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Titelblatt

XVIII. Heft.
Das Fastnachts-Orakel

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Zweite vermehrte und verbesserte Auflage.

Leipzig, 1849.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

Kinder müssen's ruhig ertragen, ...

Kinder müssen's ruhig ertragen, wenn Ihnen Alles verboten wird

Das Fastnachts-Orakel.


(Großes Maskenfest in einem öffentlichen Locale Berlins. In einem der Nebensäle ist, nach Art des bekannten »unsichtbaren Mädchens«, ein Orakel errichtet, nach welchem sich die meisten Masken aus Neugier, die Gebildeten seiner treffende Antworten wegen drängen.)

Herr Buffey (im Domino, hat seinen Sohn Wilhelm, als Bauernbursche gekleidet, an der Hand; er spricht zu seinem Freunde). Na, hör' mal, Pemke, ich habe viel erlebt, aber des Orakel hier, des is mir unbejreiflich! Wenn ich man blos rauskriejen könnte, wo die Antworten herkommen, un wie des möglich is, deß ein Mensch so schnell antworten kann!

Pemke. Det is ja jar keen Mensch!

Herr Buffey. Keen Mensch? Na wat soll es 'n denn sind?

Pemke. Es spukt hier!

Herr Buffey. Ach, bei Dir spukt et vielleicht! Vor so viel Menschen wird et spuken! Aber des mag sind, wie es will, unbejreiflich is es. Seh' mal, da über uns hängt an en seiden Band von de Decke runter eine Trompete, un wir halten uns hier an des einfache Gelänter, mit Linon oder Bastard nennt man des, umwickelt, un fragen in die Trompete rin, un aus die Trompete kommt 'ne Antwort raus, deß man janz versteinert is. (Zu einer neben ihm stehenden Maske.) Sie entschuld'jen, Herr Chinese, haben Sie vielleicht jefälligst eine Ahnung von des Orakel?

Chinese. Ne!

Herr Buffey. Nich? Denn bitt' ich: entschuld'jen Se, deß ich jefragt habe.

Ein Türke (zu Herrn Buffey). Ich will Ihnen sagen: es is Akrustik.

Herr Buffey. Akrustik? So? Ich danke Ihnen jehorsamst, Herr Türke! (Zu Pemke.) Pemke, es is Akrustik!

Pemke. Wie?

Herr Buffey (lauter). Akrustik!

Pemke. Was is'n des?

Herr Buffey. Des weeß ich nich! Aber der Hen Türke hat es jesagt, un der muß es verstehen, denn Akrustik is ein ausländ'sches Wort. (Zum Türken.) Sie entschuld'jen, wir ..... (Zu seinem Sohne.) Aber Willem! Dummer Junge, wat polkste denn da immer an den Bastard oder an den Linon? Schicke sich des vor 'ne anständije Maske? Du amüsirst Dir woll wieder nich? Wat? (Zu Pemke.) Siehste, Pemke, den Jungen kann ick mitnehmen, wohin ick will: der Junge amüsirt sich nich! Ich dachte mir nu, wenn ich ihn uf'n Maskenball mitnehme, weil er so was noch nich jesehen hat, er würde sich jewiß amüsiren. Aber Kuchen! Statt nu wißbejierig zu sind, wie des mit des Orakel zusammenhängt, polkt der Bengel an den Bastard! (Zum Türken.) Sie entschuld'jen, wir sind mit de französche Sprache nich so recht vertraut: was is'n des, Akrustik?

Türke. Akrustik? Des is, wenn man jut hört.

Herr Buffey (verwundert). I was Dausend, weiter nischt? (Sich umwendend.) Pemke, Akrustik is, wenn man jut hört.

Pemke. So?

Herr Buffey. Ja! Denn is überjens mein Willem nich de Spur Akrustik, denn der Bengel hört nie, wenn ich ihn wat sage. (Nachdenkend.) Indessen: das Orakel is Akrustik, un Akrustik is, wenn man jut hört, – da find' ich mir eijentlich noch nich jut raus. Findst Du Dir raus, Pemke?

Pemke. Ne!

Ein Domino (zu einer Fledermaus). Nun, liebes Kind, frage doch auch einmal. Die Antworten sind in der That überraschend.

Fledermaus. Ja, was soll ich denn fragen?

Domino (ihr in's Ohr). Blamir' Dich doch nicht! Du wirst doch irgend Etwas fragen können!

Fledermaus (leise zu ihm). Nein, mir fällt wahrhaftig grade gar Nichts ein.

Domino (sehr ärgerlich). So frage, ob Du eine Gans bist!

Fledermaus (das Orakel fragend). Wer bin ich?

Domino. Ah, das ist zu viel verlangt!

Orakel. Eine weitläufige Verwandte von Adam!

Domino. Hm, nicht übel!

Fledermaus. Wie alt bin ich?

Orakel. Jünger, als vor der Toilette.

Fledermaus. Wie hieß mein Vater?

Domino. Kind, Du frägst zu schnell und zu viel!

Orakel. Vielleicht wie der Mann Deiner Mutter.

Domino (lachend). Sehr gut! – Nun ist's genug!

Fledermaus. Noch Eins! (Fragend.) Wie lange werde ich leben?

Orakel. Geh' zum Kuckuck!

Domino. Ganz vortrefflich!

Fledermaus. Aber sehr unartig.

Domino. Verlangst Du selbst vom Orakel, daß es Dir den Hof machen soll?

Eine junge Dame (fragend). Wie alt bin ich?

Orakel. Wärst Du alt, würdest Du nicht fragen.

Die junge Dame. Wie heiß' ich?

Orakel. Du bist namenlos schön.

Die junge Dame. Dies Orakel ist geistreicher als das delphische. Aber ich will doch noch spitzfündiger fragen. – Bin ich Frau oder Jungfrau?

Orakel. Keins von Beiden.(Gelächter. Die junge Dame geht betroffen ab.)

Domino (zum andern). Das ist nicht möglich!

Sein Begleiter. Ich versichere Ihnen: noch keine einzige schlechte Antwort!

Domino. So hat man bis jetzt nur gewöhnliche Fragen gestellt, auf die sich der Orakelmensch vorbereiten konnte. Ich will mich überzeugen. (Er sinnt nach.) Ja! Richtig! Nun sollen Sie sehen, wie das Orakel festsitzen wird! (Er frägt.) Wann wird Deutschland Preßfreiheit haben?

Orakel. Wenn Deutschland Deutschland sein wird.

Domino. Hm, da liegt Etwas drinn. Aber warte! (Fragend.) Wird Preußen je eine Constitution erhalten?

Orakel. Sobald es sie hat.

Domino (sieht seinen Begleiter an und nickt mit dem Kopfe). Ein gutes Wortspiel! Man muß die Fragen so construiren, daß das Orakel nicht mit solchen Wendungen durchschlüpfen kann. Welche Schauspieler achtest Du am meisten?

Orakel. Die auf den Brettern.

Der Begleiter. Bitte, lassen Sie mich einmal fragen.

Domino. Sehr gern! (Für sich.) Wer mag das sein?

Begleiter (fragt). Wodurch wird das Ministerium Guizot gestürzt werden?

Orakel. Durch Das, wodurch es sich hielt.

Herr Buffey. Des is durch den Keenig Ludwig Philipp. Na erlauben Se mir mal, deß ich ooch mal fragen derf. (Zu Pemke.) Wir haben hier so jut wie jeder Andere unser Billet mit sechszehn Jroschen bezahlen müssen, un deshalb können wir ooch fragen, nich wahr?

Pemke. Ja wohl!

Herr Buffey. Es jibt Oojenblicke im menschlichen Leben; wo man eine Frage an des Schicksal vor sechszehn Jroschen frei hat, un ein solcher is es jetzt. – Na was frag' ich'n nanu jleich! Ich möchte jern was recht Jeistreiches fragen, aber – mir fällt nischt ein! (Sehr laut fragend.) Entschuldjen Se, wer bin ich? (Kurze Pause.) Na, krieg' ich denn keene Antwort? (Noch lauter rufend.) Wer bin ich?

Orakel. Herr Buffey!

(Gelächter.)

Herr Buffey (im höchsten Grade erstaunt). Was? Des Orakel kennt mir persönlich? Ne, da stehen Eenen denn doch die Haare zu Berge! Nu soll man ooch nich an Wunder, an Jeister jlauben! Denk' Dir mal, Pemke, die Trompete kennt mir persönlich. Na warte, nu wer' ick ihr aber doch mal uf de Probe stellen! (Fragend.) Was is'n denn mein Stand, mein Charakter?

Orakel. Berliner Michel!

Herr Buffey (lachend). Aha, da sieht man, deß sich des Orakel doch ooch irren kann! (In das Schallhorn rufend.) Denkt nich an Michel! Rentier bin ich! Ich lebe von meine Intressen! Des bin ich, wenn Ihnen Eener mal fragen sollte!

Schnöderitzky. Hören Se mal, Herr Buffey, machen Sie des Orakel nich böse: es beißt!

Herr Buffey (zurückfahrend). Man nich! – I, wie kann denn des Dings beißen? Sie sind woll nich klug. Mit wem habe ich denn die Ehre?

Schnöderitzky. Ich heiße – – nein, das kann Ihnen ja das Orakel beantworten. (Fragend.) Wer bin ich?

Orakel. Unterthan!

Schnöderitzky. Unterthan? Ja, das weiß ich alleine, deß ich nicht der Kaiser von Fetz un Marokko bin. Ich meene, welchen Stand ich habe?

Orakel. Unterthan!

Schnöderitzky. Ne, Du verstehst mich nicht! Ich meine, welche Carrière ich ergriffen, welchen Beruf ich erfülle, welche Früchte ich für meine Anstrengungen genieße, und was ich, wenn mich das Glück begünstigt, werden kann! Nun?

Orakel. Unterthan!

Schnöderitzky (verdrüßlich). Dummes Orakel, das, daß es Recht hat! (Er bietet einer Bäuerin seinen Arm.) Holde Naturpflanze, wollen wir einen Galopp zusammen schweben?

Bäuerin. Ich danke Ihnen, Herr Roccoco, ich will dem Orakel einige Fragen vorlegen. (Fragend.) Orakel, wer meint es am aufrichtigsten mit mir?

Orakel. Dein Gewissen!

Bäuerin. Ich meine: welcher von den Männern, die ich kenne?

Orakel. Derjenige, dem Du zuerst zürnen wirst.

Bäuerin. Das mag sein. Das Orakel ist nicht dumm. Wer ist der falscheste von meinen Freunden?

Orakel. Den Du am meisten und am freundlichsten anblickst.

Bäuerin. Und wer ist das?

Orakel. Dein Spiegel.

Bäuerin. O weh! Aber jetzt die wichtigste Frage: was wird meine Zukunft sein?

Orakel. Der gerechte Lohn für Deine Vergangenheit.

Bäuerin. Das heißt mit anderen Worten: Jeder ist seines Glückes Schmied. Die Orakel stellen Alles auf Schrauben, ich möchte aber etwas Bestimmtes erfahren. (Fragend.) Sage mir etwas Gewisses von meiner Zukunft!

Orakel. Tod!

Bäuerin. Brrr! Aber nun will ich auch die bittere Medizin bis auf den letzten Tropfen leeren. (Fragend.) An welchem Tage werde ich sterben? (Zu ihren Begleitern.) Geben Sie Acht, da wird das Orakel verlegen schweigen.

Orakel. Am Tage Deiner letzten Hoffnung.

Bäuerin. Nichts da, so lasse ich mich nicht abspeisen! (In das Schallhorn.) Ich will wissen, an welchem bestimmten Tage! Den 13en oder 14en April, Juli, Dezember, 1850 60 oder 77? An welchem Tage werde ich sterben?

Orakel. Morgen!

Bäuerin (zurückfahrend). Morgen schon?

Staatsbeamte (in ihrer Begleitung). Das ist die beste Antwort, welche ich von diesem Orakel hörte. Einmal ist es gerechte Strafe für Ihre verwegene Frage, zum Andern die feinste diplomatische Wendung. Denn jeder Mensch stirbt morgen, und es ist für jedes Menschen Heil, wenn er das denkt. (Zur Bäuerin.) Lassen Sie mich einmal, und auf meine Weise fragen. (Er sinnt nach.) Gut! (In das Schallhorn.) Von welchem Staate erwartet Deutschland sein Heil oder Unheil?

Orakel. Von demjenigen, in dessen Namen, sein eignes Heil und Unheil liegt – –

Staatsbeamte (sich wiederholend). Von demjenigen, in dessen Namen sein eignes Heil und Unheil liegt? – Das ist etwas sehr orakelartig! (Zu seiner Umgebung.) Helfen Sie mir, meine Herrschaften! (Nachsinnend.) Preußen müßte es doch wohl ........

Schnöderitzky. Das ist Preußen! Ganz recht: Preussen! Da liegt Presse und Russe drinn.

Herr Buffey. Wie so? Erklären Sie mir des jefälligst, Herr Rokkoko!

Schnöderitzky (lächelnd). Ich heiße nicht Rokkoko.

Herr Buffey. Nich? Ich jlaubte doch, jehört zu haben, deß die niedliche Bäuerin Ihnen vorher so nannte?

Schnöderitzky. Sie nannte mich nach meinem Anzuge, weil sie mich nicht kennt.

Herr Buffey. Ach so! Also Ihr Anzug heeßt Rokkoko? Sehen Se mal! Weil Sie einen Rock anhaben? Hören Se mal, da fällt mir en juter Witz ein: denn jeht mein Junge nach de Schule immer Jakkoko.

Ein Engländer. Sehr jut! Sehr jut!

Herr Buffey (sich vor ihm verbeugend). Bitte, Sie sind sehr jietig!

Engländer (sich ebenfalls verneigend). Bitte!

Herr Buffey. Mit wen habe ich die Ehre?

Engländer (auf seinen Anzug deutend). Engländer.

Herr Buffey. Aha!

Engländer. Haben Sie vielleicht eine Prise?

Herr Buffey. Sehr jern! Ich habe aber meine silberne Dose hinten in meinen Leibrock, un da kann ich nich jut zu, weil mir mein Domino jenirt. Indessen es muß doch jehen. Warten Se mal! So! So! Is Ihnen jefällig? (Er klopft auf die Dose und präsentirt sie dem Engländer.)

Engländer (eine Prise nehmend). Ich danke Ihnen.

Herr Buffey. Zur Jesundheit!

Engländer. Entschuldigen Sie: ich nießte noch nich.

Herr Buffey. Hat Nichts zu sagen!

Engländer. Erlauben Sie, daß ich Ihnen die Dose hinten 'reinsteche; es incommodirt Ihnen?

Herr Buffey. Sie sind sehr jietig! (Er läßt es geschehen.) Ich danke Ihnen verbindlichst! Is Ihnen nich mal jefällig, des Orakel zu fragen?

Engländer. Ich danke Ihnen, ich habe schon vorher jenug jefragt.

Bäuerin (zum Beamten). Ich muß das Orakel noch mit einigen Fragen necken, und zwar mit persönlichen; die setzen es vielleicht in Verlegenheit. (In das Schallhorn.) Wer bist Du?

Orakel. Ich!

Bäuerin. Ich will wissen, ob Du ein Mensch bist. Liebst Du die Veränderung?

Orakel. Beständig!

Bäuerin. Liebst Du das Geld?

Orakel. Ohne Gegenliebe zu finden.

Bäuerin. Läßt Du Dir gern schmeicheln?

Orakel. Durch Wahrheit.

Bäuerin. Hast Du Leidenschaften?

Orakel. Die, Leiden fortzuschaffen.

Bäuerin. Hast Du ein Steckenpferd?

Orakel. Den Pegasus.

Bäuerin. Arbeitest Du gern?

Orakel. Wenn ich nichts zu thun habe.

Bäuerin. Bist Du oft artig, wo Du grob sein möchtest?

Orakel. Ja, holdes Wesen!

Bäuerin. Pfui, wie malitiös! (Zu den Umstehenden.) Diesem Orakel ist nicht anzukommen. Ich gäbe viel darum, wenn ich wüßte, wer die Pythia ist. (Leise in das Schallhorn.) Vertraue mir leise, wer Du bist; ich will es, auf Ehre! Niemandem verrathen.

Orakel (leise). Der Posamentier Neumann!

Bäuerin (mit dem Füßchen stampfend). Solcher Eigensinn ist mir noch nicht vorgekommen! Halt, noch eine Frage! (In das Schallhorn.) Bist Du zufrieden?

Orakel. Lass' mich zufrieden!

Bäuerin (höchst unwillig). Man möchte rasend werden! (Sich verbessernd, lächelnd zu ihren Begleitern.) – sagt Mephisto.

Schnöderitzky. Ich will ihm aber 'mal eine sehr kitzliche Frage vorlegen! (In das Schallhorn.) Da Du Alles weißt, so sage mir doch 'mal, ob ich gern Schulden bezahle?

Orakel. Nur, wenn ich Ja sagte, würde sich kein Gläubiger finden.

(Gelächter.)

Schnöderitzky. Wahrhaftig, das Orakel ist sehr weise. Ich .... was ist denn das? (Er greift hinter sich und faßt die Hand des Engländers, welche sich in seiner Rocktasche beschäftigte.) Was ist denn das? Was wollen Sie denn da?

Engländer. Maskenfreiheit! Ich bin Engländer und übe das Durchsuchungsrecht. Spaß muß sein, es ist Fastnacht!

Schnöderitzky (an seine Tasche fühlend). Ja, Spaß ist recht gut, aber – mir fehlt meine Börse!

Die Umstehenden. Was?

Herr Buffey (höchlich erstaunt). Was? Der artige Herr Engländer wäre ein Spi.... (Er greift in seine Tasche.) Herrjees, da hat er mir en Feldsteen statt meine silberne Dose in de Tasche gestochen! Halten Se'n feste, Herr Chinese! Polizei! Polizei!

Schnöderitzky (rufend). Polizei!

Engländer (Dose und Börse herausgebend). Mein Jott, ich habe mir einen Scherz machen wollen. Hier ist Dose und Börse zurück. Machen Sie doch kein Aufsehen.

Schnöderitzky. Nichts da! (Rufend.) Polizei!

Herr Buffey. Nischt da! Komzarius!

Der Commissär. Was gibt's denn? (Man erklärt ihm das Geschehene.) So, so! Wollen einmal sehen. (Er nimmt dem Engländer die Maske ab.) Ach so! Gottlieb, bist Du schon wieder da? (Er führt ihn fort.)

Ein Domino (auf den Dieb deutend). Ist es möglich! Dieser Mensch ist ja Mitglied einer frommen Gesellschaft, welche ich neulich aus Neugier besuchte!

Herr Buffey. Na, da hätte ich sehr schön um meine silberne Dose kommen können, die mir meine Dochter zum Jeburtstag jeschenkt hat. Was meinste, Pemke?

Pemke. Es is merkwürdig!

Herr Buffey. Ne, wer hätte des jedacht, deß dieser artije Engländer! So artig, so complaisant, wie dieser Mensch war!

Schnöderitzky. Sie haben gesehen, daß er sich sehr gut zu nehmen weiß.

Herr Buffey (lächelnd). Ja, des is wahr; des is sehr jut. Ne aber was jetzt vor Diebstähle un Schändlichkeitn vorfallen, des jeht in's Weite! Man kann wahrhaftig nich mehr aus't Haus jehen! Woher mag des kommen?

Schnöderitzky. Das entspringt aus dem Glücke des Volkes, vou dem wir alle Tage hören.

Herr Buffey. Des heeßt, Sie meinen das – wie soll ich sagen? – Sie meinen des bitter!

Schnöderitzky. Ja, ich meine das bitter. Unser Volk ist von Allem ausgeschlossen, verachtet, eine Paria-Kaste! Je verachteter aber eine Kaste ist, je ränkevoller, je unmoralischer, je verderbter wird sie. Man sollte sich lieber so viel Mühe mit dem Volke geben, als man neuerdings aufwendet, den Adel wieder zu heben.

Herr Buffey. Des is wahr, denn der Adel stiehlt nich mehr, un is jebildet un tugendhaft, un deshalb sollte man lieber des Volk heben. Wenn ich Deputirter in unserm Provinzialständer wäre, ich würde allerunterthänigst auf ....

Schnöderitzky (fortfahrend) ..... vielleichtigst möglichst etwaige allergnädigste dereinstige Berücksichtigung der allerunterthänigsten Petition um vielleichtigst möglichst etwaige allergnädigste dereinstige ministeriellen Vorschläge zu moralischer Hebung des Volkes durch vielleichtigst möglichst etwaige dereinstige Theilnahmgehung an den politischen Interessen des Vaterlandes antragen.

Herr Buffey. Ja! Blos des vereinstige jefällt mir nich; ich würde ein – wie heeßt es doch? – ein Am Ende meent bringen, um des Dereinstige in » in Bälde« umzuwandeln. Dieses »in Bälde« hab' ich neulich von de baiersche Kammer jelesen, un des hat mir sehr jut jefallen.

Schnöderitzky. Ja, Baierns Verdienste um die deutsche Sprache sind überhaupt sehr anzuerkennen, und auch theilweis in deutschen Gauen schon anerkannt worden.

Krempe (zu seinen Begleitern). Na nu kommt mal her; nu wollen wir mal etwas orakeln. Ich weeß, wie die janze Jeschichte zusammenhängt. Der Jeist sitzt unten im Keller, das Schallhorn wirft die Worte hier in eine Röhre, die durch das Jeländer runterführt, und dieselbe Röhre schmeißt die Antworten in's Schallhorn, so deß man sich einbildt, sie kämen da raus. (Rufend.) Orakel, ich weeß, Du sitzst im Keller!

Orakel. Schliessest Du das aus der Tiefe meiner Antworten?

Krempe (lachend). Ja! (Fragend.) Also hohe Weisheit kann man von Dir nich erwarten?

Orakel. Hohe Weisheit kommt nur vom Thron herunter.

Krempe. So? Kommt sie herunter? Na schön! Sage mal: bist Du fromm?

Orakel. Nein: gut!

Krempe. Hältst Du alle zehn Gebote?

Orakel. Es gab bis jetzt nur einen Menschen, der alle zehn Gebote gehalten hat.

Krempe. Und wer war das?

Orakel. Moses.

Krempe (lachend). Moses! Ja, der hat sie gehalten, des is richtig! Sage mal, Orakel: was muß ich thun, um reich zu werden?

Orakel. Werfe niemals Geld fort, sondern Dich.

Krempe. Mich soll ich fortwerfen? (In das Schallhorn.) Du bist wohl nich klug?

Orakel. Nein! ich halte Dich dafür.

(Gelächter.)

Krempe. Das war etwas impertinent. Aber schad't nichts; ich bin selbst kein Liebhaber von der ewigen langweiligen Höflichkeit.

Schnöderitzky. Da haben Sie Recht: mir ist auch alles Höfliche zuwider. Grade, weil der Deutsche so oft sagt: ich nehme mir die Freiheit, nimmt er sie sich nicht.

Herr Buffey. Ne, des weeß ich nich, entschuld'jen Sie! Mir is nu des Höfliche, des Complaisante nennt man des, sehr anjenehm. Denn worum? Die Hunde beißen sich unternander, aber der Mensch ...

Schnöderitzky. Na erlauben Sie, die Hunde üben auch eine übertriebene Höflichkeit, eine ächte Höflichkeit, gegeneinander aus!

Herr Buffey. Ich meinte nur, daß der Mensch immer auf Anstand halten muß. Was sich schickt, des ist die Hauptsache.

Schnöderitzky. Nein, Herr Rentier Buffey, nicht was sich schickt, sondern was bleibt ist die Hauptsache! Geist ist die Hauptsache, und der schickt sich grade am allerwenigsten in die Dinge, sondern tritt als das Selbstständigste Allem mit heiterer Keckheit entgegen. Geist ist – um mit dem Wiener Volksdichter Nestroy zu reven – ein ganz verfluchter Kerl. Wenn man seine Biographie schreiben wollte, so bin ich fest überzeugt, daß das Buch in allen deutschen Vaterländern verboten würde. Geist war niemals und kann nicht konservativ sein, sondern immer reformirend. Darum geht auch unter der Regierung eines wirklich geistvollen Regenten ein Land entschieden zurück oder vorwärts.

Herr Buffey. Entschuldjen Sie: ich bin verwundert. Sie sprechen ja mit ein Mal janz anders als vorher?

Schnöderitzky. Meenen Sie, weil ick manchmal det G wie Jot ausspreche un mir berlinisch jehen lasse? Ich bin ein Berliner, und ich finde gar keinen Grund, dies zu verleugnen, im Gegentheil, im edlen Sinne des Wortes, stolz darauf zu sein. Am allerwenigsten geniren mich die ewigen Schmähungen schafsdummer Journalisten gegen Berlin, mit denen sie sich hier und da liebes Kind machen wollen. Selbst liberale Journalisten sind so bornirt, fortwährend in die Kohlen des partikulären Siebenmeilen-National-Hasses in Deutschland zu blasen. Ist da Vernunft drinn?

Rother Domino. Ei, mein Herr, das ist nicht der einzige Fauxpas unserer liberalen Journalistik! Ihre Hauptnarrheit ist wohl die, daß sie selbst voll Aristokratismus steckt, oder mindestens Scheu hat, ihre demokratische Tendenz konsequent durchzuführen.

Vor der mißlungensten Tragödie zeigt sie, mitten im heftigsten Tadel, mehr Hochachtung, als vor einem guten Lustspiel, einer trefflichen Posse, einer kernigen Satyre. Heißt irgend ein Werk Kaiser Soundso, so wird es bei weitem mehr besprochen, als ein anderes, das Tischler Soundso heißt. Das abgeschmackteste philosophische Zeug, keine Spur von Genie und Talent verrathend, zusammengeschmiert aus fünfzig vorhandenen Büchern, wird in den besten Organen des Liberalismus ausführlich besprochen und kritisirt, während sie von dem Populären, und wäre es moussirend von Geist und Genie, kaum zu sprechen wagen. Alles muß einen vornehmen Anstrich haben, sonst bleibt es unbeachtet. (Lachend.) Das ist ein Liberalismus!

Herr Buffey (in das Schallhorn). Was hältst Du vom Bundes-Tag? (Pause.)

Orakel. Wie so?

Herr Buffey (verwundert). Wie soo? (Zu den Umstehenden.) Wie soo? (Zum Orakel.) Des verstehe ich nich!

Orakel. Tuut! Tuut! Zwölf ist die Glock'!

Herr Buffey (unwillig). Na des nehm' mir Keener übel; ich habe ja jar nich jefragt, was de Klocke is! Un Zwölwe kann es noch jar nich mal sind. Ich will doch mal .... (er greift an eine starke goldene Kette und zieht seine große Uhr) ne, es is erst fünf Minuten über Elwe. Meine jeht nach de Akardemie. (In das Schallhorn.) Fünf Minuten über Elwe is es erscht! (Er wendet sich fort, dreht aber sogleich wieder um und ruft:) Wenn Ihnen mal Eener fragen sollte!

Orakel. Ich danke jehorsamst!

Herr Buffey (sehr verdrießlich). Ich danke jehorsamst! Ne, des is denn doch jrade, als ob ich mit meines Jleichen rede. Ich weeß nich: ich habe überall Pech mit so was. Alle kriejen schöne Antworten, wenn se wat fragen, blos mir antwortet 't lauter confuses, dummes Zeug. Jrade als ob ich wen'ger Entrée als die Andern bezahlt hätte.

Schnöderitzky. Fragen Sie mal, was es vom neuen Preßgesetz hält.

Herr Buffey. Sehr gern! Wenn ich Ihnen damit dienen kann, mit Verjniejen! (Zum Orakel.) Was halten S.... waö hältst Du von des neue Preßgesetz?

Orakel (schweigt).

Herr Buffey. Et is stille. (In das Schallhorn.) Na? (Nach einer Pause.) Haben Sie mir nich verstanden? Was Du von des Preßjesetz hältst?

Orakel (schweigt).

Herr Buffey. Na, da schlage der Deibel drinn! Nu is 't noch besser, nu antwortet 't: jar nischt! Des is um de Platze zu kriejen. (Seinen Sohn rufend.) Willem! (Sieht sich um.) Willem! Na, wo is denn der dumme Junge wieder? Herrjees, da sitzt er! da sitzt er uf'n Stuhl un schläft wie 'ne Ratze! Verschläft det janze Orakel un die Maskerade, und ick Esel denke ihm en Verjniejen zu verschaffen, deß er sich endlich mal amiesiren soll. (Er geht und weckt seinen Sohn durch einen Katzenkopf.) Steh' uf, dummer Junge, Du sollst mal des Orakel fragen, des was wahrsagt heeßt das! Na? Reibe Dir man nich de Oojen aus! (Sehr heftig.) Amiesire Dir, dummer Junge, oder et setzt wat! – So, hier trittste her! Nanu frage mal was! (Wilhelm steht ihn betrübt an.) Was De willst, janz einjal! Na?? Du, reize mir nich! Den Oojenblick frägste wat!

Wilhelm (mit weinerlichem Tone). Jesejente Mahlzeit!

Orakel. Gesegnete Mahlzeit!

Herr Buffey. Ne, da möchte man wahnsinnig werden! (Er giebt seinem Sohne wieder einen Katzenkopf.) Schafskopp, is des jefragt? Pappstoffel! Ick wer' Dir jesejentemahlzeiten, det Dir der Apptiet uf Zeitlebens verjehen soll! (Zu den Umstehenden, welche lachen.) Ich will Ihnen sagen, des kommt von des Mittags her, deß er so dumm fragte, wenn ich ihn erziehe. Er sah mir nämlich vorher böse, un des Mittags bin ich ooch immer böse, wenn er die Zeit nich abwarten kann, um mit de Straßenjungens zu spielen, un des Maul noch voll hat un jesejente Mahlzeit zu sagen verjißt. Nu war er noch in Schlaf un jlaubte, es wäre Mittag, un er sollte gesejente Mahlzeit fragen. – Aber, im Jrunde jenommcn, kann ich mir mehr über des Orakel, als über den Jungen ärgern, deß es ihn ooch jesejente Mahlzeit wünschte. Dieses is noch ein Kind, un des Orakel is doch jedenfalls en ausjewachsener Mensch. (Zu seinem Sohne.) Na nu frage mal was, Willem, un zieh' keene Limpe mehr: ich verzeihe Dir. Warte mal, was sollste denn jleich fragen? Was Moralisches. Frage mal, warum ich Dir so viel verbiete.

Wilhelm (in das Schallhorn). Warum verbiet't mir 'n Vater so viel?

Herr Buffey (zu den Umstehenden). Sehn Se, deß er janz jut fragen kann!

Orakel. Kinder müssen's ruhig ertragen, wenn Ihnen Alles verboten wird.

Herr Buffey. Da hast es; merke Dir des. Un nu jeh weg von's Orakel und amiesire Dir, hörste!

Krempe. Na endlich kann man mal wieder was Gescheidtes fragen. (Zum Orakel.) Streicht die Censur zuweilen Etwas?

Orakel. Ja!

Fledermaus (in das Schallhorn). Spielst Du in der Lotterie?

Orakel. Ja, ich werde Dich heirathen.

Fledermaus. Bravo, wenn auch malitiös. (In das Schallhorn.) Träume ich oft?

Orakel. Am Tage mehr als des Nachts.

Fledermaus (in das Schallhorn). Was nennst Du schön?

Orakel. Dir ähnlich sein.

Fledermaus (lachend). Ah, das ist charmant, das ist eine süße Anerkennung meines Maskenfabrikanten. (In das Schallhorn.) Leb' wohl, geistvolles Orakel! Ich will Dich nicht länger fragen, damit mir Dein letzter Bon Bon nicht etwa versalzen wird.

Blauer Domino (In das Schallhorn). Bist Du Republikaner?

Orakel. Das ist keine Frage.

Herr Buffey (der lauschte). Wie so? Wie so is des keene Frage? Des is so jut 'ne Frage wie jede andre. (Indem er sich umdreht.) Bist Du Republikaner? Des is ....

Polizeicommissar. Wer? Ich?

Herr Buffey (verwundert). Wie so?

Polizeicomm. Sie fragten mich, indem Sie mich per Du anredeten, ob ich Republikaner wäre.

Herr Buffey (ihn betrachtend). Ne, hörn Se mal, vor so dumm werden Sie mir nich halten, deß ich jlooben sollte, Ihre Uneform wäre eine Republikaner-Maske. Det is eine Jesetz-, eine Ordnungs-Maske. Des wissen wir Alle.

Blauer Domino (in das Schalihorn). Bist Du fromm?

Orakel. Ja, aber kein Frommer.

Blauer Domino. Welches ist der schönste Titel?

Orakel. Ein Name.

Eine Dame (in das Schallhorn). Wann gehst Du zu Bett?

Orakel. Wann gehst Du zu Bett?

(Allgemeines Gelächter; die Dame entfernt sich.)

Bauer (in das Schallhorn). Was ist Majestät für ein Wort?

Orakel. Ein Fremdwort.

Weißer Domino (in das Schallhorn). Bist Du für die Zellgefängnisse oder für die alten?

Orakel. Hoffentlich für Keines.

Weißer Domino (wie oben). Wird Louis Bonaparte ...

Schnöderitzky (spricht im Vorübergehen mit einem Freunde, indem er zufällig Herrn Buffey ansieht). Und dieser Schafskopp .....

Herr Buffey (entrüstet). Herr, wie können Sie sich unterstehen!

Schnöderitzky. Wie soo?

Herr Buffey. Sie haben Schafskopp zu mir jesagt! Wer is Ihr Schafskopp?

Schnöderitzky. Der meinige nicht.

Herr Buffey. Un ich ooch nich! Ich bin keinen andern Menschen sein Schafskopp! Ich bin Herr Buffey un lebe von meine Zinsen!

Schnöderitzky. Sie sind ein kluger Mann, daß Sie nur Ihr eigener Schafskopf, nicht der Anderer sein wollen. Ich wünschte, es wäre in ganz Deutschland so.

Herr Buffey (beruhigter). Ich verstehe Ihnen nich.

Schnöderitzky. Möglich, aber das werden Sie verstehen, daß ich Sie nicht schimpfen, überhaupt nicht beleidigen wollte. Sie sind ein angesehener, allgemein beliebter Mann, der Ausdruck deutscher Gutmüthigkeit und Zufriedenheit mit einigem Anflug der neuen Zeit.

Herr Buffey. Schön! Denn nehmen Sie's nich übel, deß ich mir irrte un Ihnen unhöflich bejejent bin. Es is sonst nich meine Art un ich bitte um Entschuldijung.

Schnöderitzky. Das haben Sie gar nicht nöthig: Sie sind durch sich selbst entschuldigt.

Herr Buffey. Sie sind sehr jütig.

Krempe. Na nu jebt aber mal Acht, nu wer ich det Orakel eine Frage vorlejen, wo et sich die Zähne dran ausbeißen soll. (Fragend.) Sage mir, Orakel: wird Einer von meine Nachkommen jemals zum hohen Adel jehören?

Orakel. Sobald kein Adel mehr existirt.

Krempe. Sobald keiner mehr existirt? Del is dumm! (Zum Orakel.) Du jehörst woll ooch zum Adel?

Orakel. Ja und Nein!

Krempe. Wie ist Das zu verstehen?

Orakel. Ich hin ein Mann von Geist.

Krempe. Ach so? (In das Schallhorn.) Du scheinst aber eitel zu sein!

Orakel. Alles ist eitel.

Krempe. Auch die Fürsten? Die sind doch von Jottes Jnaden?

Orakel. Gott ist sehr gnädig.

Schnöderitzky (zum Orakel). Sprich, warum ist die Rheinische Zeitung verboten worden?

Orakel. Damit das langweilige Lied vom freien deutschen Rhein nicht mehr gesungen werde.

Schnöderitzky. Durch welches Mittel allein kann das Volk reif für die freie Presse werden?

Orakel. Durch die freie Presse.

Schnöderitzky. Ist es entmuthigend, daß sich die Stadtverordneten Berlins, der preußischen Residenz, für bedingte statt für unbedingte Oeffentlichkeit aussprachen?

Orakel. Die bedingte bedingt die unbedingte.

Schnöderitzky. Das will mich auch bedünken. Noch Eins: welche nennst Du die gute und welche die schlechte Presse?

Orakel. Der schlechten Presse geht's gut und der guten schlecht.

Krempe. Nanu laaßen Sie mir mal wieder en Bisken fragen! (Zum Orakel.) Werden wir Krieg kriejen?

Orakel. Wir kriegen!

Krempe. Wir kriejen schon? Wie heeßt'n der Krieg?

Orakel. Freiheitskrieg.

Krempe. Schon wieder? Wir haben ja schon eenen 1813 un 14 jehabt; ick hab'n selbst mitjemacht. Wie hat damals des deutsche Volk jekämpft?

Orakel. Mit Gott, für König und Versprechungen.

Krempe. Ne: für Vaterland!

Rother Domino (zum Orakel). Sage mal, Orakel: was wird länger leben, die deutsche Michelei oder die plumpe Gewalt?

Orakel. Was brennt länger: ein Talglicht oder ein Wachslicht?

Herr Buffey. Des Räthsel weeß ich: keens brennt länger, beede brennen kürzer. Nu jeben Se mal Acht, nu wer' ich aber mal des Orakel en Räthsel ufjeben! (In das Schallhorn.) Was wiegt schwerer: en Pfund Federn oder en Pfund Blei? Nanu jeben Se mal Obacht!

Orakel. Was wiegt schwerer: das Versprechen oder die That?

Herr Buffey (höchst unwillig). Sehn Se! Hab' ick't nich jesagt? Ob ich woll eene eenzije vernünftige Antwort von des inpertinente Orakel krieje! Statt mir zu antworten, wie es sich jehört, frägt et mir wieder!

Schnöderitzky. Beruhigen Sie sich, Herr Rentier Buffey: diese Frage war eine genügende Antwort. Denn ein Pfund Federn wiegt so gut ein Pfund wie ein Pfund Blei, und nach den Gesetzen der Ehre muß ein Versprechen, so gut wie die That, die Erfüllung sein. Außerdem ist's aber auch nicht übel, das Versprechen mit Federn und die That durch Blei zu beantworten.

Herr Buffey. Ach soo? Nu merk' ich erst, wie des jemeint is! Na des freut mir, deß ich doch nu wenigstens eine schöne Antwort gekriegt habe.

Ein Narr (kommt langsam, mit überschlagenen Armen, den Kopf auf die Brust gesenkt, und singt in schwermütiger Weise). Ach, Ach, Ach und Ach! Und Ach und Ach und Ach! Ach, Ach, Ach und Ach! Und Ach und Ach und Ach!

Herr Buffey (zurückweichend). Was is'n des? Der Mensch is woll verrückt?

Narr. Entschuldigen Sie, meine Herren und Damen, dieses ist das neueste Volkslied. Der Artikel 10 der Bundes-Akte vom Jahre 1815 besagt ausdrücklich: daß Gesetze wegen der dem deutschen Volke zu verleihenden Preßfreiheit ausgearbeitet werden sollen. Da aber die Motten bei vorkommendem Appetite Wolle anknabbern, so ist es sehr natürlich, daß die Welt, welche sich bis dato rund zu sein schmeichelte, plötzlich viereckig wird, und wer Kuchen besitzt, kann denselben persönlich essen, selbst wenn er diesen Kuchen als Lockspeise benutzt hätte. Denn man hat Beispiele, daß! – Und warum sollte man keine Beispiele haben, daß!? – He? Darf ein Kirschbaum sich unterstehen, alle Sommer Kirschen zu tragen, und niemals mit Pflaumen abzuwechseln: warum sollte die Katze nicht mit der Maus spielen? Die Natur besitzt die Eitelkeit, unter allen Umständen Natur zu bleiben, und wenn sich ein Wolf jemals zum Schäfer qualifizirt, so will ich sechs gebratene Mühlsteine zum zweiten Frühstück verzehren, oder meinen Schlafrock so weit abrichtcn, daß er meinen Gästen die Honneurs macht, sobald ich nicht zu Hause bin. Der Schuster kann die Stiefel so eng machen, daß man vor Schmerz und Zorn mit den Füßen stampft, und vielleicht Donnerwetter flucht. Denn Hühneraugen sind sehr empfindlich, und ich kann es Keinem verübeln, wenn er lieber ein Glas Champagner trinkt, als daß er drei Leichdörner auf jeder Zehe und einen Pfaffen unter der Nase hätte. Italien dagegen hat Flöhe, und es wäre gegen alle gebräuchliche Empfindung, wenn man diese schwarzen Mitgeschöpfe als höchst liebenswürdig beurtheilen wollte. Wenn sie aber von hier aus weiter springen, und überall stechen und Blut saugen, so ist das eine natürliche Angewohnheit dieser jungen Leute, gegen die sich nichts sagen läßt. Wiewohl man nicht leugnen kann, daß der chinesische Piepvogel siebenter Klasse ein sehr wünschenswerther Schmuck für eine Nachtmütze ist, vorausgesetzt, daß das unter der Nachtmütze denselben geistigen Rang als seine Bedeckung einnimmt. Ich habe Ihnen, meine Herren und Damen, schon ein Mal die Ehre gehabt mitzutheilen, wie Ach, Ach, Ach und Ach! und so weiter das neueste Volkslied ist; aber ich habe Sie noch nicht in Kenntniß gesetzt, daß Sturm und Regen diese schönen, vertrauensvollen Worte verfaßte, und eine Unke sie in Musik setzte. Da ich aber selbst, trotz Sturm und Regen, Dichter bin und ich bemerkt habe, bis zu welchem Grade von Dreistigkeit sich die Kritik verstieg, dann und wann Einiges an meinen königlichen Werken bescheidenermaßen nicht ganz über alle Maaßen vortrefflich zu finden, so verordne ich hiermit, daß ich nur über alle Maaßen Vortreffliches schreibe! Jedenfalls ist es nicht in der Ordnung, daß man einen madigen Apfel mit Vorsicht genießt, oder gar einen Nagel bei Seite wirft, weil ihm blos der Kopf fehlt. Man kann sich keinen Begriff davon machen, wie groß ein fünf Fuß großer Mensch ist, am wenigsten aber ist es geeignet, sich eben so groß zu dünken, weil man auch fünf Fuß mißt. Denn wenn man eine Thräne noch so lange in Gottes Sonne liegen und blinken läßt, so wird sie deshalb eben so wenig ein Stern, wie ein Brillant, im Gegentheil von Gottes Sonne getrocknet werden. Auch kann ich nicht begreifen, warum eine bloße Geburt kein Verbrechen sein soll, wenn eine Niederkunft eine Tugend ist? Denn wenn Kreuz einmal Trumpf ist, so sticht die miserableste Zwei und Drei den Herzbuben. Freilich ist die Sünde älter als die Tugend, wie uns Moses lehrt, ergo müßte die Tugend vor der Sünde die größte Hochachtung haben; aber so lange Zwei mal Zwei Vier ist, bin ich fest überzeugt, daß nur Einzelne verrückt werden. Se. Majestät Kamehamena III., König aller Hawaiian-Inseln, wo die Leute nur Meerrettig essen und sich in keiner andern Weise amüsiren dürfen, als Abgaben zu zahlen, läßt jedem neugebornen Kinde seiner Unterthanen ein Senfpflaster auf den Kopf legen und so lange ziehen, bis die Denkkraft heraus ist. Dies macht den Unterthan auf Zeitlebens zufrieden. Denn wer von uns Gottesaffen versteht so viel Ochsisch, um uns versichern zu können, daß der Ochse deshalb brüllt, weil er ein Ochse, und wer so viel Pferdisch, um das Wiehern des Rosses als Hohngelächter über seinen kleinen und schwachen Lenker zu documentiren? Ich habe Ochsen gesehen, die sich, trotz ihres Schmerz-Gebrülls, bis zur Schlachtbank als Ochsen behandeln ließen, und das trotzig wiehernde Pferd wird von dem schwachen Lenker bis vor den elenden Sandkarren gebracht. In Raffs Naturgeschichte erzählt uns der Fisch, daß er stumm sei; aber das deutsche Volk sagt dies nicht und kommt überhaupt in Raff's Naturgeschichte gar nicht vor, weshalb wir annehmen müssen, daß es zum Menschenreich gehört. Aber Erbsen, Sauerkohl und Schweine-Pökelfleisch ist ein sehr angenehmes Donnerstags-Gericht, und wer mir die Freiheit gebraten auf den Tisch bringen kann, den will ich königlich belohnen, indem ich ihm irgend Etwas verspreche. Viele essen auch weiße Rüben mit Bratwurst, und freuen sich über ihre Constitution, die Alles vertragen kann. Andere äßen ebenfalls gern weiße Rüben mit Bratwurst, aber bei ihnen tritt der störende Fall ein, daß sie weder weiße Rüben noch Bratwurst besitzen. Nun möchten sie dieselben gern kaufen, aber sie haben kein Geld. Nun möchten sie gern Geld haben, aber sie arbeiten nicht. Nun möchten sie gern arbeiten, aber sie finden keine Arbeit. Nun möchten sie gern klagen, aber die Scheere ist ein sehr nützliches Instrument, und wenn ich auf einem alten Thurme stehe, so findet sich die Erhabenheit von selbst, alle Gemeinheit liegt unter mir, und ich kann sehr fromm sein und doch mein Geld in der Tasche behalten. Ueberhaupt bleibt ein neugeborner Hund nur vierzehn Tage blind, später weiß er Knochen und Fleisch sehr gut von einander zu unterscheiden. So werden auch Sie, meine Herren und Damen, sehr leicht begreifen, daß ich meine Rolle mit Geschick repräsentire und vollkommenen Unsinn spreche. Wollen Sie aber wissen, wer ich sei, so will ich Ihnen dieses höchst umständlich durch die Worte expliciren: ich war das Orakel und ich bin ein Narr, so lange Fastnacht ist, und da es gegenwärtig immer fast Nacht ist, so bleibe ich auch ein Narr! Ich empfehle mich Ihnen gehorsamst!

Bleiben Sie mir freundlich gewogen,
Aber bleiben Sie nicht länger so dumm!
Und nehmen Sie irgend Etwas krumm,
So bitt' ich um zwanzig Bogen.

Schlafen Sie allerseits auf einer Seite recht wohl, und erlauben Sie sich nicht, zu träumen! Denn grade im Traume ist der Geist sich selbst überlassen und tritt aus allen irdischen Schranken. Mithin ist der Traum der allergefährlichste Zustand, und nur Schlaf, totaler Schlaf ist zu empfehlen. (Sich unter die Masken verlierend.)

Schlaf, mein Kindchen, schlaf! Vor'm Thore stehn zwei Schaf', Ein schwarzes und ein weißes, Und wenn da« Kind nicht schlafen will. So kommt det schwarze un beißt et!


Druck von Bernh. Tauchnitz jun.

 


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