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Titelblatt

XXIV. Heft.
Herr Buffey im Tugend-Verein

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Leipzig, 1846.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

.

Herr Buffey im Tugend-Verein.

Genrebild von Ad. Brennglas.


Personen:

Frau Kiezel.

Frau Lehmann.

Schneider Peese.

Riemer Rempleer.

Lümpchen.

Luise.

Frau Jcks.

Klempner Schwemmke.

Horndrechsler Prusing.

Vorsteher Ibikus.

Herr Buffey.

Wilhelm, sein Sohn.

Generalin von X.

Geheimräthin Q.


Scene: Großer Saal in der Kanonierstraße, schlecht beleuchtet, mit einem ganz dunklen Nebengemache. In der Mitte der Nordwand des Saales eine Tribune, an deren Seiten zwei große Kisten. Rings an den Wänden Bänke und Stühle; in der Mitte der Scene ein Tisch, auf welchem viele Trinkgläser und zwei hohe Wasserkrüge stehen. Es ist sieben Uhr Abends; der Saale füllt sich mit männlichen und weiblichen Personen.

Frau Kiezel (gähnend). Ach Jott, ach Jott, ja, ja!

Frau Lehmann. Sie scheinen schon müde zu sind, Frau Jevattern, un der Tugend-Verein hat noch nich mal anjefangen.

Frau Kiezel. Ne, ich war die verjangne Nacht auf en Kindtaufen, un da haben wir bis zwee Uhr jedanzt un dummes Zeug jemacht. Un nachher hab' ich kaum 'ne Stunde schlafen können, denn mein Mann hatte von des viele Drinken einen Zustand, den ich Ihnen nich beschreiben kann, Frau Jevattern.

Frau Lehmann. Kommt Ihr Mann heute ooch in den Tugend-Verein?

Frau Kiezel. Vielleicht kommt er noch nach, aber ihm is noch immer nich recht wohl, un denn macht er ooch lieber seine Parthie Solo in de Tabagie. Ueberjens, mir wär' et recht lieb, wenn er heute nich käme, denn der hübsche Feldwebel, den Sie neulich bei mir jesehn haben, der will hier ooch bei uns Mitjlied werden un heute hier sind. Un mein Mann is etwas schalou uf ihm. Ach sehn Se mal, Frau Jevattern, da kommt die Mamsell Schöneberjen aus de Roßmarienjasse mit ihren Kurmacher! Det is ooch 'ne ächte Prinzesien. Aus eene Putzanstalt kommt se in de andre, weil ihr keene wejen ihre jroße Sittsamkeit behalten will, un weil se vielleicht ooch über Mein un Dein besondre Bejriffe hat! He, he, he! Ja, des is de rechte! Der Privatsekertair, mit den se immer jeht der soll verheirath't sind, ach Herr Jeses! Na, un en Lästermaul hat diese Mamsell! Immer nur des Böseste erzählt se von alle Menschen, an Jeden hat se was zu rügen, statt daß man von seinen Nebenmenschen immer nur des Beste denken soll. Es is wirklich 'ne Sünde un Schande, deß solche Leute hier im Tugend-Verein sind! Der drüben da, der lange Kerrel in den jrauen Rock mit de demüthje Oogen, det is ooch so'n Mitjlied, deß sich Jott erbarme! Der Kerrel lebt vom Wucher, un dabei looft er aus eene Kirche in de andere, als ob er mit'n lieben Jott Jeschäfte hätte. Denken Se sich, Frau Jevattern: neulich braucht mein Mann, um 'ne Parthie Leder zu koofen, 45 Dhaler uf'n halb Jahr. Wissen Se, wat er hat jeden müssen? 60 Dhaler hat er ihm verschreiben müssen zu 5 Prozent! Der Lump, der! Un neulich hat er bei uns in de Nachbarschaft einen armen Leineweber mit Frau un fünf Kinder de Betten un de Meublen unter de Nase fortnehmen lassen, weil der Leineweber vier Wochen krank war un nischt verdienen, un ihm daher nich uf'n Dag bezahlen konnte. Wat sagen Sie dazu, Frau Jevattern?

Frau Lehmann. Ach lieber Jott, solche Wurmstichijen sind viele hier drunter! Der da drüben mit de rothe Nase, des is ooch en jesunder Junge. Zwee Mal hat er schon bankrott jemacht, un arme Leute um des Ihrige bedrogen, un sich dabei en' juten Zehrpfennig zurückjelegt. Un sein Freund neben ihm mit die blonde Perrücke un nut die hellen Hosen ohne Sprungrieme, der macht noch andere Jeschäfte! (Nimmt eine Prise und hält ihrer Gevatterin die Dose vor.) Spiretus, merkste wat?

Frau Kiezel (niesend, laut). Hepsi!

Frau Lehmann. Zur Jesundheit!! Sie beniesen's, Frau Jevattern. (Nach einer Pause.) Ich weeß nich – ich –

Frau Kiezel. Was is'n Ihnen?

Frau Lehmann. Ich weeß nich, mir is so flau; – die Zunge is mir so trocken; – wenn ich was zu drinken –

Frau Kiezel. Da uf'n Disch steht ja frisch Wasser jenug!

Frau Lehmann. Ja, des woll. Des is ooch hernach, wenn der Tugend-Verein anjeiangen is, vor de Mäßigkeit janz jut, wenn Eener jrade Apptiet uf frisch Wasser hat, aber – aber, wie jesagt, mir is so'n bisken flau, un da möchte ick – Frau Jevattern, Sie haben woll nich en paar Droppen bei sich?

Frau Kiezel. Ich? Ja, des heeßt, vor mir, weil ich manchmal solche Zufälle krieje, wo mir janz eeklich wird, hab' ich mir'n paar Droppen mitjebracht, blos so als Medezin.

Frau Lehmann. Ich will mir weiter nischt als de Zunge mit Medezin naß machen. Frau Jevatterin, wollen Sie mir nich en paar Droppen von sich ablassen? Haben Se nich ooch Ihre Zufälle jrade? Denn wollte ich mir vor Ihnen stellen, daß es Kerner sieht, un Sie könnten mir denn hernach ooch die Jefälligkeit erweisen.

Frau Kiezel. Stellen Se sich man vor! Ich wer dhun, als ob ick meinen Schnuppduch hinter de Banke ufheben wollte. Sie können nachher Ihren ooch fallen lassen.


Schneider Peese (mit äußerst dünner Stimme). Du, Rempleer, des is wieder hier heute ochsig vornehm. Des is doch hübsch von die vornehmen Leute, deß sie sich theilweise um de Reeljon mit uns jemeine Menschen vermengeliren. Die Dame, die in de Ecke mit ihren Mops ufn Schooß sitzt, des is 'ne Jeneralswittwe, die freilich, als der Jeneral noch lebte, jede Schlacht in de Ehe jejen ihn jewonnen hat, bis er des Schlachtfeld verließ, aber die doch immer theilweise adlig is, wenn se ooch früher jejen ihren Jäger sehr herablassend war, un jejenwärtig wegen delirumlarum tremulando den Mäßigkeitsverein auf einje Wochen brauchen muß. Jott, so was kann en jungen Menschen passiren!

Riemer Rempleer. Na Du, wejen jung, der stört! Die hat ihre 8 bis 59 in'n Nacken.

Schneider Peese. Ja, natürlich, ich meente ooch man blos so. Aus de Windeln is se, des is richtig.

Riemer Rempleer. Wer is'n Die mit den Bammel-Hut, die neben ihr sitzt? Det is ja ooch woll wat Feines?

Schneider Peese. Die mit 'n Pamela-Hut? Ja, des is 'ne alte Jeheimeräthen, die det jroße Haus in de Friedrichsstraße hat. Sie hat höllische Knöppe, aber sie zähmt sich nich, sich satt zu essen vor Jeiz, un wat ihre Leute betrifft, so kannste Dir keene bessere jezwungene Mäßigkeiter denken.

Riemer Rempleer. Also 'ne böse Sieben?

Schneider Peese. Ach wo willste mit Sieben hin! Det is wenigstens 'ne böse Neune! Ick habe mal bei ihr jewohnt, Jott erbarme sich! Wenn ihr die arme Leute nich uf'n Dag de Miethe bezahlen konnten, so hielt se sich an ihre Sachen un schmiß die Menschen theilweise mit de Kinder nackt un bloß aus't Haus raus. Un, dabei bet't se den janzen ausjeschlagenen Dag. Wer mag'n des da neben ihr mit des eene verqueure Ooge sind? Ach, richtig, nu erkenn' ick ihn! Des is der Hofrath Püffrich, so'n rechter Kriecher, der von weiter nischt als von weise Verordnungen spricht un von Vorjesetzte und von theilweise hohe Personen, un der sich mit seinen jeschmierten Aktenunsinn so dicke dhut, als ob nich Jeder so wat werden könnte. Ich weeß nich, Rempleer, ich spreche theilweise sonst nich jerne was Böses von de Menschen, denn en Verläumder is viel schlimmer als en Bedrüger un en Spitzbube, sagte mein seliger Vater immer. Aber so'n preußscher Gehaltkrieger, der jar nich Mensch wird un immer nach't Büreau stinkt, des is, als ob ich mit theilweise ....

Riemer Rempleer. Jehört er denn zu uns, is er denn ooch fromm?

Schneider Peese. Na freilich, er is ja Beamter, wat soll er denn machen?

Riemer Rempleer (nach der Thür schauend).

Ach herrjeh, da kommt der Backenbartzupper von's Theater uf uns loS!

Lümpchen (zupft sich fortwährend am Backenbart).

Ei, kuten Abend, tuten Abend! Na heeren Se, haben Se kestern meine Dhusnelde singen heeren, meine Dochter? Ei herrjeses, wenn meine Dochter, meine Dhusnelde Stimme hätte, de Lind un de Alboni, un wie ahle die andern miserabeln Sängerinnen Heeßen, die könnten sich Sie begraben lassen. Aufs andere Jahr mach' ich Sie nach Baris mit meine Dhusnelde, denn hat sie'n Weltruf. Den verdankt sie mir denn hernach ooch, denn ihren eurobeeschen hat se mir ooch schon zu verdanken. Ich drängle Sie mir bei alle die Schriftsteller uf, un so lange, bis die Herren das bekannte Lümpchen mich nich anders loswerden können un mir Empfehlungsbriefe geben. Ei herrjeses jaa, man muß es verstehen! Wie se ihr erschtes Pein auf de Pretter gesetzt hat, hab' ich se lithographiren lassen, meine Dhusneide, meine Dochter, un neulich hab' ich sie zu ihren Gepurtstag sogar illustriren lassen, meine Dhusnelde, un mit s'on Gypsfiguren-Mann hab' ich Sie ooch schon wejen meine Dochter jesprochen, jaae! Un die Geschichten, die ich Sie über die andern Sängerinnen erfinde, un die Briefe, die ich über sie schreibe: bei meiner Seele, kein gutes Haar lass' ich Sie an die Andern, un suche Sie auf alle mögliche Weise zu schaden. Hi, hi, hi! Meine Dochter will das immer gar nich, denn das is Sie ein herrliches un gescheidtes Mädchen, aber ich kenne die Welt un da ich sonst Nichts schaffen kann, so wirke ich Sie auf diese Weise. Morgen, Herr Rempleer un Herr Beese, müssen Sie wieder bei der andern Sängerin zischen, sonst – Sie wissen schon, daß ich Sie anzeigen könnte! – Ihre Freibillets können Sie sich morgen früh abholen. Jetzt atje, die Tugend wird balde anfangen.


Luise (hat in einem frommen Buche gelesen; sie spricht zu einer Dame, welche von Zeit zu Zeit Gelegenheit nimmt, sie um etwas zu fragen). Sie sehen, Madame, daß ich mich erbauen möchte! Ich wohne zum ersten Male dem Tugend-Verein bei und wünschte mich vorzubereiten.

Frau Icks. Sie nehmen das zu strenge, schönes Fräulein. Die Freude ist die eigentliche Tugend.

Luise. Wäre dies, so gäbe es keine sündhaftere Person als mich. Ich kenne Nichts als schwere Arbeit und Kummer, Jammer um meine arme Eltern und Geschwister.

Frau Icks. O bitte, erzählen Sie; vielleicht ist Ihnen zu helfen.

Luise (seufzt). Schwerlich! Die Geschichte ist kurz. Mein Vater war ein gutgestellter Beamter, ein strengredlicher, tüchtiger Arbeiter, und eben so lebenslustig wie tugendhaft. Sein Vorgesetzter aber war sehr fromm, ein Beamter, der unter meinem Vater stand, ebenfalls. Es erschienen Anklagen auf Anklagen gegen ihn; zuerst wies er dieselben mit edlem Unwillen, zuletzt, auf's höchste gereizt und sich nicht der geringsten Schuld bewußt, heftig zurück. Die Kirche besuchte mein Vater allerdings nicht, auch keine Betvereine. Er bekam seinen Abschied mit einer Pension, von welcher kaum Eine Person nothdürftig leben kann – und wir sind unsrer Sechs. Nun ist der früher so heitere Mann trübsinnig und krank geworden, unsere sonst so glückliche Familie kennt kein Lächeln mehr.

Frau Icks. Das soll wiederkommen; janz jewiß! Sie werden ihre Eltern unterstützen.

Luise. Ich besuche nun den Tugend-Verein und bitte Gott, meinem Vater zu verzeihen. Denn sicher ist doch seine Unfrömmigkeit schuld an unserm Unglück.

Frau Icks. O nein, gewiß nicht! Er ist angeschwärzt worden, er wird sein Recht noch finden. Ich kenne einige Herren, Verwandte von mich, die solche Stellung haben, daß sie sich seiner annehmen können. Wenn Sie mich die Ehre ihres Besuchs schenken ...

Klempner Schwemmke (auf die beiden Frauen deutend). Du, seh' mal, Prusing, da is der Habicht wieder über eine Taube her.

Horndrechsler Prusing (nach der Thür schauend). Stille, da kommt der Vorsteher!

Vorsteher Ibikus (geht mit gefalteten Händen, den Kopf seitwärts gebeugt, rasch auf den Tisch in der Mitte des Saales zu, trinkt ein großes Glas Wasser, richtet den Blick zur Decke, faltet die Hände wieder und geht mit seitwärts gebeugtem Kopfe nach der Tribüne. Hier legt er den Kopf aus die Brüstung und murmelt unverständliche Worte).

(Tiefe Stille. Alle bewegen leise die Lippen.)

Herr Buffey (tritt mit seinem Sohne Wilhelm zur Thür ein; sehr laut). Bin ick hier recht in de Tugend?

Mehrere Stimmen. Still!

Herr Buffey (sehr laut). Wie so? Ick fragman blos, ob des hier die preuß'sche Tugend is, die protestantsche, von die ick so viel gehört habe? Ich muß mir doch als Bürjer, der mit seine Zeit fortschreiten will, orientieren, nennt man des! (Pause.) Na, keene Antwort?

Vorsteher Ibikus (mit feiner, halb singender Stimme). Der so eben eingetretene Bruder wird ersucht, sich ruhig und in Demuth zu verhalten, zu thun, was wir thun: sein Herz ausschütten in reuevoller Erkennung seiner grenzenlosen Sündhaftigkeit!

Herr Buffey. Wer? Als wie Ich? (Heftig.) Des is ja beleidjend! Wie können Sie denn, anonym nennt man des, von meine jrenzenlose Sündhaftigkeit reden? Sie kennen mir ja jar nich! Wer Ihnen des gesagt hat, deß ich jrenzenlos sündhaft bin, des is jefälligst en Esel! Ick zahle meine Steuern, jede an de Armen, dhue nischt Böses un intressire mir vor den Staat, vor den Fortschritt, heeßt des, was man so nennt! Wie so is des jrenzenlose Sündhaftigkeit? Wenn Sie sich denoch mal unterstehen, zu mir als Bürjer zu sagen, denn können Sie jefälligst einen Katzenkopp jenießen! Ick bin hier nich herjekommcn, um Jrobheiten zu hören, ick will weiter nischt, als die vaterländsche Tugend kennen zu lernen, weil es meine Schuldigkeit als Staatsmitjlied is, alle Culturspitzen, nennt man des, kennen zu lernen, persönlich!

Vorsteher Ibikus (wie oben). Der neue geliebte Bruder ist noch nicht von der Demuth durchdrungen, welche die Hauptzierde des wahren und ächten Christen, welches die himmlische Tochter der Tugend ist. Der geliebte Bruder lasse seinen miserablen Körper ...

Herr Buffey (ihn unterbrechend, sehr heftig). Wat sagen Sie? Mein Körper miserabel?

Vorsteher Ibikus (ruhig fortfahrend). Lasse seinen miserablen, staubigen Körper auf eine jener Bänke nieder, und lerne in unsrer frommen und mäßigen Gesellschaft, in unserm jlaubenssüßen Verein diejenigen Formen, welche der ewige, engelreine und unantastbare Inhalt erfordert, oder er kehre die Füße seines miserablen, staubigen Körpers um und trage denselben hinaus in die Verdammniß der lauten, verbrecherischen Welt, welche da ist voll gemeiner sinnlicher Liebe, voll sogenannter geistvoller und poetischer Schriften, voll des Weines und Schnapses, voll der Schauspiele und Lustbarkeiten und Gräuel aller Art! Aber bemerken müssen wir dem geliebten Bruder, daß er künftighin nicht kommen darf mit dem Erben seiner Sünde, da Dieser noch nicht das rechte Maaß hat, das Maaß der Erkenntniß seiner irdischen Nichtswürdigkeit und Verflachung.

Herr Buffey. Wie meenen Sie? Ick dachte, deß des jrade hier vor Kinder wäre, un da ich als Eltern von des Wurm die Verpflichtung habe, ihn – wie soll ich sagen? – mit alle Klugheiten un Dummheiten der Welt bekannt zu machen, so hab' ich'n hier ooch mit herjenommen. Ueberjens aber, wenn es Ihnen intressirt, jeliebter Bruder! deß mein Sohn nich bei sein soll bei die Tugend hier, denn kann er künftig zu Hause bleiben un auf seine eijne Hand tugendhaft sind. Sonst, jebrauchen können Sie ihn: dumm is er, davor kann ick Ihnen als Vater bürjen, mithin, wenn er was lernen könnte, so wäre des keene Verschwendung.

Vorsteher Ibikus. Einfalt ist gottgefällig.

Herr Buffey. Ja, un staatsjefällig ooch.

Vorsteher Ibikus (zu Allen). Lassen Sie uns fortfahren, geliebte Brüder!

(Tiefe Stille. Alle bewegen leise die Lippen.)

Herr Buffey (sich verwundert umschauend, für sich). Was is'n des?? – – Die rathen woll Rebusse? – Ach herrjeh, ne, nu versteh' ick erst! I, i! Des wird ja hier förmlich fabrikmäßig bedrieben. (Er schickt sich an ein Gleiches zu thun.) Na, mitjefangen, mitjehangen! (Er bemerkt, daß sein Sohn Wilhelm die Decke des Saales betrachtet, und giebt ihm einen Stoß gegen den Kopf, wodurch dieser sich ungemein tief neigt.) Willste woll jleich tugendhaft sind, dummer Junge! Wovor bist'n hier, Schaafskopp? Jleich bewegste de Lippen!

Klempner Schwemmke. Hör'n Se mal, mein Herr, Ruhe is de erste Bürjerpflicht.

Herr Buffey. Ne, des is blos in Kriegszeiten; im Frieden is Bewejung die erste Bürjerpflicht.

Mehrere Stimmen. Ruhe!

Klempner Schwemmke (zu Buffey). Sehn Se, wat hab' ick Ihnen gesagt?

Herr Buffey (Schwemmke in's Ohr). Sagen Se mal, jetzt denn des hier nu immer so weiter? Wie?

Klempner Schwemmke. So ziemlich bleibt sich des janz einjal hier. Denn hernach, wenn des Lippen-Bewejen vorbei is, denn wird Nachweis über die Thätigkeit des Vereins jejeben – unjefähr so, wie über die Finanzen, Sie verstehen mir – und denn wird ooch eine sehr erbauliche Rede jehalten, und denn vielleicht noch eene, un denn werden da aus die jroßen Kasten bei de Tribüne Erbauungsschriften vertheilt, und zwischen dieses Allens durch wird Wasser jedrunken, wer jrade Durscht hat.

Herr Buffey (ihn mit höchst wißbegieriger Miene betrachtend). Un des zusammenjenommen, des is denn der Verein vor die Tugend?

Klempner Schwemmke. Det schmeichelt sich unsere Tugend zu sind.

Herr Buffey (nachdenkend). Hm! Hörn Se mal – wat ick sagen wollte – amüsant scheint mir die Tugend nich sehr zu sind? Wie?

Klempner Schwemmke. Nu ne, jrade amüsant kann man se nich nennen. Aber, ich will Ihnen sagen, es is doch immer eine Vereinijung von Herren un Damen, un es kommt dabei immer uf die Empfindung an.

Herr Buffey (immer noch seinem Nachbar in's Ohr flüsternd). Wie so?

Vorsteher Ibikus (den Kopf erhebend und die Hände zusammenschlagend). Lasset uns, geliebte Brüder, jetzt Jeder ein Glas Wasser trinken!

Herr Buffey (laut, dem Vorsteher zurufend). Kann man nich vor Jeld un jute Worte en Jlas Weißbier haben? Ich drinke des Abends nie Wasser, des is meine Anjewohnheit! (Sich zu seinem Sohne umwendend.) Willst Du en Jlas Wasser drinken, Willem?

Wilhelm. Ne, Vater, mir durschtert nich!

Herr Buffey (zum Vorsteher hinaufrufend). Meinen Sohn Willem durschtert ooch nich!

Schneider Peese (zu Herrn Buffey). Hören Se mal, Sie machen sich hier etwas unbequem! Wenn Sie so fortfahren, denn können Sie theilweise rausjeschmissen werden!

Herr Buffey (höchlich verwundert). Man nich! Is des hier ooch möglich?

Schneider Peese. Ach, möglich is hier in den Tugend-Verein Allens! Da jibt et jar nischt, was hier nich möglich wäre. Ich rathe Ihnen, jehen Se nach den Disch hin un drinken Se theilweise en Jlas Wasser. Des beruhigt die Tujend-Jemüther, die jejen Ihnen ufjeregt sind.

Herr Buffey. Na, wenn Sie meinen, deß des Wasser beruhigt, denn soll es mir uf en Jlas nich ankommen. (Nimmt seinen Sohn bei der Hand.) Komm', Willem, der Tugend-Verein setzt uns uf en Jlas Wasser.

Wilhelm. Mir durschtert aber nich, Vater!

Herr Buffey. Des schadt nischt, dummer Junge. Vor de alljemeine Tugend muß man was verschlucken, det hilft nischt. (Er zieht seinen Sohn nach dem Tische mit sich fort.)

Vorsteher Ibikus (sein Glas hinsetzend und die Augen dankbar auffchlagend). Ach, welch ein herrliches, gesegnetes Getränk!

Herr Buffey. I nu, ick will Ihnen sagen: Wasser, als Wasch-Inschtitut, nennt man des, zieh' ich es den Rebensaft vor; aber indessen als Jedränk kann ick dem Letztern seine Verdienste nich nehmen. Drinken Sie denn nu zum Beispiel nischt als Wasser?

Vorsteher Ibikus. Niemals einen Tropfen der schmachvollen, die Welt vernichtenden Spirituosa; nichts als Wasser!

Herr Buffey. Na hörn Se mal, da wundert mir, det Ihnen nich de Brunnenkresse aus'n Mund wächst. Wovor läßt denn nu aber der liebe Jott den Wein wachsen?

Vorsteher Ibikus (mit frommen, dankbaren Augen). Damit wir ihn entbehren können! – Das ist ja die unendliche Weisheit unsres allmächtigen Vaters! Wüchse kein Wein, so wäre es keine Tugend, ihn zu entbehren. (Man drängt sich um diese Gruppe und hört dem Vorsteher aufmerksam zu.) Denn Tugend ist Entbehrung – auf diese Wahrheit gründet sich unser Verein. Das Wasser hier ist das Symbol all unsrer geistigen Thätigkeit. Denn unsre menschliche Aufgabe ist es, hier auf Erden zu entbehren, damit uns dereinst die Seligkeiten des Himmels werden. Alle Lust, alle Freude, aller Genuß ist Sünde. Wie wir denn also unsere verlangende, thierisch-begierige Kehle durch Wasser besänftigen und uns eben dadurch über das Thier erheben, eben so besänftigen wir unsern nach Freiheit und Wissen verlangenden Geist durch jene Schriften, durch das Festhalten an dem uns Gegebenen, durch Verachtung aller Forschung und Reformirung, und indem wir auf diese Weise die ächten und wahren Unterthanen, die Grundpfeiler des Staates sind, sind wir zugleich auch die des Glaubens und die alleinigen Candidaten des Himmels. Ich bezeichnete vorher das Wasser als das Symbolum unseres Tugend-Vereines. Soll ich Euch, geliebte Brüder, dies noch erklärlicher machen, so richte ich Eure Gedanken auf die Sündfluth. Mit dieser schwemmte Gott, wie geschrieben steht, die Sünde von der Welt.

Herr Buffey (sehr ernst). Aber hörn Se, der Vater Noah, der alleene jerettet wurde, der soff doch sehr anständig Wein!

Vorsteher Ibikus. Eben weil die Sünde sich wieder einstellte und bis zu ihrer jetzigen furchtbaren, grauenhaften Größe anwuchs, sind die Mitglieder des Tugend-Vereines gleichsam Jeder eine kleine Sündfluth, indem sie mit dem Genusse des Wassers und der Entbehrung aller Freude und aller Forschung und aller Freiheit, die Sünde der verderbten Welt nach und nach wegschwemmen und sie dadurch vor einem zweiten gleichen Unglücke, vor ihrem gänzlichen Untergange bewahren.

Herr Buffey. Denn könnte sich also eijentlich der Tugend-Verein Sündfluth nennen?

Vorsteher Ibikus. Mit großem Rechte, geliebter Bruder!

Frau Kiezel (zu Frau Lehmann). Sehn Se, Jevattern, nu wird et mir klar, warum hier Viele drunter sind, die so wucherhaft pumpen.

Herr Buffey (ein Glas Wasser ergreifend). Na denn will ich Ihnen des nich abschlagen; uf en Bisken Sündfluth soll et mir nich ankommen. (Er trinkt.) Nanu wär' ick aber wirklich neujierig zu wissen, wen ick in diesen Oogenblicke seine Sünde fortgeschwemmt hätte?

Vorsteher Ibikus (immer mit frommer Miene und in halb singendem Tone). O, mein geliebter Bruder, wie viel der Sünden magst Du noch aus Deiner eignen Seele fortzuschwemmen haben!

Herr Buffey (etwas beleidigt). Na, ick jloobe, bei Ihnen is ooch noch nich Allens reene abjewaschen! So'n kleener Fettfleck von Neid, Verläumdung, Kriecherei un Sinnlichkeit wird woll ihre Seele ooch noch uf't Chemisette haben. (Sich umwendend.) Willem, da haste en Jlas Wasser! Nu sündfluthe mal los!

Wilhelm. Ne, mir durschtert nich, Vater!

Herr Buffey. Schaafskopp, durschtern soll Dir ja ooch jar nich! Wenn Dir durschterte, denn wär' et keene Kunst, keen Verdienst, keene Tugend, wenn de Wasser dränktetest, dränk test! Denn kann jeder Ochse saufen, wenn er Durscht hat, aber der Mensch muß eben ooch saufen, wenn er keenen Durscht hat! – Haste denn nich jehört, wat ick Dir jesagt habe? Sündfluthen sollste! Wenn des Wasser, was Du jetzt runterwürjen mußt, wenn De keenen Katzenkopp haben willst – wenn des wieder zum Vorschein kommt, denn hat es 'ne Menge Sündentheile in sich, was man mineralisch nennt.

Generalin von X. (zur Geheimräthin). Na das ist wirklich ein merkwürdijer Mensch. (Die Nase rümpfend). Wie man solch Objekt hier dulden kann, das is mich unerklärlich. Nicht wahr, liebe Q.? Das ist ja ein pipoyables Sujet!

Geheimräthin Q. (hält sich Wohlriechendes unter die Rase). Ordineer! In den Tugend-Verein kommt auch nachjrade Creti und Pleti. (Sie betrachtet Herrn Buffey durch ihre Lorgnette).

Herr Bufsey (dies bemerkend, ernst zu Wilhelm). Siechste, hier rejardiert schon eine alte Dame uf uns. Nu zeige Dir mal als jalant, als Cavalier! Drinke mal des Glas auf dieser alten Dame. (Zur Geheimräthin.) Sie entschuldjen, Madam, ich kenne Ihnen nich, aber des hier is mein Sohn Willem – (diesem einen Stoß versetzend) – verneije Dir! – und der soll jetzt ein Jlas uf Ihre Tugend drinken, indem er Ihnen Ihre Sünde wegschwemmt. Wenn et nich reicht, denn drink' ick hernach ooch noch en Jlas. (Allgemeines Gelächter, das bisher mit Mühe unterdrückt war.) Na? Was is'n Des? Hier wird ooch jelacht?

Geheimräthin Q. (in größter Heftigkeit). Das ist ja ein janz jemeiner Kerl! Herr Vorsteher, ich verlange, daß Sie dieses Jeschöpf, diesen Plebejer sogleich entfernen lassen!

Vorsteher Ibikus. Ja, ich finde auch, daß es die Würde unsres Tu....

Herr Buffey (wendet sich, auf's Höchste beleidigt, gegen die Geheimräthin, wobei er seinem Sohne aus Versehen das Glas Wasser über den Kopf schüttet). Wie sagen Sie, alte Schachtel? Jemeiner Kerl, Jeschöpf, Plebejer? (Zu Wilhelm.) Drockne Dir ab! (Zur Geheimeräthin.) Plebejer? Ich? Rentier Herr Buffey! Bürjer von Preußen un Plebejer? Hörn Se mal, wenn Sie nich zufällig 'ne Dame wären, des heeßt en Frauenzimmer, denn kann ick Ihnen versichern, daß meine Hände sehr laute und schlagende Gedanken haben würden! (Zu Wilhelm.) Da haste mein Schnuppduch, wenn Dein's nich reicht! (Zur Geheimräthin.) Jeschöpf, sagen Sie? Ja, ick bin en Jeschöpf, denn in Deutschland jibt et viele Millionen Jeschöpse un man wenig Jeschöpfe! Un ich, Madam, ich bin en Jeschöpf, nämlich en Jeschöpf Jottes, was keenen Menschen über sich erkennt! Plebejer, sagen Sie? Ja, ich bin en Plebejer Un bin stolz darauf! Sie wissen nich, was en Plebejer is, un daher will ich es Ihnen sagen, denn ich lese Littratur, weil ich Rentier bin, un daher nischt zu dhun habe! Plebejer sind Menschen, die natürlich denken un richtig fühlen, während die Vornehmen un Jebildeten verschroben sind, un Plebejer sind Menschen, die noch en Bisken Leidenschaft un Muth haben, während die Andern ausjelutschte, eijennutzije, bequeme, kriecherische Schufte sind, die, wenn se ihren Bauch voll haben un mit den Viertels-Commsarius jut stehen, die arme Welt loofen lassen wie se will. Ick opponiere mir aber, Madam, wo ick wat Schlechtes un Niederträchtijes sehe, un wenn ick ooch dabei manchmal ausjelacht werde, so is doch mein juter Wille da, un ich tröste mir damit, deß jrade die bedeutendsten Menschen verhöhnt un verfolgt werden, weil – weil – weil die Ochsen des lächerlich finden, deß der Vogel fliegt. (Zu Wilhelm.) Biste drocken, Willem? Hat Dir die Sündfluth nicht jeschaadt? Biste nu tujendhaft?

Geheimräthin Q. Herr Vorsteher, wenn Sie diesen Menschen nich .....

Vorsteher Ibikus (überreicht Herrn Buffey eine Brochüre). Nehmen Sie dieses Tractätlein, verirrtes Schäflein, und wandern Sie hinaus aus diesem Tempel der Tugend und Mäßigkeit, bis Sie einst reuig und bekehrt zurückkehren und der Wohlthaten zu jenießen fähig sind, die hier jespendet werden.

Herr Buffey. Verirrtes Schäflein? Ne, hörn Se mal, den Titel verdien' ich man zur Hälfte, die andere überlass' ick Ihnen. Verirrt hab' ick mir allerdings, det ick als vernünft'jer Mensch hierhergekommen bin, aber was des Schaf betrifft, so kann ich Ihnen des nich abnehmen. (Gibt ihm die Brochüre zurück.) Un des Tractätlein behalten Se man ooch, damit lassen sich blos Schafsköppe tractieren; ich lese lieber unsre Dichter. An Ihren Tempel hab' ich nischt auszusetzen, aber ich jloobe, wenn morgen drinn jedanzt oder Komedie jespielt wird, denn is er wür-* * dijer wie heute, anständjer nennt man des! Un Wohlthaten, meinen Sie, soll ich hier jenießen? Ich danke Ihnen jehorsamst! Wasser kann ick überall kriejen, un um Scheinheiligkeit, Heuchelei heeßt des, zu jenießen, da braucht man in dieser Welt keen besonders dazu injerichtes Lokal zu besuchen.

Riemer Rempleer (zu Peese). Der wird sehr eeklich, der Rentier. Aber mir jefällt er.

Schneider Peese. Mir ooch. Des kann dem Vorsteher nischt schaden, wenn ihm theilweise de Wahrheit jesagt wird. Denn en Fuchs is es, der Ibikus.

Mehrere Stimmen (sich an Buffey drängend). Hinaus mit den Ruhestörer!

Andere Stimmen. Ne, worum denn? Der Mann sagt blos seine Ueberzeujung!

Schneider Peese. Seine Ueberzeujung muß hier Jeder aussprechen können!

Viele Stimmen. Ne, er is en Verspotter, ein Frevler! Raus mit ihm!

Herr Buffey (leise zu Wilhelm). Willem, nimm Deine Mütze un jeh' immer voran, damit ick nich, wie in Trier bein heiljen Rock, draußen uf Dir warten muß. Warte Du draußen uf mir; ick werde sehr wahrscheinlich bald nachkommen. (Wilhelm geht.) Adje, mein Sohn!

Vorsteher Ibikus (zu Buffey). Trotz unserer Demüthigkeit fordern wir Sie jetzt ernstlich auf, verirrtes Schaf, diesen frommen Stall zu verlassen, widrigenfalls wir uns gezwungen sehen würden, diesen unsern Stall von seinem Schmutze zu säubern.

Herr Buffey. Det dhun Se nich, jeliebter Bruder Schaf, wenn ick Ihnen en Rath jeben soll. Wenn Sie diesen Stall hier von seinem Schmutze säubern, denn bliebe vielleicht Keener als ich hier zurück, un dazu bin ick zu jraulich, lieber lief ick mit raus. Denn wenn ich Ihnen, Leithammel, meine aufrichtije Meinung über Ihnen un Ihre Heerde mittheilen soll, denn sag' ick Ihnen: Sie doogen alle zusammen nischt! (Große Bewegung.) Des is nich natürlich, was hier vorjeht! Des is jar keen menschliches Bedürfniß, nennt man des, deß sich hier so Viele zusammenrottieren, um Wasser zu drinken un de Lippen zu bewejen un fromme Jesichter zu schneiden! Det is blos, wenn ick Ihnen meine Meinung sagen soll, weil et in den Stultus jerne jesehen wird, wenn recht ville Anstalten für de Dummheit un de Heuchelei erricht't werden, darum is et! Wuchrer sind Sie Alle zusammen hier, denn det bleibt sich jleich, ob Eener darum wuchert oder deshalb! Verstehen Sir mir?

Mehrere Stimmen. Raus mit ihm! (Herr Buffey wird angepackt.)

Herr Buffey (sich losreißend). Sie lassen mir los, oder ick haue zu, det Sie – en Fünfdhalerschein vor'n Tractätlein halten sollen. Ick werde sehr störend, sag' ick Ihnen, wenn ick böse werde! Aus det verirrte Schaf, sag' ick Ihnen, wird zu Zeiten en verirrter Wolf, der Rindvieh anfällt! Wenn Sie jlooben, ick fürchte mir, wenn et wo die Wahrheit jilt, denn zappeln Sie uf'n dicken Irrthum, denn sehen Se de Krebse vorwärts schreiten! Ick bin schon oft Märtyrer jewesen, un ick märtyreriere immerzu, un wenn ick ooch zuletzt dahin kommen sollte, wo jetzt die ehrenwerthsten Menschen zu finden sind! Meine Meinung is wie jesagt: der Tempel hier doogt nischt! Ich, Bürjer Buffey, ich bin fromm, weil ich Jott verehre un des Jute dhue, und vor Recht un Licht un Wahrheit streite, un an de Armen jebe, so viel ick man immer kann! Aber die Frömmigkeit hier, die kennt man! Die Frömmigkit verdreht blos de Oogen un bewegt de Lippen, un red't blos fromm: dhuen dhuen dhut se nischt, so steht et! (Er wird an-* * gepackt.) Lassen Sie mir los, sag' ick! Während überall Noth un Kummer is, verschwendt Ihr Millionen un laßt Millionen krepieren un schmeißt Die ooch noch in't Unjlück, die Edlen, die deß mittheilen, deß es so is! Ihr blickt ewig uf de Erde runter oder oben ruf, aber jrade aus, wie der Mensch soll, seht Ihr nie! Statt wat zu bessern, speist Ihr den janzen Kummer un den janzen Hunger mit Helfjott! ab un vertröst't die Andern uf'n Himmel, weil Ihr ihnen uf de Erde Allens fortfrißt! Alle Woche kommt Ihr mal hier zusammen un wascht Eure in Sechs Dagen ufjehäuften Sünden un Bosheiten mit Wasser ab, un sauft Wasser, weil Ihr besoffen jewesen seid un Euch den Katzenjammer verdreiben wollt, während Euch draußen der janze jroße Menschenjammer nich bis an de Kneckseln, jeschweige bis an't Herz kommt! So steht et, Ihr doogt nischt! Tugend-Verein! Ja Kuchen! Lumpen-Verein, des is der wahre Ausdruck!

Alle Stimmen. Raus mit ihm! Hinaus mit ihm!

Herr Buffey (wird von allen Seiten angepackt und hinausgeschoben; er schlägt wüthend um sich). Da! Da! Ick lasse mir rausschmeißen, aber da! (er schlägt bei diesem Worte immer) nich umsonst! Et kost't Hiebe, eh'r so'n Mann wie ick aus 'ne Dhüre kommt. Da! un da! Vorwärts, immer vorwärts! Da! Aber alle Hinterdhüren bei des Vorwärts uf, damit Die ' rausjewiesen werden können, die Wahrheit un Ehre im Leibe haben! (Sehr nahe am Ausgange.) Da! Hör'n Se mal, Sie da! Sie haben eben von mir uf de rechte Backe 'ne Maulschelle jekriegt; Sie müssen mir Ihre linke herhalten! Objleich des immer die rechte Backe is, wo Sie 'ne Maulschelle druf kriejen! Ihr seid Schelme, Scheinheilije, Schufte, Heuchler! Ihr verdientet, daß Ihr anje...... (wird hinausgeworfen.)

   

Auf der Straße.

Herr Buffey. Na, Willem, biste da? Nich wahr, et hat nich lange jedauert? Ne, wo Eener de Wahrheit sagt, da dauert et nich lange mit ihm. Na nu bin ich in Trier beim heilijen Rock persönlich rausjeschmissen, un hier in den protestant'schen Tugend-Verein jefälligst ooch, nu kann ick mir erst als wirklicher Ehrenmann betrachten.

Wilhelm. Biste schon wieder rausjeschmissen, Vater?

Herr Buffey. Ja woll, mein lieber Sohn. Ich danke Dir vor Deine Anerkennung. Denn wer alleweile so lebt, deß er nich anjefeindet un verfolgt wird, det is entweder en Esel oder en Fuchs, verstehste mir? Na nu, komm' zu Hause. Nu können wir ruhig unser Abendbrod essen, denn wir haben unsre Schuldigkeit jedhan. Der Dag war wieder kein verlorner in meinen Leben.


Druck von Bernh. Tauchnitz jun.

 


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