Paul Grabein
Im Wechsel der Zeit
Paul Grabein

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIII.

Hellmrich sass über seiner Arbeit. Es war ein grauer Winternachmittag; draussen herrschte fast schon ein völliges Dunkel, und der helle Schein der Lampe auf seinem Studiertisch wob sein trauliches Licht in die Schatten des Zimmers. Aber Hellmrich empfand heute nichts von dieser anheimelnden Stimmung seiner Arbeitsstube, wie er es früher wohl so manches Mal getan. Seine Gedanken weilten heute nicht bei der Arbeit; zurückgelehnt sass er im Sessel und sann mit finster gefalteter Stirn vor sich hin.

Wohl hatte Hellmrich es sich im Laufe der Zeit abgewöhnt, sich in fruchtlosem Grübeln zu verzehren, wie er seinen grossen Plan verwirklichen könnte. Nachdem alle andern Möglichkeiten sich zerschlagen hatten, hatte er kürzlich noch ein Letztes versucht. Er war zu dem ihm so wohlwollend gesinnten alten Professor Heller gegangen und hatte ihm sein Herz ausgeschüttet, in der dunklen Hoffnung, dass ihm von dieser Seite vielleicht noch irgendwie eine Hilfe oder ein schätzbarer Rat werden könnte. Der greise Gelehrte hatte wortlos, aber mit grösster Aufmerksamkeit den Mitteilungen über Hellmrichs rätselhafte Beobachtungen und seine darauf sich aufbauenden Mutmassungen zugehört. Dann hatte er sich geäussert, aber Hellmrich war recht enttäuscht darüber gewesen. Auch hier kein begeistertes Auffassen des ihm doch so gigantisch erscheinenden Gedankens! Freilich auch keine kalte, spöttische Abweisung, aber doch ein sehr ruhiges, vorsichtiges Zurückhalten. Es schien, dass der alte Herr sich absichtlich nicht mit seinem Urteil irgendwie festlegen wollte. Er gab Hellmrich gern zu, dass hier gewiss – wenn keine Täuschung vorhanden sei – eine höchst interessante Erscheinung vorliege, die wohl wert sei, sie aufmerksam weiter zu verfolgen. Er würde auch von Herzen gern Hellmrich hierzu behilflich sein. Er sähe nur leider im Augenblick gar keine Möglichkeit, wie das geschehen solle. Aus eigner Machtbefugnis könne er in seinem Fach gar nichts tun. Aber er wolle die Sache im Auge behalten; vielleicht böte sich ihm anderweit einmal Gelegenheit, etwas für Hellmrich zu tun. Mit diesem Bescheid hatte sich Hellmrich schliesslich begnügen müssen. Recht betrübt war er daher im Grunde von dem alten Herrn trotz aller seiner Freundlichkeit geschieden. Und seine hoffnungslose Stimmung war auch nur allzu berechtigt gewesen, denn Wochen waren seitdem vergangen, aber er hatte nie mehr etwas von Professor Heller gehört.

So war denn auch diese letzte Hoffnung begraben und vergessen worden, und Hellmrich sagte sich schliesslich, dass überhaupt alles verzehrende Sehnen und Wünschen doch keinen Zweck habe. Wenn es ihm je noch einmal vergönnt sein sollte, das grosse Ziel zu erreichen, so würde es ihm nur auf dem Wege rastloser und fleissiger Arbeit beschieden sein; Zoll für Zoll, Schritt für Schritt würde er sich mühsam vorwärts kämpfen müssen. Er hatte sein Auge daher vorerst auf das zunächst Erreichbare gerichtet, die Abfassung seiner Habilitationsschrift unter Zuhilfenahme der Nächte beschleunigt und es denn so auch dank seiner Energie erreicht, dass er sein Zulassungsgesuch mit der Arbeit letzthin an die Fakultät hatte abschicken können.

So war denn der erste Schritt getan. Er durfte ja hoffen, dass seine Schrift ihm die Pforten zum akademischen Lehramt erschliessen würde; als Dozenten aber würden sich ihm allmählich ja wohl bessere Aussichten eröffnen. Er konnte ja wohl darauf rechnen, dass er sich – wenigstens nach und nach – Hörer gewinnen und also auch vergrösserte Einnahmen verschaffen würde, die ihm schliesslich einmal die Fortsetzung seiner Untersuchungen aus eigenen Mitteln erlauben würden. Er wollte ja keine Arbeit und Mühe scheuen, unverdrossen kämpfen und ausharren, bis seine Stunde einmal kommen würde. So sah er gefasst und still in die Zukunft. Nur bisweilen, da packte ihn eine Angst, die quälende Furcht, dass ein anderer ihm dabei zuvorkommen könnte! Dann stieg förmlich eine siedende Hitze in ihm hoch, und eine peinvolle Unruhe trieb ihn unstät umher. Es war das ein Gedanke, der ihn zum Rande der Verzweiflung hätte treiben können: Wenn all sein Hoffen und Sorgen umsonst sein sollte, wenn ein plumper Zufall ihn hohnvoll um die Früchte seines geheimen Denkens und Forschens bringen sollte! Ein Gedanke nicht zum Ausdenken – zum Rasendwerden!

Auch jetzt wieder sprang Hellmrich auf, von diesem fürchterlichen Schrecken gepeinigt, der ihn plötzlich wieder angekrallt hatte. Und diese Befürchtung war ja nicht ganz so grundlos, denn er hatte ja in Berndt einen Mitwisser seines Geheimnisses. Wenn er auch Berndt nicht die Gesinnungslosigkeit zutraute, mit voller Absicht einen andern auf die Spur seiner Forschung zu bringen, so konnte es ja doch leicht sein, dass Berndt sich einmal zu einem Dritten darüber äusserte, der den Gedanken aufgriff, und dass andere praktische Versuche anstellten, denen ein günstigeres Schicksal die Mittel dazu verliehen hatte. Ja, war doch schon nicht mehr Berndt allein ein Mitwisser, sondern auch Simmert und sein Chef im Ministerium! Wie nahe lag da doch die Möglichkeit, dass die Kenntnis seines Vorhabens zu irgend jemand durchsickerte, der der Mann dazu war, mit energischer Hand danach zu greifen und es praktisch zu erproben. In höchster Erregung war so Hellmrich aufgesprungen, der Angstschweiss brach ihm von der Stirne, und er musste, um sich zu beruhigen, eine Weile im Zimmer auf- und niederschreiten.

Öfter als früher suchte ihn in letzter Zeit dieser fürchterliche Gedanke heim! Hellmrich wischte sich unter einem tiefen Seufzer mit dem Taschentuch die feuchte Stirn. Aber vielleicht war dies alles nur ein Zeichen von Nervosität auch bei ihm; es wäre ja schliesslich kein Wunder gewesen, nach all den schweren Aufregungen, die ihm der Konflikt mit Berndt gebracht hatte. Und dazu noch die Sorge um Lotte, deren krankhaft reizbares Wesen in der letzten Zeit ihm doch viel Selbstbeherrschung und manchen Zwang auferlegte. Er musste aus Rücksicht auf sie so manches hinunterkämpfen, und die Aufspeicherung des Zündstoffes erzeugte auch in ihm wohl eine unnatürliche Nervenüberspannung. Er war sicherlich mitunter in einer für die anderen recht unangenehmen Weise reizbar, das kam ihm namentlich den Kindern gegenüber zum Bewusstsein. Früher hatte er sich stets auf sie so sehr gefreut, das Spielen mit ihnen war ihm immer eine Auffrischung und eine Zerstreuung gewesen; jetzt dagegen war ihm der Lärm dabei viel zu viel, ja schon ihre blosse Anwesenheit im Hause störte ihn oft bei seiner Arbeit. So schickte er sie denn viel fort und hatte sie nur selten noch um sich. Hellmrich ärgerte sich darüber, er kam sich selbst als ein recht schlechter Vater vor – aber was half's, es ging eben nicht anders! Nur eins von beiden war möglich, und die Arbeit musste durchgesetzt werden, um jeden Preis.

Mit einem gewaltsamen Entschluss zwang sich Hellmrich schliesslich zur Ruhe. Er wollte sich gerade wieder am Schreibtisch niederlassen, als es an die Tür seines Zimmers klopfte. Das Mädchen trat ein und überreichte ihm eine Karte. Es sei draussen ein Herr, der ihn zu sprechen wünschte. Hellmrich warf einen Blick auf die Karte: »Dr. jur. Jaques Schirmer« – keine Standesbezeichnung. Ziemlich verwundert schaute Hellmrich auf und gab dann Auftrag, den Herrn hereinzuführen.

Ein elegant gekleideter Herr von kleiner Figur und sehr beweglichem Wesen trat ins Zimmer – ein energisches, kluges Gesicht, aus dem die dunklen Augen hinter der goldenen Brille lebhaft hervorglänzten, und ein sehr lebhaftes Mienenspiel. Er entwickelte schon eine grosse Beredsamkeit beim Eintreten, während er sich mit angelegentlicher Höflichkeit mehrfach vor Hellmrich verbeugte.

»Verzeihen Sie gütigst, Herr Doktor, wenn ich störe. Sie werden gewiss erstaunt und vielleicht ungehalten sein, dass ein Unbekannter Ihre wertvolle Zeit in Anspruch nimmt. Aber ich wagte es doch vorzusprechen, da es sich um eine Sache von höchster Wichtigkeit handelt, die ein hohes persönliches Interesse für Sie bietet.«

Hellmrich bat ziemlich gemessen den Fremden, Platz zu nehmen. »Bitte, was steht zu Diensten?«

Dr. Schirmer liess sich auf einen Stuhl nahe an Hellmrichs Schreibtisch nieder und schlug die Beine übereinander, wie jemand, der sich auf eine längere Konferenz gefasst macht. »Um Sie gleich zu orientieren, Herr Doktor, ich komme in Sachen des neuen Zeon-Heilverfahrens zu Ihnen.«

»Dann wenden Sie sich an die falsche Adresse; es ist das die Angelegenheit des Geheimrats Berndt,« fiel ihm Hellmrich sehr kühl ins Wort.

»O, natürlich, ich weiss wohl, dass der Herr Geheimrat der Erfinder dieses Verfahrens ist,« beeilte sich der andere zu versichern, »aber trotzdem wende ich mich gerade an Sie. Es ist mir nämlich nicht minder bekannt, dass Sie, Herr Doktor, mit Herrn Geheimrat Berndt zusammen lange Jahre an der Entdeckung gearbeitet haben.« Ein scharfer, prüfender Blick schoss hinter den blitzenden Brillengläsern hervor zu Hellmrich hinüber.

Hellmrich fuhr in der Tat überrascht auf. Woher wusste dieser fremde Mann das? In die Öffentlichkeit war doch nichts von seiner Mitarbeit an der Berndtschen Entdeckung gedrungen. Nur im engeren Kollegenkreis war man davon unterrichtet, und er meinte überdies, einen seltsamen Ton aus diesen Worten des Fremden herausklingen gehört zu haben, so etwas wie eine lauernde Erwartung, wie wohl diese Bemerkung auf ihn wirken würde. Er sah daher den Fremden scharf an, der aber nun, anscheinend ganz harmlos, auf seinen Zylinder blickte, dessen Krempe er zwischen seinen Händen drehte.

»Erlauben Sie, woher wissen Sie das?« fragte Hellmrich ihn direkt. Ein überlegenes Lächeln spielte um die Lippen des Fremden, dann antwortete er, jetzt Hellmrich mit langem Blick ansehend:

»O, man hört doch so manches, Herr Doktor, und es freut mich, dass ich recht berichtet bin.«

In Hellmrich regte sich über dieses etwas rätselhafte Benehmen ein unangenehmer Argwohn. Er hatte so das Gefühl, dass sich ein dunkles Spiel hier anspinne. Dazu ärgerte ihn die ganze versteckte Manier des Mannes, der in einer so eigenartigen Weise zu ihm sprach, gerade als handele es sich darum, einen Komplizen zu irgend einer dunklen Tat zu gewinnen. Seiner geraden, offenen Natur war solch lichtscheues Gehabe aus tiefster Seele zuwider. Er zerriss daher mit einem Schlage die schon von dem andern behutsam ausgeworfenen ersten Maschen des feinen Netzes, mit dem er ihn anscheinend einzufangen gedachte, indem er ihm gerade ins Gesicht sagte:

»Mein verehrter Herr, ich muss Ihnen offen sagen, Ihr Wesen kommt mir sehr merkwürdig vor. Aber ich liebe kein Versteckspielen. Wenn Sie Wert darauf legen, dass ich mich noch weiter mit Ihnen unterhalte, so ersuche ich Sie, mir jetzt unverzüglich offen zu sagen, was Sie zu mir führt.«

Der Fremde war im ersten Augenblick offenbar etwas verblüfft über diese wenig diplomatische Art, die fern war von den Finessen eines elegant und subtil ausgeführten allmählichen Fühlungnehmens mit einem andern. Aber er war viel zu weltgewandt und geschäftskundig, als dass er sich dadurch aus der Fassung bringen liess. Im Gegenteil liess er schon im selben Augenblick wieder ein freundliches Lächeln erscheinen und eifrig nickte er mit dem Kopf.

»Aber mit Vergnügen, Herr Doktor, ich wollte Sie ja ohnehin sofort orientieren über den Zweck meines Besuchs. Es dürfte Ihnen zweifellos bekannt sein, dass bereits verschiedene Heilanstalten sich auf das neue Heilverfahren eingerichtet haben. Sie werden auch ebenso einsehen, dass bei dem enormen Eindruck, den die Berndtsche Entdeckung in der Öffentlichkeit gemacht hat, und bei den grossen Hoffnungen, die man auf diese Entdeckung in den weitesten Kreisen des Publikums setzt, diese Anstalten kolossalen Zuspruch von Patienten haben werden. Also es dürfte sich – das heisst, immer vorausgesetzt, dass auch sonst die Sache richtig angefangen wird – für die Besitzer solcher Anstalten eine enorme Prosperität ihrer Unternehmungen ergeben.«

»Ja, aber wozu sagen Sie mir das alles?« fragte Hellmrich noch einmal, »erzählen Sie das Herrn Geheimrat Berndt, den das alles ja unzweifelhaft sehr interessieren wird.« Eine gewisse Geringschätzung klang unverkennbar aus seiner Stimme. Das feine Ohr des Fremden hörte das sofort heraus, und seine klugen Augen leuchteten in geheimer Befriedigung auf. Er bemerkte wohl die Erbitterung Hellmrichs gegen seinen Chef und früheren Mitarbeiter, und er beschloss sofort, hier in kluger Weise einzuhaken.

»Gewiss, Herr Doktor, in erster Linie natürlich ist Herr Geheimrat Berndt hieran interessiert. Aber ich setzte voraus, dass doch auch Sie ein gewisses Interesse an dem weiteren Verlauf einer Entdeckung nehmen würden, der Sie viele Jahre hindurch Ihre ganze Zeit und Kraft in so selbstloser Weise geweiht haben.«

Hellmrich berührte es unangenehm, dass ihm dieser Fremde das sagte; er hatte das Gefühl, dass der Besucher ihn über seine privaten Ansichten über Geheimrat Berndt aushorchen wollte. Langsam stand er daher auf, und mit kühler Abwehr sagte er:

»Sie irren vollkommen, die ganze Geschichte interessiert mich nicht im geringsten mehr, und ich sehe wirklich nicht ein, was das alles soll.«

Der andere bat ihn mit beschwichtigender Gebärde, doch wieder Platz zu nehmen; als aber Hellmrich dessen ungeachtet stehen blieb, erhob auch er sich und trat nun dicht zu Hellmrich heran. Zugleich dämpfte er seine Stimme fast bis zum Flüsterton, als er nun weiter sprach:

»Schön, Herr Doktor, ich kann es ja ganz und gar verstehen, dass Sie die von Herrn Geheimrat Berndt ausgehende praktische Verwertung dieser Entdeckung nicht weiter interessiert, da Sie ja diesen Unternehmungen in der Tat ganz fern stehen. Aber hier handelt es sich um etwas anderes. Es sind Bestrebungen auch von einer ganz andern Seite im Gange, die auf der Basis der Berndtschen Entdeckung gleichfalls hygienische Versuche anzustellen gedenken, und in dieser Sache komme ich zu Ihnen.«

Überrascht blickte Hellmrich auf den Fremden, ihn mit scharfem Blick prüfend. Eine kurze Pause trat ein, in der Hellmrich schnell erwog, was zu tun sei, dann sagte er mit Nachdruck: »Es würde mich jetzt allerdings in der Tat interessieren, Näheres von Ihnen zu hören; also bitte!« Er lud mit einer Handbewegung Herrn Dr. Schirmer wieder zum Sitzen ein. Ein leises, triumphierendes Lächeln überflog die Züge des Fremden, und bedeutend zuversichtlicher fuhr er nun fort zu sprechen, wo er glaubte, jetzt festen Boden unter den Füssen zu haben.

»Ich freue mich aufrichtig, das von Ihnen zu hören, sehr verehrter Herr Doktor,« sagte er, sich mit einem vertraulichen Lächeln zu Hellmrich näher hinbeugend. »Also ich will Ihnen nunmehr – natürlich im vollsten Vertrauen auf Ihre Diskretion als die eines absoluten Ehrenmannes« – ein fragender Blick, Hellmrich nickte nur kurz: Selbstverständlich! – »ich komme also im Auftrage eines Finanzkonsortiums zu Ihnen, Herr Doktor. Dieses Konsortium plant ein grosses Heilinstitut, ja, wenn die Sache, wie zu erwarten steht, einschlagen sollte, eine ganze Reihe solcher Institute allerersten Ranges, die die Behandlung Krebskranker nach der von Professor Berndt geschaffenen Methode zu ihrer Spezialität machen sollen.«

Hellmrich machte eine ungeduldige Bewegung: »Nun also, was gehen Sie da nicht zu Geheimrat Berndt direkt?«

Der andere lächelte überlegen. »Wie Ihnen wohl auch bekannt sein dürfte, hat Geheimrat Berndt sein Verfahren gesetzlich schützen lassen und tritt das Recht der Benutzung des Verfahrens nur gegen sehr hohe Bedingungen ab, die eine Prosperität bei der grossen Konkurrenz der in Frage kommenden Privat-Anstalten zum mindesten sehr in Frage stellen. Meine Gewährsmänner sind aber keineswegs gewillt, dieses Risiko zu laufen. Es soll daher, ich spreche ganz offen zu Ihnen, unter Umgehung von Professor Berndt, ja geradezu in gewissem Gegensatz zu jenen anderen Gründungen, das geplante Unternehmen ins Leben treten.«

»Aber, ich verstehe nicht,« meinte Hellmrich anscheinend ganz unbefangen. »Sie sagten doch eben selbst, dass Geheimrat Berndt sich sein Verfahren hat gesetzlich schützen lassen; wie soll da also ohne seinen Willen eine Anwendung dieses Unternehmens möglich sein?«

»O, nichts einfacher als das, verehrtester Herr Doktor,« lächelte der andere. »Sie sind eben nicht Jurist und Geschäftsmann, bester Herr Doktor, sonst würden Sie wissen, dass derartige gesetzliche Schutzbestimmungen noch gar manche Möglichkeit einer scharfen Konkurrenz zulassen – natürlich selbstverständlich auf ganz legalem Boden,« fügte er rasch hinzu, in überzeugungsvollem Brustton des sich seiner rechtlichen Unantastbarkeit wohl bewussten Staatsbürgers.

»So, da wäre ich wirklich begierig!« sagte Hellmrich immer gespannter hinhorchend. Dem andern schwoll seine Zuversicht noch höher, indem er sich Hellmrichs Bemerkung in einem für ihn günstigen Sinn auslegte.

»Na, sehen Sie, die Sache ist doch furchtbar einfach. Man erfindet irgendwie eine kleine gewisse Abänderung, eine Verbesserung an dem Verfahren und damit ist dann ein Novum geschaffen, das keinen Anspruch auf den Schutz des Gesetzes mehr hat, und das ein jeder fruktifizieren kann, wie er Lust hat.«

»Ah, nun verstehe ich.« Mit starkem Nachdruck sagte es Hellmrich. »Und ich soll Ihnen diese kleine Abänderung besorgen?«

»Sie haben es erraten,« nickte der andere sehr vergnügt, »das ist der spezielle Auftrag meiner Vertrauensmänner, der mich hergeführt hat, und Sie können überzeugt sein, Herr Doktor,« der Fremde neigte sich immer vertraulicher zu Hellmrich hin, sodass dieser langsam mit dem Oberkörper zurückwich, »diese Arbeit, die bei Ihrer Kenntnis der ganzen Sache ja ein Leichtes sein wird, würde Ihnen glänzend honoriert werden – man würde Sie sogar am Gewinn beteiligen, und dass die Sache gut, dafür garantieren Ihnen die Namen meiner Hintermänner, lauter hochfeine Leute, Finanziers ersten Ranges, auf mein Wort! Und wir legen gerade ein ganz besonderes Gewicht darauf, dass wir Ihre geschätzte Mitarbeiterschaft gewinnen, denn wir können dann vor die Öffentlichkeit mit der Tatsache hintreten, dass unser neues, verbessertes Verfahren von dem langjährigen verdienten Mitarbeiter des Herrn Geheimrats Berndt herrührt. Sie würden mit einem Schlage ein berühmter Mann werden, Herr Doktor, verlassen Sie sich darauf, denn wir machen für die Sache in der Presse eine Propaganda allergrössten Stils. Irgend welche übertriebene Rücksichtnahme auf den Geheimrat Berndt zu nehmen, dazu, meinen wir, liegt ja jetzt für Sie, sehr verehrter Herr Doktor, nicht die mindeste Veranlassung mehr vor, nachdem Sie Herr Berndt mit so schnödem Undank gelohnt hat. Also schlagen Sie ein, seien Sie unser Mann! Sie werden es nicht bereuen, es wird für beide Teile eine grosse Sache.«

Der kleine Herr hatte sich schliesslich förmlich in eine Begeisterung hineingeredet; nun sprang er auf und hielt Hellmrich die Hand hin. In seiner Zuversichtlichkeit hatte er gar nicht mehr beachtet, wie es in Hellmrichs Miene bei seinen letzten offenherzigen Offenbarungen aufgeleuchtet hatte wie ein drohend herannahendes Gewitter. Nun aber brach es los! Mit dem Ausdruck tiefsten Abscheues und grimmen Zornes trat Hellmrich einen Schritt zurück, als scheute er sich vor der Berührung dieses Mannes wie vor der eines eklen Reptils.

»So? – Eine solche Gemeinheit trauen Sie also einem unbescholtenen Mann, einem deutschen Gelehrten und Beamten zu? Herr!!« Er machte eine Bewegung nach vorwärts, und drohend klang seine Stimme dem wie aus allen Himmeln gefallenen, sich ängstlich in sich selbst zurückziehenden Mann ins Ohr. »Wenn ich nicht sähe, wen ich da vor mir habe, so könnte ich mich wahrhaftig versucht fühlen –. Nun, meine Antwort sollen Sie haben, es gibt nur eine! Da – da ist die Tür!!« und mit starken Schritten ging Hellmrich zur Tür hin und öffnete sie wuchtig, mit der Rechten gebieterisch den Besucher hinausweisend.

»Erlauben Sie – verzeihen Sie –« Mit dem kläglichen Versuch, irgend welche Worte der Entschuldigung zu murmeln, trat Doktor Schirmer rasch seinen Rückzug an. Gott, was war der Mensch rabiat! Nun, mit solchem Dummkopf konnte man natürlich kein Geschäft zusammen machen! Und eilends verschwand der betriebsame Herr von der Bildfläche.

 


 << zurück weiter >>