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Oden.


Der Ugley.

Von Hügeln dicht umschlossen, geheimnißvoll
Verhüllt in Waldnacht dämmert der Ugleysee,
      Ein dunkles Auge, das zur Sonne
   Nur um die Stunde des Mittags aufblickt.

Weltfremdes Schweigen waltet umher, es regt
Kein Hauch des Abgrunds lauteren Spiegel auf;
      Nur in des Forsthangs Wipfeln droben
   Wandelt wie ferner Gesang ein Brausen.

Wie oft im Zwielicht dieses Gestads befiel
Versunk'ner Vorzeit Schauer die Seele mir!
      Denn wenn des Volks uralte Sage
   Aechtes verkündet, so war es hier einst,

Wo in den Vollmondnächten der Blumenzeit,
Von Priesterjungfraun unter Gebet enthüllt,
      Der Göttin Bild vom erz'nen Wagen
   In die verschwiegene Flut hinabstieg.

Auch heut noch wird hier Heiliges kund: es wagt
Der Jüngling, dem ehrfürchtige Scheu bisher
      Die Lippe zuschloß, in den grünen
   Dämm'rungen kühner, das Wort der Liebe.
Und selbst der Mann, der, nimmer ein groß Gefühl
Vergeudend, deinen Namen, o Vaterland,
      Nur selten ausspricht, weil am Markt ihn
   Täglich die Zunge der Schwätzer mißbraucht,

Hier strömt der sonst Wortkarge dem Freunde wohl,
Als hätt' ein Gott ihm plötzlich das Herz gelöst,
      Die tiefe Sehnsucht aus, und redet
   Von den verschollenen Reichskleinoden.


An Wilhelm Deecke.

Wieder drunten am See blüht das Jasmingebüsch,
Blühn die Rosen, und still über die Uferhöh'n
      Ziehn die Kinder der Sonne,
   Ziehn goldsohlig die Stunden hin.

Doch im kühlen Gemach, wo der gemilderte
Stral durch Ranken sich stiehlt, bannt mich die Muse fest,
      Die mir Blumen der Fabel
   Zum buntfarbigen Teppich wirkt.

Stets an heiterem Tag lächelt die Himmlische
Mir huldreicher, es tönt voller das Herz mir dann;
      Selbst der ernste Gedanke
   Lernt anmuthiges Spiel im Klang.

Drum, wenn über dem See feurig der Abend schied,
Komm, und nimm des Gedichts Rhythmen als Gastgeschenk,
      Und im duftenden Garten
   Laß uns tauschen ein traulich Wort.

Süß ist Freundesgespräch, wenn die befriedete
Brust, ausrastend vom Werk, tieferen Athemzugs
      Dich, o Welle des Mondlichts,
   Schlürft, die labende Milch der Nacht.


An Ludwig Aegidi.

Die Stunde segn' ich, da der Gedanke mir
Des ew'gen Weltfortschrittes wie Sternenglanz
      Im Herzen aufging, jene Hoffnung
   Endlichen Heiles, die Alles ausgleicht.

Wär' mir's versagt, im Trüben das Werdende,
Zukünft'gen Aufbau's Quadern im Trümmerfall
      Zu ahnen, abgrundstief in Schwermuth
   Müßte das bange Gemüth versinken.

Denn täglich klafft heilloser des Vaterlands
Wehvoller Zwiespalt, der ein besonnen Herz
      Mitspaltet, weil es keinen Ausweg
   Sieht, als die Schärfe des Schwerts und Umsturz.

Rastlos zugleich im Schooße der Staaten kämpft
Starrsinn mit Starrsinn, ach, und es wagt wie oft
      Leichtfert'ger Ehrgeiz an den kleinen
   Sieg der Partei das Geschick des Ganzen!

Und während hier durch starrer Leviten Schuld
Des Volks Gemüth vom Brode des Himmels sich
      Entwöhnt, und sternlos durch die Wildniß
   Eines versandenden Daseins hinirrt:

Hebt abermals kühnstrebende Priestermacht
Jenseits der Berg' ihr blendend Medusenhaupt,
      Vor dessen Blick die kaum entsprungnen
   Brunnen des Geistes zu Stein gefrieren.

Das Schöne selbst dient üppigem Spiel, es kehrt
Von strenger Hoheit Zauber die Welt sich ab,
      Und hüllt des Schwächlings flache Stirne,
   Weil sie bequem sich erreicht, in Lorbeer.

Ist dies der Einbruch sinkender Todesnacht?
Ist's Morgenzwielicht, drin die Gespenster sich
      Der Finsterniß noch einmal rühren,
   Mächtiger rühren, bevor der Hahn kräht?

Wer sagt's! – Ich weiß nur: tief in Gewölk verhüllt
Der Gott die Stirn oft, wenn er Entscheidung bringt,
      Und anders, als wir hofften, löst er,
   Als wir gefürchtet, des Schicksals Räthsel.

So harr' ich denn und dämpfe mit Saitenspiel
Des Busens Unrast, froherer Zeit gedenk;
      Denn wer in's Chaos starrt, ist niemals
   Besser geworden dadurch noch weiser.

Mag einst ein Herz in Qualen der Ungeduld
Des fromm nach Fassung ringenden Dichters sich
      Getrösten: Gleiches litt auch dieser,
   Aber er trug es und sang und hoffte.


Am 18. Oktober 1863.

Den Tag des Ruhms zu feiern am Siegesmahl
Der Muse rief ich festlichen Saitenspiels,
      Doch kam sie nicht, es kam statt ihrer
   Stählernen Schritts die gewalt'ge Schwester,

Die Schicksalszeugin, die der Geschlechter Schuld
Und Thaten wägt und, ernster Betrachtung voll,
      Den Völkern viel zum Trost und viel auch
   Warnend erhobenen Fingers kündet.

Die hohe Stirn umschattet, den Adlerblick
Gewandt auf fernherdämmernder Zeiten Bild,
      Von Hellas hub sie an, und sprachlos
   Lauscht' ich, im tiefsten Gemüth erschüttert.

Denn bist nicht du, mein heiliges Vaterland,
Des Geistes voll, wie Hellas, und bist du nicht,
      Auch du gewachsen gleich des Rebstocks
   Purpurner Frucht in getrennten Beeren?

Und weil des reichern Lebens Zersplitterung
Zwei Gipfeln zustrebt, frißt er an dir nicht auch,
      Von Aschen kaum umhüllt, der rastlos
   Glimmende Hader Athens und Sparta's?

Wohl war sie schön die Sonne von Salamis,
Als blutbetrieft zum hallenden Felsgestad
      Der zorn'ge Meergott Perserleichen
   Wälzt' und sidonisches Schiffsgetrümmer,

Daß Xerxes hoch aufbäumend im goldnen Stuhl
Mit Jammerruf sein königlich Kleid zerriß;
      Und schön der Tag, als an Platäa's
   Bächen die schimmernden Reiter sanken.

Doch nur zu bald im Strahle des Glücks, dem Nest
Auf's neu entkriechend, blähte der Eifersucht
      Gewürm den Kamm und wuchs, von keinem
   Helden erstickt, zum beschwingten Drachen,

Der, gift'gen Pesthauch schnaubend und Brudermord,
Der Städte Mark zu weiden nicht müde ward,
      Bis sterbend unter König Philipps
   Huf die zertretene Freiheit ächzte.

O deß gedenkt, ihr beiden Gewaltigen,
Die uns ein Gott zu Hütern des Reichs gesetzt,
      Ihr Adler Deutschlands, und wenn heute
   Zu des erhabensten Siegs Erinn'rung

Ihr Freudenfeuer zündet, so werft zuerst
Der alten Zwietracht rauchenden Brand hinein,
      Und statt mit abgewandten Häuptern
   Finster zu grollen, begeht auf Leipzigs

Glorreichen Schicksalsstätten ein Sühnungsfest,
Und Hand in Hand vorschreitend dem deutschen Volk
      Wählt andern Pfad! Denn dieser führt uns
   In die Gefilde von Chäronea.


An Jakob Burkhardt.

Soll denn ganz zuwachsen der Pfad, den Klopstock
Einst gebahnt, den griechischer Schönheit selig
Hölderlin, und tönenden Schritts der ernste
      Platen gewandelt?

Wohl mit Fug einheimischer Formen Reichthum
Hat die Kunst auf's neue beseelt, und machtvoll,
Sein Gesetz vom Munde des Volks empfangend,
      Strömt der Gesang ihr.

Aber dankbar ihren Erweckern, sei sie
Vor'gen Kampfspiels gerne gedenk und lasse,
Den sie einst helltönig verschoß, den Pfeil nicht
      Rosten im Köcher.

Schön im Reim hinströmt das Gefühl; die Tonkunst
Freut sich sein, ihn wählt die beglückte Liebe,
Die im sanft antwortenden Hall ihr eignes
      Liebliches Bild ahnt;

Doch der inhaltschwere Gedanke wiegt sich
Gern, der Ernst tiefsinniger Weltbetrachtung
Auf der langausrollenden, tongeschwellten
      Woge des Rhythmus.


Der Romantiker.

Wie Zeit und Schicksal immer uns bilden mag,
Doch waltet machtvoll über der Scheitel uns
      Der Stern der Kindheit fort und ewig
   Zwingt uns die Seele das früh Geliebte.

In tiefer Sehnsucht nach dem Unendlichen,
Deß heilig Räthsel über der Schöpfung schwebt,
      Zum Leben wacht' ich auf und lauschte
   Trunkenen Ohrs dem Gesang der Dinge.

Und wenn des Meers dumpfbrandenden Wogenschlag
Der Wind herantrug oder die Höh'n herab
      Des Waldes Rauschen kam, so ward mir
   Was ich vernahm der Empfindung Gleichniß;

Und Wald und Meer und blühendes Sonnenlicht,
Und deinen vielfarb wechselnden Kranz, o Jahr,
      Und euch, ihr Stern' und Wolken, nennend,
   Strömt' ich das dunkle Gefühl im Lied aus.

Wohl hab' ich dann bei griechischer Tage Glanz,
An deinen Marmorsäulen, o Parthenon,
      Gediegner Kunst formklaren Zauber
   Lieben gelernt und den Reiz der Schranke,

Und Zug für Zug lebendig ein Menschenloos
In's Wort zu prägen blieb mir das Köstlichste,
      Und großer That ruhmvoll Gedächtniß
   Dauernd in feste Gestalt zu bannen.

Doch nun der Heimat Sonne mir wiederum
Aus Wolken aufglüht, nun mich der Buchenforst
      In seine Laubnacht zieht, wie oft jetzt
   Rührt sich im Busen die alte Sehnsucht!

Und durch des Frühlings dämmernde Werdelust,
Durch goldne Herbstruh' wandl' ich gedankenvoll,
      Und summe, wie im Traum, der Jugend
   Nimmer vergessenes, dunkles Waldlied.


Reinigung.

Will der Zaubergesang thörichter Leidenschaft
Dich verwirren und schwankt zweifelnd die Seele dir:
      Zum felshohen Gestade
   Flüchte, wo sich die Woge bricht;

Oder lausche dem Wald, was er in's Thal herab
Seit Jahrhunderten braust, daß du des endlichen
      Reizes Lockung erprobest
   Am Gefühl der Unendlichkeit.

Vor der großen Natur heiligem Frieden hält
Nichts Unlauteres Stand; von den befangenen
      Sinnen streift sie den Irrthum
   Wie ein lastend Gewand herab;

Und wie plötzlich entfacht einst am gesegneten
Nachtmahlskelche des Grals feurige Schrift erschien,
      Glänzt ein göttlicher Wille
   Klar in deinem Gewissen auf.


An die Verzagten.

Wenn euch die Welt herbstfrostig und thatenarm
Zu altern scheint, o klagt das Geschick nicht an!
      Euch selbst erneut, und in der Tiefe
   Tränkt des verdorrenden Lebens Wurzeln!

Sucht mehr, denn Klugheit! Freudig und zweifellos
Der ungeschrieb'nen Satzung im Innern folgt,
      Habt fromm zu sein den Muth, und schämt euch
   Nimmer des hohen Gefühls im Busen!

Ehrfurcht auf's neu, dankbare Bewunderung
Des Großen lernt; sie fruchten wie Maienthau;
      Und wenn ein Werk ihr sinnt, so laßt es
   Reifen am läuternden Strahl der Liebe.

Gewalt'ges führt pfeilscharfer Gedanken Kraft
An's Ziel, und mehr vollendet der Genius;
      Allein der Menschheit höchste Thaten
   Wuchsen wie Lilien aus dem Herzen.


Rückblick.

Nimmst du wieder mich auf, schattiges Laubgewölb,
Das dem Jüngling oft Hoffnung und Trost gerauscht,
      Und mit schauderndem Waldhauch
   Sein zu stürmisches Herz gedämpft?

Heut ruhvolleren Sinns schreit' ich, da lichter schon
Mir die Locke sich mischt, unter den Wipfeln hin,
      Doch dem Träumer zur Seite
   Wallst du, Göttin Erinnerung.

Tage geistigen Kampfs, Nächte der Leidenschaft,
Unter Thränen verwacht, junger Begeisterung
      Irr noch zitternde Flamme
   Zeigst du lächelnd im Spiegel mir.

Auch an wechselnder Fahrt bunte Genossenschaar,
An holdseliger Frau'n Güte gemahnst du mich,
      Und die Wunder des Südens
   Gehn mir wieder im Busen auf.

Was ich dunkel erstrebt, was mir in ahnender
Seele dämmernd gereift, was ich gefehlt, es wird
      Zum beschlossenen Bild erst,
   Nun sich selber das Herz versteht.

Oft mit herbem Verlust rächten sich Schuld und Wahn,
Viel auch wandelt' ein Gott gnädig dem Irrenden
      Noch in Heil, und das Trübste
   Sühnt' im Liede sich endlich aus.
Denn du bliebst mir getreu, Harfe der Jugendzeit,
Nur zu tieferem Laut haben die Jahre dich
      Mir besaitet und dankbar
   Preis ich, was mir beschieden ward.

Glücklich, wer, durch die Welt schweifend am Wanderstab,
Höchstes Wonnegeschick, bitterstes Leid erfuhr,
      Und zuletzt in der Heimath
   Grüner Stille den Frieden fand!


Seefahrt.

Willkommen am Strand, flutbäumender Hauch, Nordost!
Wie schwillt mit Gebraus dein Flügel und lockt zur Fahrt!
      Denn über'm Sturz schaumweißer Hügel
   Pocht kühneren Schlag das Menschenherz.

Durch spritzenden Gischt schon tanzet der Kiel, schon jagt
Hochflatternd Gewölk gleich Schwänen dahin. Schenkt Wein!
      Wir leben heut! Stimmt an den Preischor
   Und goldene Tropfen sprengt in's Meer!

Unendliches Leid wohl hab' ich erprobt. Doch gab
Ausgleichend ein Gott mir köstlichen Trost. Mr blieb
      Erinn'rung, Freundschaft und im Liede
   Für jedes Geschick ein Widerhall.

Mag immer im Wind hinsterbenden Tons dies Lied
Mit andern verwehn! Doch schwichtet es mir im Gram,
      Im Jubel mir, gleich Oel, die hohe
   Sturmwoge der Brust, und das genügt.


Die Ostsee.

    Ueber die wogende Tiefe
Von Aufgang her brauset der Wind, wie Blüthenschnee
Flocken des Schaums aussäend am Strand;
Und durstigen Zugs saug' ich den meerkühlen Hauch,
Heimathfroh. Denn drinnen im Land, dem Riesengeschlecht
Der Gletscher nah, schwieg mir das Herz Monden lang.
   Doch nun schaust du mich wieder an
   Mit der nordischen Jungfrau Blick,
Auge der See, dunkelnden Blau's, und wie dereinst
Aus sanftaufgehender Wimper ein Gruß, weckst du mir
   Den schlafenden Klang. Aber es gab
Des Minnegesangs blühendes Spiel der gereifte Mann
   Um Ernsteres auf; rückwärts heut strebt
      Durch der Jahre Gewölk
Zu der baltischen Welt Aufdämmern das Lied.
Tage des Sturms, Tage der Kraft wälzt es dahin;
   Denn auch vergang'ner Zeiten Geschick
Im echoreichen Busen erneu'n ist Dichterlust.

Lauter brandet die Welle,
Wo dort am waldgrünen Gestad die Hügel ruh'n,
Steingethürmt, die Gräber der Starken,
Die einst den Seedrachen zuerst zur Beutefahrt
Mit weitaufbauschendem Segel beschwingt,
Oder im Streitwagen dahin brausend zur Schlacht
Die feuchte Düne mit Blutrunen gefurcht.
   Denn dem Geschlecht bedünkt
   Kampf das herrlichste Loos und mehr
Gefällt als Brautreigengesang ihm Schildgekrach
Und ruhmgekrönt dahinzuwandeln im Mund des Volks:
Aber es lischt manch hohes Gerücht langsam aus
   Und selbst die Harfe des Heldenlieds
   Verhallt im Sturm; ihr Gewaltigen auch
      Schlafet, ihr Seekönige, nun
Im grufttiefen Hünengewölb namenlos;
   Denn viel erringt männlicher Schweiß;
Doch schenkt ein Gott nur welchem er will Unsterblichkeit.

   Andre Geschlechter erstanden,
Und froh des Markts wimmelte hier der Mastenwald,
   Als um baltischen Bernsteinschmuck
Vom Pontus her und Caspiens Sund stromhinauf
Gehüllt in Duft Indiens Hort nordwärts schwamm.
Da wuchs Julin üppig empor, mit Goldgeräth
Auszierend seiner Wände Gesims, und Wisby hieß
Den dunklen fremdzüngigen Gast auf Scharlach ruh'n.
   Aber der Glanz lockt die Gefahr,
Und des Saumthiers Pfad und die Straße des Schiffs zu schirmen hub
   Den Schild die Hansa, du voran,
Machtvolles Lübeck, hochgegiebelte Vaterstadt.
Gesetz aufrichtend, flaggenstolz, waltetest du
   Der wogendunkleren Mittelsee,
Mitredend in der Könige Rath, der Feinde Schreck.
Doch kam der Tag, da Genua's Sohn im Abendroth
   Die Welt erschloß, und wagendem Muth
Zu neuen Küsten sonnenbeglänzte Bahnen wies.

   Schön sind die Tage der Jugend
Und nichts ersetzt schwellender Kraft Thatenlust;
   Aber ein herrlich Theil auch ist's,
   Mit Würden alt sein, und geehrt
   Von Vielen, voriger Stürme gedenk,
Des Friedens Segnungen kosten. Solches Geschicks
   Rühmst du dich nun vor den Schwestern, o Lübeck.
   Den andern Töchtern der Ostsee.
   Denn es schwand Julin und Vineta schläft
   Wogenumspült, wo der silberne Stöhr
   Durch die Hallen zieht, und der Baum der Coralle
Sein Purpurgeäst aus glutlosem Herde treibt;
   Du aber, siebenthürmige, schaust
   Von deinen Hügeln noch heute
   Hinaus auf's Meer, das mit der Sonne
   Die Segel dir bringt von Aufgang,
   Schwanenweiß, und über dem Schiff
Die gewölkdunkle, windgebeugte Säule des Rauchs.

   Immer ergreift mir die Seele
Festtägliche Lust, wenn schwellenden Klangs mich wogenreich
   Deiner Glocken Geläut umhallt
   Und bildwerkpfortige Giebel entlang
   Mein Fuß die Stätten der Jugend,
Die verwitternden, sucht, und ich segne dich still,
   Daß du mit großer Erinnerung
Des Knaben klangfrohes Gemüth im Erwachen schon
   Genährt. Mit unverwelklichem Grün
   Schmücke die greisende Locke dir
   Der Freiheit Kranz, und es bleibe dir stets
   Vererbt ehrwürdiger Sitte Preis
   Und gastlicher Huld! Mir aber verleih,
Der wohl dem hellstimmigen Kranich zugesellt
Gen Mittag zog, doch seiner Geburt nie vergaß,
   Mir gieb, wenn flugmüde dereinst
   Mein Fittich sinkt, im heimischen Grund,
      Mutter, ein Grab,
Aber zuvor noch manchen Gesang im goldnen Licht!



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