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Täuschungen.

Als Mauricio seinen Freund Silvestre verlassen, wandte der letztere langsam seinen Rappen die Straße hinab, und zwar in einer entgegengesetzten Richtung von jenem, aber nicht etwa auch in einem scharfen Trab, sondern langsam und zögernd, als ob er selber noch nicht recht wisse, wohin er sich eigentlich wenden sollte. Unwillkürlich aber doch lenkte er sein wackeres Tier, das nur ungeduldig den hemmenden Zügel fühlte und viel lieber im Galopp dahingeflogen wäre, in eine bestimmte Straße ein, und zwar in die, in welcher Roneiros Haus lag, hatte auch dieses fast erreicht, als er klappernde Hufschläge hinter sich hörte und eine kleine Kavalkade von mehreren Damen und Herren bemerkte, die auf ihren flüchtigen Tieren hinter ihm drein kamen. Wie er den Kopf nun wandte, erkannte er auch schon in den Herren Offiziere, und zwar in französischer Uniform – und in den Damen? Sein Herz schlug fast fieberhaft in der Brust, denn Inez war unter ihnen. So rasch kamen sie dabei heran, daß sie ihn, ehe er selber nur einen Entschluß fassen konnte, ob er ausweichen oder sie erwarten solle, überholten, und wie er sein eigenes Pferd wandte und natürlich grüßte, neigte sich ihm Inez, ohne ihm aber auch nur ein freundliches Wort zuzurufen. Höflich allerdings, aber auch vollkommen kalt, grüßte sie und passierte mit den übrigen, bis sie, an ihrem elterlichen Hause angelangt, den Begleitern voran, durch die schon geöffnete Tür in den Hof einritt und dort mit der ganzen kleinen Gesellschaft verschwand.

Silvestre hatte seit jenem Abend, wo er in Roneiros Zimmer den General der Liberalen, Porfeirio Diaz, traf, Don Bautista allerdings wieder aufgesucht, und zwar zu dem Zweck, um von ihm selber eine Aufklärung über Inez' Betragen zu erhalten. Er fand aber bald, daß der alte Herr noch gar nichts davon gemerkt hatte und selber erstaunt über die Beobachtungen des eifersüchtigen jungen Mannes war.

Er versprach auch seiner Tochter ins Herz zu reden und bat Silvestre, nur gute Hoffnung zu behalten, denn es werde sich noch alles arrangieren lassen. Mädchen hätten nun einmal Launen, und er solle Inez lieber nicht zu sehr drängen. Er selber würde dann alles in Ordnung bringen. Vergebens aber hatte er diese Versuche dann später erneut – der alte Roneiro war immer außerordentlich höflich, ja freundschaftlich gegen ihn, wich ihm aber auch augenscheinlich aus, wo er das nur irgend konnte, und Silvestre endlich, um diesem wahrhaft unerträglichen Zustand ein Ende zu machen, hatte eigentlich heute die Absicht gehabt, den Vater sowohl als Inez zu einer Entscheidung zu drängen – aber konnte er das jetzt, wo sich das Haus voll Besuch befand – und gerade dieser Besuch?

Alle seine wie die Interessen der Gesinnungsgenossen gingen mit dem Kaiserreich, und jetzt, da Maximilian auch noch ihr Eigentum gegen den Klerus beschützte, schien er gerade nur für die Partei der Konservativen ganz besonders einzutreten. Aber dachte jetzt Silvestre daran, als er seinem feurigen Tier die Sporen einsetzte, und mit ihm die Straßen entlang, hin über die Plaza und hinaus ins Freie flog? – Bittere Flüche gegen das nämliche Kaiserreich, wie gegen alle Feinde, die sein Vaterland betreten, murmelte er zwischen den Zähnen durch, und finstere, unheilvolle Gedanken waren es, die ihm durch den Sinn zuckten. – Und trotzdem gab er die Hoffnung noch nicht auf, und als er, ohne eigentlich selber zu wissen, wohin er sein mutiges Tier gelenkt, sich plötzlich in Tacubaja befand, wandte er um und kehrte direkt in die Stadt zurück. Er wollte nicht länger mit einer Antwort hinausgezögert werden – er wollte wissen und erfahren, wie er mit Inez stand, und wenn er die junge Dame auch selber nicht sprechen konnte, so sollte ihm doch ihr Vater Antwort geben, oder er brach jede Verbindung mit dem Hause ab.

Hatte er aber geglaubt, in Roneiros Hof die verschiedenen Reitpferde noch angebunden zu finden, so sah er, daß er sich darin geirrt. Der Hof war leer, und auch als er die hohe Treppe hinaufstieg, die zu der ersten Etage und den Wohnzimmern der Familie führte, begegnete er niemandem, bis er oben einen Burschen traf, den er nach Sennor Roneiro fragen konnte.

»Der Sennor ist drüben in seinem Zimmer.«

»Und die Damen?«

»Sind eben ausgefahren – wahrscheinlich zu Sennora Zamacona.«

»Und wo sind die französischen Offiziere geblieben?«

» Quien sabe,« erwiderte der Bursch – »fortgeritten mit dem Wagen.«

Silvestre blieb einen Augenblick überlegend auf der Galerie stehen, aber nicht lange; er war einmal fest entschlossen, heute mit Inez' Vater zu sprechen – heute mit ihm ins reine zu kommen, und ohne eine weitere Anmeldung für nötig zu halten, schritt er hinüber und klopfte an die Tür.

Er fand Sennor Roneiro allein in seinem Zimmer, und zwar mit der Lektüre des »Diario del Imperio« beschäftigt. Er grüßte auch den jungen Mann freundlich, doch mit unverkennbarer Befangenheit – wußte er doch, was dieser ihm zu sagen hatte – was er ihm darauf antworten mußte, und suchte das Gespräch deshalb nach Art der Mexikaner, die einem selbst unvermeidlichen Übel so lange als irgend möglich aus dem Wege gehen, auf hundert andere Dinge, nur nicht auf das gefürchtete Thema zu lenken.

»Ah, Don Silvestre! Sehr erfreut. Sie zu sehen – como está amigo. Sie haben sich ja in einer wahren Ewigkeit nicht hier im Hause blicken lassen.«

»Sennor,« sagte der junge Mann, und der Ernst des Augenblicks machte auch ihn befangen, »da ich nicht wissen konnte, ob Ihnen mein Besuch gerade angenehm sei.«

» Pero hombre! Was Sie auch reden – Sie wissen doch, daß Ihnen jeden Augenblick das ganze Haus zur Disposition steht – aber die unruhigen Zeiten – haben Sie schon erfahren, daß General Bazaine heute nach Oajaca aufgebrochen ist?«

»General Bazaine allerdings,« erwiderte Silvestre, der diese Höflichkeitsformen schon zur Genüge kannte, nicht ganz ohne Bitterkeit, »es sind aber noch eine Menge französischer Offiziere zurückgeblieben, denn vorhin war der ganze Hof Ihres Hauses damit gefüllt –«

»Ach ja,« lispelte Roneiro – »ein Spazierritt, den die Damen gemacht hatten; junges Volk, will sich ein wenig Bewegung verschaffen.«

»Aber die Sennoritas –«

»Sind jetzt alle hinüber zu Zamaconas,« unterbrach ihn Roneiro, »und wissen Sie, was sie da vorhaben, Don Silvestre?«

»Ich muß gestehen, daß ich es nicht weiß, Sennor – die Damen haben mich seit längerer Zeit nicht in ihr Vertrauen gezogen.«

»Politisieren wollen sie,« lächelte der alte Herr, »der Teufel ist los und der böse Geist in Form der ehrwürdigen Padres zwischen sie gefahren, denn sie haben eine Monstredeputation oder vielmehr Petition im Werk, die dem Kaiser überreicht werden soll.«

»Wahrscheinlich, um ihn zu bitten, die Franzosen außer Landes zu schaffen,« sagte Silvestre nicht ohne Bitterkeit im Ton.

»Hm – darin läge vielleicht noch eher Sinn,« sagte Sennor Roneiro, der den Seitenhieb recht gut fühlte, aber nicht darauf einzugehen gedachte – »aber Gott bewahre – gegen uns selber ist sie gerichtet, oder vielmehr gegen den Brief, den der Kaiser an Escudero geschrieben und der die Schwarzen aufgerührt hat, als wenn man mit einem Stock in einen Ameisenhaufen stößt.«

»Ich habe davon gehört,« nickte Silvestre, »meine Mutter steht sogar mit an der Spitze – sie wollen um Rücknahme des Briefes bitten.«

»Ja wohl, weil das Seelenheil ihrer Familien, die Tugend ihrer Söhne und Töchter, die Treue ihrer Gatten dabei auf dem Spiel stünde,« nickte Roneiro, »so steht es wörtlich darin; es ist rein zum Verzweifeln, wenn man so etwas mit anhören muß, und vor ganz kurzer Zeit war meine eigene Frau noch ganz vernünftig – und auch wohl aus besonderen Gründen. Jetzt aber wird die ganze Damenwelt rebellisch.«

»Und die Sennorita auch?«

»Es kann sich keine davon ausschließen, wenn sie auch möchte, oder sie würde in der ganzen Stadt als Antichristin verschrien werden. Daß der päpstliche Nuntius wieder abreisen will, haben Sie wohl schon gehört?«

»Ich habe mich wirklich wenig darum gekümmert,« sagte Silvestre, »es waren andere Gedanken, die mir im Kopf herumgingen – wenn Sie vielleicht ein paar Minuten Zeit für mich hätten, Sennor?«

»Ich? – Gewiß, lieber Freund, aber haben Sie schon von dem neuen Raubanfall gehört? Die Post nach Queretaro ist an einem Tag dreimal ausgeplündert oder vielmehr angefallen worden, denn die letzten Räuber fanden natürlich nichts mehr vor, und haben die Passagiere auf das boshafteste behandelt. Es wäre doch wirklich an der Zeit, daß dem Unwesen ein Ende gemacht würde. Man ist ja nicht einmal in der Stadt seines Lebens mehr sicher. Denken Sie nur. Don Alfonso – Sennor Munnia meine ich, der das große Geschäft in der Calle San Francisco hat, wurde gestern abend von ein paar Strolchen angefallen, und sollte in einen schon bereitstehenden Wagen geworfen werden – jedenfalls um nachher ein sündhaftes Lösegeld aus ihm herauszupressen. Glücklicherweise kam noch eine französische Patrouille dazu, so daß die Schurken ihre Beute im Stich lassen mußten. Nächstens holen sie uns noch aus den einzelnen Häusern heraus – es wird immer besser.«

»Lassen Sie mich eine Frage an Sie richten, Sennor,« sagte Silvestre, der sich nicht in der Stimmung fühlte, alle Stadtneuigkeiten mit anzuhören.

»Eine Frage, mein junger Freund? Gewiß – mit dem größten Vergnügen,« rief Sennor Roneiro, also in die Enge getrieben, denn er konnte nicht mehr ausweichen – »aber was haben Sie nur? Sie sehen so feierlich aus, und dabei auch so bleich. In Ihrer werten Familie ist doch nichts Unangenehmes vorgefallen – oder haben die Liberalen etwa draußen Ihre Hazienda geplündert? Don Juan, Ihr Herr Papa sagte mir einmal, daß er etwas Ähnliches befürchte.«

»Es betrifft nur mich, Sennor,« entgegnete aber Silvestre, ihm auch die letzte Ausflucht abschneidend – »und Ihre Tochter Donna Inez.«

»Meine Tochter?« sagte Sennor Roneiro wie erstaunt.

»Sie wissen, Sennor,« fuhr aber Silvestre mit unsicherer und bewegter Stimme fort, »wie ich das letzte Jahr mit Inez gestanden habe, ja daß ich sogar schon kühn genug war, um mich – als einen Teil Ihrer eigenen Familie zu betrachten.«

»Und Sie wissen doch, Don Silvestre, wie gern Sie darin gesehen waren?«

» Waren – ja,« fuhr Silvestre fort, »aber die Zeit scheint vorbei zu sein; Inez vermeidet mich, wo sie kann –«

»Mädchenlaunen, lieber junger Freund –«

»Das sind mehr als Mädchenlaunen, Sennor,« rief aber der junge Mann, und jeder Blutstropfen hatte jetzt sein Gesicht verlassen. – »Sie vermeidet mich nicht allein, sondern sie hat auch ihr Herz einem der Fremden zugewendet, die hier in unser Land gekommen sind und das Blut unserer Brüder vergossen haben.«

»Aber bester Don Silvestre,« sagte der alte Herr, und die Unterhaltung schien ihm dabei sehr unangenehm zu sein – »Sie wissen recht gut, daß auch ich gehofft hatte, unsere beiden Familien in unseren Kindern vereint zu sehen, und Sie werden mir zugeben, daß ich Ihnen nie das geringste in den Weg gelegt, aber – Sie können auch nicht von mir verlangen, daß ich meiner Tochter irgendwelchen Zwang –«

»Mißverstehen Sie mich nicht,« unterbrach ihn aber Silvestre rasch bei dem Wort – »nicht hierher gekommen bin ich, um bei Ihnen hinter Inez' Rücken um die Hand Ihrer Tochter zu werben und Ihre Zusage allein zu erlangen, nur Gewißheit wollte ich haben – nur Wahrheit, um nicht länger diesen Zweifeln preisgegeben zu sein.«

»Aber in welcher Art, verehrter Herr – in welcher Weise?«

»Hat jener Franzose schon um Ihre Tochter geworben, und wenn er es täte, würde er Ihre Einwilligung erhalten?« sagte Silvestre mit leiser, fast wie angstgepreßter Stimme.

»Die Frage ist eigentlich ein klein wenig indiskret,« versetzte Roneiro, indem er sich verlegen die Hände rieb, »aber die eigentümliche Stellung, in der wir zueinander stehen, entschuldigt sie in etwas, und ich glaube selber, daß es am Ende besser ist, Sie erfahren die ganze Wahrheit.«

»So ist es geschehen?« brach Silvestre aus.

Roneiro schwieg einen Moment; es war, als ob er noch immer mit sich zu Rate ging, ob er geradeheraus sprechen oder die Sache noch hinhalten solle. Seinem ganzen Charakter nach hätte er auch jedenfalls das letztere vorgezogen, dem südamerikanischen Grundsatz nach einen unangenehmen Gegenstand nur gezwungen zu berühren. Aber er war auch eigentlich jetzt dazu gezwungen, denn verneinte er das Geschehene, so verwickelte er seine Tochter vielleicht noch mit dem heißblütigen jungen Mann und dem stolzen Franzosen in eine fatale Szene, die jetzt durch eine offene Erklärung jedenfalls vermieden werden konnte. Wozu auch länger aus einer Sache ein Geheimnis machen, die doch nur sehr kurze Zeit ein Geheimnis bleiben konnte, und halb verlegen, aber auch wieder ärgerlich darüber, daß er sich einem so jungen Menschen gegenüber verlegen zeigen konnte, sagte er endlich, indem er sich ein Blatt Papier aufwickelte und den Tabak zu einer Zigarette hineinrollte:

»Ich weiß nicht, was Sie unter »geschehen« verstehen, mein werter Don Silvestre, aber als alter Freund des Hauses, und wo ich mit Ihren Eltern so befreundet bin – wir sind ja sogar Compadres, Ihr Vater und ich – halte ich es doch für meine Pflicht, Sie von etwas, das sich in unserer Familie entwickelt hat, in Kenntnis zu setzen.« Silvestre erwiderte kein Wort – er fühlte, daß er in diesem Augenblick gar nicht hätte sprechen können, und, den anderen fest ansehend, stützte er sich mit der rechten Hand an den nächsten Tisch.

»Ich muß Ihnen gestehen,« fuhr Roneiro nach einer kleinen Pause fort, »daß ich selber mit Vergnügen bemerkt hatte, wie – wie befreundet Sie mit meiner Inez waren, und wie gern das Mädchen Sie hatte. Wir kennen einander hier im Lande und wissen, was wir gegenseitig von uns zu halten haben. Mir persönlich wäre es deshalb auch viel lieber gewesen, daß Sie uns, mein teurer Don Silvestre, später einmal durch unsere Tochter noch näher gestanden hätten. Ich habe es deshalb auch immer begünstigt, daß Sie sich gegenseitig besser kennen lernten, um zueinander Vertrauen zu gewinnen – und ebenso Sennora Roneiro – Sie werden sich gewiß nicht beklagen können, Don Silvestre, daß Sie hier im Hause nicht wären gern gesehen worden.«

Ein eigenes, bitteres Lächeln zuckte um Silvestres Lippen, aber er erwiderte nichts und zwang deshalb den Sennor, fortzufahren.

»Wir glaubten selber, daß Ihnen Inez von Herzen gut sei, und würden in dem Falle mit Vergnügen unsere Einwilligung gegeben haben, die, wie wir hoffen durften, das Glück unseres Kindes begründen konnte. Aber – wir beide scheinen uns da geirrt zu haben – und kein Wunder, Verehrtester,« setzte er lächelnd hinzu, – »denn der Mann soll noch geboren werden, der ein Mädchenherz durchschaut – sie sind unberechenbar, Don Silvestre, und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, als ich um meine eigene Frau anhielt, geschah es in der festen Überzeugung, daß sie mir einen Korb geben würde – ich erwartete es gar nicht anders, denn wir waren beide noch jung und meine Verhältnisse in jener Zeit nicht etwa derart, um meiner Frau eine glänzende Zukunft bieten zu können.«

»Also wir haben uns beide da geirrt?« sagte Silvestre leise.

»Es scheint in der Tat so,« nickte Sennor Roneiro – »Inez war Ihnen wohl immer gut und – ist es auch wohl noch, aber – die eigentliche rechte Liebe –«

»Kann nur durch brillante Uniform und einen gut klingenden Titel geweckt werden – nicht wahr, Sennor, das war es doch, was Sie sagen wollten?«

»Ich? – Nein – gewiß nicht!« rief Sennor Roneiro und wurde blutrot. »Sie tun mir auch dabei unrecht, denn da Sie doch einmal zu wissen scheinen, um was und um wen es sich handelt, wodurch eine weitere Auseinandersetzung unnötig wird, so kann ich Ihnen denn gestehen, daß ich mit der Wahl meiner Tochter nicht einverstanden bin, daß aber meine Frau darin das Glück ihres Kindes sieht und – gegen die Damen natürlich in diesem Fall nicht anzustreiten ist.«

»Und hat Graf Deverreux um Inez' Hand geworben?« fragte Don Silvestre mit fast tonloser Stimme.

»Ja,« erwiderte Sennor Roneiro – »gestern abend, und Inez – hat ihm ihr Jawort gegeben – Sie begreifen demnach, mein lieber Silvestre –«

»Alles – werter Herr,« rief Silvestre, indem er sich emporraffte, »alles, vollkommen, vor allen Dingen aber, daß es Ihnen natürlich nicht wünschenswert sein kann, wenn ich meine Besuche in Ihrem Hause fortsetze. Nicht wahr, das war es doch, was Sie mir vorhin sagen wollten?«

»Lieber Silvestre – es tut mir persönlich wirklich so leid –«

»Bitte, Sennor, keine weiteren Entschuldigungen,« sagte der junge, zum Äußersten gereizte Mann kalt und fast höhnisch – »ich begreife die Schwierigkeiten, in denen Sie sich befinden, vollkommen. Zur konservativen Partei gehören Sie doch Ihrer ganzen Stellung nach, mit der Tochter als Hofdame aber auch zur kaiserlichen. Die Damen nehmen dabei die Seite des Klerus, die Verbindung mit einem französischen Grafen stellt sie beiden entgegen und wird außerdem auch böses Blut bei Hof machen – und dann auch noch zu alledem eine geheime Konnexion mit Porfeirio Diaz auf der einen und vielleicht Juarez auf der anderen Seite – Caramba, Sennor, man muß Ihnen wenigstens zugestehen, daß Sie mannigfaltig sind, und bei allen fünf Parteien ein Eisen zugleich im Feuer halten.«

»Don Silvestre,« rief Roneiro, über das rücksichtslose Benehmen des sonst so bescheidenen jungen Mannes empört, aber auch zugleich über die Anspielung auf seinen neulichen Besuch bestürzt, »wenn mein Compadre ohne mein Wissen und meinen Willen mein Haus betritt –«

»Bitte, gegen mich keine Entschuldigungen,« sagte Silvestre höflich abwehrend, » Buenos dias, Sennor. Ich ersuche Sie nur noch, mich den Damen, wenn sie von ihrer frommen Mission zurückkehren sollten, auf das angelegentlichste zu empfehlen« – und ehe Sennor Roneiro noch etwas erwidern konnte, verbeugte er sich leicht, verließ das Zimmer und bestieg unten im Hof wieder sein Tier, mit dem er langsam, und ohne besondere Aufregung zu verraten, die Straße hinaufritt.

*

In seinem Palast an der Plaza de Armas stand der Kaiser mit der Kaiserin und einigen Vertrauten, und hatte eben den zweiten Trupp der eingetroffenen österreichischen Freiwilligen, ein prächtiges Korps, das mit klingendem Spiel und ihm zujubelnd, vorüberdefiliert war, passieren sehen.

Ein Teil der Volksmenge, die jetzt die ganze Plaza erfüllte, drängte den neuen, fremdartig aussehenden Soldaten nach, war es eben doch etwas Neues, das ihnen geboten wurde, und welches Volk der Erde hätte sich nicht auf kurze Zeit an einem solchen Schauspiel ergötzt, noch dazu, da gerade in dieser Zeit die günstigste Stimmung in der Hauptstadt für den Kaiser selber herrschte.

Ganze Schwärme der Leperos, obgleich sie keine Ahnung hatten, wo in der weiten Welt Österreich überhaupt lag, jubelten auch den Österreichern zu, sah man doch in ihnen einen weiteren Schutz gegen die liberalen Horden, die sich gerade in der Zeit fast nur zu einzelnen Raubbanden aufgelöst hatten und – da sie im Großen nichts verrichten konnten, es nun im »Kleinen« versuchten.

Das Volk selber fing aber an sich nach Ruhe zu sehnen. Es war ihm versprochen worden, daß sich die Bevölkerung nun bald wieder dem Ackerbau und seinen gewöhnlichen Beschäftigungen hingeben solle, und jedes Regiment Fremder, das einrückte, ergriff ja doch nur die Waffen für sie und ihren Schutz. – Und konnten diese Fremden auch ein Interesse für sie haben? Das blieb sich gleich. Die hatten einmal für den Augenblick die Macht in Händen und den Erfolg für sich; alles andere war Nebensache.

Dem Kaiser aber – als er dort oben am Fenster lehnte und auf die befreundeten, heimatlichen Truppen hinabsah – bewegten andere Gefühle das Herz, und als er sich umwandte, hingen ein paar Tränen an seinen Wimpern. Glück und Stolz aus seinem guten und offenen Antlitz strahlend, ergriff er des neben ihm stehenden Velasquez Hand und sagte herzlich:

»Von jetzt an beginnt eine neue, glückliche Zeit für uns, mein lieber Leon. Sehen Sie diese braven, wackeren Herzen, die in ein fernes Land gekommen sind, ihrem Kaiser die treuen Dienste zu weihen? Keine Landsknechte sind es, die ein freies Volk um schnöden Sold unterjochen und in Fesseln schlagen wollen; nicht zur Unterdrückung der Nation sind sie hergeeilt, sondern um mit ihren Kräften vereint das große begonnene Werk durchzuführen, diesem schönen Lande den Frieden und die Ruhe wiederzugeben. Hinter denen« – setzte er mit blitzendem Auge hinzu – »steht auch kein ehrsüchtiger, eroberungslustiger Geist, wie er die Franzosen über das Meer gesandt hat. Nicht für den Ruhm ihres Landes werden meine wackeren Österreicher kämpfen, sondern für das Wohl Mexikos, unbekümmert darum, ob die Geschichte einmal später ihren Namen nennt, und jetzt hoffe ich auch, daß wir bald, recht bald auf dem Punkt angelangt sind, wo wir es dem Kaiser Napoleon freistellen können, seine eigenen Truppen, so rasch es ihm beliebt, aus Mexiko herauszuziehen und uns die Reorganisation des Landes selber zu überlassen.«

»Gott gebe es, Majestät,« sagte der alte Velasquez, »und dann glaube ich selber, daß wir mit den uns hier noch entgegenstehenden Schwierigkeiten leichter fertig werden. Für den Augenblick, und wenn Marschall Bazaine Porfeirio Diaz unterwirft, woran ich keinen Augenblick zweifle, haben wir es hier nur noch mit der Geistlichkeit zu tun. Daß diese aber auch alle ihr nun zu Gebote stehenden Hebel in Bewegung setzen wird, darauf dürfen wir uns fest verlassen.«

»Ist etwas Neues vorgefallen?« lächelte der Kaiser, indem er einen Blick auf das besorgte Antlitz seines treuen Ratgebers warf.

Dieser deutete auf die Kaiserin. – »Ihre Majestät,« sagte er, »haben eben in diesem Augenblick eine von mehreren Tausend Unterschriften bedeckte Bittschrift erhalten, worauf fast nur edle Namen Mexikos, aber allerdings nur die der Damen, enthalten sind, und worin Eure Majestät beschworen werden, den Brief an den Justizminister Escudero zurückzunehmen wie auch Frieden mit dem heiligen Vater zu machen.«

»Und wie lautet die Petition?«

Die Kaiserin reichte ihrem Gemahl das Schreiben, das sie eben geöffnet und mit den Blicken überflogen hatte. –

»Die Damen von Mexiko,« sagte sie dabei lächelnd, »scheinen die Befürchtung zu hegen, daß sie direkt dem bösen Feind überliefert werden sollen; denn einen ähnlichen Ausdruck finde ich sogar darin angeführt. Sie glauben, daß man ihnen ihre Religion nehmen wolle, und bitten um Gnade.«

Der Kaiser las das Dokument aufmerksam durch, dann überflog er auch einen Teil der ersten Unterschriften, faltete es wieder zusammen und sagte:

»Das hat jedenfalls ein Pfaffe geschrieben und auch wahrscheinlich die ganze Demonstration veranlaßt, denn weiter soll es doch nichts sein.«

»Und befehlen Majestät, daß den Schreiberinnen und Unterzeichnerinnen des Schriftstückes irgendwelche Antwort zu erteilen sei?«

»Nein,« sagte der Kaiser nach kurzem Überlegen, »sie mögen sich ihre Antwort in den in Bälde erscheinenden Gesetzen herauslesen. Caramba, wir haben mit den Männern von Mexiko genug zu schaffen und können uns nicht auch noch mit den Damen behelligen.«

»Aber wenn vielleicht Ihre Majestät die Kaiserin –«

»Die Damen,« sagte die Kaiserin abwehrend, »können von mir nichts anderes erwarten, als daß ich das Schriftstück in die richtigen Hände bringe. Das ist jetzt geschehen, und weiter in der Sache zu Verfahren, sehe ich mich nicht befugt.«

»Ich weiß nicht,« sagte Velasquez, »ob es gut getan sein wird, so ganz schroff mit der klerikalen Partei zu brechen. Wenn ich auch nicht glaube, daß uns von ihr gerade eine Gefahr drohe, so hat sie es doch in Händen, uns in vielen Stücken Unbequemlichkeiten und Verlegenheiten zu bereiten.«

»Und wen hat sie hier, auf den sie sich verlassen könnte?« sagte Maximilian; »es fehlt ihr ein innerer Halt. Der einzige aber, der den vielleicht geboten haben würde – der einzige, den wir hätten zu fürchten brauchen – ist in Europa und dort vollkommen unschädlich, denn er kann ohne unsere Erlaubnis nicht zurückkehren und mag, so lange wenigstens, als diese Wirren mit der Kirche dauern, auch ruhig dort bleiben.«

»Aber es gibt noch einen anderen Mann im Lande, Majestät,« sagte Ramirez, der Minister des Auswärtigen, der indessen die eingegangene Bittschrift wieder auseinandergefaltet und hineingesehen hatte, »der ein vollkommener Gesinnungsgenosse Miramons, und den Klerikalen ebenso ergeben – ja ich vermute sogar, daß er von ihnen abhängig ist.«

»Und der wäre?« fragte der Kaiser.

»General Marquez.«

»Sie mögen recht haben, Ramirez, aber General Marquez schlägt sich im Norden wacker gegen Juarez' Scharen, und scheint nicht die geringste Lust zu zeigen, sich weiter in Politik zu mischen.«

»Ich habe sichere Kunde erhalten, Majestät,« sagte Ramirez, »daß General Marquez nicht allein eine sehr lebhafte Verbindung mit der hiesigen Geistlichkeit unterhält, sondern daß er sogar dort mit einem der berüchtigtsten Bandenführer des Expräsidenten Zusammenkünfte gehabt hat, die, das Wenigste sagen, ein Einverständnis möglich erscheinen lassen. Sein Gewissen wird ihm dabei – welche Pläne er auch verfolgen möge, und wie ich Eurer Majestät wohl kaum zu sagen brauche – schwerlich im Wege stehen. Ich halte Marquez zu allem fähig.«

»Aber er hat vor hundert anderen,« sagte der Kaiser rasch, »in all den Revolutionen nicht ein einziges Mal die Fahne gewechselt – das spricht doch gewiß für ihn.«

»Aber, Majestät,« entgegnet Ramirez, »er war stets auf Seite der Klerikalen, und er braucht auch jetzt seine Fahne nicht zu wechseln, um ganz entschieden gegen Sie Partei zu nehmen.«

»Hm,« nickte der Kaiser nachdenkend, »da haben Sie allerdings recht. Wo steht er jetzt?«

»Von Colina erhielt ich die letzten Nachrichten – er war leicht verwundet worden.«

»In der Tat?« sagte der Kaiser nachdenkend, »dann tut ihm vielleicht eine Luftveränderung gut. Nur eins ist dabei, was ich nicht begreife. Ich weiß, daß gerade Marquez niemanden entschiedener haßt als gerade Juarez, und es scheint mir undenkbar, daß er dem wieder in die Hände arbeiten sollte.«

»Das wird er aber auch nicht tun, Majestät,« sagte Velasquez de Leon, »aber wer kann sagen, zu welchem Zweck ihn der hohe Klerus bestimmt hat. Er ist entsetzlich abergläubisch und deshalb auch vollkommen in dessen Händen.«

»Marquez abergläubisch?« rief die Kaiserin, »aber wie ist das möglich? Jemand, der an höhere Mächte glaubt, kann doch nicht imstande sein, so furchtbare Grausamkeiten zu begehen, wie man gerade ihm nachsagt.«

» Solchen Charakteren,« erwiderte Velasquez de Leon achselzuckend, »bietet leider unsere Kirche einen gefährlichen Trost in der Absolution, und ich fürchte, gerade General Marquez hat umfassenden Gebrauch davon gemacht.«

Maximilian hatte die Augen für kurze Zeit am Boden gehalten.

»Ich glaube,« sagte er nach einer kleinen Weile – »es wird besser sein, Marquez, wenn er wirklich verwundet sein sollte, in ein europäisches Bad zu schicken, damit er sich rascher erholen möge, und unserem Reich ein jedenfalls tapferer und einflußreicher General erhalten bleibe.«

»Und wenn er sich weigert?« meinte Ramirez.

»In der Art, wie ich ihn zu senden gedenke,« erwiderte der Kaiser, »wäre es nicht viel weniger als offene Empörung, und ich müßte mich sehr in dem Mann täuschen, wenn ich ihn dessen für fähig hielt.«

»Das wird freilich die Klerikalen noch mehr erbittern,« sagte Velasquez.

»Aber ihnen auch ihre Stütze nehmen.«

»Desto eifriger werden sie nun im geheimen arbeiten und indessen glühende Berichte nach Rom senden.«

»Das tun sie doch, aber dagegen müssen wir ebenfalls wirken,« nickte der Kaiser ernst, »denn ich will kein Zerwürfnis mit dem heiligen Vater, das ich – selbst wenn ich mich selber dagegen wehren könnte, doch für ein Unglück dem Lande gegenüber halten würde. Ich beabsichtige deshalb, wie ich Ihnen schon früher angedeutet, eine Deputation nach Rom zu senden, an der ich Sie, mein lieber Velasquez, bitten werde, teilzunehmen; Bischof Ramirez wird Sie begleiten, wen ich zu Ihrem Dritten nehme, darüber bin ich noch nicht mit mir einig. – Sie beide aber kennen vor allen anderen unsere eigentümlichen Verhältnisse hier genau. Sie wissen, ohne daß Sie einer zeitraubenden Kommunikation mit mir bedürfen, ebenso bestimmt, wie weit Sie gehen, welche Zugeständnisse Sie machen können. Weitere Instruktionen behalte ich mir dann noch vor, aber verlassen Sie sich darauf, daß Sie – in entgegengesetzter Weise des päpstlichen Nuntius – mit genügenden Vollmachten reisen und dort auftreten sollen.«

»Und glauben Sie, daß eine solche Sendung Erfolg haben kann?« sagte die Kaiserin, und ihr Auge heftete sich dabei angstvoll auf Velasquez – »o, Gott weiß es, wie sehr mich dies Zerwürfnis mit dem heiligen Vater quält, und was ich opfern würde, um es zu beseitigen.«

»Majestät,« sagte Velasquez achselzuckend, »wenn Sie mich direkt um meine Meinung fragen, so muß ich Ihnen gestehen, daß ich an keinen Erfolg unserer Sendung glaube, denn mit uns zugleich, wenn nicht noch früher, treffen in Rom die Berichte Labastidas und Meglias ein, und daß die nicht zur Versöhnung reden, davon dürfen wir uns überzeugt halten.«

»Und was dann?« sagte die Kaiserin, und ihr Antlitz war bleich geworden, ihr Auge hing fest und forschend an dem Gatten.

»Und was dann, Carlota?« sagte Maximilian freundlich, »du weißt, daß ich ein gut katholischer Christ bin, und in meinem Glauben leben und sterben will, aber ich bin mehr als Christ – ich bin berufen, ein von Revolutionen und Parteihaß fast aufgeriebenes Volk wieder zu einigen, und darf nicht selber mit eigener Hand die Fackel der Zwietracht wieder in seine stillen Hütten werfen.«

»Aber ein Zwist mit Rom –« seufzte die Kaiserin.

» Kann für Mexiko keine großen Dimensionen annehmen,« erwiderte der Kaiser, »da hinter uns immer das Gespenst der Republik mit seinem vollkommen rücksichtslosen Walten steht. Pio Nono wird, wenn ihm unsere Freunde den Stand der hiesigen Verhältnisse ruhig klarmachen, gewiß selber einsehen, wie weit wir gehen können, und nicht das Unmögliche von uns verlangen. Ich werde überhaupt jetzt selbständiger hier auftreten,« setzte er nach einer kleinen Weile hinzu, indem er mit auf den Rücken gelegten Armen in dem Gemach auf und ab ging – »ich bin es müde, von Franzosen und Geistlichen abhängig zu sein, und kann nicht für das Beste des Landes so sorgen, wie ich es möchte, wo mir überall die Hände gebunden sind. Besonders eine Militärorganisation ist nötig, damit wir unser eigenes, und zwar ein mexikanisches Heer bekommen. Das Volk kann nur dann Vertrauen zu mir fassen, wenn es sieht, daß ich mich nicht mehr auf fremde Bajonette stütze.«

»Und wird das so leicht ausführbar sein?« fragte Ramirez.

»Ich weiß,« nickte der Kaiser, »daß es viel faule Elemente in der mexikanischen Armee gibt. In allen diesen spanischen Republiken war es von jeher Sitte, jeden Führer einer kleinen Truppe zum General zu ernennen und ihm eine goldgestickte Uniform zu geben. Wir haben eine Menge solcher Herren unter uns, die wohl einen Raubzug anführen können, aber in große Verlegenheit geraten würden, wenn sie nur die wirklichen Pflichten eines gewöhnlichen Unteroffiziers erfüllen sollten. Das muß vor allen Dingen anders werden.«

»Majestät,« sagte da Velasquez nachdenkend, »geraten aber dabei jedenfalls in ein Wespennest, denn das ist ein alter Schaden dieser Staaten und – glauben Sie mir – nicht mit einem Federstrich zu heilen.«

»Aber es muß doch einmal ein Anfang damit gemacht werden,« sagte der Kaiser, indem er vor ihm stehen blieb. »Sobald Porfeirio Diaz geschlagen ist, – und daß das geschieht, daran zweifeln Sie doch nicht – so sind wir die Herren des ganzen Landes. So verblendet ist das Volk aber nicht, daß es nicht einsehen sollte, was in seinem eigenen Interesse liegt. Für den eigenen Nutzen hat auch der Ungebildetste einen scharfen Blick. Einzelne Unzufriedene wird es freilich immer geben, und wo gäbe es die nicht, aber die große Masse des Volkes wird, wie sie es bisher gewesen ist, auch sicher auf meiner Seite bleiben. Laufen Sie doch jetzt schon von allen Ecken und Enden zu unserer Fahne über.«

»Das tun sie allerdings, Majestät,« sagte Velasquez, »weil Sie jetzt den Erfolg für sich haben, aber im anderen Fall hüten Sie sich.«

»Sie sehen zu schwarz, amigo,« lächelte der Kaiser, »aber unsere Reformen werden für uns sprechen. Garantieren Sie mir nur ein halbes Jahr Frieden im Reich, und ich will ein Paradies aus Mexiko schaffen. Nein, bringen Sie nur gute Kunde aus Rom, und lassen Sie mich dann für das übrige sorgen. Sie sollen erstaunt über Ihr Vaterland sein, wenn Sie zu uns zurückkehren.«

»Daß Majestät den besten Willen haben,« sagte Velasquez, »daran kann kein Mensch zweifeln, der nur je mit Ihnen verkehrt hat, aber – Sie müssen auch in etwas dabei den mexikanischen Charakter berücksichtigen – bei ihm ist oft viel mit selbst nur einer Kleinigkeit getan, und eine große Anzahl der sonst gefährlichsten Charaktere können durch einen Titel oder Rang gewonnen und gehalten werden – aber auch verloren, wenn Sie jeden nur nach Verdienst lohnen wollen.«

Der Kaiser war ungeduldig geworden; der alte, gute Velasquez hatte noch so wunderliche Ansichten, aber er meinte es jedenfalls gut, und Maximilian wäre der Letzte gewesen, ihn je absichtlich zu kränken.

»Nun gut,« lächelte er, »wir wollen die Sache nicht übers Knie brechen und mit unseren Räten reiflich überlegen. – Sorgen Sie sich deshalb nicht, Velasquez, aber bereiten Sie sich auf Ihre Reise vor, denn je eher wir den sicher abgehenden Depeschen des hiesigen, jetzt etwas erbitterten Klerus entgegenwirken, desto besser« – und der Kaiserin Arm ergreifend und sich freundlich gegen die Herren neigend, verließ er mit seiner Gemahlin das Gemach.


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