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Neuntes Kapitel

Zwei sehr vornehme Damen treten auf. Vornehme Kleidung scheint auch stets vornehme Bildung anzudeuten.

Herr Burchell hatte uns kaum verlassen und Sophie eingewilligt, mit dem Kaplan zu tanzen, als meine Kleinen gelaufen kamen, uns zu sagen, daß der Gutsherr mit einer großen Gesellschaft angekommen sei. Bei unserer Rückkehr fanden wir unsern Gutsherrn mit einigen Herren und zwei reich gekleideten jungen Frauenzimmern, die er uns als sehr vornehme und modische Damen aus der Stadt vorstellte. Wir hatten nicht Stühle genug für die ganze Gesellschaft, und Herr Thornhill machte sogleich den Vorschlag, jeder Herr solle sich auf den Schooß seiner Dame setzen. Dagegen widersetzte ich mich aber bestimmt, ungeachtet der mißbilligenden Blicke meiner Frau. Moses wurde demnach abgeschickt, um ein Paar Stühle zu borgen; und da es auch an Damen fehlte, um die Paare zum Contretanz vollzählig zu machen, so begleiteten ihn die beiden Herren, um noch einige Tänzerinnen anzuwerben. Bald war für Stühle und Tänzerinnen gesorgt. Die Herren kehrten mit den rothwangigen Töchtern meines Nachbars Flamborough zurück, welche große rothe Bandschleifen im Haar trugen. Ein unglücklicher Umstand war indessen nicht berücksichtigt worden. Obgleich die beiden Fräulein Flamborough für die besten Tänzerinnen im ganzen Kirchspiel galten, und sich trefflich beim Schleifer und Kehraus herumzuschwenken wußten, so war ihnen der Contretanz doch völlig unbekannt. Dies setzte uns anfangs in einige Verlegenheit, doch nach einigem Zurechtweisen und Hin- und Herschieben ging es mit ihnen ganz lustig vorwärts. Unsere Musik bestand in zwei Geigen, einer Pfeife und einer Handtrommel. Der Mond schien hell. Herr Thornhill und meine älteste Tochter eröffneten den Ball zum großen Ergötzen der Zuschauer, denn als die Nachbarn hörten, was vorging, versammelten sie sich schaarenweise um uns. Meine Tochter bewegte sich mit so vieler Anmuth und Lebhaftigkeit, daß meine Frau den Stolz ihres Herzens nicht bergen konnte. Sie versicherte, die Kleine tanze zwar recht artig, doch jeder Schritt sei ihrer Mutter abgestohlen. Die Damen aus der Stadt bemühten sich vergebens, mit gleicher Leichtigkeit zu tanzen. Sie schwebten, zappelten, schmachteten und trippelten, doch ohne vorwärts zu kommen. Die Zuschauer meinten zwar, dies sei jetzt Mode, doch Nachbar Flamborough bemerkte, die Bewegung von Fräulein Olivia's Füßen stimme so genau mit der Musik überein, wie das Echo. Als der Tanz etwa eine Stunde gewährt hatte, gaben die beiden vornehmen Damen, aus Furcht, sich zu erkälten, das Zeichen zum Aufbruch. Die eine drückte ihre Empfindungen, wie mir es schien, auf etwas rohe Weise aus, indem sie bemerkte, daß sie ganz von Schweiß durchnäßt sei. Als wir ins Haus zurückkehrten, fanden wir ein treffliches Abendessen von kalter Küche, welches Herr Thornhill hatte anrichten lassen. Die Unterhaltung war jetzt noch gezwungener, als vorhin. Die beiden Damen stellten meine Töchter gänzlich in den Schatten, denn sie redeten nur von vornehmem Leben und vornehmer Gesellschaft, nebst andern modischen Gegenständen, so wie von Gemälden, vom Geschmack, von Shakespeare und von der Harmonika. Freilich verletzten sie uns mehr als einmal dadurch, daß sie einen Fluch ausstießen, doch das erschien mir als das sicherste Kennzeichen ihres hohen Standes, obgleich man mir später gesagt hat, daß das Fluchen durchaus nicht an der Mode ist. Ihr Staat warf jedoch einen Schleier über alle Rohheiten ihrer Unterhaltung. Meine Töchter schienen ihre höhere Bildung mit Neid zu betrachten, und Alles, was unschicklich erschien, wurde der höheren Lebensart zugeschrieben. Die Herablassung der Damen übertraf indeß noch ihre übrigen Vorzüge. Die eine äußerte, Fräulein Olivia würde unendlich gewinnen, wenn sie etwas mehr von der großen Welt sähe. Die andere fügte hinzu: »Ein einziger Winter in London würde aus Ihrer kleinen Sophie ein ganz anderes Wesen machen.« Meine Frau gab Beiden ihren wärmsten Beifall zu erkennen und fügte hinzu, sie habe keinen sehnlicheren Wunsch, als ihren Töchtern die Politur eines einzigen Winters zu verschaffen. Ich aber konnte nicht umhin, darauf zu erwiedern, daß ihre Bildung bereits über ihre Vermögensumstände hinausgehe. Eine größere Verfeinerung würde aber nur dazu dienen, ihre Armuth lächerlich zu machen und ihnen Geschmack an Vergnügungen beizubringen, auf die sie keine Ansprüche hätten. – »Welches Vergnügen,« rief Herr Thornhill, »sollten nicht die verdienen, in deren Macht es steht, so großes zu gewähren? – Was mich betrifft,« fuhr er fort, »mein Vermögen ist sehr beträchtlich. Liebe, Freiheit und Genuß sind die Grundsätze meines Lebens; doch ich will verdammt sein, wenn ich meiner reizenden Olivia nicht sogleich mein halbes Vermögen abtrete, im Fall es ihr Freude macht! Die einzige Gunst, um die ich bitten würde, wäre, mich selbst dem Geschenke beifügen zu dürfen.« Ich war nicht so unbekannt mit der Welt, um nicht einzusehen, daß dies Modegeschwätz die Frechheit eines höchst schändlichen Antrages umhüllen sollte; doch war ich bemüht, meinen Zorn zu unterdrücken. »Mein Herr,« rief ich, »der Familie, die Sie jetzt mit ihrer Gegenwart zu beehren sich herablassen, ist ein eben so seines Ehrgefühl eingeflößt, wie Sie es selber besitzen. Jeder Versuch, dasselbe zu verletzen, dürfte von gefährlichen Folgen sein. Ehre, mein Herr, ist jetzt unser einziger Besitz, und dieses letzte Kleinod müssen wir deshalb um so sorgfältiger bewahren.« Bald reute mich die Hitze, womit ich gesprochen, denn der junge Herr ergriff meine Hand, und betheuerte, er lobe meinen Muth, wenn er auch meinen Verdacht mißbilligen müsse. »In Betreff Ihrer jetzigen Anspielung,« fuhr er fort, »muß ich erklären, daß nichts meinem Herzen fremder ist, als ein solcher Gedanke. Nein, bei Allem, was verführen kann! die Tugend, die eine regelmäßige Belagerung erfordert, war niemals nach meinem Geschmack, denn alle meine Eroberungen mache ich durch einen einzigen kühnen Schlag.«

Die beiden Damen, die sich bisher gestellt hatten, 'als beachteten sie unser Gespräch nicht, schienen äußerst entrüstet über diesen letzten Zug von Ausgelassenheit und begannen ein sehr verständiges und ernsthaftes Gespräch über den Werth der Tugend, woran meine Frau, der Kaplan und ich nach und nach Theil nahmen. Auch Thornhill wurde zu dem Geständniß gebracht, daß er Neue über seine frühern Ausschweifungen empfinde. Wir redeten von den Freuden der Mäßigkeit und von der heitern Ruhe einer Seele, die von keiner Schuld befleckt ist. Diese Unterhaltung war mir so angenehm, daß meine Kleinen länger als gewöhnlich da bleiben durften, um sich an diesem moralischen Gespräche zu erbauen. Herr Thornhill ging sogar noch weiter als ich und fragte, ob ich etwas dagegen habe, das Gebet zu sprechen. Ich nahm diesen Vorschlag freudig an und so wurde der Abend angenehm hingebracht, bis die Gesellschaft aufzubrechen begann. Die Damen schienen sich sehr ungern von meinen Töchtern zu trennen, die sie lieb gewonnen hatten, und baten, daß sie sie nach Hause begleiten möchten. Der Gutsherr unterstützte diesen Vorschlag, meine Frau ebenfalls, und die Mädchen sahen mich bittend an. In dieser Verlegenheit brachte ich einige Entschuldigungen vor, die meine Töchter schnell beseitigten. Endlich sah ich mich genöthigt, eine bestimmte abschlägliche Antwort zu geben, und dafür hatte ich am folgenden Tage nichts als finstere Gesichter und einsilbige Antworten.


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