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»Pepé«, sagte Carquinez, »du wirst so gut sein, das Mädel loszubinden und mir zuzuführen. Du siehst, wie sie, überwältigt von ihrem Glück, den Kopf neigt.«
Er wendete sich an den Gefangenen zur Rechten.
»Capitan, nach der Sitte meines Landes darf ich Ihnen im Namen der Braut ein Geschenk überreichen.«
Er zog den Shawl von Felicias Schultern, hielt ihn Anthony hin und –
Der scharfe, bellende Knall schien vom Himmel selbst zu kommen, und dann färbte sich die gelbe Klaue des Mexikaners purpurrot. Er schrie erst auf, als ihn die zweite Kugel traf. Seine Gestalt schwankte hin und her wie die eines Betrunkenen, dann aber brach der Bandit zusammen und rollte vor die Füße der immer noch gefesselten Felicia.
Der vor maßlosem Schrecken aschfahle Mulatte erhob sich halb und starrte verständnislos zu seinem gefallenen Hauptmann hinüber. Pepé war mit einem Tigersatz bei seinem Gewehr und warf sich hinter einen Busch, während Juan in das von Anthony geschaufelte Grab schlüpfte und wild umherspähte. Die übrigen drei Lumpen zeigten sich weniger geistesgegenwärtig und zahlten diesen Mangel mit dem Leben. Der eine vollführte, getroffen, einen Luftsprung, überschlug sich und blieb seltsam verkrümmt liegen. Der Kubaner und der Mulatte brüllten wie besessen und wollten nach dem Walde laufen. Der erschrockene Esel aber legte die Ohren an, keilte mehrfach aus und setzte sich in Trab.
Obwohl tödlich verwundet, bewies Carquinez jetzt, daß wenigstens etwas von einem Führer in ihm steckte. Während ein dunkles Bächlein über seine Hemdbrust rieselte, stützte er sich ächzend auf die Ellenbogen und deutete aufwärts. »Der Baum!« gurgelte er. »Der – Baum!«
Juans und Pepés Gewehre knallten gleichzeitig, als sie im Wipfel einer sechzig Meter entfernten Steineiche einen dünnen Pulverqualm bemerkten. Auch glaubten sie zwischen den Zweigen so etwas wie ein Gesicht zu erkennen.
McBrayne beachtete sie zunächst nicht, sondern nahm erst einmal einen der Flüchtlinge aufs Korn. Der Kubaner bot ein leichtes Ziel. Eine Staubwolke aufwirbelnd schlug er zu Boden, noch ehe er fünfzig Meter zurückgelegt hatte. Den fassungslos kreischenden Mulatten ereilte sein Geschick fast am Rande des schützenden Waldes. Er fiel mit dem Gesicht in einen Dornenbusch und rührte sich nicht mehr.
Jetzt klatschte eine Kugel in den Ast, auf dem sich der Maschinist ausgestreckt hatte, und eine andere riß eine Hand voll Blätter in die Luft. Er zog sich hinter dem umfangreichen Stamm in Deckung zurück und lud das Magazin. Die flache Grube, in der Juan lag, hätte eine vorzügliche Deckung abgegeben, wenn sich sein Gegner zur ebenen Erde befunden hätte. Gegenüber einem Baumschützen bot sie jedoch keinen nennenswerten Schutz, und das Zielen aus liegender Stellung nach oben ist äußerst schwierig. Drei Sekunden später zerwühlten die Hände des mit zerschmetterter Wirbelsäule daliegenden Mannes krampfhaft das lockere Erdreich.
Pepé, dem es klar wurde, daß nunmehr an ihn die Reihe kommen werde, schoß noch einmal, sprang auf und rannte in der Richtung des Feindes auf den Wald zu. Die Entfernung war nur gering und der Gauner lies um sein Leben, aber der kaltblütige Mac erwischte ihn dennoch, und auch Pepé stürzte mit einem erstickten Schrei zusammen.
Carquinez, der, immer noch auf seine Arme gestützt, Zeuge der allgemeinen Vernichtung geworden war, erhob sich plötzlich mit einer gewaltigen Anstrengung auf die Knie und richtete seine glühenden Augen auf den in höchster Erregung an seinen Fesseln zerrenden Seemann.
Aus der Nase des Sterbenden rann schaumiges Blut, und sein haßverzerrtes Gesicht glich wahrhaftig dem eines Höllendämons. Schauerlich leuchteten die wolfsartig entblößten Zähne. Mit der unverletzten Hand tastete er nach seiner Hüfte und zog ein Jagdmesser.
Anthony befand sich allerdings außerhalb seiner Reichweite, doch gelang es ihm, ruckweise näher an Felicia heranzukriechen. Kirkpatrick, dem die furchtbare Angst geradezu übermenschliche Kräfte lieh, riß sich nun doch los. Er stolperte vorwärts und warf sich auf seinen Widersacher, dessen Hals er mit der Linken zusammenpreßte, während seine Rechte die Hand des anderen, die das Messer hielt, umklammerte. Zum Knäuel geballt wälzten sich beide Männer am Boden. Anthony fühlte noch, wie der Körper des Mexikaners unter ihm schlaff und leblos wurde. – Dann schwanden auch ihm die Sinne.
*
Als er die Augen wieder öffnete, gewahrte er über sich das Gesicht McBraynes, der ihm den einen Arm unter den Nacken geschoben hatte und ihm aus einer umflochtenen Flasche eine herbe, aber belebende Flüssigkeit zwischen die Lippen goß. Kaum zwei Meter entfernt lag Carquinez mit gebrochenen Augen halb auf der Seite.
»Können von Glück sagen, dat er Ihnen nich mehr gestochen hat«, meinte schmunzelnd der Maschinist. »Hätten Se 'n man bloß mir überlassen, dann wär de ganze Uffregung nich nötig gewesen.«
Er führte nochmals die Weinflasche an Anthonys Mund, erhob sich darauf und tat selbst einen tiefen Schluck. »Pfui Deibel, wat für 'ne schäbige Brühe«, sagte er und zog eine verächtliche Grimasse. »Aber wat will man machen«, fügte er hinzu. »De richt'ge Buttel is leer.«
»Mac«, flüsterte Anthony, »wo haben Sie –« Er brach jäh ab und blickte angstvoll umher. Von Felicia war nichts zu sehen. »Mein Gott – Wo?«
»Se liegt da hinner'n Büschen«, beruhigte ihn der andere und deutete mit dem Kopf hinüber. »Hab se im Moment hingebracht.« Dann ließ er sein eines Auge über die herumliegenden regungslosen Körper gleiten. »Wat mich betrifft, so is 't mir ja 'n Vergnügen, wenn ich so wat sehen kann, aber de Geschmäcker sin verschieden, un für 'ne Dame ist's ja am Ende weniger geeignet.«
Anthony taumelte auf.
»Sachte, Herr! – Se können ja noch nich wieder uff de Beine stehen. – Stützen Se Ihnen wenigstens uff mir.«
Mit Hilfe McBraynes schleppte sich der Befreite zu dem Buschwerk, hinter dem Felicia lag. Ihr Kopf ruhte auf einer Unterlage von ausgerissenem Gras. Anthony ließ sich neben ihr in die Knie sinken, und Mac, das alte ehrliche Rauhbein, sah gerührt zu.
»Se wird schon bald wieder hochkommen«, tröstete er und reichte dem Knienden die Korbflasche. »Geben Se ihr man wat von dat labbrige Zeug, Schipper.«
Kirkpatrick hob ihren Kopf ein wenig und tröpfelte etwas von dem herben Wein zwischen ihre Lippen. Langsam schlug sie die Augen auf, und ein Hauch von Farbe kehrte in ihre Wangen zurück. Dann aber – ihn erkennend – schlang sie beide Arme um seinen Hals, zog ihn zu sich hernieder und preßte ihn an sich.
»Thony!« schluchzte und lachte sie zu gleicher Zeit. »Thony!«
McBrayne schmunzelte, bückte sich und stellte die umgefallene Flasche wieder zurecht.
»Da ist ja Mac«, sagte Felicia schwach und streckte ihm die Hand hin. »Ich dachte –«
»Denken Sie lieber nicht, Miß Drew. Det Denken besorg ich vorläufig for de ganze Gesellschaft. – Na, sorgen Se man 'n bißchen für se, Schipper.«
Damit stand er auf, überschritt die Lichtung und verschwand im Schatten des Waldes. Als er zehn Minuten später wieder zum Vorschein kam, zog er den Esel hinter sich her. Er band das Tier an einen kleinen Baum und machte sich eifrig an die Untersuchung der Packtaschen, die außer geräuchertem Fleisch auch größere Mengen Maiskuchen enthielten.
Als Anthony, der ihn vermißte, zu ihm trat, kaute er mit vollen Backen.
»Großer Gott! Mac, was machen wir nun?«
McBrayne schüttete ihm ein paar Ohrringe, eine goldene Brosche und einen Ring in die Hand. »Wär' doch 'n Jammer drum, wenn wir sowat wollten hier liegen lassen«, sagte er ernsthaft. »Ham se am Ende Ihnen ooch wat geklaut, Geld oder so?«
»Hören Sie auf, Mann, und machen wir lieber, daß wir hier wegkommen. – Ja, es werden etwa vierhundert Dollar in Zwanzigern gewesen sein.«
»Fein! – Dann ham wir ja 'n lütten Profit gemacht bei dat Geschäft. Im ganzen sin's nämlich vierhunnertsechzig. – Uff die wer'n Se ja woll nich mehr gerechnet ham.« Der unmögliche Mensch grinste und schob das ganze Geld kurzerhand in die Hosentasche. »Ich darf et denn am besten als Gratifikatschon ansehn. – Nu gehn Se aber hin un geben Se Miß Drew 'n bißchen Maiskuchen. Am besten, Se weichen ihn erst in Wein uff.«
Anthony befolgte den Vorschlag des biederen Menschen, und als ihm Mac nach einiger Zeit folgte, kam er gerade dazu, wie Felicias Anthonys Handgelenke mit Streifen ihres Schals verband, während er sich dagegen verwahrte und sie bat, sich still zu verhalten.
»Mac«, rief sie ihm entgegen, »sagen Sie mir doch –«
»Garnischt sag' ich Ihnen«, versetzte er knurrig, »als dat Se hier so sicher sin, wie in Abrams Schoß. Jetz soll'n Se ruhen, damit Se Kräfte für'n Rückweg kriegen. Für'n Schipper gilt datselbe.«
Felicia streckte sich lächelnd aus und war innerhalb weniger Minuten in tiefen Schlaf gesunken.
Kirkpatrick befand sich gleichfalls am Ende seiner Kräfte. Physisch war er kaum stärker angestrengt als McBrayne, aber psychisch dem Zusammenbruch nahe. Auch er legte sich gehorsam nieder. Mac aber wartete noch ein Weilchen, bis seine Schutzbefohlenen schliefen, dann gähnte er mehrmals und folgte ihrem Beispiel.