die Hand
Noch eine Rose von der Wand.
»Und so in Eigensucht vermessen
Hab' ich des Volkes Heil vergessen!
Ich bin zu Ende all' des Bösen,
Wohl mir, könnt ihr davon mich lösen.«
Noch schweigt der Priester, bis die Hand
Zum Kranze schön die Rosen band.
Er fügt das Kränzlein morgenlicht
In Otto's Locken dann und spricht:
»Bet' diesen Rosenkranz als Buße,
Bet' ihn mit Herz und Hand und Blick!
Du trägst zum Schwert kein groß Geschick,
Drum wirf's zum Grund dem tiefsten Flusse.
Durch Krieg den Volksschmerz heilen, heißt
Enthaupten den, den Zahnschmerz plagt,
Und hängen den, der Halsweh klagt;
Zwar hilft das Mittelchen zumeist.
Als König Artus kam zu Ende,
Schifft' er in einen Felsensee,
Schwarz, trostlos, kahl, wie Erdenweh;
Sein Schwert ihm trugen Pagenhände,
Eskalibor, das kühnste Eisen,
Das Helden neiden, Sänger preisen.
Der König aber, schmerzbeklommen,
Warf fort das Schwert zur tiefsten Fluth;
Da ward von ihm der Schmerz genommen,
Die Wellen wie ein Frühroth glommen,
Als löse sich vom Stahl das Blut,
Sein Nachen sich als Schwan bewegt,
Und Engelflügel sein Page trägt,
Der Fels schwingt einen Blüthenwald,
Dazwischen Nachtigallen flöten,
Und Artus ist hinübergewallt
Auf Liedern und auf Morgenröthen.
Was er im Tod, im Leben thu',
Halt' fest es, was er trug von hinnen,
Womit er schloß, anfange du,
Mit Morgenröthen zu beginnen! –
Die Welt ist Leidens, Jammers voll,
Und Schmerzen stacheln Klag' und Groll!
Sann Einer, wie er recht dich kränke,
Und schoß den Pfeil, dein Mund doch lacht,
Ist zum Gekränkten er gemacht!
So, Freund, dem Leid genüber denke.
Klopf' auf den Thon, in Staub wird er fallen,
Schlag' den Achat, und Funken wallen!
Laß nie ein finsteres Verhängen,
Den Trauermantel auf dir zwängen;
Wer ist der Größere dieser Zwei:
Der trägt des Zwingherrn Knechtlivrei,
Der lieber wandelt nackt, doch frei?
Sei nicht dem Strome gleich, der rollt,
Jedwedem Eindruck weich und hold,
Bald ist er blau vom Himmelsblau,
Bald ist er grau vom Wolkengrau,
Hier ist er grün im Wäldersaal,
Dort ist er fahl im Felsenthal;
Leit' ihn in Grotten, er ist das Dunkel,
Führ' ihn zu Tag, er ist Gefunkel!
Was ist er selbst? nun, sag' mir's wer;
Ei, Wasser, Wasser, sonst nichts mehr!
Selbst wenn ihn Kampfeslust gepackt,
Und er sich stürzt als Katarakt,
Er ringt und ras't, doch weh, er zerschlägt
Sich selbst nur und das Bild, das er trägt.
Doch sei dem Licht gleich, unbemerkt,
Wenn Tagesglanz die Augen stärkt,
Doch schön zum Leuchten angefacht
In schwarzer Nacht, in finstrem Schacht,
Je schneller die Finsterniß, du schneller,
Je dunkler das Dunkel, du so heller,
Ein helles Lachen ist das Licht,
Das Hohn der Schattenohnmacht spricht;
Am Tage nur fließt es zusammen
In eines größern Lichtes Flammen.
So leuchten echte Feuerherzen
Am hellsten in der Nacht der Schmerzen.
Zwar scheint manch eins von düstrem Muth,
Doch innen tief ist Heiterkeit,
Der Kohle gleich im Trauerkleid,
Doch ihrer Seele Stoff ist Gluth.
Sei deines Landes frohester Mann,
Daß sich dein Volk an dir erhelle,
Wie eines Dochtes Licht gar schnelle
Viel tausend Fackeln zünden kann!
Doch froh zu werden, sei erst gut!
Die Güte nur gibt freudigen Muth.
Das Lachen ist der Regenbogen,
Der dunklem Grund des Sturms entsteigt,
Als Siegeszeichen zwar gezogen
Und doch dem Frieden hold geneigt.
Mit Lachen führ' in Sturmestücke
Ein heitrer Fürst sein Volk zum Glücke,
Ein heitrer Held das Heer zum Siege,
Ein heitrer Pfaff zur Himmelsstiege,
Die bis ins Haus euch Stufen reiht!
Zum Schmerz nicht hat uns Christ befreit;
Das Haupt des Heilands selbst betrachtet!
Den Dornengürtel, der's umnachtet,
Umquillt die goldene Glorie ganz,
Wie eines Himmelslächelns Glanz;
Wir sehn entsetzt die Wunden, draus
Blutströme auf den Rasen klopfen;
Von oben nimmt sich's anders aus:
Ihm fließt nur Lächeln um den Mund,
Sein Auge sieht, wie jeder Tropfen
Als Rosenstrauß fällt auf den Grund. –
Dir ist ein schönes Loos gespart!
Wo Fürstengrößen ihr Angedenken
Nur aus gekränkten Herzen tränken,
Klingt dir's zum Ruhm nicht kleiner Art,
Spricht der Chronist in fernen Tagen:
»Von Diesem weiß ich nichts zu sagen!«
Dein Bild in Habsburgs Ahnenhallen
Macht hold manch spätes Herz dir wallen;
Einförmig lange Bildnißreihn
Mit Kronen all' und Herzogshüten!
Der Maler schlang nur dir allein
Ums Haupt den Reif von Rosenblüthen;
Das letzte nicht ist's von den Loosen.
Zieh hin und kränze dich mit Rosen!«
Und so geschah's, daß Rosenglut
Einst stand bei Oestreichs Herzogshut. |