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Einst – ach, wie weit liegt das zurück –, einst in den Jahren meiner Jugend, meiner unwiederbringlich hingegangenen Kinderzeit, da kannte ich kein schöneres Vergnügen, als frisch zum erstenmal durch einen nie gesehenen Ort zu fahren. Ob es ein Dörfchen war, ein ärmliches Provinznest, ein Markt, ein Weiler, – mein wißbegieriger Kinderblick fand stets genug daran zu sehen. Jedes Bauwerk und jeder andre Gegenstand, der auch nur ganz schwach aufgeprägt den Stempel des Besonderen trug, packte und überraschte mich. Bald war es ein steinernes Gerichtsgebäude in dem bekannten Allerweltsstil, das, überreich an Fenstern, von denen freilich gut die Hälfte nur blind auf den Verputz gemalt war, einsam aus einem Meer von niedern hölzernen Bürgerhäuschen in den Himmel ragte; bald war es die langweilig runde, weißblechbeschlagene Kuppel, die blank die schneeigen Mauern einer erst eben fertig gewordenen Kirche krönte, bald war es das bunte Volksgetriebe eines Marktes, oder auch wohl ein Kleinstadtstutzer, der durch die Straße promenierte, – gar nichts entging der jungen, frischen Neugier. Ich drückte meine Nase an das Kutschenfenster und bewunderte hier einen Rock von einem Schnitt, den ich noch nie gesehen hatte, dort durch die Türe eines Kramladens die offenen Kisten, bis an den Rand gefüllt mit grauen Nägeln, mit leuchtend gelber Schwefelblüte, mit bräunlichen Rosinen, mit marmorierter Seife, und auf dem Ladentisch die Dosen mit alterstrocknem moskauer Konfekt. Dort drüben aber ging sogar ein Offizier, der weiß der liebe Gott aus welcher Garnison in diese Kleinstadtlangeweile verschlagen war, und hüben fuhr auf seiner Renndroschke ein Kaufmann in langem Überrock vorbei, – meine Gedanken folgten ihnen, versetzten sich mit ihnen in ihr enges Dasein. Und kam mir ein Beamter vom Kreisgericht entgegen, so fesselte auch der gleich meine Phantasie: wohin mag dieser Mann jetzt gehen, hat ihn wohl ein Kollege zum Abendessen eingeladen, oder geht er geradeswegs nach Hause? Wird er dort noch ein halbes Stündchen vor der Haustür sitzen und sich dann, wenn's richtig dämmerig wird, mit seiner Mutter, seiner Frau, mit seiner Schwägerin, mit allen seinen Leuten zu früher Stunde an den Eßtisch setzen? Wovon sie wohl dann nach der Suppe reden mögen, wenn ihnen die Magd mit der Glasperlenschnur um ihren weißen Hals oder der Hausbursch in der dicken Joppe das Talglicht auf dem alten, windschiefen Leuchter in die Stube trägt? – Und nahte auf der Reise unser Wagen einem Gut, so musterte ich voller Neugier den hohen, schlanken hölzernen Glockenturm oder die breitgelagerte und altersdunkle hölzerne Kirche. Lockend winkten mir schon aus der Ferne, vom Baumgrün halb versteckt, das rote Dach, die weißen Schornsteine des Herrenhauses zu, ich wartete mit Ungeduld, bis mir die Gärten den Blick darauf nicht länger hemmten, und bis die hübsche, stattliche Fassade frei vor mir lag. Und nach dem Äußeren des Hauses suchte ich zu erraten, was für ein Mensch wohl der Besitzer sei. War er ein dicker oder war er ein dünner Mann, hatte er Söhne oder vielleicht ein halbes Dutzend Töchter, und war von denen dann, wie es zu sein pflegt, das Nesthäkchen die Schönheit der Familie, erfüllten diese Mädel seine Stuben mit silbernem Gelächter und Tanz und Spiel, und hatten sie wohl schwarze Schelmenaugen? War der Herr Vater selbst ein Mann von fröhlichem Gemüt, oder war er verdrießlich wie ein später Septembertag, war seine einzige Lektüre das Taschenbuch für Landwirte und ödete er die Jugend mit ledernen Erörterungen über Roggen- und Weizenpreise an?
Ach, heute fahr' ich gleichgültig an jedem fremden Gut vorbei, gleichgültig streift mein Auge die unbekannte Häßlichkeit; mein kalter Blick fühlt sich nicht angeheimelt, nichts kann mein Lächeln wecken; was früher ein Erlebnis war, mich munter lachen und unendlich schwätzen machte, das gleitet jetzt an mir vorbei, und meine Lippen schweigen und zucken nicht einmal. Wo sind die frischen Jahre meiner Jugend hin?
Versunken in Gedanken, dachte Tschitschikow innerlich immer noch über den schönen Namen, mit dem die Bauern den Geizhals Pluschkin abgestempelt hatten, und bemerkte darüber gar nicht, daß er schon mitten in einem großen Dorf mit vielen Gassen und einer Menge Bauernkaten war. Doch sollte er es bald durch einen tüchtigen Puff erfahren, und diesen Puff verdankte er dem Knüppelpflaster, gegen das die städtischen Kopfsteine nichts besagen. Die quergelegten Knüppel tanzten unter dem Druck der Räder auf und nieder, den Hämmerchen in einem Pianoforte ähnlich; und wer darüber hinfuhr, ohne sich sehr in acht zu nehmen, hatte bald einen blauen Fleck am Hinterkopfe weg oder auch eine Beule an der Stirn, oder er brüllte gar vor Schmerz, weil er sich mit den eigenen Zähnen die Zungenspitze abgebissen hatte. Alle Gebäude, die zu dem Gut gehörten, sahen verkommen und vom Zahn der Zeit benagt aus: die Balken der Blockhütten waren kohlschwarz vor Alter, durch viele von den Dächern schaute das Himmelsblau wie durch ein Sieb, manch eines wies weiter nichts mehr auf als oben den Firstbalken und rechts und links die Sparren, die nackten Rippen gleich ins Freie starrten. Wahrscheinlich hatten die Bewohner selber die Schindeln und die Bretter abgerissen, in der gewiß der Logik nicht entbehrenden Erwägung, daß bei Regen die Hütte sowieso nicht dicht hielt, daß es bei gutem Wetter keinesfalls hereingoß, und daß man sich ja überhaupt nicht in den eigenen vier Wänden herumzusielen brauchte, da es im Wirtshaus oder auch im Straßengraben und sonstwo unter Gottes Himmel Raum zur Genüge gab. Den Fenstern in den Hütten fehlten meist die Scheiben, hier oder da war eins davon mit alten Lumpen oder einem zerfetzten Weiberrock verstopft. Die kleinen, völlig überflüssigen, von ausgesägten Holzgeländern umgebenen Balkone dicht unterm Dach, die man an vielen russischen Bauernkaten findet, hingen hier schief herunter und waren von einer Schmutzigkeit, daß sie nicht einmal eines Malers Auge reizen konnten. Hinter den Hütten zogen sich rings Reihen von riesigen Getreideschobern hin, die offenbar schon seit geraumer Zeit dort standen; sie hatten die Farbe schmutziger, schlecht gebrannter Backsteine angenommen, auf ihren Gipfeln wucherte das Unkraut, weiter unten hatten sogar größere Sträucher Wurzeln darin geschlagen. Dies Korn gehörte wohl dem Gutsherrn. Hinter den löcherigen Katendächern und den Getreideschobern hoben sich, zur Rechten bald und bald zur Linken, je nach den Wendungen, die Tschitschikows Halbchaise machte, zwei Dorfkirchen vom klaren Himmel ab, die eine nahe bei der anderen, – eine nicht mehr benutzte, die aus Holz erbaut war, und eine steinerne mit gelbgetünchten, von Feuchtigkeit zerfressenen Mauern, in denen lange Risse klafften. Hie und da schaute ein Stück des Herrenhauses zwischen den Hütten hervor, und endlich bot es sich in voller Größe den Blicken dar, über einen verunkrauteten wüsten Platz hinweg, der ehemals wahrscheinlich ein Küchengarten gewesen war, und um den sich ein niedriger, an manchen Stellen eingestürzter Plankenzaun herumzog. Dies sonderbare, endlos lange Haus glich einem mitleidwürdigen Invaliden. Zum Teil war es bloß einstöckig, zum Teil saß noch ein zweiter Stock darauf; über das dunkle Dach, das dem Gebäude an vielen Stellen nur sehr mangelhaften Schutz gewährte, ragten zwei Aussichtstürmchen in die Luft, an jedem Ende eins; sie waren beide mehr als wackelig, ihr Anstrich hatte sich vollständig abgeblättert. Die Mauern sahen äußerst mitgenommen aus; Sturm, Regen, Frost und Hitze hatten Löcher in den Verputz gebissen, so daß an vielen Stellen die Verrohrung nackt zu Tage trat. Von all den Fenstern waren im ganzen zwei dem Licht geöffnet, die andern zeigten festgeschlossene Laden oder waren schlechtweg mit Brettern zugenagelt. Doch auch die beiden offenen Fenster erschienen halb erblindet; im einen war das zersprungene Glas mit einem Dreieck aus blauem Zuckerhutpapier geflickt.
Hinter dem Hause lag ein großer, alter Park, der über das Dorf hinausreichte, und dessen letzte Ausläufer sich weit, weit hinten in den Feldern zu verlieren schienen. Und dieser ungepflegte, wieder Natur gewordene Park war auch das einzige, was Pluschkins Gute und dem verkommenen Dorf doch einen Schimmer ernsthafter Schönheit lieh, war weit und breit das einzige Stück Romantik in seiner malerischen Wildheit. Gleich grünen Wolkenballen und phantastisch geformten Kirchenkuppeln aus zitterigem Blattwerk standen die ineinander gefilzten Wipfel der frei emporgeschossenen Bäume gegen das lichte Firmament. Der kolossale schneeweiße Stamm einer uralten Birke, der ein Blitzschlag oder ein Sturm die Krone weggerissen hatte, stieg schimmernd aus dem grünen Dickicht, rund und blank, gleich einer edeln Marmorsäule. Die schiefe, nach oben zugespitzte Bruchstelle, die sie statt eines Kapitäles abschloß, saß finster auf der grellen Weiße, wie eine Trauerhaube oder ein schwarzer Totenvogel. Die Waldrebe, die drunten in der Tiefe das Ebereschen-, Hasel- und Holundergestrüpp üppig durchwucherte und weiter oben den langen Zaun mit lichtem Grün bekrönte, stieg noch ein Stockwerk aufwärts und schlang sich bis zur halben Höhe um den geköpften Birkenstamm. Von dort aus tasteten die Ranken sich in die Luft hinaus, manch eine faßte in die Zweige der Nachbarbäume, manch eine schwankte frei im leichten Windhauch und rollte ihre zähen Kletterhäkchen zu feinen Ringen auf. Hier und da gab eine Lücke in dem dichten besonnten Grün den Blick in schattige Tiefen frei, die wie ein finsterer Rachen gähnten. Dort drinnen war es beinah Nacht, mühselig unterschied das Auge in diesem grünen Dämmer ein Stückchen eines schmalen Schlängelpfades, ein eingebrochenes Geländer, die Trümmer einer Laube, den hohlen Stamm einer vermorschten Weide, graues Gestrüpp, das hinter dem Weidenstamm so dicht wie eine Bürste emporgewuchert war, ein wirres Durcheinander von abgestorbenem Ast- und Blattwerk; und mittendrin – ein junger Ahornzweig, der seine kühn gezackten Blätter voll Neugier von der Seite her in dieses Dunkel streckte. Und eines dieser Blätter war, durch einen wunderlichen Zufall, mit Sonnenschein getränkt und strahlte gleich einem grüngoldenen Wunderstern feurig inmitten all der Düsternis. Drüben am Zaun des Gartens trugen ein paar hoch über die andern Bäume aufgeschossene Espen gewaltige Krähennester aus den schwanken Wipfeln. Kurzum, das alles gab ein Bild, wie es uns weder die Natur allein, noch auch die Kunst allein je schenken kann, wie wir es nur da sehen, wo sich die zwei zusammentun, wo die Natur das unverständig glatt zurechtpolierte Menschenkunstwerk noch einmal mit dem Meißel aufrauht, die schweren Massen lockert, das zudringliche Ebenmaß zerstört, die bettelhaften Löcher schließt, durch die die nackte Absicht schamlos naiv hervorgrinst, – alles in wunderbare Wärme taucht, was kalte Reinlichkeit und zollstockbesessene Genauigkeit geschaffen haben.
Nachdem er noch zwei-, dreimal um die Ecke gebogen war, gelangte unser Held zum Hause selber, das in der Nähe zwiefach traurig wirkte. Graugrüner Schimmel deckte das morsche Holz an Zaun und Tor. Viele verfallene Gebäude, Gesindehäuser, Scheuern, Keller umringten den weiten Hof. Zur Rechten und zur Linken führten andre Tore in weitere Höfe. Alles sprach klar davon, daß hier einstmals ein großer Wirtschaftsbetrieb in flottem Gang gewesen war, – doch heute sah alles tot und düster aus. Nichts, was das öde Bild belebte, – kein Türenschlagen, kein munteres Auf und Ab von Leuten, nicht eine Spur von rüstiger Tätigkeit! Einzig das Haupttor war geöffnet, und das auch nur, weil eben ein Bauer mit einem vollen, mattenüberdeckten Fuder auf den Hof fuhr. Man konnte glauben, der Mann sei eigens herbestellt, damit das Ganze nicht so ausgestorben wirke. Zu andern Zeiten war wohl auch diese Pforte fest verrammelt, – das sah man an dem schweren Vorhängschloß, das an der Eisenkrampe hing. Vor einer von den Scheunen bemerkte Tschitschikow eine Gestalt, die mit dem eben angekommenen Bauern sofort in einen sehr erregten Wortwechsel geriet. Es blieb ihm lange zweifelhaft, ob dieses Wesen ein Mann sei oder eine Frau. Die Kleidung war neutral, sah aber doch vielleicht noch eher einem Weiberschlafrock gleich, und auch den Kopf bedeckte eine Mütze, wie sie die Mägde auf dem Lande tragen; die Stimme allerdings schien für ein Frauenzimmer reichlich rauh. – Jawohl, ein Frauenzimmer! stellte Tschitschikow in seinem Innern fest, fügte jedoch sogleich hinzu: – Nein, doch nicht! – Nach näherer Betrachtung kam er aber endgültig zu dem Schluß: – Natürlich ist's ein Frauenzimmer!
Das sonderbare Wesen faßte ihn gleichfalls interessiert ins Auge. Gäste empfing man hier bestimmt nicht oft, – das sah er an der Art, wie die Person nicht nur ihn selber, sondern auch Selifan und die drei Pferde vom Kopfe bis zum Schwanze musterte. Das Schlüsselbund, das ihr am Gürtel hing, und das unflätige Gekeif, mit dem sie auf den Bauern losfuhr, schienen Tschitschikow dafür zu sprechen, daß er hier an die Hausbesorgerin geraten sei.
»Sie, gute Frau,« sprach er und stieg aus seiner Chaise. »Ist wohl der gnädige Herr . . .?«
»Ist nicht zu Hause,« fiel ihm die Hausbesorgerin ins Wort, fügte aber nach einer kleinen Pause schnell hinzu: »Was wünschen Sie von ihm?«
»Ich komme in Geschäften.«
»Gehn Sie ins Haus!« sagte die Alte; sie wendete sich ab und wies ihm einen Rücken, der mit Mehl bestäubt war. In der Gegend des Gesäßes zeigte der Schlafrock ein gewaltiges Loch.
Tschitschikow betrat nur einen weiten, dunkeln Flur, aus dem es ihm wie kalte Kellerluft entgegenwehte. Vom Flur aus kam er in ein Zimmer, das gleichfalls dunkel war. Nur durch die Spalte unter einer Tür fiel ein klein bißchen Licht. Er machte diese Tür auf: hier war es endlich wieder hell; er prallte aber vor der Unordnung zurück, die er erblickte. Man hätte meinen können, es würden alle Fußböden im ganzen Haus gescheuert, und darum sei das Mobiliar vorläufig hier in diesem Raume abgestellt. Auf einem Tische stand sogar ein Stuhl, dem längst die Lehne fehlte, und neben ihm stand eine Uhr, an deren eingeschlafenem Pendel eine Spinne ihr Netz befestigt hatte. Mit einer Seite lehnte sich an die Wand ein Glasschrank voll Silberzeug, Kristallkaraffen und feinem Chinaporzellan. Daneben prunkte ein mit Perlmutter eingelegter Sekretär; doch war an vielen Stellen das Perlmutter herausgesprungen, und statt seiner grinsten einem flache, von gelbem Leime glänzende Vertiefungen entgegen. Auf diesem Sekretär trieb sich eine Unmasse des sonderbarsten Krams herum: ein Häufchen eng beschriebener Zettel, auf denen ein grüngewordener Marmorbriefbeschwerer mit einem kleinen Ei als Handgriff ruhte, ein alter Schweinslederfoliant mit rotem Schnitt, eine vertrocknete Zitrone, die etwa noch die Größe einer Haselnuß besaß, ein Stück von einer Sessellehne, ein sorgfältig mir einem Briefe zugedecktes Weinglas, darin in einer zweifelhaften Flüssigkeit drei tote Fliegen schwammen, ein weiß der liebe Gott wo aufgelesener Stofflumpen, zwei dick mit Tinte überkleckste Federn, die vor lauter Trockenheit schwindsüchtig aussahen, ein völlig gelb gewordener Zahnstocher, mit dem sich der Besitzer vielleicht vor der Einnahme von Moskau durch Napoleon seine Zähne mochte gestochert haben.
An den Wänden hingen dicht beieinander und nicht gerade in geschmackvoller Zusammenstellung zwei Bilder: ein kleiner vergilbter Stich, auf dem irgendeine Schlacht mit ungeheuern Trommeln, mit brüllenden Soldaten in dreieckigen Hüten und mit ersaufenden Pferden dargestellt war. Umschlossen war der Stich von einem Mahagonirahmen, den schmale Messingleisten und Bronzerosetten auf den Ecken schmückten. Daneben bedeckte ein altersdunkles Ölgemälde von riesigem Format die halbe Wand. Es war ein Stilleben aus Blumen, Früchten, einer angeschnittenen Wassermelone, einem Wildschweinskopf und einer Ente, die ihren toten Kopf traurig vom Tischrand niederbaumeln ließ. Mitten im Zimmer an der Decke hing ein Kronleuchter in einer Leinenhülle, die vor lauter Staub fast an den Kokon einer Seidenraupe erinnerte. In einer Ecke türmte sich ein Haufen aus geringerem Kram, der nicht der Ehre wert war, auf dem Tisch zu liegen. Den Inhalt dieses Haufens zu ergründen, war nicht leicht, – der Staub, der ihn bedeckte, war von einer Dicke, daß jeder, der es unternommen hätte, da hineinzugreifen, auf billige Art zu grauen Handschuhen gekommen wäre. Mit einiger Bestimmtheit unterscheiden konnte man nur ein abgebrochenes Stück von einer Holzschaufel und eine alte Stiefelsohle. Nichts legte einem den Gedanken nahe, es hause hier in diesem Zimmer ein Mensch mit Fleisch und Blut; nur eine abgetragene, äußerst verschlissene Mütze, die auf dem Tische lag, ließ diese Möglichkeit vermuten.
Tschitschikow war noch in die Betrachtung der sonderbaren Zimmereinrichtung versunken, als sich auf einmal eine Seitentüre auftat und jene Hausbesorgerin hereinließ, die ihm schon auf dem Hof begegnet war. Jetzt aber sah er, daß dies wohl eher ein Hausbesorger war; denn Hausbesorgerinnen rasieren sich wohl kaum, und dieses Wesen rasierte sich ganz ohne Zweifel, und zwar, wie man erkennen konnte, ziemlich selten, – sein Kinn und seine Wangen glichen auf ein Haar einem von jenen Stahldrahtstriegeln, die man zum Pferdeputzen braucht. Tschitschikow stand, eine stumme Frage in den Augen, und wartete mit Ungeduld darauf, was ihm der Hausbesorger zu vermelden hätte. Und dieser wartete darauf, was Tschitschikow ihm zu vermelden hätte. Endlich ward unserem Helden dies sonderbare Zögern doch zu lang, und er entschloß sich zu der Frage:
»Nun, und der gnädige Herr? Ist er zu Hause, was?«
»Er steht ja groß und breit vor Ihnen!«
»Wo?« fragte Tschitschikow.
»Herr, sind Sie kurzsichtig, was, oder . . .?« sagte der Hausbesorger. »Lieber Gott! Der Herr, – das bin doch ich!«
Tschitschikow prallte unwillkürlich einen Schritt zurück und sah den anderen mit großen Augen an. Er hatte schon eine Unmenge von sonderbaren Leuten kennen lernen, selbst Leute, wie sie der Verfasser und seine wertgeschätzten Leser höchstwahrscheinlich nie erblicken werden; doch einem solchen Mann war er noch nicht begegnet. Pluschkins Gesicht hatte nichts eigentlich besonders Auffälliges, – solche Gesichter findet man bei hageren alten Männern oft; nur sprang sein Kinn gewaltig vor, so daß er sich beim Ausspucken ein Taschentuch darüber decken mußte, damit ihm kein Malheur passiere. Die kleinen Äuglein waren noch sehr lebhaft und lugten unter den buschigen Brauen vor wie Mäuse, die scheu die Köpfe aus ihren dunkeln Löchern strecken, die kleinen Ohren spitzen und mit gesträubtem Schnurrbart heftig schnuppern, um sich zu vergewissern, ob nicht da draußen irgendwo die Katze oder ein böser Bube auf der Lauer liegt. Viel sonderbarer war das Gewand, das Pluschkin trug. Mit aller Kunst und Mühe hätte man nie ergründen können, woraus denn eigentlich sein Schlafrock hergestellt war; die Ärmel und das ganze Oberteil erschienen so blank vor lauter Schmutz, daß sie dem Juchtenleder ähnlich sahen, aus dem man Wasserstiefel macht; und hinten baumelten statt der sonst üblichen zwei Schöße deren vier, die Löcher zeigten, aus denen überall die Watte in grauen Büscheln starrte. Um Pluschkins Hals schlang sich ein völlig rätselhaftes Ding; es war vielleicht ein Strumpf, vielleicht ein Stück Verbandstoff, vielleicht auch eine Leibbinde, – eine Krawatte war es sicher nicht. Kurzum, wenn dieser Mensch in solchem Aufzug Tschitschikow vor einer Kirchentür begegnet wäre, so hätte er ihm ohne Zweifel einen Kupfergroschen zugeworfen. Zur Ehre unseres Helden sei ausdrücklich festgestellt, daß er ein gutes Herz besaß und gerne jedem Bettler den üblichen Groschen schenkte. Aber der vor ihm stand, war ja kein Bettler, sondern war der Besitzer dieses Gutes; er hatte als solcher über tausend Seelen im Bezirk, es gab rings in der Gegend keinen zweiten, in dessen Scheuern so viel Korn und Mehl und Saatgetreide aufgespeichert war, in dessen Vorratskammern, Kellern, Trockenboden derartige Vorräte lagerten an Leinwand, hausgewebtem Tuch, gegerbten sowie rohen Schaffellen, getrockneten Fischen und Gemüsen und Schwämmen jeder Art. Auf hundert Meilen in der Runde gab es nicht einen Wirtschaftshof, wo eine solche Menge von nie benutztem Holzgerät und allerlei Geschirr aus Holz gefunden werden konnte. Man meinte auf den Spanmarkt in der Großstadt Moskau versetzt zu sein, wo jeden Tag die tüchtigen alten Damen, begleitet von den Köchinnen, zusammenströmen, um für die Wirtschaft ihrer Töchter und Schwiegertöchter einzukaufen. Zu Bergen türmt sich da das weiße Holzgerät, – geflochtene, gedrechselte, sauber gefugte und geleimte Ware: Tonnen, Kübel, Zuber, Büchsen, Kannen mit und ohne Schnauze, Körbe, Hechelbretter für den Flachs und weiß der liebe Gott was sonst noch alles, aus Espenzweigen fein geflochtene Körbe, Dosen aus Birkenrinde und noch tausend andere Dinge, wonach bei armen und bei reichen Leuten im weiten Reußenland Nachfrage und Begehr ist. Nun wird man fragen, wozu Pluschkin solch eine Riesenmenge dieser Dinge nötig hatte. Bis an sein seliges Ende hätte er das alles auch nicht auf zwei Gütern von der Größe des seinen wirklich in Verwendung nehmen können; ihm aber schien das trotzdem nicht genug. Er streifte Tag für Tag auf allen Wegen seines Gutes umher, schaute unter die Brücken und die Stege und machte sich jedweden Gegenstand zu eigen, der ihm nur irgend in die Augen fiel. Ob's eine alte Stiefelsohle war, ein Fetzen von einem Weiberrock, ein Nagel, ein Scherben von einem irdenen Topf, – alles kam auf den Haufen, den Tschitschikow in einer Ecke seines Zimmers liegen sah. »Da geht der Fischer wieder auf den Fang!« sagten die Bauern, wenn sie ihn bei seinen Beutezügen beobachteten. Wo er gegangen war, tat es nicht Not, die Straße noch zu fegen. Verlor ein Offizier, der durch das Dorf ritt, einen Sporn, – so lag der Sporn im Handumdrehn auf dem bewußten Haufen. Wenn eine Frau in ihrer Schläfrigkeit je einmal einen Eimer am Brunnen stehen ließ, dann nahm er auch den Eimer mit. Übrigens, wenn ihn dabei ein Bauer auf frischer Tat ertappte und sich kräftig rührte, dann stritt er nicht erst lange Zeit und gab den Raub heraus. War aber etwas erst auf seinem Haufen angelangt, so war es auch auf Nimmerwiedersehn dahin: er schwor, das Ding gehöre ihm, er hätte es dort und dort von dem und dem gekauft, oder es schon von seinem Großvater geerbt. In seinem Zimmer hob er alles, was ihm nur irgend in die Augen kam, vom Boden auf: ein Bröckchen Siegellack, ein Stückchen Papier, ein Federchen; und jedes Stück ward sorgfältig auf den bekannten Sekretär oder auch auf das Fensterbrett gelegt.
Und dabei hatte es einst eine Zeit gegeben, da Pluschkin nur haushälterisch im guten Sinne war. Er hatte Frau und Kinder, gern besuchten ihn die Nachbarn und blieben auch zu Tisch und lauschten seinen Worten und lernten Wirtschaft und weise Sparsamkeit von ihm. Alles ging seinen tüchtigen und ordentlichen Gang: die Mühlen drehten sich, die Weberschiffchen flogen, die Späne raschelten ohne Aufhör von den Hobelbänken, die Räder schnurrten fleißig in den Rockenstuben. Der scharfe Blick des Herrn war überall und lief, gleich einer fleißigen Spinne, sorglich, doch flink, von einem Ende des weitverzweigten Wirtschaftsnetzes bis zum andern. Und war es auch kein mächtiges Gefühl, das seinen Zügen den Stempel aufdrückte, – aus seinen Augen sprach ein heller Sinn, durch seine Rede klang Erfahrung und Kenntnis von den Dingen dieser Welt; gern lauschte ihm der Gast. Die muntere und redefrohe Gutsfrau war eine liebenswürdige Wirtin, zwei hübsche Töchter standen ihr dabei zur Seite, beide hellblond, und frisch wie junge Rosen; ein aufgeweckter kleiner Bengel von Sohn war da, und der begrüßte jeden kindlich mit einem Kuß, ohne danach zu fragen, ob das dem Gast auch Freude mache. Kein Fenster, das dem Licht verschlossen blieb; im Entresol, da hauste ein französischer Erzieher, der immer tadellos rasiert und ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn war; gar oft verschönte er den Speisezettel durch Birkhühner und Wildenten, zuweilen auch durch Kräheneier, aus denen er dann freilich für sich allein ein Rührei machen lassen mußte, weil sich sonst jedermann im ganzen Haus vor solchen Leckerbissen ekelte. Im gleichen Entresol gab's auch ein Zimmer für eine Landsmännin des waidgerechten Franzmanns, die als Erzieherin der beiden jungen Mädchen angestellt war. Der Hausherr selbst erschien zu Tisch in einem zwar ein bißchen abgetragenen, doch sauberen und ordentlichen Rock. Dann aber starb die Gutsherrin; ein Teil von ihren Schlüsseln, und damit ein Teil von ihren kleinen Sorgen und Geschäften, ging auf ihren Gatten über. Pluschkin verlor die Ruhe und wurde, wie wohl die meisten Witwer, mißtrauischer und sparsamer, als er vorher gewesen war. Von Alexandra, der älteren der beiden Töchter, versprach er sich nichts Gutes, – und damit behielt er Recht: sie brannte bald darauf mit dem Stabsrittmeister eines Dragonerregimentes durch und ließ sich in irgendeiner Dorfkirche bei Nacht und Nebel mit ihm trauen, – sie kannte ihres Vaters sonderbares Vorurteil, daß alle Offiziere Hasardöre und Verschwender wären. Pluschkin schickte ihr seinen Fluch nach und sagte sich ohne weiteres von ihr los. Die Leere in seinem Hause wuchs. Der Lehrer kam fort, denn Pluschkins Sohn war nun so groß, daß er sich bald dem Staatsdienst widmen sollte: Madame ward Knall und Fall entlassen, weil sie bei der Entführung Alexandras die Hand im Spiel gehabt hatte. Der Sohn fuhr in die Provinzialhauptstadt und sollte dort nach seines Vaters Willen in den Gerichtsdienst treten. Aber statt dessen meldete er sich bei einem Regiment und schrieb das seinem Vater erst, als er schon angenommen war. Er bat um Geld für seine Equipierung, bekam aber natürlich, wie das der Volksmund auszudrücken pflegt, »'nen Dreck«. Schließlich starb auch noch Pluschkins zweite Tochter, die als das einzige Kind bei ihm im Haus geblieben war; der Alte fand sich völlig einsam und verlassen als Wächter, Schatzmeister und Herr des ganzen großen Reichtums. Dies Eremitendasein gab seinem Geize gute Nahrung. Der Geiz hat einen Wolfshunger und wird nur immer unersättlicher, je mehr er in sich schlingt. Des Alten menschliches Gefühl, das nie besonders tief gewesen war, schrumpfte mit jeder Stunde mehr zusammen, und täglich bröckelte ein neuer Stein aus der vermorschenden Ruine. Dann mußte eines schönen Tages noch, wie um ihn in der schlechten Meinung über den Offiziersstand zu bestärken, sein Sohn all seine Habe im Hasard verspielen. Er schickte ihm in hellem Zorne seinen väterlichen Fluch und interessierte sich fortan nie wieder dafür, ob der Sohn noch irgendwo auf dieser Erde lebte. In jedem Herbste wurden wieder ein paar der Fenster seines Hauses zugenagelt, bis schließlich nur noch zwei der Fenster offen blieben, von denen, wie der Leser bereits erfahren hat, das eine mit blauem Zuckerhutpapier geflickt war. Mit jedem Jahr verlor der alte Pluschkin ein bißchen mehr vom Überblick über den Gutsbetrieb im Großen, verstrickte er sich tiefer in jämmerlichen Kleinkram und hatte nur noch Augen für die Papierstückchen und Federchen, die er in seinem Zimmer auflas. Und immer härtere Arbeit hatten mit ihm die Aufkäufer, die angefahren kamen, ihm die Produkte seiner Wirtschaft abzuhandeln. Die Händler markteten und feilschten, gaben es aber am Ende gänzlich auf und sagten, dies wäre ja ein Teufel, und kein Mensch. Sein Heu und Korn verfaulten, die Schober und die Haufen wurden schlechtweg zu Mist, – man hätte Kohl auf ihnen bauen können. Das Mehl in seinen Kellern buk sich zu Stein zusammen und mußte mit dem Beil zerkleinert werden. Das Tuch, die Leinwand und die anderen Stoffe zerfielen in Staub, sobald man sie berührte. Pluschkin selber wußte nicht mehr, wieviel von dem und jenem er überhaupt besaß, er wußte nur, wo dieses Federchen und jenes Stückchen Siegellack zu finden war, und wo in seinem Schrank ein Fläschchen mit einem Restchen irgendeines Schnapses stand, und hatte sich außen an der Flasche ein Zeichen hingemacht, damit ihm ja kein Diebsgesicht von einem Dienstboten den Schnaps wegtränke. Und dabei liefen die Einkünfte des Gutes ruhig weiter: so und so viel Erbzins hatte der Bauer zu bezahlen, das und das Deputat an Nüssen hatte die Bäuerin zu liefern, so und so viel Stücke Leinwand mußte die Weberin fertigstellen. Das alles kam dann auf die Lager und wurde mit der Zeit zu Müll und Abfall. Und schließlich war der Gutsherr selber nichts mehr als ein verrottetes Stück Abfall der menschlichen Gesellschaft. Seine Tochter Alexandra besuchte ihn mit ihrem kleinen Sohn, – sie hoffte, ihrem Vater irgend was herauszulocken: das unseßhafte Leben mit ihrem Rittmeister war wohl viel weniger glanzvoll, als sie sich's vor der Hochzeit hätte träumen lassen. Pluschkin verzieh ihr väterlich und gab dem kleinem Enkel großmütig einen alten Knopf zum spielen, der irgendwo auf seinem Tische lag, an Geld jedoch bekam sie keinen Groschen. Das zweitemal hatte die Tochter zwei Sprößlinge bei sich; sie brachte außerdem ein Osterbrot zum Tee mit und einen schönen neuen Schlafrock, denn Vaters Schlafrock war wirklich schon so schlecht, daß es einem das Herz umdrehte, wenn man ihn darin sah. Pluschkin streichelte seine Enkel zärtlich, setzte den einen auf sein rechtes, den andern auf sein linkes Knie und ließ sie Hoppereiter machen. Das Osterbrot und auch den Schlafrock nahm er mit vielem Dank an, gab aber seiner Tochter nichts dafür; und so zog denn die arme Alexandra mit langer Nase ab.
Von dieser Sorte war der Gutsbesitzer, der Tschitschikow hier gegenüberstand. Ich gebe ohne weiteres zu, daß solche Käuze in unserm Rußland nicht gerade oft zu finden sind, da sich der Russe meist viel eher auf den Großartigen herausspielt, als daß er am Krummliegen Freude fände. Um so auffälliger wirkt jeder solche Geizhals, weil ganz gewiß in seiner allernächsten Nachbarschaft ein andrer Gutsbesitzer haust, der auf dem größten Fuße russischer Verschwendung lebt, der ohne Sorgen um die Zukunft den reichen Herrn spielt und sich sein Leben fröhlich um die Ohren schlägt. Der Wanderer, der hier fremd ist, stutzt verwundert, wenn er sein Gut erblickt, und kann gar nicht begreifen, wie da auf einmal unter all die bescheidenen kleinen Landleute so ein millionenschwerer Fürst kommt. Gleich stolzen Königsburgen prangen die weißen Steinpaläste, ein Gewirr von Schornsteinen, Türmchen, Wetterfahnen starrt von den Dächern in die Luft; und ringsum lagert eine ganze Herde von Kavalier- und Dienerschaftsgebäuden. Da gibt es eitel Lust und Herrlichkeit! Theater, Bälle, Feste! Die ganze Nacht erstrahlt der Park vom bunten Lichte der bengalischen Beleuchtung und tausend offenen Flackerlämpchen, bis an den Morgen dröhnen seine Tiefen vom Donner der Musik. Der halbe Amtsbezirk lustwandelt geputzt und fröhlich durch die Baumalleen, und niemand spürt das schicksalsschwangere Dräuen, das hinter dieser protzigen Helle unheimlich auf der Lauer liegt, kein Auge sieht den Zweig da droben, der sich, vom falschen Licht grell angestrahlt und seines frischen Grüns beraubt, aus all dem Blätterdickicht theatralisch abhebt, und gegen den der nächtige Himmel nur um so finsterer, verschlossener, nur um so mitleidloser zürnend steht, kein Auge sieht der Bäume Wipfel, an denen bang das Blattwerk schauert und die sich zornig dichter in tiefe Dunkelheit vermummen und grollend niederschauen auf all den schwindelhaften Glanz, der drunten über ihre Wurzeln fließt.
Ein paar Minuten schon stand Pluschkin da, ohne ein Wort zu sagen; auch Tschitschikow war noch nicht fähig, die Unterhaltung zu beginnen, – so vor den Kopf geschlagen fühlte er sich beim Anblick seines Hausherrn, sowie alles dessen, was er in diesem Zimmer sah. Er überlegte sich, womit er seinen Besuch begründen solle, und war schon drauf und dran, etwa zu sagen, er hätte soviel von Pluschkins Seelengröße und seinen ungewöhnlichen Charaktereigenschaften gehört und hielte es darum für seine Pflicht, ihm seine Hochachtung persönlich auszusprechen; doch er besann sich rechtzeitig und merkte, daß dies doch ein bißchen übertrieben klingen würde. Er warf noch einmal einen Rundblick durch das Zimmer und kam zu der Erkenntnis, daß man die Worte »Seelengröße und ungewöhnliche Charaktereigenschaften« zweckmäßigerweise durch die Worte »Ordnung und Sparsamkeit« ersetzen könnte. So sagte er denn, in Abwandlung seiner zuerst geplanten Ansprache, er hätte so viel von Pluschkins bekannter Sparsamkeit und seiner mustergültigen Wirtschaftsführung gehört, daß er es schlechterdings als seine Pflicht empfände, ihn persönlich kennen zu lernen und ihm seine Hochachtung zum Ausdruck zu bringen. – Natürlich hätte sich wohl eine andre und bessere Motivierung für seinen Besuch ausfindig machen lassen, aber ihm fiel im Augenblick nichts anderes ein.
Pluschkin murmelte irgend etwas durch seine Lippen, denn Zähne hatte er keine mehr. Was er da murmelte, blieb unverständlich; der Sinn war aber etwa: – Wenn dich mitsamt deiner verdammten Hochachtung doch nur der Teufel holen wollte! – Aber weil nun einmal bei uns zulande Gastfreundschaft eine so eingebürgerte Volkstugend ist, daß selbst der größte Geizhals sich ihren Vorschriften nicht ganz entziehen kann, fügte er ein klein wenig deutlicher hinzu:
»Nehmen Sie, bitte, Platz! – Ich seh' schon lange keine Gäste mehr bei mir. Und ehrlich gestanden, weiß ich auch nicht, was eigentlich der Zweck von der Besucherei sein soll. Ich find' es einfach unpassend, sich gegenseitig so ins Haus zu fallen, es kostet auch nur Zeit und Geld. Das Allertollste ist, daß man den fremden Pferden sein gutes Heu vorwerfen muß! Meine Mittagstunde ist längst vorbei, und meine Küche ist so niedrig und auch der Herd so schlecht, dazu ist noch der Schornstein eingestürzt, – sobald man Feuer anmacht, brennt das ganze Haus auf!«
– Aha, ich merk' was! dachte Tschitschikow bei sich. – Ein wahres Glück, daß ich bei Sabakewitsch den Quarkkuchen und ein gesundes Stück vom Hammelrücken zu mir genommen habe!
»Und so ein ärgerlicher Zufall, daß nicht ein Bündel Heu in meiner ganzen Wirtschaft vorhanden ist!« fuhr Pluschkin fort. »Na ja, woher soll es auch kommen? Das Gut ist klein, der Bauer sündhaft faul, er drückt sich von der Arbeit fort und denkt nur an die Kneipe. Kann leicht geschehn, daß man auf seine alten Tage noch betteln gehen muß!«
»Aber,« wendete Tschitschikow bescheiden ein, »ich hab' mir sagen lassen, Sie besäßen an die tausend Seelen.«
»Wer sagt das? Ins Gesicht hätten Sie den Menschen spucken sollen, der Ihnen das erzählt hat, bester Herr! Das war ein Witzbold, der Sie nur zum Besten halten wollte. Tausend Seelen – ist sehr leicht gesagt; zählt man dann aber nach, dann kommt man leider nicht sehr weit! Was mir in den drei letzten Jahren bloß für eine Menge Bauern an dem verfluchten Fieber weggestorben sind!«
»Ach, was Sie sagen? Soviel Bauern sind Ihnen weggestorben?« rief Tschitschikow sehr lebhaft.
»Ja, massenhaft!«
»Und, wenn man fragen darf: wieviel denn doch?«
»So an die achtzig Seelen.«
»Nein?!«
»Ich werde doch nicht lügen, bester Herr!«
»Gestatten Sie noch eine Frage: ich nehme an, daß alle diese Bauern erst nach der letzten Richtigstellung der Revisionsliste gestorben sind?«
»Ach, wenn das alle wären seit der Revision, da würd' ich meinem Herrgott danken!« sagte Pluschkin. »Seit damals sind es leider an die hundertzwanzig.«
»Was? Wirklich? Ganze hundertzwanzig?« rief Tschitschikow und staunte seinen Wirt mit offenem Munde an.
»Nein, bester Herr, zum Lügen bin ich schon zu alt: ich werde nächstens siebzig!« sagte Pluschkin, sichtlich verstimmt durch Tschitschikows erfreute Miene.
Und unser Held sah selber ein, daß so viel Gleichgültigkeit im Angesichte fremden Kummers unpassend war, er preßte deshalb einen schweren Seufzer aus der Brust und äußerte sein Beileid.
»Ihr Beileid kann ich mir ja leider nicht auf Zinsen legen,« sagte Pluschkin. »Hier ganz in meiner Nähe wohnt ein Kerl von Hauptmann, der liebe Gott soll wissen, wo er herkommt; er wär' verwandt mit mir, behauptet der Kujon. ›Onkelchen!‹ ist sein drittes Wort; die Hand tut er mir küssen. Wenn der mit seinem Beileid anfängt, heult er so, daß einem gleich die Ohren wehtun. So einen roten Kopf hat er, – kommt höchst wahrscheinlich von seiner Leidenschaft für das gebrannte Wasser. Hat wohl in seinen Leutnantstagen sein ganzes Geld verjuxt, oder eine Theaterfee har ihn darum erleichtert, – und deshalb macht er jetzt in Beileid!«
Tschitschikow versicherte Herrn Pluschkin, daß sein Beileid von andern Eltern wäre als die Krokodilstränen des Hauptmanns, er sei von Herzen gern bereit, ihm seine Teilnahme nicht nur mit Worten, sondern zugleich mit Taten zu beweisen. Einmal so weit, entschloß er sich nun kurz und erbot sich, ohne noch weiter abzuschweifen, die Bezahlung der Steuern für alle auf so bedauerliche Art zu Tod gekommenen Bauern aus seiner Tasche zu bestreiten. Dieser Vorschlag verblüffte Pluschkin im höchsten Grad. Die Augen quollen ihm förmlich aus dem Kopf, er starrte seinen Gast ein paar Sekunden schweigend an und fragte endlich:
»Ja, lieber Herr, dann sind Sie also auch Offizier gewesen?«
»Nein,« sagte Tschitschikow mit einem Lächeln, »ich war nur im Zivildienst.«
»Zivildienst?« murmelte Pluschkin und bewegte seine Lippen, als ob er etwas kaue. »Ja aber, wie . . .? Das ist ja doch Ihr eigner Schaden?«
»Wenn ich Ihnen damit gefällig sein kann, nehm' ich den Schaden gern auf mich.«
»Ach, lieber Herr! Ach, lieber Freund und Gönner!« rief Pluschkin und achtete vor lauter Freude gar nicht drauf, daß ihm der Schnupftabak gleich dickem Kaffeesatz recht unästhetisch aus der Nase quoll, und daß die Schöße seines Schlafrocks sich öffneten und darunter Kleidungsstücke zum Vorschein kamen, die wirklich keine schöne Perspektive auftaten. »Was Sie mir altem Mann für eine Freude machen! Ach, lieber Gott! Ach, alle Heiligen . . .!« Hier verschlug es Pluschkin vor Glückseligkeit einfach die Rede. Doch kaum eine Minute später schwand die Freude, die so plötzlich auf seinem hölzernen Gesicht erschienen war, genau so plötzlich wieder hin, als wäre sie nie dagewesen. Der mißtrauisch besorgte Ausdruck trat von neuem in seinen Blick. Er rieb sich mit dem Taschentuch die Stirn, ballte es dann zu einem Knäuel und wischte sich die Oberlippe.
»Ja aber, gestatten Sie, und sein Sie mir nur ja nicht böse, – Sie wollen also Jahr für Jahr die Steuern zahlen? Schicken Sie da das Geld an mich, oder direkt ans Rentamt?«
»Wir regeln es am besten so: wir machen über diese Seelen ganz einfach einen Kaufvertrag, als wenn sie noch am Leben wären, und als ob Sie mir die Seelen regelrecht verkauften.«
»Tja, einen Kaufvertrag . . .« sagte Pluschkin, und bewegte wieder die Lippen, als ob er etwas kaue. »Aber ein solcher Kaufvertrag ist eine teure Sache. Diese Beamten sind ja solche Schurken! In früheren Zeiten war's mit einem halben Rubel Kupfer und einem Säckchen Mehl getan gewesen, heute erwarten diese Kerle gleich ein Fuder Grütze, und einen roten Lappen noch dazu, – so eine gottvergessene Habgier! Ich kann gar nicht verstehn, daß sich die Leute das alles so stillschweigend bieten lassen! Daß keiner diesen Burschen einmal richtig ins Gewissen redet. Ein gutes Wort hat eine gute Statt. Da mag man sagen, was man will: wenn man so einem richtig ins Gewissen redet, – das muß doch Eindruck machen!«
– Auf dich würde es, befürchte ich, sehr wenig Eindruck machen! dachte Tschitschikow bei sich. Dann aber erklärte er dem Gutsherrn, er sei bereit, aus Hochachtung für ihn auch die Verbriefungskosten auf seinen Teil zu übernehmen.
Dies Angebot gab Pluschkin die Gewißheit, daß sein Gast ein ungeheurer Dummkopf wäre. Es konnte auch nur Schwindel sein, was er da von Zivildienst geredet hatte, – er war ganz sicher Offizier gewesen und hatte sich mit Weibern vom Theater abgegeben. Trotz allem aber konnte er seine Freude nicht bei sich behalten. Er wünschte Gottes Segen nicht nur auf Tschitschikow herab, sondern sogar auf dessen liebe Kinderchen, ohne danach zu fragen, ob er Kinder hätte. Dann ging er schnell zum Fenster, klopfte eifrig an die Scheiben und rief:
»He, Proschka!«
Man hörte, wie jemand auf den Flur gelaufen kam, dort aber längere Zeit verzog und ein Getrampel mit den Stiefeln machte; am Ende ging die Tür auf, und herein trat Proschka, ein dreizehnjähriger Junge in so gewaltigen Stiefeln, daß sie ihm bei jedem Schritt fast von den Füßen fielen. Der Grund dafür, daß Proschka Stiefeln von dieser Größe trug, war einfach der: Pluschkins gesamtes Hausgesinde besaß gemeinsam nur ein einziges Paar Stiefel, das immer auf dem Flur bereit stand. Wer in die inneren Gemächer gerufen wurde, lief barfuß durch den Hof, zog auf dem Flur die Stiefel an und trat mit ihnen ausgerüstet in das Zimmer. Verließ er dieses wieder, so zog er auf dem Flur die Stiefel aus und machte sich auf seinen angewachsenen Sohlen fort. Wer hier zur Herbstzeit, und besonders in der Frühe, wo die Pfützen leicht überfroren sind, zum Fenster hinausgesehen hätte, der wäre baß erstaunt gewesen, in was für kühnen Sprüngen sich Pluschkins Dienerschaft bewegte, gelenkiger, als man es vom leichtfüßigster Tanzmeister auf dem Theater sehen kann.
»Nein, lieber Herr, nein, sehn Sie ihn nur an, den Galgenvogel!« sprach Pluschkin zu Tschitschikow und deutete auf Proschka. »So dumm wie Bohnenstroh; aber man braucht nur etwas ohne Aufsicht hinzulegen, – schon hat er es gemaust! Was suchst du denn hier drin, du Esel, du? Was willst du, he?« Er schwieg ein Weilchen, und Proschka schwieg sich gleichfalls aus. »Stell gleich die Teemaschine auf, verstanden? Und nimm den Schlüssel da und gib ihn Mawra: in der Speisekammer auf dem Regal liegt noch ein bißchen von dem Zwieback, den sie mir aus dem Osterbrot von meiner Tochter gebacken hat, – den soll sie uns zum Tee hereinbringen! – Halt, wohin willst du? Hanswurst! Ach, du Hanswurst! – Sitzt dir der Teufel auf den Fersen, was? – Hör erst, was man dir sagt! Der Zwieback ist von außen wohl nicht mehr ganz frisch, sie soll ihn mit dem Messer abkratzen, aber natürlich nicht die Krumen wegschmeißen, – die soll sie unsern Hühnern geben. Und, lieber Freund, eins rat' ich dir: setz du mir keinen Fuß, verstanden, in die Speisekammer; sonst nehm' ich dich mit ungebrannter Birkenasche in Behandlung, du wirst schon merken, wie das schmeckt. Es schmeckt dir so wie so zu gut, dann schmeckst du mal was Neues! Probier nur, in die Speisekammer hineinzugehn – ich seh' dir aus dem Fenster nach! – Nicht über den Weg darf man der Bande trauen,« fuhr Pluschkin, zu Tschitschikow gewendet, fort, als Proschka samt den Riesenstiefeln glücklich verschwunden war. Und jäh erfaßte ihn ein tiefes Mißtrauen auch gegen seinen Gast. Dieser ganz ausgefallene Edelmut erschien ihm plötzlich einfach unglaubhaft; er dachte sich in seinem Sinn: – Ja, weiß der liebe Gott! Am Ende ist er einfach nur ein Prahlhans und ein Schwindler, wie diese Bummler es ja alle sind: er lügt mir recht die Hucke voll, damit ich mich für ihn in Unkosten begebe und er sich seinen Bauch mit meinem Tee vollschlagen kann, und dann . . . dann hab' ich ihn gesehn! – Deswegen sagte Pluschkin vorsichtshalber und um Tschitschikow ein bißchen auf den Zahn zu fühlen, es wäre wohl das Klügste, den Vertrag baldmöglichst abzuschließen; das Menschenleben sei ein so gebrechlich Ding: wer heute rot, sei morgen vielleicht tot, wenn es in Gottes heiligem Willen liege.
Tschitschikow erklärte sich zu schleuniger Erledigung des Geschäftes gern bereit und bat um ein vollständiges Verzeichnis der gestorbenen Bauern.
Pluschkin atmete auf. Man sah ihm an, daß er mit einem schweren Entschlusse rang; und richtig: er holte ein Schlüsselbund hervor, ging an den Glasschrank, schloß ihn auf, kramte ein Weilchen zwischen den Gläsern und den Tassen herum und sagte dann:
»Wo er nur stecken mag? Ich hatte noch so einen Rest feinen Likör, – wenn ihn die Bande nur nicht ausgesoffen hat, das Diebsgesindel das! Ach ja, das wird er sein!« Tschitschikow sah in Pluschkins Hand eine kleine Kristallkaraffe, die förmlich in ein Hemd von Staub gekleidet war. »Den hat noch meine Selige angesetzt,« fuhr Pluschkin fort, »und diese schurkische Mamsell, die hatte ihn ganz einfach so verkommen lassen; nicht einmal zugestöpselt hat sie ihn. Dies Luder! Käferchen und alles mögliche Viehzeug waren darin ersoffen, aber ich hab' den ganzen Dreck herausgefischt; jetzt ist er wieder sauber, ich schenke Ihnen gern ein Gläschen ein.«
Freund Tschitschikow bedankte sich ergebenst für den herrlichen Likör, – er hätte schon gegessen und getrunken.
»Gegessen und getrunken!« nickte Pluschkin. »Natürlich, wenn man es mit einem Kavalier zu tun hat, dann dankt er immer und ist satt; kommt einem aber irgend so ein Hochstapler ins Haus, in den kann man hineinfüttern, so viel man will . . . Zum Beispiel dieser Hauptmann; wenn mich der Kerl besucht, der weiß nichts anderes als: ›Onkelchen, gibt es denn nichts zu essen?‹ – Ich bin ganz mit dem gleichen Recht sein Onkel, wie er mein Großpapa. Zu Hause hat der Kerl wahrscheinlich nichts zu fressen, und darum zieht er in der Nachbarschaft herum! – Ach ja, Sie brauchen ein Verzeichnis von allen diesen Faulpelzen? Natürlich! Ja! Ich hab' sie alle, so gut es ging, auf ein besonderes Papier geschrieben, damit sie bei der nächsten Revision sofort gestrichen werden.« Pluschkin setzte die Brille auf und begann in seinen Papieren herumzuwühlen. Er schnürte ein Bündel nach dem andern auf und füllte dadurch die Luft mit einem Staub, daß Tschitschikow gewaltig niesen mußte. Endlich fand er den gesuchten Zettel, der vorn und hinten eng beschrieben war. Da wimmelten die Bauernnamen wie die Fliegen, Namen von jeder Art: Paramanow und Pimenow und Pantelemonow, selbst ein Grigori »Laß-dir-nur-Zeit« war da zu finden, – alles in allem mehr als hundertzwanzig Namen. Tschitschikow schmunzelte vor Freude über die große Zahl. Er schob den Zettel in die Tasche und machte Pluschkin darauf aufmerksam, daß er sich zur Verbriefung würde in die Stadt bemühen müssen.
»Was? In die Stadt? Wie soll das möglich sein? Wie könnte ich von Hause fort? Denn meine Leute sind doch alle Diebe und Halunken: sie stehlen hier in einem Tag alles so ratzekahl, daß nicht ein Nagel übrig bleibt, an den ich meinen Schlafrock hängen kann.«
»Haben Sie in der Stadt nicht wenigstens einen Bekannten?«
»Woher einen Bekannten nehmen? Meine Bekannten sind alle tot, oder sie kennen mich nicht mehr. – Doch, lieber Herr! Ich habe einen! Ja! Ich hab' schon einen! rief er plötzlich. »Ja, den Gerichtsdirektor selber; er hat mich in vergangenen Zeiten oft besucht, Ja, das ist wohl ein Freund! Wir waren Milchbrüder und sind zusammen über manchen Zaun gestiegen. Der ist mein Freund! Und war mir so ein guter Freund! – Ob ich an den wohl schreiben könnte?«
»Natürlich schreiben Sie an ihn!«
»Ja, ja, das ist ein guter Freund! Und war mein Mitschüler.«
Ein Strahl von Wärme huschte flüchtig über Pluschkins vertrocknetes Gesicht. »Gefühl« ist ein zu starkes Wort, doch war es wenigstens ein blasser Abglanz von Gefühl. Es war, wie wenn ein armer Ertrinkender, an dessen Rettung keiner mehr gedacht, noch einmal an der Oberfläche auftaucht. Der Menge, die sich bang am Ufer drängt, entfährt ein Freudenschrei; aber vergeblich werfen die Brüder und die Schwestern dort am Land ihm einen Strick zu, und vergeblich harren sie, ob nicht noch einmal der Rücken oder die müdgekämpfte Hand des Unglückseligen sich zeigt, – es war sein letztes Auftauchen. Lastende Stille . . . Noch drohender und schauerlicher als zuvor dehnt sich der totenstille Spiegel des erbarmungslosen Wassers. So wurde Pluschkins hölzernes Gesicht, nachdem der flüchtige Schimmer von Gefühl darüber hingehuscht war, nur zwiefach empfindungsleer und zwiefach häßlich.
»Da auf dem Tisch hat doch ein sauberes Viertelblatt Papier gelegen,« rief er. »Wenn ich nur wüßte, wo es hingekommen ist! Ach, meine Leute sind ja solche Schurken . . .!« Er suchte unter dem Tisch und auf dem Tisch, kramte in allen Winkeln herum und schrie dann: »Mawra, Mawra!«
Alsbald erschien ein Frauenzimmer, das hatte einen Teller in der Hand, auf dem der unsern Lesern schon bekannte Zwieback lag. Und zwischen ihr und Pluschkin entspann sich folgendes Gespräch:
»Wo hast du das Viertelblatt Papier hin, Diebsgesicht?«
»Gott ist mein Zeuge, gnädiger Herr, ich habe kein Papier gesehn, als bloß das kleine Stück, mit dem der gnädige Herr das Weinglas zugedeckt hat.«
»Ich seh's dir an den Augen an, daß du es mir gemaust hast!«
»Wozu soll ich es mausen? Was tu' ich denn damit: ich kann ja gar nicht schreiben!«
»Schwindel! Du hast's dem Küster hingeschleppt. Der Kerl schmiert ja so viel, – da hast du es ihm hingeschleppt.«
»Ach, wenn der Küster schreiben will, kriegt er Papier, soviel er will. Ich hab' Ihr Stück Papier noch nie gesehn!«
»Ja, wart du nur! Beim ewigen Gericht, da werden dich die Teufel dafür mit glühenden Zangen kneifen! Du wirst schon sehn, wie weh das tut!«
»Was sollen sie mich kneifen, wenn ich das Viertelblatt doch gar nicht in die Hand genommen hab'? Ich bin ein sündiges, schwaches Frauenzimmer, – das geb' ich gerne zu; bloß Stehlen hat mir noch kein Mensch zum Vorwurf machen können.«
»Die Teufel werden dich dafür schon kneifen! Sie werden sagen: ›Da, das ist dafür, du Schwindlerin, daß du den gnädigen Herrn auf Schritt und Tritt bestohlen hast!‹ Mit glühenden Schürhaken wirst du gepeinigt werden!«
»Und dann sag' ich: ›Ich hab' es nicht getan! Gott ist mein Zeuge, daß ich es nicht getan hab'! Ich hab' das Stück Papier noch nie . . .‹ – Aber da liegt es ja doch groß und breit auf Ihrem Tisch. Immer wird man für nichts und wieder nichts beschuldigt!«
Pluschkin erblickte in der Tat das Viertelblatt und stand ein Weilchen schweigend und machte mit den Lippen wieder die kauende Bewegung. Dann sagte er:
»Und warum regst du dich denn auf? So etwas von Empfindlichkeit! Man sagt ihr kaum ein Wort, gleich hat sie zehn dagegen! Marsch, bring mir Feuer, daß ich meinen Brief versiegeln kann! Halt! Du reißt natürlich gleich ein Talglicht aus dem Schrank! Weil Talg ja gar nicht abschmilzt! Hast du mir nicht gesehn, ist er verbrannt und futsch, was übrig bleibt, ist bloß der Schaden, den man davon gehabt hat. Bring mir einen Kienspan!«
Mawra ging. Pluschkin setzte sich und griff zur Feder. Lange Zeit drehte er das Viertelblatt noch in den Fingern, betrachtete es nachdenklich von vorn und hinten und überlegte, ob er nicht am Ende die Hälfte davon herunterreißen und sich mit einem Achtelblatt begnügen könnte. Aber er sah doch schließlich ein, daß dies nicht ging. Er tauchte seufzend die Feder in sein Tintenfaß, das mit einer schimmeligen Flüssigkeit gefüllt war, auf deren Grunde massenhaft ertrunkene Fliegen lagen, und fing zu schreiben an. Die Buchstaben, die er hinmalte, sahen wie Notenköpfe aus. Wieder und wieder hemmte er den Lauf der Feder, damit sie nicht zu große Züge mache, geizig rückte er seine Zeilen aneinander und war doch höchst betrübt darüber, daß immer noch soviel von dem Papier weiß bleiben mußte.
Kann denn ein Mensch auf dieser Erde überhaupt so niedrig, kleinlich, schmutzig werden? Kann er sich so verwandeln? Ist das nicht unwahrscheinlich? – Es gibt gar nichts, was unwahrscheinlich wäre; alles kann aus dem Menschen werden. Der junge Feuergeist von heute würde entsetzt zurückprallen, vermöchte man es ihm im Bild zu zeigen, wie er dereinst als alter Mann aussehen wird. Darum vergeßt das Beste nicht, wenn ihr die Straße aus den weichen Jahren unschuldiger Jugend in den rauhen, gemütverhärtenden Bezirk der Mannesjahre wandert, – nehmt eure Menschlichkeit mit euch, laßt sie nicht an der Straße liegen, – ihr findet sie nie wieder, so viel ihr suchen mögt! Grausam und kalt empfängt das Alter euch, es gibt euch nichts von dem zurück, was ihr verlort. Das Grab ist immer noch barmherziger als das Alter. Ein Grabstein trägt das Wort: »Hier ruht ein Mensch.« Kein Wort liest du auf der verknöcherten, fühllosen Stirn des Alters, das sein Menschentum verkauft hat.
Pluschkin falzte den Brief und sagte:
»Wissen Sie nicht einen Bekannten oder Freund von Ihnen, der Verwendung für durchgegangene Seelen hätte?«
»Haben Sie denn auch durchgegangene?« fragte Tschitschikow schnell, sehr hellhörig aus seiner Versunkenheit emporfahrend.
»Das ist ja das Malheur! Mein Schwiegersohn hat diese Sache in die Hand genommen; aber er sagt, sie wären einfach ohne Spur verschwunden. Na, er ist Offizier: im Klirren mit den Sporen mag er tüchtig sein, – daß er nichts bei Gericht erreicht, nimmt mich nicht Wunder.«
»Um wieviel Seelen handelt sich's denn da?«
»No, reichlich siebzig kommen wohl zusammen.«
»Nicht möglich?«
»Doch! Auf Ehre und Gewissen! In jedem Jahre, das Gott werden läßt, laufen mir die Halunken dutzendweise fort. Die Kerle sind ja so verfressen . . .! Vor lauter Faulheit tun sie nichts als schlingen! Und ich hab' selbst nicht satt zu essen! – Ich geb' sie her um jeden Preis, den man mir bietet. Sie können Ihrem Freund mit gutem Gewissen zureden. Wenn er von diesen Burschen nur zehn Mann erwischt, hat er schon einen schönen Batzen Geld verdient. Fünfhundert Rubel mindestens ist eine in den Listen geführte Seele wert.«
– Daran soll mir kein Freund auch nur von weitem riechen! sprach Tschitschikow zu sich. Laut aber erklärte er, es sei ganz ausgeschlossen, einen solchen Freund zu finden. Bei dieser Sache könne kein Mensch auf seine Kosten kommen, weil einem die Gerichte ja das letzte Hemd vom Leibe zögen; da ließe jeder lieber die Hand davon. Aber wenn Pluschkin wirklich in einer so bedrängten Lage wäre, dann griffe das ihm selber stark ans Herz, und deshalb böte er ihm . . . Nein aber, der Betrag sei selbstverständlich nur so klein, daß man am besten gar nicht davon rede.
»Was wollen Sie denn zahlen?« fragte Pluschkin gespannt, und seine Hände zitterten wie auf den Tisch gegossenes Quecksilber.
»Fünfundzwanzig Kopeken für die Seele.«
»Und bar?«
»Bar und sofort.«
»Ja aber, wertgeschätzter Herr, ich bin so arm . . . Da sollten Sie mir wenigstens vierzig Kopeken für die Seele geben.«
»Verehrtester!« sprach Tschitschikow. »Nicht bloß vierzig Kopeken, – fünfhundert Rubel würde ich mit Wonne geben. Ich bin mir doch darüber klar: hier leidet ein ehrenwerter alter Mann, ein edles Herz die schwerste Not, und dieses nur, weil er zu gut für diese Welt ist.«
»Gott soll es wissen, daß das stimmt! Es ist die schlichte, reine Wahrheit!« rief Pluschkin und schüttelte betrübt den tiefgebeugten Kopf. »Das alles kommt davon, daß ich zu gut bin!«
»Sehn Sie, wie ich Sie gleich erkannt hab'! Also: warum sollte ich Ihnen denn nicht gern fünfhundert Rubel für die Seele zahlen? Das Unglück ist ja nur, daß meine eignen Mittel leider sehr beschränkt sind. Aber trotzdem: Ich lege Ihnen fünf Kopeken drauf, so daß die Seele dann auf dreißig käme.«
»Gut, lieber Herr, ich mag nicht handeln. Aber ich denke mir: zwei lumpige Kopeken für die Seele, – das könnten Sie am Ende doch noch drauflegen?«
»Schön! Zwei Kopeken leg' ich drauf. Weil Sie es sind! Um wieviel Seelen handelt sich's? Sie sagten was von siebzig; nicht?«
»Ach nein, im ganzen sind's wohl achtundsiebzig.«
»Achtundsiebzig, achtundsiebzig . . . Und zweiunddreißig für das Stück, – das macht . . . Unser Held besann sich nur genau eine Sekunde lang und sagte mit Bestimmtheit: »Macht vierundzwanzig Rubel sechsundneunzig!« Im Rechnen war er stark. Er ließ von Pluschkin eine Quittung schreiben und zählte ihm das Geld auf. Der Alte raffte es in seine beiden Hände und trug es so vorsichtig zu seinem Sekretär, als sei es eine Flüssigkeit, von der gar leicht ein Tröpflein verschüttet werden könnte. Dort angekommen, zählte er den Betrag noch einmal nach und legte ihn, mit großer Vorsicht wieder, in eine von den Schubladen. In diesem Sarge wird das Geld nun liegen, bis einst die zwei hochwürdigen Pfarrer des Dorfes ihren Segen sprechen über Pluschkins kühle Gruft, was sicher ein sehr freudiger Augenblick für seinen Schwiegersohn und seine Tochter sein wird, vielleicht auch für den Hauptmann außer Diensten, der Anspruch darauf macht, mit ihm verwandt zu sein.
Als Pluschkin so das Geld glücklich geborgen hatte, sank er in einen Stuhl und wußte augenscheinlich nicht, wovon er jetzt noch reden solle.
»Was? Wollen Sie schon fahren?« fragte er, als Tschitschikow die Hand hob, um sein Taschentuch hervorzuziehen.
Und diese Frage brachte es unserm Helden zu Bewußtsein, daß er hier in der Tat nichts mehr verloren hatte.
»Ja, es wird Zeit!« sprach er und griff nach seinem Hut.
»Aber, – der Tee?«
»Nein, danke sehr, zum Tee komm' ich vielleicht ein andermal.«
»Ich hab' die Teemaschine schon bestellt . . . – Ehrlich gestanden, mache ich mir nichts aus Tee: es ist ein furchtbar kostspieliges Getränk, und auch der Zucker hat ganz unbarmherzig aufgeschlagen. – He, Proschka! Laß die Teemaschine draußen! Den Zwieback gibst du Mawra; hast du mich verstanden? Sie soll ihn wieder dahin legen, woher sie ihn genommen hat. Halt! Gib ihn lieber her: ich trag ihn selbst hinaus. Adieu, verehrter Herr! Gott segne Sie! Und meinen Brief, den bringen Sie nur dem Gerichtsdirektor! Ja, ja! Er soll ihn lesen! Er ist ein alter Freund von mir. Natürlich! Denn wir waren Milchbrüder!«
Hierauf begleitete dies wandelnde Gespenst, diese lebendige Mumie Tschitschikow bis an das Hoftor und ließ darauf das Tor sofort verschließen. Als nächstes machte Pluschkin einen Rundgang an allen seinen Lagerhäusern und Scheuern entlang, um nachzusehen, ob die Wächter auf ihren Posten wären, die er an jeder Ecke stehen hatte, und die zum Zeichen ihrer Wachsamkeit in regelmäßigen Zwischenräumen mit Holzschaufeln auf leere Fässer trommeln mußten, statt, wie an andern Orten üblich, auf zwischen ein Paar Pfosten aufgehängte Tafeln von Eisenblech. Dann schaute er noch in der Küche nach dem Rechten und füllte sich, unter dem Vorwand, daß er sich doch überzeugen müsse, ob seine Leute gut zu essen kriegten, den Magen ordentlich mit Kohlsuppe und Grütze an. Jeder Dienstbote, der ihm in den Weg lief, mußte es zu hören kriegen, daß er ein Diebsgesicht und ein ganz frecher Lümmel sei. Und schließlich zog er sich dann wieder in die Stille seines Zimmers zurück. Hier überlegte er es sich sehr ernstlich, auf welche Art er sich dem Gast für seine ohne jeden Zweifel großzügige Noblesse dankbar zeigen könne.
– Wie wär's, wenn ich ihm nun die Taschenuhr verehrte? fragte er sich. – Die Uhr ist schön, von echtem Silber, nicht ein billiger Schund aus Talmi oder Tombak. Sie ist nicht ganz in Ordnung, aber er kann sie sich ja reparieren lassen. Er ist noch jung, da wird ihm eine Uhr willkommen sein, um sich vor seiner Braut damit zu brüsten. – Nein, oder . . . fügte er nach einigem Nachdenken hinzu: – Ich will sie ihm in meinem Testament vermachen, – zum ewigen Gedächtnis, wenn ich tot bin.
Doch unser Held befand sich auch schon ohne die Taschenuhr in äußerst aufgeräumter Laune. Diese ganz unerwartete Vermehrung seiner Habe empfand er als willkommenes Geschenk. Alles was recht war: nicht nur tote Seelen, sondern auch noch durchgegangene, – und dazu über zweihundert Stück auf einen Schlag! Freilich hatte er es schon auf dem Weg zu Pluschkin im Gefühl gehabt, daß dort etwas zu holen wäre; aber mit einem solchen großen Schlag zu rechnen, hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht gewagt. So fuhr er höchst vergnügt der Stadt entgegen, er pfiff sich eins, er spitzte seine Lippen und hielt die hohle Faust davor, als wolle er Trompete blasen, er stimmte zu guter Letzt sogar ein Liedchen an. Und das war einfach noch nicht dagewesen. Selifan vernahm es mit Erstaunen, er lauschte andachtsvoll auf diese Töne und sagte endlich:
»Teufel auch! Er singt direktemang, der gnädige Herr!«
Tiefgraue Dämmerung lag auf der Erde, als sie die Stadt erreichten. Licht und Schatten verschwammen ineinander, und jedes Ding bekam etwas Verschwommenes. Der buntgestreifte Schlagbaum nahm eine unbestimmte Farbe an; der Schnurrbart des die Wache haltenden Soldaten schien über dessen Augen auf der Stirn zu sitzen, und seine Nase war völlig weggewischt. Ein donnerndes Geprassel und gewaltige Sprünge der Halbchaise bekundeten, daß hier das Pflaster der Stadt begann. Noch brannten die Laternen nicht, nur da und dort fiel Licht aus einem Fenster. Und in den Seitenstraßen und den Sackgäßchen, da spielten sich die Szenen ab und klangen die Redensarten auf, die scheinbar unzertrennlich von dieser Tagesstunde sind, in Städten wenigstens, wo es viel Arbeiter, Soldaten und Droschkenkutscher gibt und viele jener gewissen Lebewesen, die in Gestalt von Damen mit roten Umschlagtüchern und Pantoffeln ohne Strümpfe gleich Fledermäusen um die Ecken huschen. Freund Tschitschikow war blind für sie und für die schlanken, spazierstockschwingenden Beamten, die einen Bummel vor die Stadt gemacht hatten und nun nach Hause gingen. Nur ziemlich urwüchsige Worte aus zartem Frauenmunde drangen von Zeit zu Zeit an sein Gehör, zum Beispiel: »Das lügt der Kerl in seinen Hals, du alter Süffel; gepfiffen hätte ich ihm was, wenn er mir sowas angetragen hätte!« oder: »Mach keinen Krach, du filziger Prolet; komm mit mir auf die Wache, dann hörst du schon, was der Tarif ist!« Kurz, es waren Worte, die wie ein kaltes Sturzbad auf einen schwärmerischen jungen Mann von zwanzig Lenzen wirken können, der eben aus dem Theater heimwärts wandelt. Vor seinem Geist schwebt noch die Straße in Madrid, die blaue Nacht des Südens, ein wunderholdes Frauenbild mit einer Mandoline und mit Hängelocken. O, was für Träume geistern durch sein Hirn! Er wandelt auf den Wolken und war bei Schiller selbst zu Gast; und plötzlich tönt zu seinen Häupten grausam ein Wort voll ordinärer Prosa, – er sieht sich wieder auf der Erde, und ausgerechnet auf dem »Heumarkt«, und ausgerechnet nur drei Schritt von einer elenden Destille. Der graue Werktag nimmt ihn wieder in die Klauen.
Mit einem großen Sprunge stürzte sich die Halbchaise zum Schluß in die gleich einem finsteren Loche gähnende Torfahrt des Gasthofes, und Tschitschikow ward von Petruschka in Empfang genommen. Der treue Diener half mit der einen Hand seinem Gebieter aus dem Wagen, und mit der anderen hielt er sich seine Rockschöße zusammen, weil er es nicht gerne sah, wenn ihm die Schöße auseinanderklafften. Auch der Kellner kam schnell mir einem Lichte aus der Tür gestürzt, die schmutzige Serviette überm Arm. Ob unseres Helden Wiederkehr Petruschka Freude machte, – darüber ist mir nichts bekannt; feststellen muß ich aber, daß er den braven Selifan höchst pfiffig anblinzelte, und daß seine im allgemeinen ziemlich mürrische Miene heute abend beinah etwas Verklärtes hatte.
»Der gnädige Herr sind lange ausgeblieben,« sagte der Kellner und leuchtete mit seiner Kerze.
»Ja,« sagte Tschitschikow und stieg die Treppe zur Galerie hinauf. »Und du? Was machst du immer?«
»Man muß dem lieben Gott für alles dankbar sein,« erwiderte der Kellner. »Gestern ist ein Herr Leutnant angekommen. Er wohnt auf sechzehn.«
»Ach? Was du nicht sagst? Ein Leutnant?«
»Genaueres weiß ich selber nicht. Kommt aus Rjäsan. Hat braune Pferde.«
»Schön, schön, gib dir nur weiter Mühe!« sprach Tschitschikow und öffnete die Tür. Im Vorraum rümpfte er die Nase und sagte zu Petruschka: »Na, lüften hättest du wohl auch mal können!«
»Hab' doch gelüftet,« sagte Petruschka keck. Doch das war eine Lüge. Dies wußte auch sein Herr genau, aber er hatte keine Lust, ihn darauf festzunageln. Er fühlte sich zu müde von der Reise. Darum begnügte er sich auch mit einem leichten Abendessen in Gestalt von einer Spanferkelportion und zog sich dann gleich aus. Er kroch ins Bett und lag kaum unter seiner Decke, als er auch schon sanft, fest und tief entschlummerte. Er schlief so herrlich, wie es hier auf Erden nur Glückspilzen beschieden ist, die Gott der Herr weder mit Hämorrhoiden, noch mit Flöhen, noch mit einem Übermaß von Geistesgaben und Verstand geschlagen hat.