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Mit einem colorirten Titelkupfer von Th. Hosemann.
Leipzig, 1850.
Verlag von Ignaz Jackowitz.
Scene: Berlin unter den Linden, Abends 9 Uhr.
Guckkästner. Immer 'ran, meine Herrschaften! (Pathetisch.) Hür jenießen Sie das janze weltjeschichtliche Jahr 1849 vor Einen Silbersechser mit den Portrait Seiner Majestät der Krone von Preußen! Wohlfeiler is es mir nich möglich! Ich habe Alles jedhan, was in meinen kräftigen Schwächen stand. Ja, ja, das habe ich! Der Himmel is mein blauer Zeuge! Frühere Jahre der Weltjeschichte kosteten in meinen Kukasten einen Silberjroschen und man blos Kinder zahlten de Hälfte, aber anjetzt behandle ich die janze Nation ohne Unterschied wie Kinder. Ja, ja, das dhue ich, des kann ich, davor bin ich Mutter! (Zu seiner Gattin.) Doretheee, ein paar Droppen! (Er trinkt.) Die Vorsehung lasse es mir jedeihen. (Laut und pathetisch.) Immer 'ran, meine Herrschaften! Hür jenießen Sie das janze weltjeschichtliche Jahr 1849 vor Einen Silbersechser, das jroße adlije Jahr, welches dazu bestimmt war, die Niederträchtigkeiten der europeeschen Völker jejen ihre erhabne Fürschten wieder jut zu machen, un durch die Thränen der Jeheimenräthe un Stiebelputzer das Jahr 1848 auswischen zu lassen aus dem Jahrhundert un aus der Ewigkeit, so deß jleich uf 1847 – 1849 folgt. Immer ...... (zu einem vorübergehenden Schutzmann:) Jun Abend, Herr Schutzmann! Wie befindt sich Ihre Jemahlin, die Schutzfrau? Was machen Ihre Schutzkinder? Jeht der ältste Schutzjunge schon in de Schule? Lernt er schon en Bisken arretiren? Wie weit is er'n in't Bürjerjlück jekommen? Singt er schon: Ick bin ein Russe, kennt ihr meine Knute? Kann er schon »Mit Jott vor Keenig un Vaterland« un »Ohne Ordnung un Jesetz is keene Freiheit möglich« auswendig? Kann er schon buchstabiren? H–e–y–ey – Hinkeldey? Hm?
Schutzmann. Machen Sie keene schlechten Witze!
(Geht weiter.)
Guckkästner. Ne, i Jott bewahre, wo wer' ick'n mir als Unterthan so was unterstehen!
Dorothea. Herrjees, so schwaddronire doch man nich so ville un mach' lieber, deß wir Zuschauer kriegen!
Guckkästner (lachend). Nu seh' Eener, nu verlangt mein Kreuz hier nach Zuschauer! Aber, jute Civilehe, Du willst doch nich, deß hier jemeine Schufte, die von jeden anständjen Menschen bespuckt werden, vor meinen Kasten stehen? (Ernst.) Alle Menschen können hier rinsehen, blos bespuckte nich! (Laut und pathetisch.) Immer ran, meine Herrschaften! Einen Silbersechser das Jahr 49 ohne Unterschied des Standes! Jleichheit vor's Jesetz is nich möglich, weil es vor einen jroßen Jrundeijenthümer, der keene Steuern zahlt, un vor einen hohen Ritter zu beleidigend wäre, mit 'n armen ehrlichen Kerrel jleiche Rechte zu haben, un weil es versprochen is, un weil, wenn es ooch möglich wäre, es doch jejenwärtig nich möglich is, weil eben Freiheit ohne Ordnung un Jesetz nich möglich sind! Möglich, deß es noch mal möglich wird, aber jejenwärtig is es nich möglich! Also Jleichheit vor's Jesetz is nich möglich, aber Jleichheit vor'n Kukasten, diese herrscht. Hier kann jeder Stand vor Einen Silbersechser die Weltjeschichte jenießen. Alle Kasten können hier in meinen sehen! Allerhöchste Herrschaften, hoher und niedrijer Adel, hochverehrtes Publikum, Kinder, Jünglinge, Majors, Preußenvereiner, Puppenspieler, Hofräthe, Bürstenbinder, Generalleutenants, Arbeiter, Predijer, Wickelfrauen, Drechsler, Staatsanwälte, Lohnlakaien, Erforter, Kammerdiener, Waschweiber un Jreise, Alle, Alle un Jeder! Selbst preußsche Pairs können mir hier in meinen Kukasten sehen, jedoch nich vor 1852, weil se vor dieser Zeit noch nich janz fertig sind.
Erster Junge. Hier is mein Silbersechser mit Portrait.
Guckkästner. Ich bringe Ihnen ein Alaf.
Zweiter Junge. Hier is meine Steuer.
Gückkästner. Ich votire Ihnen den Dank des Vaterlandes.
Zweiter Junge. Jeht et bald los?
Guckkästner. Des weeß ich nich. Ich hoffe.
Erster Junge. Ick habe aber nich viel Zeit!
Guckkästner. Nich? Na, jedenfalls mehr als ich. – Es dauert überjens keene fünf Minuten mehr.
Erster Junge. Na, wenn det man jewiß is!
Guckkästner. Is Ihnen ein Schwur von mir jefällig?
Erster Junge. Ach ne! Ne, Des lassen Se man!
Zweiter Junge. Des is nich nöthig.
Guckkästner. Es fehlt man blos noch de dritte Person. (Laut.) Immer 'ran, meine Herrschaften! Einen Silbersechser das weltjeschichtliche adlije Jahr 1849!
Herr Ducke (in die Tasche greifend). Was macht es?
Guckkästner. Ich danke Ihnen vor jefällige Nachfrage. Es is dodt.
Herr Ducke. Was des 'Reinsehen kost't?
Guckkästner. Ach so, ich dachte, Sie erkundigten sich nach des Jahr 49. Einen Silbersechser.
Herr Ducke (zahlend). Denn man zu. Aber ich hoffe, deß Sie nich wühlen, deß Sie nich uf eine Partei stehen, sondern jutjesinnt sind. Sind Sie des?
Guckkästner. Jutjesinnt sind sind? (Die Jungen lachen.) Ja, ich bin jutjesinnt sind sind, sintemalen alle Menschen jutjesinnt sind sind, die nischt aus Eijennutz dhun, sondern von der Wahrheit ihres Prinzips überzeugt sind sind. Solche Sinder sind wir Alle. Sie können sich, hier bei die folgende Weltjeschichte uf meine Unpartheilichkeit verlassen. Ich werde beinah so unpartheisch sind sind sind wie unsre obersten Jerichtshefe un Staatsanwelter unpartheisch sind sind sind. Also anjetzt, da die drei Jläser besetzt sind sind sind, jeht es los. Doretheee, stech' de Lampe an, bringe Licht in die Poletik von 't vorje Jahr. So, nanu! (Er zieht an der Schnur.) Rrrrrr....... (sich unterbrechend, zu einem Herrn, der sich an den Guckkasten stellt) Was wollen Sie 'n?
Herr Strampel. Freiheit!
Guckkästner. So? Deshalb stehen Sie hier an meinen Kukasten? Da kann ick Ihnen nich dienen. Da müssen Se sich hier was versprechen lassen un denn jleich nach Amerika auswandern. Wie kommen Sie 'n daruf, deß Sie hier Freiheit suchen? Sie haben woll anderthalb Jahre jeschlafen?
Herr Strampel. Ja, Brandenburg-Mandeibel hat mir an'n fünften Dezember 48 en Lutschbeutel jejeben un denn in eine stille Kammer in 'ne Minoritäts-Wieje einjelullt. Nanu bin ich aber wieder aufjeweckt.
Guckkästner. Wodurchden?
Herr Strampel. Durch 'ne Botschaft, die so stark uftrat, deß ick oogenblicklich an zu schreien fing. Aber nu wurde mir jedroht, wenn ick nich artig wäre, denn käme der schwarz-weiße Mann, un da wurde ich jleich artig.
Guckkästner. Na un nanu verlangen Sie von mir Freiheit?
Herr Strampel. Ick verlange weiter nischt als des beschränkte Versammlungsrecht, det ick hier alleene stehen kann, un die beschränkte Preßfreiheit, deß ich hier mündlich meine Bemerkungen machen kann, ohne sie in de Provinzen zu verbreiten.
Guckkästner. Jott, wat sind Sie vor'n jenügsamer Mensch! Sie jehen woll nach Erfort?
Erster Junge. Na wenn et nanu nich losjeht, denn bitte ick mir meinen Sechser wieder aus! Wir haben hier nich bezahlt, um Ihre Unterhaltungen mitanzuhören!
Herr Ducke. Auch von mir müßte jedrungen werden, anzufangen un eine Dischcretion abzubrechen, die mir jar nich jutjesinnt zu sind scheint.
Guckkästner. Na, na! man stille, et jeht ja schon los. Rrrrrr–eaction,das erste Bild! (Pathetisch.) Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie die feuerliche Krönung des Präsedenten Louis Napoljon zum Kaiser von Frankreich. Er sützt, umjeben von allen seinen Jroßen un Kleenen, auf einen Thron, der nich ausjeschlagen, sondern von massiven Jold is. Die Fijur, welche Sie da mit die jroße bunte Mütze sehen, stellt Seine Heuligkeit den Papst Pio nonne vor, der sich für der Unterdrückung seines jeliebten Roms bedankt un sie durch Krönung erwiedert, wodurch die herrliche Republik zum Deibel jeht. Die malerische Kunst hat über düsem historischen Genrejemälde ihren janzen Zauber ausjejossen, wodurch es prachtvoll in die Augen strahlt un besonders die weiblichen Mitjlieder des Rejierungspalastes hervorhebt. Die Kleider sind alle nach de Natur aufjenommen; in de Mitte hängt ein jewaltijer Kronenleuchter, der mit seine sechs Wachslichter die Sonne verdunkelt; links betrachten Sie das Jemälde, wie der Kaiser als Prinz aus de Festung entwischt; rechts is der jroße Kaiser Napoleon an den Nagel jehängt und im Hinterjrunde steht ein französischer Bürjer mit eine unquiltirte Rechnung, wodurch des Volk representirt is. Es iS der schöne Mojement aufjefaßt, wo der Präsident, nach der Krone jreifend, den ruß'schen Jeschäftsträger durch einen zweifelvollen Blick zu fragen scheint, worauf dieser auf franzeesch: Ayez la bonté! antwort't. – Rrrrrr ...
Zweiter Junge (den Kopf schüttelnd). Na, det jesteh' ich! Det is woll erscht 1850 jeschehen?
Herr Ducke. Ich erinnere mir auch nicht nich, deß bis jetzt die Vorfälle in Frankreich, wie sie sind, so wünschenswerth vorjefallen sind!
Guckkästner. Was ich Ihnen die Ehre hatte, vorzuführen, war eine bloße Privat-Unterhaltung, die der Präsident von de französche Republik mit seine Freunde un Freundinnen jemacht hat, welches ihm Niemand übel nehmen kann, da sich jeder Mensch von seine Strapazen erholen muß. – Rrrrrr – eaction, ein andres Bild! Hür, meine Herrschaften, präsintirt sich Ihnen Ihre erhabene Majestät die Könijin Isapelle von Spanien, wie sie eben von Jottes Jnaden vor Ein Dhaler un Sechszehn Jroschen Courant Zuckerwerk ißt und allerhöchst herablassend den Soldaten, welcher bei ihr die Wache hat, ooch mal kosten läßt. Dieser wahrhaft königliche Moment is von den spanschen Maler Donna Pampeluna dos oss Siewillja zum Anjedenken an diese erhabne spansche Zeit ausjeführt, den nachkommenden Jeschlechtern zum Beispiel und den vorherjehenden zur Nacheiferung!
Herr Strampel. Der Jemahl von Isapellen befindt sich woll in det Zimmer nebenan, des man hier uf des Bild nich sieht?
Guckkästner. Janz recht; Sie können ihn jar nich verfehlen.
Herr Ducke (noch immer das Bild betrachtend). Es is wirklich sehr hübsch von Ihre Allerhöchste Marjestät, daß Allerhöchstste den jemeinen Soldaten mal kosten lassen. Denn wenn man den Abstand bedenkt, der zwischen eine jemeine Marjestät un einen allerhöchsten Soldaten herrscht, welcher von Jottes Jnaden is, so find des Herablassungen, welche sehr jut sind, um jute Jesinnung zu veranlassen.
Guckkästner. Sie haben woll sehr viel Respekt vor sonne spansche königliche Personen?
Herr Ducke (gerührt auf die Brust schlagend). Sehr! Bor Alle! Sie sind alle so keisch, so tugendhaft, so ohne Eigennutz, ohne Herrschsucht, so ehrlich, so worthaltend, so ohne Betruch, so ohne Jesuiterei, so aufmerksam, deß des Jeld des armen Volkes nich verschwendt wird, so ...
Herr Strampel. Strengen Sie sich nich so sehr an, lieber Mann; Sie scheinen mir so nich der Stärkste zu sind. Ruhen Se sich lieber erst fünf Minuten aus un holen Se denn die andern königlich spanschen Tugenden nach.
Herr Ducke. Ich danke Ihnen vor Ihre Theilnahme, deß Sie so – so theilnehmend sind. Es is wahr, ich bin nich jesund, mir fehlt Manches.
Zweiter Junge (gemüthlich). Ja, des scheint mir ooch.
Erster Junge. Ja, wenigstens Etwas jewiß. Man hört es Ihnen schon an, wenn Sie sprechen, deß Sie nich jesund sind.
Herr Ducke. Ne, so is es. Meine Frau hat mir erst heute noch anjesehen un 'n Kopp jeschüttelt un zu mir jesagt: Ducke, Du jefällst mir jar nich. Ne!
Erster Junge. Na ja! Ihre Frau is jewiß eine sehr gescheidte Dame. Sie hat janz mein Urtheil.
Herr Ducke. Jaa! Sie is eine sehr jeschickte Putzmacherin, jaa! un hat ooch immer viel zu dhun mit de....
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein andres Bild! Hür, meine Herrschaften, erblicken Sie den alljemein jeliebten Monarchen Ferdinante reh del napola popola fidelissima, welches auf italjensch »König von's fidele Neapelsche Volk« heißt. Er stammt aus die Familie der Brrbohnen, welche auch Frankreich so jlücklich jemacht hat, hat rothe Hosen an un jeht in seine Appartemanks immer hin un her. Der Künstler, welcher dies Portrait entworfen, hat ihn jrade in dem Augenblick aufjefaßt, wie er immer hin un her jeht.
Herr Strampel. Des is ein merkwürdijer Augenblick!
Zweiter Junge. Jeht denn der arme Mensch, der Keenig, nich en Bischen in de freie Luft?
Erster Junge. Schafskopp, wo soll'den da freie Luft herkommen, in Neapel, wo't noch Jesuiten jibt! Bei uns is des was anders, wir haben hier keene Jesuiten unter's Volk.
Zweiter Junge. Ach so?
Erster Junge. Wui!
Guckkästner. Ich will Ihnen sagen, meine Herren, Seiner Majestät gehen darum nich in de Luft, weil er fürcht, deß die Liebe von sein Volk zu zudringlich werden könnte.
Zweiter Junge. Ach, als wie so?
Herr Strampel. Kuckste aus die Luke?
Herr Ducke. Na, jeht denn der Burrbohnenkönig jar nich aus!
Herr Strampel. O det hoff' ick doch!
Guckkästner (lächelnd). Ja, Herr Ducke – denn da Ihnen Ihre putzmachende Jattin so jenannt hat, so vermuthe ich, deß Sie so heißen – ja, Herr Ducke, er jeht aus, aber immer unter Bedeckung, weil man sich in des warme Italien, in die Heimath der Appelsine, un so dichte bei's mittelländische Meer, leicht erkälten kann. Des Morgens frühstückt er uf'n Vesuv, wenn der nich jrade ausspeit, wenn der König kommt; des Mittags fährt er zu Poselippens, un Abends vespert er in Sicilien, woher die bekannte Sicilianische Vesper kommt.
Herr Ducke. Ich danke Sie.
Guckkästner. Bitte.
Erster Junge. Also blos, wenn er rejiert, jeht er in die Appartemanks?
Guckkästner. Ja. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie ein doppeltes Bild, denn in die Mitte is ein Strich. Auf die eine Seite sehen Sie den herrlichen Helden und Volksmann Kossuth, wie er durch den so vieh'schen Verrath Oestreichs an Rußland un den Jörjei'schen Verrath Ungerns an dieselbe Knutenrejierung sein theures Vaterland, das er befreien wollte von jeder metternichschen Schurkerei, verlassen muß. Sie sehen ihn bejeistert auf den letzten Hügel Ungerns stehen un ausrufen: Unglückliches, betrogenes Vaterland, ich komme wieder un sprenge deine Ketten, die Ketten der Feinde der Menschheit! Auf die andre Seite erblicken Sie eine wilde Bestie von Hyäne, die sich in Menschenblut badet. Jräßlich, jräßlich anzusehen un dabei zu denken, weswejen woll der liebe Jott solche Scheusale, solche Ungeheuer erschaffen hat! Rrrrrrrr.....
Zweiter Junge. Warten Se mal noch! Lassen Sie des Bild mal noch! Was sagen Sie da von wilde Bestie un Scheusal un Unjeheuer? Des is am Ende jar keen Thier! Sie irren sich woll? Die Hyäne hat ja uf den Bauch Orden!
Guckkästner. Ja, des weeß ich nich, wie des jekommen is; ich bin unter diese Bestien nich so bekannt. Es wird woll ein Irrthum vom Maler sind. – Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen das welthistorische Oeljemälde, wie die Volksvertreter aus de Jean Paul'skirche Seine Majestät, den König von Preußen, die Krone von Deutschland vor die Füße legen. Es is der erhabene Mojement aufgefaßt, wie Seine Majestät diese Krone liegen lassen un sie sich sie nich auf 'n Kopp setzen, weil eine Krone man von Jott blos jejeben werden kann, wie dieses auch durch der Jeschichte hinreichend bewiesen is.
Herr Strampel. So?
Guckkästner. Ja!
Herr Strampel. Schön Dank!
Guckkästner. Bitte! (Fortfahrend.) Sie werden bemerken, meine Herrschaften, deß die Volksvertreter aus de Jean Paul'skirche janz perplex dastehen, un deß es ihnen sehr leid dhut, keene Jötter zu sind, was indessen nich mehr zu ändern is. Das herrliche Jemälde is reich an Farben un zeichnet sich durch Mannigfaltigkeit der Figuren aus, die sehr verschieden sind. Im Hünterjrunde sehen Sie durch die offne Dhüre, wo die Lakeuen un de Minister stehen, in des brillante Eßzimmer, wo nachher die Vertreter von Frankfurt un des deutsche Volk abjespeist werden. An de rechte Seite steht der fromme Jerlach aus de Kreuzzeitung un bietet den Minister Mandeibel mit de unjeheure Majorität eine Prise an.
Zweiter Junge (niesend). Hepsi!
Herr Strampel. Helf – Dir selbst!
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie das vortreffliche Jemälde: Der männliche Treubund zu Berlin, oder: Mit Jott für König und Vaterland bei einbrechender Finsterniß, während eben illuminirt wird. Es is ....
Erster Junge (ihn unterbrechend). Herrjees, des sind ja lauter alte Weiber!
Guckkästner (verwundert). Was? (Sieht nach.) Richtig! Ich habe mir jeirrt; ich jlaubte, ich hätte den männlichen un habe aus Versehen den weiblichen jejriffen.
Zweiter Junge. Pfui Deibel!
Guckkästner. Jefallen Ihnen die frommen un ritterlichen Frauen nich?
Zweiter Junge. Ne, ach herrjees, ne, jo nich!
Herr Strampel (Herrn Ducke fortschiebend). Bitte, lassen Se mir man eenen Blick rinwerfen. (Er schaut.) Pfui, Spinne! (Zieht sich zurück.) Mir wundert, det der Kriegsminister des scheene Jeschlecht nich als Landwehr un Bruderkriejer jebraucht? Vor diese Machtalleenens uu Jenefefekens hätte sich janz Dresden un Baden im ersten Oogenblick überjeben!
Erster Junge. Nachdem ich des jesehen habe, heirathe ich in meinen janzen Leben nich!
Herr Strampel. Sagen Sie mal, Herr Invalide, haben Sie diese holden Jeschöpfer nach de Natur ufnehmen lassen?
Guckkästner. Des woll, aber hier sind se scheener, denn die Kunst muß Allens veredeln.
Herr Strampel. So? Also des is hier Veredlung? So sehen die Houris aus, die der jetzigen Pollezeirejierung treu jeblieben find? Des sind die wahrhaft frommen un sittlichen Ueberbleibsel? Is Madam Jövsche un Madam Piersichen ooch drunter?
Herr Ducke. Ja, un meine Jemahlin ooch ebenfalls. Sie hat sich in den Treubund uf's Centrum jesetzt. Jaa! Meine Jemahlin is eine sehr fromme un jottes- un keenigsfürchtige Frau. Alle Dienstag un Freitag holt ihr ein Vorsteher von einen frommen Verein des Abends um Achte ab un denn bleibt se bis nach Elwe in de Tugendübung. Jaa! Un eine Paterjotin is sie auch, denn sie hat sich auch viel mit's Milletheer beschäftigt un Strümpfe jestrickt, un manchmal jeht se aus, und wenn ich ihr frage, wo se gewesen is, denn sagt sie, sie hätte milde Zwecke gehabt un hätte jesammelt. Jaa!
Guckkästner. Sie scheinen ein sehr jlücklicher Mann zu sind?
Herr Ducke. Ja, indessen es hat Jeder des Seinije zu tragen.
Herr Strampel. Ja, Ihnen wird doch woll ooch manchmal der Kopp schwer?
Herr Ducke. Natürlich, ja, die Zeiten sind, sind schlecht, sehr schlecht, un wenn ich nich wüßte, deß wir eine so jute Rejierung hätten, denn könnte man manchmal voll Verzweiflung sind. Aber was is schuld? Allens des Unheil verdanken wir de ....
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür .... oder wünschen Sie den männlichen Treubund nich zu sehen?
Erster Junge. Jo nich sehen! Lassen Sie vor alle beeden Bilder einen schwarz-weißen Vorhang malen, denn sonst ....
Herr Strampel. .... schämt sich de Jeschichte.
Erster Junge. .... sonst lass' ick mir meinen Sechser wiederjeben! Sagen Se mal, muß denn bei die Verhandlungen von den weiblichen Treubund ooch en Schutzmann beiwohnen? Det jönnt' ick jeden Schutzmann!
Herr Strampel. Ne, des is blos bei de Volkspartei nothwendig, weil die immer jejen die ehrlichen un aufrichtigen, volksfreundlichen Maßrejeln von de Rejierung trommelt un pfeift. In den Treubund wird aber blos jeklatscht. (Er dreht sich um und ruft.) He, Heunau!
Guckkästner. Wat? Wen rufen Sie?
Herr Strampel. Meinen Hund! Er hat überjens ooch noch andre sehr hübsche Namen; er hört uf jeden, den ich ihm jede. Es is ein sehr treues Vieh.
Guckkästner. So? Nanu wollen wir aber endlich zu ein andres Bild überjehen. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen des erhebende Phantasiejemälde, wo des janze deutsche Volk uf die (sehr laut) am 21sten März 1849 endjültig beschlossene Reichsverfassung schwört un mit Jut un Blut vor ihr einsteht!
Zweiter Junge. Ick seh' ja weder Jut noch Blut?
Guckkästner. Knöppen Se künftig hübsch de Ohren uf, wenn Sie mir meine Kunstwerke tadeln wollen, dummer Junge! Ick habe Ihnen jleich von vorne 'rein erklärt, deß dieses ein Phantasiejemälde is!
Zweiter Junge. Was is 'n des: Phantasie?
Guckkästner. Phantasie, des is, wenn man sich was einbild't. (Fortfahrend.) Im Hinterjrunde sehen Sie den Helden von Jagern, wie er eben an die Spitze des bewaffneten deutschen Volkes tritt, um ....
Herr Strampel. Wechzuloofen!
Guckkästner. .... um das durchzusetzen, was die von allen Fürsten anerkannten Vertreter un Jesetzjeber der deutschen Nation rechtlich beschlossen haben. Alles umarmt sich un jauchzt un ruft: Es lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Brüderlichkeit! Deutschland groß, glücklich, mächtig! Deutschland hoch!
Herr Ducke. Sie sollten mehr achtsam un jutjesinnt sind. Wir sind hier in Preußen!
Guckkästner. Ich rufe dasselbe, was die Krone jerufen hat: Preußen muß in Deutschland aufjehen!
Ein Schutzmann. Stille!
Guckkästner. Ach so? Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie das Familienjemälde un Kniestück, wie die Jothaer in Jotha sitzen un der Held von Jagern in de Mitte, un wie se Reden halten.
Herr Strampel. Ick höre nischt.
Guckkästner. Danken Sie Jott. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür ...
Erster Junge. Sagen Se mal, was ich fragen wollte: jilt denn nanu die endjültig un rechtmäßig beschlossne deutsche Reichsverfassung noch, nachdem, wie die Demokraten in de Versammlungen sagen, die Kammerill'gals uns Allens draus wejjekapert haben?
Guckkästner. Des weeß ich nich, da müssen Sie die 29 deutsche Rejierungen fragen, die die deutsche Reichsverfassung öffentlich, vor den Augen der ganzen Welt unbedingt als rechtsjültig anerkannt haben.
Erster Junge. Na, un wenn Die nanu anjetzt Ne sagen?
Guckkästner. Denn wissen Sie, was Sie wissen wollten.
Erster Junge. Pfui!
Guckkästner. Was wollen Sie damit sagen?
Erster Junge. Ich sage des zu Ihnen, weil Sie mir so 'ne Antwort seien, woraus ich nich klug werden kann!
Guckkästner. Wenn Sie des noch mal dhun, denn können Sie einen Katzenkopp besehen. Ich bin nich dazu anjestellt, um ihnen Antworten zu jeben, aus die Sie klug werden können. Bleiben Sie dumm, auf deß es Ihnen wohl jehe auf Erden. Ueberjens sagt man zu Spitzbuben un Betrüjer Pfui, aber nich zu mir. Des merken Sie sich.
Erster Junge. Schön.
Herr Ducke. Ich mit meinen beschränkten Unterthanenverstand finde die Reichsverfassung zu demorkratisch, weil sie nich von Jott gemacht is.
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Sie werden vielleicht jetzt die Bilder von Dresden un Baden erwarten, wo Deutsche mit Gut un Blut für die Reichsverfassung einstehen wollten, aber die habe ich nich malen lassen, weil ... weil ... weil ich nich so viel rechtmäßig erschossene Brüder sehen kann. Ich bin zwar Invalide, wie Sie sehen, un habe in den Freiheitskriegen jejen den Feind mein Blut für's Vaterland verspritzt, oder für den König, aber ..... seitdem is die Ehre so jewachsen, deß ich ihr nich mehr nachkommen kann. Ich bin Invalide un stehe hier mit den Kukasten. Rrrrrrrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen Derjenije, denn Sie bereits kleene unter die Andern jesehen haben, in voller Lebenßsröße. Nämlich der Freiherr Heinrich von Jagern, der ...
Erster Junge (dreht sich um). Den will ick nich sehen.
Zweiter Junge (ebenso). Ick ooch nich.
Herr Ducke. Zeijen Sie uns was Anders. Ich mache mir ooch nischt aus des Bild.
Guckkästner (zu Herrn Strampel). Wünschen Sie ihn zu jenießen? Sie brauchen nischt dafür zu zahlen.
Herr Strampel (greift in die Tasche). Nehmen Sie, braver Invalide, dieses Zweigroschenstück un sein Sie überzeugt, deß ich mich nich hierherjestellt habe, um zu fluchen.
Guckkästner (verwundert). Was?
Herr Strampel. Diese Kleinigkeit is dafür, deß ich mir vorher die alten Weiber anjesehen un jelacht habe.
Guckkästner. Schönsten Dank. Rrrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, erblicken Sie die Eroberung der beiden jroßen dänischen Kriegsschiffe bei Eckernförde durch die braven deutschen un schleswig-holsteinschen Truppen. Ein prachtvolles Schauspiel, welches die Hefe Deutschlands un ihren Adel sehr überrascht hat. Der in de Ecke mit de hohe weiße Halsbinde is ein Düppelomat, welcher sojleich eine Depesche an den Keenig von Dänemark abschickt und ihm sagen läßt: Majestät möchten diese verdrüßliche Eroberung nich übel nehmen, un dieserwegen keine Flasche Champajner wenijer trinken, indem sich noch Alles wieder jut machen ließe.
Erster Junge. Na, is denn nu endlich Schleswig-Holstein frei?
Herr Strampel. Ne, noch nich: Preußen schützt es noch.
Guckkästner. Die Jeschichte is so: nachdem unsre Brüder, die Schleswig-Holsteiner, noch die Düppeler Schanzen erobert un den Sieg bei Kolding jefeiert un sich Lorbeer errungen hatten, sprengt mit een Mal', zwee Dage vor den Waffenstillstand, die Düppelomazie uf sie los un haut sie hinterrücks zusammen. Das janze deutsche Volk weint, aber die Schufte lachen sich in's Fäustchen.
Herr Ducke. Wie so?
Guckkästner. Nu, is des nich richtig, deß der Deutsche, der sich wejen des Ueberfalls un die Niederlage unsrer tapfern schleswig-holsteinschen Brüder freuen kann, ein Schuft is?
Herr Ducke. Des sind Ansichten. Man kann darüber so denken un ooch so!
Herr Strampel. Sie lesen woll die Voß'sche Zeitunke?
Herr Ducke. Ja, des Mittags, denn krieje ich se von meinen Nachbar. Ich benutze ihr zu meine Politsche Kenntniß. Sie ooch?
Herr Strampel. Ne, dazu nich.
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie das sehr erfreuliche Bild von Kalaufornjehn, wo des Jold fließt un in solchen Ueberfluß iS, wie bei uns in Deutschland die Schutzmänner, de Polezei, de Orden, die Absetzungen, die polit'schen Prozesse, die Octroyirungen, die Junker-Niederträchtigkeiten un Unjerechtigkeiten un die Verhungerungen. Sie sehen hier, meine Herrschaften, das jediejene Jold klumpenweise liefen, un es kann Jeder zujreifen un sich davon nehmen, so viel ihm jefällig is. Des Jold wird ausjewaschen. Vorne im Vorderjrunde bemerken Sie die Männer, wie sie alle Dage jroße Wäsche haben, un hünten im Hünterjrunde ihre Frauen, welche sich darüber nlch ärjern.
Erster Junge. Worum fließt 'n hier bei uns in'n Schafstraben keen Jold?
Guckkästner. Weil wir nich frei sind. Wo Freiheit is, da fließt Jold.
Erster Junge. Na, wir haben ja aber nanu 'ne Verfassung.
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, ...
Herr Strampel (zum ersten Jungen). Wir haben eben jetzt eine Verfassung, weil wir Des nich jefaßt haben, wat wir hätten fassen sollen.
Erster Junge. Det versteh' ick nich.
Herr Strampel. Ick ooch nich.
Zweiter Junge (zum ersten). Schafskopp, so unterbrich doch nich immer den Kukasten mit Deine dumme Fragen! Ick habe keene Zeit mehr.
Guckkästner. Rrrrrrr...eaction, ein anderes Bild. Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie eine Kammer, die nich aus't Volk, sondern aus de Pollezei hervorjejangen is, wie se eben eine Anleihe bewilligt.
Erster Junge. Rindvieh!
Guckkästner. Auf welche Persönlichkeit beziehen Sie diesen zweideutigen Ausdruck?
Erster Junge (auf den zweiten deutend). Uf den hier, weil er mir vorher Schafskopp jeschumpfen hat.
Guckkästner. Ich will Ihnen sagen: der Unterschied is so unbedeutend, deß ich hoffe, Sie werden sich darüber verständijen.
Herr Ducke. Sagen Sie mal, was ich sagen wollte: könnte die Kammer, die Sie uns hier zeigen, nich bei Kalaufornjehns eine Anleihe machen?
Guckkästner. Ja, des könnte sie, aber sie kriegte nischt. Des is der Uebelstand dabei. Denn, sehn Se mal, Kalaufornjehn liegt jefälligst in Amerika, un in Amerika pumpt keen Staat einen europeeschen, um de Völker besser unterdrücken zu können, wat. Nich en Silberjroschen! Des kommt nämlich daher, Herr Ducke, weil die Amerikaner mit ihr Jeld nich Hofjeschmeis un Adel un Dausende von unnütze Beamte mästen, nich so viel Millionen vor Pollezei un Düppelomaten un Couriere un dergleichen ausjeben, nich so viel Hunderte von Millionen vor unnütze Kriegsheere verschwenden, sondern weil sich des Volk da selbst rejiert un sein Erspartes zu seinem Nutzen un zu seinem Jlück anwendet. Des is zwar Alles sehr bekannt, aber des schadt nischt. Des muß alle Dage un überall wiederholt werden, denn es jiebt noch so viele jutjesinnte Schafsköppe, wie Sie, Herr Ducke, sar nich jlooben.
Herr Ducke. Des is wahr, aber um Des besser zu machen, jibt es Unruhen un keinen solchen Zustand von Jesetz un Ordnung, wie jetzt in Europa. (Der Guckkästner, Herr Strampel und die beiden Jungen lachen sehr laut.) Worüber lachen Sie, wenn ich fragen derf?
Herr Strampel. Et hat uns Eener jekitzelt.
Herr Ducke (sich umsehend). Des is merkwürdig. Ich habe Keinen bemerkt.
Zweiter Junge. Ich will Ihnen sagen, Herr Ducke, es war der Deibel.
Guckkästner. Rrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen das herrliche preußsche Jeschichtsjemälde, wie der Ehren-Volksmann Waldeck sieben Monate durch einen Bubenstreich in's Gefängniß jesessen hat un nu vor die Jeschwornen steht. Es ist der erhabene Mojement aufjefaßt, wo der Pollezeipräsedent Hinkeldey mit de Faust uf 'n Disch schlägt un den Zeugen Jödsche von de Kreuzzeitung einen Freund der Krone nennt. Ohm, der des Pollezeipräsedentenzimmer dazu benutzt hat, um aus't Jefängniß zu entwischen, hat falsche Briefe in de Hand, die ihm von de frommen Jesuiten dictirt sind, welche sich alle Oogenblicke uf Jott berufen. Waldeck beruft sich uf seine Unschuld, uf sein Recht un uf die Schurkereien, die jejen des Volk verübt sind, nämlich durch Piersichen, der alle vornehmen und ritterlichen Schurkereien enthüllt hat. Rechts steht Piersig un kaut verlejen an de Nägel, links steht ein Staatsmann un schämt sich; rundrum sitzen die Jeschwornen un schlagen die Hände über'n Kopp zusammen, un draußen singt Eener: Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben.
Herr Strampel. Un wegen dieser Stücke, deren Buben jedes Kind in Preußen kennt, un die sehr viel Einfluß auf unsre Jeschichte haben, ist der Ehrenmann Waldeck, unser Vertreter, sieben Monate lang seiner Freiheit beraubt jewesen!
Erster Junge. Pfui!
Herr Strampel (hält sich die Nase zu). Es stinkt hier fürchterlich!
Herr Ducke. Ich rieche nischt. Sagen Sie mal, der Jacoby, der mit de Wahrheit, die de Keenje nich hören wollen, der is ja woll ooch freijesprochen?
Guckkästner. Ja, natürlich. Die Hochverräther un Fälscher un Betrüjer un Meineidje un Spitzbuben sind ja janz andre als Waldeck, Jacoby, Temme, die Steuerverweijerer un solche achtbare Männer, die des Volk liebt un zu Vertretern jewählt hat, damals als es noch nich daran denken konnte, deß man, weil sie Recht un nich Jewalt wollten, sie mit Bajonette ausenanderjagen würde.
Zweiter Junge. Wo is 'n Jödsche?
Guckkästner. Der jeht frei umher aber – Temme sitzt im Kerker! – Rrrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie den Sandwichsinselschen Marjisdrat, wie er eine Sitzung hält. Ein sehr schönes Familienjemälde von einen niederländschen Maler.
Zweiter Junge. Herrjees, man sieht ja die Jesichter nich! Was is 'n Des? Man sieht ja blos die Perrücken?!
Guckkästner. Sie haben janz richtig bemerkt. Der Künstler hat ein Versehen jemacht un sich des Publikum uf de andre Seite jedacht. Er hat den Marjisdrat rückwärts jemalt. – Rrrrrrrr....eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen das jutsherrliche mittelalterliche Jemälde, wie die repitirten mekelnburgschen Ritter aus Liebe zu ihren Jroßherzog rebellisch werden, weil sein Minister ihm jerathen hat, sein Work zu halten, un der Jroßherzog nach ihre Meinung seine fürstliche Würde so weit verjißt, Dieses zu dhun. Die herrlichen repitirten mekelnburgschen Ritter haben einen ger- un scharr-lachrothen Leibrock an, wodurch es unzweifelhaft feststeht, deß sie blos ihre Rechte bewahren wollen. Sie sitzen uf ächtes Vollblut, welches ihr eijnes is, weil die mekelnburgschen Ritter Allens baar bezahlen. Ein Barbierbecken haben sie nich auf den Kopp, weil dies die Tagelöhner zu irrijen Ansichten verführen würde, aber an die Seite haben sie eine lange Lanze, um des jeliebte Vaterland jejen die Ueberjriffe der andern Bewohner zu vertheidijen. Das janze Bild jewährt einen erfreulichen un erheiternden Eindruck. Hünten bricht der Mond durch den Wolken.
Herr Ducke. Ich möchte wissen, ob eijentlich die Rejierung in Schwerin Recht hat oder die Ritter?
Herr Strampel. Jedenfalls die meklenburgschen Kreuzritter. Denn die Rejierung hat sich uf Neuerungen einjelassen un die Ritter zwar ooch, aber nachher haben se, wie alle Ritter in Deutschland, einjesehen, deß Neuerungen ihnen schaden, un deß die Soldaten sehr jut schießen können. Un die Ritter haben Meklenburg schon lange Jahre rejiert, un haben immer so rejiert, deß sie zufrieden waren. Un nu wollen se ...
Guckkästner. Rrrrrrrrrr...eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen ein denkwürdijes Jemälde aus de neuste Wühlerei nach Erfort. Es ...
Herr Ducke. Wählerei, wollten Sie woll sagen?
Guckkästner. Janz richtig; ich hatte mir versprochen. Bei die jetzigen vielen Jeschichten, die zum Wohle der Nation passiren, is es leicht möglich, deß man sich irrt un nich mehr jenau im Oogenblick weeß, wo Anarchie un Wühlerei un wo Jesetz un Recht is. (Fortfahrend) Also: Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen ein denkwürdijes Jemälde aus de neuste Wühlerei, Wählerei nach Erfort. Es is der Mojement aus den Münsterschen ufjefaßt, wo vor den Wahlkommzarius aus eine janze Wählerklasse Ein Wähler erscheint un sich nach Erfort wählt. So wie er sich aber jewählt hat, so dreht er sich, wie Sie sehen, um, zuckt die Achseln un sagt: es dhut mir sehr leid, die Wahl nich annehmen zu können, indem die Erfortser-Versammlung jejen meine Jrundsätze is. Sie sehen, deß der Wahlkommzarius darüber sehr verwundert is un es ihm sehr leid dhut, diese seltsame Volksvertrauens-Jeschichte an der Rejierung berichten zu müssen.
Herr Strampel. Sagen Se mal, Herr Invalide, jehen Sie ooch nach Erfort?
Guckkästner. Ja, in Compagnie mit einen Puppenspieler. Wir rechen daruf, deß Erfort sehr belebt is, un deß wir da mit einen Puppenspiel sehr jute Jeschäfte machen werden.
Herr Strampel. Des jloob ick nich, wejen de Concurrenz. Da werden jewiß so jroße Puppenspiele zu sehen sind, deß Sie dajejen nich werden ufkommen können.
Guckkästner. Det is möglich, un darum will ick mir ooch zur Vorsorje meinen Kukasten mitnehmen. Ick habe mir schon bei meinen Künstler ein historschcs Portrait aus de Zeiten der Reichsverwesung bestellt, wat da in Erfort jewiß Anklang finden wird. Wir müssen aber jetzt eilen, denn ick habe noch zwee Bilder zu erklären, un et is schon en Viertel uf Elwe, un wenn ick mir erlaube, hier bis nach halb Elwe zu erklären, denn is es nich nröglich, mit de bestehende ochsdrogierten Jesetze zu rejieren, un denn muß der Belagerungszustand erklärt werden.
Herr Ducke. Ich bitte, nischt nich jejen den Belagerungszustand zu sagen, denn der Belagerungszustand is doch immer eine Maaßrejel.
Guckkästner. Des is nich zu bestreiten. Rrrrrrrrrrrrrrr....eaction, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften, präsentiren sich Ihnen die mythologenden Jestalten der Weisheit, der Jerechtigkeit, des jöttlichen Berufs, der Einigkeit un der väterlichen Liebe!
Herr Ducke. Sie entschuldjen: Sie irren sich. Da uf des Bild steht blos eine Kanone!
Guckkästner (nachschauend). Richtig! Ich muß sehr um Entschuldijung bitten: ich habe aus Versehen die Weisheit, die Jerechtigkeit, den jöttlichen Beruf, die Einigkeit un die väterliche Liebe zu Hause liegen lassen un davor die Kanone jejriffen. Es dhut mir sehr leid, weil des mythologende Bild ein sehr schönes un seltnes is, un Sie dajejen eine Kanone, womit auf Menschen jeschossen wird, villeicht schon jesehen haben. Wie?
Herr Ducke. Ja, ich habe schon eine jesehen.
Erster Junge. Ick ooch.
Zweiter Junge. Mir is ooch schon eene seit de jlückliche Zeiten in't Ooge jekommen. Des da is aber villeicht 'ne aparte?
Herr Strampel. Sagen Se mal: ist diese Kanone villeicht ans des Dreikönigsbündniß bei de neue Wache?
Guckkästner. Ne, es is eine janz jemeine Kanone. Sie is abgebildt nach eine, die jejen deutsche Rebellen jebraucht is.
Herr Strampel. Hat se viele Staatsmänner dodtjeschossen?
Guckkästner. Ne! Rrrrrrrrrrrrrrrrrrr...eaction, ein anderes Bild, un dieses is das Letzte! Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen der chinesische Staatsschatz, wie er nach de neusten Anleihen unter den Kaiser Hepzieh den Ersten ausjesehen hat. Ein hörrliches Jemälde, nach de Natur un auf Befehl des Kaisers ausjeführt!
Zweiter Junge. Herrjees, wat machen Se denn?
Herr Ducke. Des is wieder ein Mißverständniß, ein Irrthum mit des Bild!
Erster Junge. Det is ja en leerer Bogen Papier!
Guckkästner. Wat? (Er sieht nach.) Richtig! (Zornig zu seiner Gattin.) Aber, Doretheee, wat hast 'e denn heute jemacht, wie Du mir die Bilder injepackt hast? Wo, zum Donnerwetter, is denn der Staatsschatz jeblieben?!
Dorothea. Ja, wie soll ick'n des wissen! Ick dachte, Du hättsten schon injepackt.
Guckkästner. Ick? Du bist woll nich klug? Am Ende is er janz wegjekommen, der Staatsschatz!
Herr Strampel. Na, ich habe ihn nich verbracht!
Guckkästner. Ne, des weeß ich, aber des dhut mir leid, deß ich ihn nu nich in'n Kukasten zeigen kann. Er hätte Ihnen jewiß sehr jefallen mit die chinesischen Fijuren drummrum, die alle dabei beschäftigt sind.
Herr Ducke. Des is woll möglich. Na, da nu aber mal der Staatsschatz nich da is, so is es nanu woll alle?
Guckkästner. Reene alle!
Herr Ducke. Na, denn schlafen Se wohl!
(Er geht.)
Herr Strampel (ihm nachrufend). Ju'n Nacht, Herr Ducke. Jrüßen Se Ihre Frau Jemahlin von mir!
Herr Ducke (aus der Ferne). Ich danke jehorsamst. Jleichfalls!
Herr Strampel. Ju'n Nacht, Herr Invalide!
(Er geht.)
Guckkästner. Schlafen Se wohl!
Beide Jungen. Atje!
Guckkästner. Empfehl' mich Ihnen jehorsamst! (Zu seiner Gattin.) Nanu, Doretheee, pack' in!
Dorothea. Ick bin schon dabei.
Guckkästner (seufzend). Ja, schon lange! (Lange Pause, während welcher Beide arbeiten.)
Herr Strampel (kehrt zurück). Hören Se mal, Herr Invalide: also des war des weltjeschichtliche, adlije Jahr 1849?
Guckkästner. Ja!
Herr Strampel. Ju'n Nacht! (Er geht und trällert da« Fischerlied aus der Stummen von Portici.)
Guckkästner. Na, biste nu fertig, mein zweites Ich?
Dorothea. Ja, nu können wir jehen.
Erster Junge (kehrt zurück). Herr Invalide, wir Beede, der andre Jüngling un ich, wir haben verjessen, Ihnen noch was zu sagen. Deshalb komm ech noch mal wieder.
Guckkästner (unwillig). Na, wat denn nu noch?
Erster Junge. Wir wollten Ihnen man blos sagen: det wir ooch nich den Staatsschatz verbracht haben. (Grüßend.) Schlafen Se wohl!
Druck von Bernh. Tauchnitz jun.
Editorischer Hinweis
Die erste Auflage des ersten Heftes der Reihe »Berlin wie es ist und – trinkt« erschien im Jahr 1832, die Erstauflagen der Hefte 2-5 ebenfalls noch vor 1835, so daß der Erscheinungszeitraum der Serie bezogen auf die Erstveröffentlichungen mit 1832–1850 anzugeben ist.
Ausgehend vom Erhaltungszustand der Originale, im Interesse einer durchgehend guten Wiedergabequalität, aber auch aus inhaltlichen Erwägungen (erweiterte und verbesserte Nachauflagen einzelner Hefte) dienten für diese Ausgabe Exemplare verschiedener Auflagen des Zeitraumes 1835–1850 als Vorlage. Die jeweilige Auflage und das Erscheinungsjahr der verwendeten Hefte sind aus dem vor Frontispiz und Text wiedergegebenen Einbandblatt ersichtlich.
Vollständiger Reprint der Hefte 1-30 (alles Erschienene) der Originalausgaben 1835–1850 in zwei Bänden nach den Exemplaren folgender Institutionen:
Universitätsbibliothek Leipzig, Berliner Stadtbibliothek, Universitätsbibliothek Berlin, Märkisches Museum Berlin, Universitäts- und Landesbibliothek Halle, Sächsische Landesbibliothek Dresden
Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik Leipzig 1987