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Mit Tagesanbruch am nächsten Morgen herrschte an der Landung von Monui ein außerordentlich reges Leben und Treiben. Schon gestern abend hatten die Insulaner von ihrem Strand aus das nahende Segel erkannt, und Früchte und Gemüse wurden gepflückt und ausgegraben und alle möglichen anderen Gegenstände hervorgesucht, um, sobald das fremde Fahrzeug herankäme, einen lebhaften Tauschhandel mit ihm zu eröffnen. War doch schon Vieles, was ihnen die weißen Männer bringen konnten, auf der sonst so einfachen Insel zum Bedürfnis geworden, während sie jetzt bei dem bevorstehenden Krieg auch noch hofften, mehr Feuerwaffen und Munition und damit den gewissen Sieg über die feindlichen Stämme zu erlangen.
Mac Kringo hatte Spund noch am vorigen Abend getroffen und ihm seinen Plan mitgeteilt. Zu seinem Erstaunen schien der würdige Bursche aber nicht die mindeste Lust zu haben, darauf einzugehen. Seit er nämlich die Bibel erhalten und fleißig darin gelesen hatte, war das, was bei ihm früher nur eine Art von stiller Neigung gewesen, zur wirklich fixen Idee geworden, daß er nämlich berufen sei, diese Heiden zu Christen zu machen.
Vergebens suchte ihm der Schotte eine solche Idee auszureden und ihm begreiflich zu machen, daß er ganz gewiß ein tüchtiger Matrose und Böttcher sei, höchstwahrscheinlich aber einen nur sehr mittelmäßigen Prediger abgeben würde. Spund ließ sich nicht irremachen; er entgegnete, daß Petrus auch nur ein Fischer gewesen sei, also auch nicht einmal ein Böttcher, und alles nur eben auf den Beruf ankomme. Dabei war er fest überzeugt, daß ihr Schiff, die »Lucy Walker«, nur seinetwegen verbrannt sei, um ihn hier, an dieser für ihn bestimmten Stelle, festzuhalten, und die übrigen – Mac Kringo wie die anderen Kameraden – konnten Gott danken, daß sie mit ihm in einem Boote gewesen seien, sonst wären sie auch zugrunde gegangen.
Über den Brand des Fahrzeuges hätte ihm nun allerdings der Schotte einen besseren Aufschluß geben können, und schien einmal nicht übel Lust dazu zu haben, überlegte sich aber doch die Sache anders und schwieg. Vergebens waren aber alle Versuche seinerseits, den Kameraden von dem einmal gefaßten Vorsatz abzubringen. Nur dazu verstand er sich, ihren Plänen, wenn sie wirklich fliehen wollten, kein Hindernis in den Weg zu legen, ja, sie eher nach besten Kräften zu fördern. Und das geschah noch in seinem eigenen Interesse; denn von dem Christentum der Kameraden hielt er außerordentlich wenig und fürchtete eher, in seinen neuen und frommen Plänen durch die anderen gestört und verspottet zu werden. Je früher sie also die Insel verließen und ihm das Feld räumten, desto eher durfte er hoffen, ein Resultat zu erreichen.
Das Fahrzeug war indessen mit der frischen Morgenbrise rasch näher gekommen, und es ließ sich jetzt deutlich erkennen, daß es keineswegs ein großer Walfischfänger, sondern, wie die beiden Matrosen gestern abend richtig gesehen hatten, nur ein kleiner Schoner von vielleicht hundert oder hundertzwanzig Tonnen war. Im Anfang hatten die Insulaner auch ihre Kanoes bereitgehalten, mit denen sie das fremde Fahrzeug anlaufen wollten, und Mac Kringo überlegte sich schon dabei, ob es in dem Falle nicht möglich sein würde, ein Kanoe selbst mit Gewalt zu nehmen und einen offenen Fluchtversuch zu wagen. Da änderten die Insulaner plötzlich ihren Plan. Sowie das Fahrzeug nahe genug kam, die Stärke desselben deutlich zu erkennen, hatte Toanonga seine Egis zu einer raschen Beratung zusammenberufen. Die Unterredung mußte auch sehr wichtig sein, denn sie besprachen sich lange und heimlich miteinander, und als sich ihnen der Schotte nähern wollte, wurde er zurückgewiesen.
Das sah nun allerdings aus, als ob die Insulaner etwas im Schilde führten; aber was konnten sie beabsichtigen? einen offenen Angriff? Ihre Kanoes lagen sämtlich in einer kleinen, durch Mangrove-Büsche geschützten Bai, um aber mit hinaus in See zu kommen, mußten sie über das offene, wohl eine halbe Stunde breite Binnenwasser, das zwischen den Korallenriffen und dem Ufer lag, und nur ein einziger schmaler Weg blieb ihnen durch die Riffe und die darüberstürzende Brandung ins Freie. Das fremde Fahrzeug hätte also in einem solchen Falle entweder Zeit genug behalten, sich gegen eine solchen Angriff zu rüsten oder demselben auch, mit der jetzt frisch wehenden Brise, leicht entgehen können.
Das schien aber auch nicht in der Absicht der Eingeborenen zu liegen, denn ihre Kanoes wurden nicht gerüstet. Nur ein einzelnes, ganz kleines ruderte, von zwei Insulanern bemannt, hinaus, der Einfahrt zu.
Bis jetzt hatte sich nun allerdings Mac Kringo als Dolmetscher der Insel betrachtet, und daß Toanonga diesmal seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen wollte, machte ihn stutzig. Jedenfalls aber bekam er dadurch einen Vorwand, den alten Häuptling nach der Ursache zu fragen, und ging deshalb langsam auf ihn zu. Hatte er ein Geheimnis, so wollte er es bald aus ihm herausbekommen.
Jonas war vor einer Viertelstunde, der gestrigen Verabredung gemäß, richtig eingetroffen, von dem Alten aber augenblicklich wieder fortgeschickt worden und befand sich jetzt mit Legs auf der Landzunge und ziemlich in der Nähe. Nur von Pfeife hatte der Schotte noch nichts erfahren können. Spund wußte seiner Aussage nach allerdings die Stelle, wollte ihn aber in den letzten vier Wochen mit keinem Auge gesehen zu haben und behauptete nur, daß er einigemal längere Unterredungen mit Toanonga selber gehabt.
Der alte Häuptling saß wie gewöhnlich vor seiner Hütte und nickte dem Schotten, als er ihn kommen sah, freundlich und herablassend zu.
»Willst du keinen Handel mit dem Schiff treiben, Toanonga?« fragte ihn dieser, als er, neben ihn angekommen, sich bei ihm niedergelassen hatte. »Brauchst du keinen Tabak und keine Beile mehr?«
»Je nun, Ma Kino,« schmunzelte der Alte, »können immer alles gebrauchen. – Wenn Pagalangis aber mit Toanonga handeln wollen, mögen sie selber herüberkommen.«
»Aber ein Kanoe ist doch schon zu ihnen hinübergefahren.«
»Ja,« sagte der Alte gleichgültig, »habe es auch gesehen; sind neugierige junge Leute, die vielleicht einmal zuschauen wollen, was die Pagalangis an Bord haben.«
Mac Kringo wußte recht gut, daß sich der Alte nur so stellte, als ob jenes Kanoe aus freien Stücken dort hinübergefahren sei. Ohne seine Erlaubnis durfte nämlich gar kein Fahrzeug das Binnenwasser verlassen, mit irgendeinem Schiffe Handel zu treiben. Er ließ sich jedoch nichts merken und antwortete nur ruhig:
»Sie werden aber nicht verstehen, was die Pagalangis zu ihnen sagen.«
»Bah!« lachte der Alte, »ist auch nicht nötig! was werden die Pagalangis viel sagen? Aber weißt du, Ma Kino, was das für ein Schiff ist? doch keines, das herumfährt, Walfische zu fangen?«
»Ich glaube kaum,« sagte der Schotte, »und denke eher, daß es zu euch kommt, Kokosnußöl einzutauschen.«
»Hm, das habe ich mir auch gedacht! Ob sie wohl Kanonen an Bord haben?«
»Jedenfalls,« meinte Mac Kringo, der dadurch alle etwaigen Gelüste des Häuptlings auf das Schiff abzuwenden suchte. »Bewaffnet sind derartige Schiffe immer gut, denn sie wissen nie, ob sie Freunde oder Feinde auf den Inseln finden.«
Toanonga erwiderte nichts hierauf, sondern sah eine Weile nachdenkend vor sich nieder; endlich sagte er:
»Wär' ein vortrefflich Ding, wenn wir auch Kanonen hätten; was meinst du, Ma Kino? könnten nach Hapai hinüberfahren und die ganze Insel nehmen. Bum – bum! wie die Hapai-Burschen laufen würden, wenn Toanonga mit solchen großen Dingern zu ihnen käme!«
»Die Pagalangis verkaufen nur nicht gern ihre Kanonen,« meinte der Schotte, »sie brauchen sie immer selber und können hier keine anderen dafür wieder bekommen.«
»Wär' auch gar nicht nötig,« sagte Toanonga finster, »brauchen hier nicht herzukommen und Tonga-Leute totzuschießen – Tonga-Leute gehen auch nicht zu den Pagalangis und fangen dort Krieg an.«
Wieder machte er eine Pause, und Mac Kringo schwieg ebenfalls, da er nicht recht wußte, was er ihm darauf erwidern sollte! Jedenfalls merkte er aber, daß der Alte etwas auf dem Herzen habe und nur nicht recht mit der Sprache heraus wollte.
»Sag' einmal, Ma Kino,« fuhr da endlich Toanonga fort, »gefällt es dir auf Monui?«
»Mir? gewiß!« erwiderte, durch die Frage etwas überrascht, der Schotte, denn bis jetzt hatte sich der alte Häuptling entsetzlich wenig darum gekümmert, ob ihnen das Leben dort zusagte oder nicht.
»Und möchtest du wieder hinaus und Walfische fangen?«
»Ich danke schön, wenn es nicht sein muß, gewiß nicht!« lachte der Matrose.
Toanonga schien mit der Antwort zufrieden, denn er nickte leise vor sich hin.
»Gut,« sagte er dann, »und wenn wir jetzt so ein paar Kanonen und solch ein großes Schiff hätten, dann könnten wir's bald noch besser bekommen. Wenn Ma Kino mit nach Hapai geht und dort viel Beute macht, kann er sich Frauen nehmen, soviel er will, die Mädchen von Hapai sind jung und schön.«
»Wo, zum Henker! will der Alte hinaus?« dachte der Schotte. »Hat doch am Ende Absichten auf das Schiff, und sollen wir ihm die Kastanien aus dem Feuer holen? darin irrst du dich aber, mein Bursche, denn was du wegschenkst, ist auch gewöhnlich nicht wert, daß man es aufhebt.«
»Pfeife ist ein guter Bursche,« sprang da plötzlich Toanonga auf ein anderes Thema über, »und Spund sehr gut, nur ein bißchen dumm, Jonas nicht viel wert, Schmied gar nicht, und Koch ganz schlechter Kerl – werde ihm noch zwei Frauen geben, wenn er mit denen nicht Frieden hält.«
Mac Kringo lachte, denn er dachte in dem Augenblicke daran, was ihm Jonas gestern abend erzählt, und welche schwere Zeit der arme Legs schon jetzt mit seinen Frauen hatte. Die Gelegenheit war aber auch zu günstig, etwas von Pfeifes Aufenthalt zu erfahren, und er fragte deshalb den Alten, wo er stecke, und was er treibe
»Pfeife,« sagte Toanonga, der nur die Spitznamen der Matrosen erfahren hatte und sie danach nannte, »Pfeife geht es sehr gut. Braver Pagalangi, arbeitet fleißig und macht Segel für die Kanoes, und Lemon hilft ihm.«
»Lemon ist bei ihm?« rief Mac Kringo schnell.
Toanonga antwortete ihm nicht darauf, denn seine Aufmerksamkeit wurde in diesem Augenblicke zu sehr durch den Schoner in Anspruch genommen. Dieser kreuzte jetzt dicht vor den Riffen und hatte gerade das zu ihm ausgekommene Kanoe langseit genommen. Mac Kringo lag auch nichts daran, sich jetzt noch länger hier aufzuhalten, denn er wußte alles, was er wissen wollte, und da Toanonga das Gespräch nicht wieder aufnahm, erhob er sich und verließ langsam, als ob er in den Wald wieder hineinschlendern wollte, den Platz. Sobald er dem Alten übrigens aus Sicht war, eilte er, jeden gebahnten Weg vermeidend, so rasch er konnte, der Landspitze zu, auf der er die Kameraden wußte. Diesen mußte er seine Vermutungen mitteilen und gemeinschaftlich mit ihnen einen Plan beraten.