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XXII.
Ein Himmelsbrief.

Von Dr.  W. Schütze, Amtsrichter.

Gewöhnlich versteht man unter diesem Namen Briefe, welche von Verstorbenen im Himmel geschrieben sind und von der Mittelsperson deren Verwandten überbracht werden, damit sie Geld herausrücken, um die Tote vor dem Fegefeuer zu schützen, um ihre Hochzeit mit Gottes Sohn auszustatten, ja um Mutter Maria einen Ofen für ihre gute Stube zu verschaffen. Man lese nur die ausführliche Darstellung solches Falles vom Ersten Staatsanwalt Walch im Pitaval der Gegenwart, Bd. 1, Heft 1, S. 59-92, vgl. auch Hellwig in diesem Archiv, Bd. 31, S. 67-73.

Mir ist dieser Tage bei einem landfahrenden Schneidergesellen eine andere Art davon in die Hände gefallen, ein Brief, der angeblich weit verbreitet ist und zunächst für sich selbst sprechen möge. Ich gebe ihn genau in der mir vorliegenden krausen Fassung, in der mein Schneidergeselle ihn von einer alten Waschfrau in Gadebusch erhalten hat.

»Ein Graf hatte einen Diener, der wollte C. K. S. H. V. Vater das Haupt abschlagen lassen, worum solches geschehen war. So hatte ihn der Scharfrichter denselben nicht abschlagen können, wie nun solches der Graf gesehen hatte, meinte der Graf wie es wohl eigentlich zuginge, das er durch die Berührung des scharfen Schwertes nicht verletzt würde. Zur bessern Erklärung hat nun der Diener ihn den Brief gezeigt mit folgenden Buchstaben. K. J. T. H. K. S. H. S. Wie nun der Graf demselben, gesehen, befahl er daß einjeder den Brief bei sich tragen solle; wen einem die Strafe blutet, oder du hast blutige Wunden, und man kann daß Blut nicht stillen, so nim diesen Brief und lege ihn darauf so soll er daß Blut stillen, und wer dies nicht glauben will, der schreibe diese Buchstaben auf einen Degen, oder auf eine Seite des Gewehrs oder schreibe es ab und hänge es eine Katze oder einem Hund um den Hals und stelle sie auf einen Platz und steche oder schieße danach, so wirst Du es treffen können und sehen daß es wahr ist und nicht getötet werden kann. Wer diesenn Brief bei sich trägt der kann nicht bezaubert werden, und seine Feinde können ihm keinen Schaden zufügen, daß sind die fünf heiligen Wunden; K. H. T. J. K. so bist Du sicher daß Dir kein falsches Unheil geschehen kann. H. H. S. S. wer diesen Brief bei sich trägt, den kam Blitz und Donner, kein Feuer oder Wasser Schaden thun, und wenn eine Frau gebären soll und die Geburt will nicht von Ihr, so gebe man Ihr diesen Brief in die Hand so wird sie bald gebären können und daß Kind wird sehr sehr glücklig werden und alles leicht begreifen können. Wer diesen Brief bei sich trägt ist besser als Gold oder Silber Haus und Schätze. Im Namen Gottes des Sohnes und des heiligen Geistes, sowie unser Herr Christus am Ölberge viel, standt so soll alles Geschütz und Waffen stille stehen und daßselbe will Gott entkräftigen, das Geschütz und Diebe und Mörder sollen Dir nicht schaden, fürchtet euch nicht vor Pistolen alle Gewehre und Waffen müssen stille stehen, alle sichtbaren und unsichtbaren Gewehre sollen stille stehen durch den Befehl und Tod Jesus Christus und durch den Befehl des Engels Michel im Namen des Vaters des Sohnes und des heiligen Geistes Gott sei mit mir. Wer diesen Segen bei sich trägt der wird nicht durch Feuergefahr oder durch daß Gewehr umkommen, wer diesen Brief bei sich hat der wird nicht gefangen werden, von deß Feindes Waffen verletzt werden Amen. So wahr es ist daß Christus geboren ist und gen Himmel gefahren ist, so wahr Gott und sobald uns Gott Erschaffen hat so geschwinde kann er uns wieder zerschmettern, Fleisch und Gedirme und alles soll unbeschädigt bleiben durch den Befehl Gottes; Ich beschwöre alle Gewehre und Waffen, bei dem lebendigen Gott, rede kein Falsch Zeugnis wieder den Nächsten. Alle Gewehre und Waffen müssen stille stehen bei dem lebendigen Gott im Namen Gottes des Sohnes und des heiligen Geistes; Christus Blut das uns Kugel treffen thun; Sie sei von Gold Silber oder Blei Gott im Himmel mache ihn fon allen Sünden frei, im Namen deß Vaters, deß Sohnes und deß heiligen Geistes. Dieser Brief ist vom Himmel gesandt und in Holstein gefunden worden. 1744. Er war mit goldenen Buchstaben geschrieben und schwebte über der Taufe Jahrelang und wenn mann ihn ergreifen wolte wich er zurück, bis 1787. und bis sich jemand mit dem Gedanken fand Ihn abzuschreiben und ihn die Welt zu offenbahren zu diesem wich der Brief heran! Ich gebiete Euch Ihr sollt am Sonntag nicht arbeiten, sondern zur Kirche gehen mit Andacht beten. Von eurem Reichtum sollt Ihr den Armen abgeben. Ihr Menschen sollt nicht sein wie die unvernünftigen Thiere. Ich gebite euch sechs Tage zu arbeiten, und am siebenten tag sollt Ihr Gottes Wort hören und mit theuren Herzen darnach handeln, Wenn Ihr daß nicht thut so will ich euch strafen mit theure Zeit, Pestilenz und Krieg. Ich gebiete euch allen daß Ihr am Sabbattage nicht sehr arbeitet denn es ist Sünde, sonst will ich euch strafen Jung und Alt, und Gott sollt ihr bitten daß Ihr einen andern sein Hab und Gut nicht begehrt und Ihn sein Gold und Silber nicht beneidet und nicht der menschligen Lust und Begierde gehöret, wenn Ihr danach thut so will ich euch strafen, so geschwindt ich euch erschaffen habe, so geschwindt kann ich euch wieder zerschmettern. Ihr sollt nicht falsch Zeugnis reden wieder euren Nächsten so wie Gegen Vater und Mutter den gebe Ich Gesundheit und Frieden; Wer dies nicht glaubt, der ist von mir Verflucht und soll keine Hülfe bekommen, wer diesen Brief hat und ihn nicht offenbahrt der ist von mir Verflucht und von der Christlichen Kirche, diesen Brief soll man sich mit hartem Gelde kaufen und wenn Ihr so viel Sünde habt; Wie Sand am Meer und wie Laub auf den Bäumen so sollen Sie Euch vergeben werden, glaubt Ihr dann, daß Sie Euch vergeben werden! Wer das nicht glaubt der soll des Todes sterben. Bekehret euch, sonst will ich euch richten, am jüngsten Tage werdet Ihr keine Antwort geben können über eure Sünden, so seidt Ihr verflucht, wer diesen Brief im Hause hat, dem soll kein Donnerwetter treffen sobald ein Mann oder Frau diesen Brief bei sich hat so soll Ihnen alles Glück auf der Welt, den der ist besser als vieles Geld und Gold. Es ist wahr. Amen in Jesu Namen. Wer diesen Brief bei sich im kommenden Krieg hat, der wird der Glückliche sein und wieder heimkehren.«

Wann mag nun dieser Brief entstanden sein, wer schuf ihn, und was bezweckt er?

Ich möchte annehmen, daß das obengenannte Jahr 1787 tatsächlich etwa sein Geburtsjahr wiedergibt. Die ganze Geheimnistuerei mit den wohl ziemlich sicher sinnlosen und keine Abkürzungen darstellenden Wunderbuchstaben, die Erinnerung an gräfliche Macht, das Schutzversprechen gegen Zauberei und Gefangennahme, die Berufung auf den bei uns im Norden längst recht verschollenen Erzengel Michael, das alles atmet den Geist jener Zeit. Wenn es auch heute noch hier und da auftaucht, in dieser Gedrängtheit weist es auf jene Tage, zumal im Zusammenhang mit den kräftigen Verwünschungen und Drohungen, mit denen man besonders damals die Zweifler und die Flauen der Religion der Liebe wieder zuzuführen suchte. Schon das Übermaß an Kirchlichem überhaupt spricht dafür, daß eine Zeit in Frage kommt, in der weder Zeitungen und Bücher noch leichte Verkehrsmöglichkeiten das Interesse ablenkten, sondern die Kirche und ihre Lehren das ganze Denken und Empfinden der ländlichen Bevölkerung so unbedingt beherrschten, daß ihre Anschauungen und Bezugnahme des beabsichtigten Einflusses so sicher waren, wie ihre Ausdrucksweise allen Beteiligten geläufig war.

Daß das Schriftstück aber ländlichen Ursprungs ist, scheint mir sicher, schon die religiöse Tonart bürgt dafür. Auch konnten unsere Landleute damaliger Zeit einen Trost gegen gewalttätige Schädiger aller Art wohl brauchen, und Teuerung, Krieg und Pestilenz in schneller Folge oder engem Verein sorgten schon dafür, daß sie ihrer nicht vergaßen. Gewiß waren alle diese Nöte auch dem damaligen Städter nicht fremd, aber sie berührten ihn doch lange nicht so wie den Landmann, der all dies Ungemach aus erster Hand bekam und ihm am wehrlosesten gegenüberstand. Für ihn hatten auch Wassers- und Feuersnot, wie das mehrfach erwähnte Gewitter wesentlich erhöhte Bedeutung.

Wir dürften sonach einen alten Festbrief vor uns haben, wie sie bereits die Landsknechte besaßen. Er kehrt Gewehr und Waffen noch genugsam hervor und erwähnt ja auch noch ausdrücklich den uralten Aberglauben des Festens, das eigentlich nur gegen die gewöhnliche bleierne Kugel neben Hieb- und Stichwaffen schützen sollte. Von wie manchem Kriegsmann, der für fest galt, aber schließlich doch erschossen war, wurde nicht erzählt, sein Gegner habe einen der damals viel getragenen silbernen Knöpfe oder gar einen Dukaten ins Gewehr geladen und ihn damit niedergestreckt. Unser Brief verheißt deshalb auch Schutz gegen Kugeln von Gold und Silber und zeigt sich auch sonst von neuerem Geist erfüllt, indem er als Gegenleistung christlichen Lebenswandel verlangt, so daß ein Mißerfolg nicht ihm zur Last zu legen ist, sondern der Sündhaftigkeit des Besitzers. Auch das weist, meine ich, auf die Zeit, in der selbst bei unserem Landvolk eine gewisse Frühdämmerung des selbständigen Denkens begann, also etwa das Ende des achtzehnten Jahrhunderts.

Die in ihrer engen Verbindung mit der beliebigen Sündenvergebung allerdings stark an den seligen Tetzel erinnernde Betonung: »Diesen Brief soll man sich mit hartem Gelde kaufen,« gibt wohl ohne weiteres den Beweis für seinen ersten und nächsten Zweck, die Tasche seines Schreibers zu füllen.

Für uns aber liegt seine größte Bedeutung darin, daß er uns überhaupt noch im praktischen Gebrauch begegnet. Man sieht daran, welchen Geistes noch heute unsere niederen Stände sind, und in welch dunkles Mittelalter wir vielfach zurückgreifen müssen, wenn wir den richtigen Schlüssel zu ihrem Verständnis finden wollen. Meinem Gewährsmann hat der Brief gewiß nicht viel genützt, er hat die Schwindsucht und ist bettelnd auf der winterlichen Landstraße aufgegriffen. Aber obgleich der Brief ihm das verheißene Glück nicht gebracht hat, beweist doch sein verlegenes Lächeln und zaghaftes Bestreiten, daß er ihn wohl doch mit »hartem Geld gekauft« hat und trotz allem noch verstohlen an ihn glaubt. Und ob nicht das Vertrauen auf seinen Schutz schon manche härtere Natur zu schwererem Tun bestärkt hat als zu harmlosem Betteln?

Ich meine, geistig steht er ganz auf einer Linie mit dem Leichenfinger und dem Diebeslicht aus Menschenfett, die noch heute manchem gewalttätigen Einbrecher den Mut stählen. So unglaubliche Frechheit oder Sorglosigkeit der Ausführung, daß Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Täters oder der Glaubwürdigkeit des sie schildernden Zeugen entstehen könnten, dürften sich bei einem abergläubischen Verbrecher zuweilen heute noch durch den Besitz eines Schutzbriefes oder eines andern Amuletts erklären.

Die vom Ratsarchiv-Sekretär Krause jüngst mitgeteilten Fälle aus Rostocker Akten vom Ende des 16. Jahrhunderts geben dafür schlagende Beweise für die damalige Zeit. Der Aberglaube ist aber, wie wir sehen, an kein Jahrhundert gebunden.

— — —

Nach Abschluß dieser Mitteilung spielt mir der Zufall noch zwei Schutzbriefe in die Hand, die unzweifelhaft auf dieselbe Quelle zurückgehen wie der obige und meine Vermutung über dessen Herkunft, Alter und Verbreitung erheblich bestärken. Da die drei Briefe sich außerdem höchst interessant ergänzen, teile ich auch diese beiden im Wortlaut mit. Der erste hat sich 1903 im Nachlaß eines Herrn gefunden, der lange Jahre Stadtsekretär im mecklenburgischen Landstädchen Kröpelin war, seine genauere Herkunft ist nicht zu ermitteln. Er lautet:

»Haus und Schutzbrief.
Im Namen des Vaters und Sohnes u des heiligen Geistes
Amen

L J F K H B K N K
die Buchstaben der Gnade

In Namen Gottes des Vaters des Sohnes und des heiligen Geistes – So wie Christus im Ölgarten stille stand so soll alles Geschützt stille stehen – Wer diesen Brief bei sich trägt dem wird nichts treffen von des Feindes Geschütz und er wird vor Dieben und Mördern gesichert sein. Er darf sich nicht fürchten vor Degen Geweren Pistolen denn so wie mann auf ihn anschlägt, so müssen durch den Todt und Befehl Jusu Christi alle Geschütze stille stehen ob sichbar oder unsichbar alles durch den Befehl des Engels Michaelis in Namen Gottes des Vaters des Sohnes u des heiligen Geistes Gott sei mit uns Wer diesen Segen gegen die Feinde bei sich trägt der wird vor feindlichen Kugel geschützt bleiben Wer dieses nicht glauben will der schreibe ihn ab hänge ihn einen Hunde um den Hals und schieße auf ihn so wird er sehen das der Hund nicht getrofen und das es war ist auch derjenige der an ihn glaubt nicht von Feinden gefangen genomen werden. So war es ist das Jusus Christus auf Erden gewandelt hat und gen Himel gefahren so war ist es das Jeder der an diesen Brief glaubt von allen Geweren und Waffen im Namen des lebendigen Gottes des Vaters des Sohnes des heiligen Geistes unbeschädigt bleiben soll.

Ich bitte in Namen unsers Herrn Jesu Christi Blut das mich keine Kugel trefen möge sie sei von Gold Silber oder blei Gott im Himel halte mich von allen frei im Namen des Vaters des Sohnes und des heiligen Geistes. Dieser Brief ist vom Himel gesandt und in Holstein gefunden worden im Jahre 1724 und schwebte über die Taufe Madalena wie mann ihn aber angreifen wollte wich er zurück bis zum Jahre 1791 bis sich Jemand den Gedanken näherte ihn abzuschreiben Ferner gebietet er das der Jenige welcher am Sotage arbeitet von Gott verdamt ist Ich gebe euch sechs tage eure Arbeit fort zu setzen und am Sonntage früh in die Kirche zu gehen die heilige Predigt und Gottes Wort zu hören werdet ihr das nicht thun so will ich euch strafen Ich gebiete euch das ihr des Sonntags früh in die Kirche zu gehen die heilige Predigt und Gottes Wort zu hören werdet ihr das nicht thun so will ich euch strafen. Ich gebiete euch das ihr des Sonntags früh in die Kirche mit Jedermann Jung und alt andächtig für eure Sünden betet damit Sie euch vergeben werden Schwöret nicht boshaftig bei meinen Namen begehret nicht Silber oder Gold und sehet nicht auf Fleischliche Lüsten und Begierden den so bald wie ich euch erschaffen habe so bald kann ich euch wieder vernichten.

Einer soll den andern nicht töten mit der Zunge und sollet nicht Falsch gegen euren Nächsten hinter den Rücken sein Freuet euch eure Güter und Reichtum nicht Ehret Vater und Mutter Redet nich Falsch zeugniß wieder euren Nächsten so gebe ich euch Gesundheit und Segen Wer aber diesen Brief nicht glaubet und sich darnach nicht richtet der wird kein Glück und Segen haben diesen Brief soll einer den andern gedruckt oder geschrieben zu komen lassen ... bettet als Sand an Mere Laub auf de ... Sterne am Himel sind sollen sie euch verg ... wenn ihr glaubet und thudt was dieser B ... und saget wer das aber nicht glaubet der so ... bekehret euch oder ihr werdet Ewiglich gepeiniget werden und ich werde euch fragen am Jüngsten Tage dann werdet ihr mir Antwort geben müssen wegen euren vielen Sünden. Wer diesen Brief in Hause oder bei sieh trägt dem wird kein Do ... tt ... schaden und ihr soll ... Feuer Wasser und aller Gewalt des Feindes behütet bleiben

Ein Bif an Jeder mann

Ein Graf hatte einen Diener welcher sich für seinen Vater B G H das Haupt abschlagen lassen wollte als nun solches geschehen sollte da versagte des Scharfrichters Schwerdt als der Graf dieses sah fragte er den Diener wie es zu ginge das das Schwerdt ihn keinen Schaden zu füge worauf ihn der Diener ihn diesen Brief mit den Buchstaben L J S K H B K N K zeigte als der Graf dieses sah. befahl er das ein Jeder diesen Brief bei sich tragen sollte.«

Diese Fassung dürfte eine jüngere, trotz weitgehender Ähnlichkeit aus dem Gedächtnis aufgeschriebene Wiederholung des vorigen Briefes sein. Sie ist im ganzen zahmer, neuzeitlicher. Es fehlt auch der ausdrückliche Hinweis, daß der Brief für hartes Geld gekauft werden solle, und die kirchlichen Flüche sind etwas milder.

Bezeichnend ist, daß das auf einen ganzen Bogen geschriebene Schriftstück so klein zusammengefaltet war, daß es in einen Brustbeutel ging, wie ihn z. B. die Soldaten tragen. Es ist offenbar viel benutzt und lange herumgeschleppt, denn es ist in den Kniffen vielfach schon ausgebrochen und unleserlich geworden, wie die durch ... angedeuteten Stellen ergeben. Die fortgesetzt wechselnden Heilsbuchstaben endlich dürften die Willkürlichkeit ihrer Auswahl gewiß machen. Das wird m. E. vollends unzweifelhaft durch den dritten Brief. Er war in Nr. 130 der Rostocker Zeitung vom 19. März 1898 abgedruckt unter der Spitzmarke »Soldaten-Aberglaube« und soll in einer Kaserne gefunden sein. Leider ist nicht gesagt, wo. Diese Lesart lautet:

»Ein Brief mit Gott!

Es war ein Graf von Flandern, der hatte einen Diener, dem sollte das Haupt abgeschlagen werden, der hatte diesen Brief bei sich mit folgenden Buchstaben: X. H. C. H. U. H. Z. Wie der Graf diesen Brief gesehen, hat er befohlen, daß ein Jeder am Hofe diesen Brief bei sich tragen sollte. Wenn einem die Nase blutet, und das Blut nicht zu stillen war oder sonst eine Wunde bekam, der nehme diesen Brief in die Hand und lege ihn darauf, so wird es sich bald stillen. Wes es nicht glauben will, der schreibe diese Buchstaben auf einen Degen und steche nach einem Hunde oder Katze, so wird er diese nicht verwunden können. Wer diesen Brief bei sich trägt, der ist behütet vor bösen Dingen. X. X. A. S. P. P. So sehe, daß kein falsch Urtheil über Dir gesprochen werde. S. A. Sanct. Und wer diesen Brief bei sich trägt, ist behütet, daß ihm kein Feind Schaden thun kann, ihn sollen keine Menschen und Gewehre nicht verwunden, kein Feuer und Wasser, kein Blitz und Donner nichts thun. H. B. E. Badebran Sanctus. H. X. Mablus. Laruns. H. Johannes. X. X. X. Anunela. Feilium. Sabaetal. Amen.«

Man sieht sofort, daß auch dieser Brief aus derselben Quelle geflossen ist wie die beiden andern. Offenbar ist diese Fassung die jüngste. Das beweist schon der richtige Gebrauch der Satzzeichen und die Rechtschreibung, ferner die Fortlassung aller Altertümelei und des kirchlichen Stils. Fast scheint es, als habe der Schreiber aber selbst den Eindruck gehabt, als ob der Brief dadurch zu nüchtern geworden sei und habe ihm deshalb zum Schluß noch einen tüchtigen Schwanz von Hokuspokus angehängt, damit er doch wieder etwas geheimnisvoller ausschaue. Das wohl durch Verlesen beim Abschreiben des ersten Briefes entstandene »wen einem die Strafe blutet«, ist hier richtig gestellt in »wenn einem die Nase blutet«, etwas Neues enthalten die beiden letzten Briefe sonst nicht, sie sind nur jeder nach dem Geschmack seiner Zeit zurechtgestutzt. Gerade dieser offensichtliche zeitliche Unterschied der drei Fassungen ist aber wertvoll, weil er beweist, daß selbst die gewaltigen Werke geistigen Fortschritts, welche das letzte Jahrhundert aufgerichtet hat, zu keiner Zeit überragend genug waren des Aberglaubens Narrenschifflein den Wind aus den straff geschwellten Segeln zu nehmen.

Daß mir endlich derselbe Himmelsbrief in drei verschiedenen Fassungen begegnen konnte und nicht etwa als Museumsstück, sondern zweimal wenigstens sicher auf gläubiger Brust getragen, läßt sich nur dadurch erklären, daß er noch heute viel verbreitet ist, und daß wir bei ganzen Schichten der Bevölkerung mit ihm und ähnlichen Erzeugnissen zu rechnen haben.


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