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Vermischte Gedichte.
Erstes Buch.


Schön Ellen.

»Nun gnade dir Gott, du belagerte Schaar!
Was frommt noch, daß ich's verschweige?
Wir haben nicht länger Brod noch Wein;
Das Pulver geht auf die Neige.

Und kommt nicht Hülfe, und kommt sie nicht bald,
Den wimmelnden Feind zu bestehen,
So sehn wir die Sonne, die roth dort steigt,
Wohl nimmermehr untergehen.«

Lord Edward sprach's; trüb standen umher
Die tapferen Waffengenossen;
Schön Ellen lehnt' an des Feldstücks Rad,
Vom bunten Plaid umflossen.

Sie starrt' hinaus in die leere Luft,
Als ob ein Zauber sie bannte,
Und plötzlich fuhr sie empor, wie im Traum,
Ihr dunkles Auge brannte.

»Nun schaut, ihr Brüder, nun schaut vom Thurm!
Und habt ihr nichts vernommen?
Mir däucht, ich höre ganz fern den Marsch,
Den Marsch: die Campbells kommen.

Ich höre die große Trommel dumpf,
Ich höre des Pibrochs Weise,
Wie einst am Tweed ich gesungen das Lied,
So spielt in den Winden es leise.« –

»»Ach, Mädchen, was redest du Traum und Trug!
Vom Thurm ist nichts zu sehen,
Als blaue Luft und gelber Sand
Und fern des Rohrfelds Wehen.

Doch unter'm Wall, da wühlt der Feind,
Vieltausend Waffen schimmern;
Die Aexte blitzen, mit denen sie schon
Zum Sturm die Leitern zimmern.«« –

Und die Sonne stieg in die Mittagshöh,
Und die Sonne begann sich zu neigen;
Sie luden die Stücke zum letztenmal,
Sie drückten die Hand sich mit Schweigen.

Schön Ellen starrt' in die leere Luft,
Ihr bleiches Gesicht war erglommen:
»Ich hab's euch gesagt, und ich sag' es auf's neu,
Ich hör's: die Campbells kommen.

Ich höre den dumpfen Trommelschlag
Zum gellenden Pibrochstone,
Ich höre den schütternden Schritt auf dem Grund,
Den Schritt der Bataillone.« –

»»Ach, Mädchen, wir spähen und spähen umsonst;
Und schon bricht ein das Verderben;
Der Feind, schon legt er die Leitern an;
Nun gilt's mit Ehren zu sterben!

Fahrt wohl denn Weib und Kind daheim,
Und ihr Hochlands-Seen und Haiden! –
Und nun, Kameraden, gebt Feuer, mit Gott!
Und die Schwerter hervor aus den Scheiden!«« –

Und die Salve kracht', und der Sturm ward heiß,
Und Dampf lag über den Wällen,
Und als der Fähndrich zu Boden sank,
Da faßte die Fahne Schön Ellen.

»Nun steht, ihr Brüder, nun steht! Ganz nah,
Ganz nah jetzt hör' ich die Weise!«
Sie rief's und sieh, da zerbarst das Gewölk,
Und der Blick ward offen im Kreise.

Und da blitzt' es heran durch das weite Gefild,
Und da kam's in Geschwadern gezogen,
Mit gewürfeltem Plaid und mit Federn vom Aar,
Und Englands Banner flogen;

Und da brach's in den Feind, wie Hochlandssturm,
Und jetzt von allen vernommen,
Hoch über dem Rauch fortwogte der Marsch,
Der Marsch: die Campbells kommen.

Und der Feind zerstob und sie zogen in's Thor,
Und Ellen sang, wie sie bliesen:
»Nun sind sie gekommen, wie Feuer vom Herrn,
Der Name des Herrn sei gepriesen!«


Omar.

Inmitten seiner Turbankrieger,
Die Stirne voll Gewitterschein,
Zog Omar, der Chalif, als Sieger
In's Thor der Ptolemäer ein.
Umrauscht von Mekka's Halbmondbannern,
Ritt langsam er dahin im Zug,
Ihm folgte mit den Bogenspannern
Ein Negerschwarm, der Fackeln trug.

Sie zogen durch die öden Gassen,
Durch Siegesthor und Säulengang,
Drin klirrend nur der Schritt der Massen,
Der Hengste Stampfen wiederklang;
Schon lenkte zu den Porphyrstufen
Der alten Hofburg der Chalif,
Da warf vor seines Rosses Hufen
Ein Greis sich in den Staub und rief:

»O Herr, der Sieger warst du heute,
Und diese Stadt des Nils ist dein,
So nimm als reiche Schlachtenbeute
Ihr Gold und Erz und Elfenbein.
Die Thürme stürz' in Schutt zusammen,
Zerbrich den Bilderschmuck des Hains,
Die Tempel selber gieb den Flammen!
Nur eins verschone, Herr, nur eins!

Sieh hin! Wo dort die Sphinxe grollen
Am Thor, die Hüter unsres Ruhms,
Da schläft in hunderttausend Rollen
Der Geisterhort des Alterthums.
Was, seit der Erdkreis aufgerichtet,
In That und Wort sich offenbart,
Was je gedacht ward und gedichtet,
Dort liegt's der Nachwelt aufbewahrt.

O gieb den Schatz, aus allen Reichen
Der Welt gehäuft mit treuem Fleiß,
Gieb dieß Vermächtniß ohne Gleichen,
Der Menschheit Erbtheil gieb nicht Preis!
Nein, heilig sei auch dir die Stätte,
Die jede Muse fromm geweiht,
Streck' drüber deine Hand und rette
Der Zukunft die Vergangenheit!«

Doch Omar zieht die Stirn in Falten
Und spricht, indem sein Auge flammt:
»Ich bin genaht, Gericht zu halten,
Was drängst du, Thor, dich in mein Amt?
Hinweg, daß meines Zorns Geloder
Nicht dich sammt deinen Rollen trifft!
Die Schätze, die du rühmst, sind Moder
Und was du Weisheit nennst, ist Gift.

Schon allzulang am unfruchtbaren
Vielwissen siecht die Welt erschlafft:
Der Staub von mehr als tausend Jahren
Liegt wie ein Alp auf jeder Kraft.
Des Lebens Baum ließ ab zu lauben,
Seit dran der Wurm des Zweifels zehrt;
Wo ist ein Herz noch, frisch zum Glauben!
Wo ist ein Arm noch, stark zum Schwert!

Daß endlich diese Dumpfheit ende,
Bin ich gesandt, vom Herrn ein Blitz.
Auf! Schleudert denn die Feuerbrände
In der verjährten Krankheit Sitz!
Und wenn, umwogt vom Flammenmeere,
Der aufgethürmte Wust zergeht,
Ruft: Gott ist groß! Ihm sei die Ehre!
Und Mahomed ist sein Prophet!«


König Noman's Zins.

(Nach altbretonischen Heldenliedern.)

Um die Meeresbuchten zieht der Nebel,
Zieht in Wolken um des Schlosses Thürme,
Das vom Felsen auf den Strand herabsieht;
Horch, da klingt vom Thal herauf das Hifthorn;
König Noman kehrt zurück vom Waidwerk,
Mit den Jägern kehrt er, mit den Bracken.
Jeder trägt was er im Forst erbeutet,
Der den Auerhahn und der den Rehbock;
Doch der König selbst, der starke Waldherr,
Trägt den Preis der Jagd, den mächt'gen Eber.

Als der Zug die Brücke nun erreicht hat,
Steht am Gatterthor, des Königs harrend,
Von Arez der achtzigjähr'ge Häuptling.
Um ihn stehn im Halbkreis seine Söhne,
Schwarzgewaffnet all, in schwarzen Kleidern,
Zorn und Kummer auf der düstern Stirne.
Freundlich zu dem Alten tritt der König:
»Sei gegrüßt an unsern Pforten, Häuptling!
Sei gegrüßt und sprich, was dein Begehr ist,
Und warum du kommst im Trauerkleide?«
Ihm versetzt der Greis: »Wohl mag ich trauern;
Große Noth und Schmach ist mir geschehen,
Mir und dir und unserm ganzen Volke.
Denn als jüngst zur starken Burg von Rennes
Du den Zins gesandt an Frankreichs König,
König Karl, den sie den Kahlen heißen,
War's mein jüngster Sohn, der blonde Kado,
Der die Wagen führte mit den Schätzen.
Ungepanzert zog der Ahnungslose,
Galt es doch, ein friedlich Werk zu schlichten.
Aber da man nun im Schlosse droben
Wog die Säcke, war zu leicht der eine;
Denn es fehlten sieben Pfund an tausend.
Da ergrimmte der Wardein von Frankreich,
Tobt' und schrie: So sei's denn Blut für Silber!
Was der Fürst nicht zahlt, das zahlt der Bote!
Wutherfüllt den Lanzenknechten winkt' er,
Daß sie sich auf meinen Knaben stürzten.
Wie ein Wildpret stachen sie ihn nieder,
Und den Leichnam warfen sie vom Walle.« –
Also spricht der Greis. Die tiefe Stimme
Zittert ihm vor ungeweinten Thränen.
Doch der König steht verstummt, es fesseln
Schmerz und Ingrimm furchtbar ihm die Lippe;
Mit gewalt'ger Faust das Haupt des Ebers
Preßt er, daß das Blut in dicken Tropfen
Niedersprüht auf sein Gewand von Linnen;
Dann, gefaßt, versetzt er diese Worte:
»Sei getrost, o Greis! Du sollst erfahren,
Daß im Himmel droben noch ein Gott lebt,
Und ein König, der dich rächt, auf Erden.
Bei dem Haupte dieses Ebers schwör' ich's:
Nicht vom Saft der Rebe will ich trinken,
Noch dies Blut von meinem Kleide waschen,
Bis die Schmach, die uns geschehn, getilgt ward!«
Spricht's und schreitet in's Gewölb des Thores;
Schweigend folgen ihm die düstern Gäste.


Wie verwandelt stehn des Schlosses Hallen,
Seit der König geht im blut'gen Kleide.
Kein Gesang mehr schallt und kein Gelächter,
Staub bedeckt die festgewohnten Tafeln
Und die Spinnen weben am Credenztisch;
Nur der Waffenschmiede dumpfes Hämmern
Klingt empor vom Zwinger und die Brücke
Dröhnt vom Hufschlag rasch entsandter Boten.

Aber als zum andernmal im Jahre
Nun der Tag sich naht, den Zins zu zahlen,
An den Strand hinab mit seinen Dienern
Zieht der Fürst, ein seltsam Werk befehlend.
Kiesel heißt er sie am Ufer sammeln,
Flache Kiesel, wie das Meer sie auswirft;
Heißt sie die, als wären's Silbermünzen,
Häufen, wägen und in Säcke schnüren
Und die ganze Last auf Wagen schichten.
Schwertumgürtet steigt er dann zu Rosse,
Steigt zu Roß mit stattlichem Gefolge,
Und die Wagen führt er selbst nach Rennes.

Als der Zug nun anlangt vor der Beste,
Wohl verwundert's den Wardein von Frankreich,
Daß der König selbst den Zins geleitet;
Doch, sein Kleid von Scharlach umgeworfen,
Eilt er flugs hinab, das Thor zu öffnen.
Sei willkommen, spricht er, König Noman!
Steig' herab vom Roß und auf die Reise
Laß dir einen Becher Weins gefallen!
Auch ein silbern Waschgefäß voll Wassers
Soll man bringen; dein Gewand ist blutig.
Doch der König spricht mit finstrer Stirne:
Laß den Wein, Wardein, und laß das Wasser!
Trinken und das Blut von meinem Kleide
Will ich waschen, wenn der Zins bezahlt ist. –

Schweigend schreiten sie empor die Stufen
Nach dem Saal der Burg, die Knechte folgen
Keuchend unter dem Gewicht der Steine.
Dort, wie's Brauch ist, wägen sie die Säcke,
Wägen sie auf erzbeschlag'ner Wage,
Die herabhängt vom Gewölb der Halle.
Richtig wird der erste Sack befunden
Vom Wardein und richtig auch der zweite;
Doch beim dritten Sacke ruft der Franke:
Haltet ein! Nicht reicht was ihr gebracht habt!
Wieder fehlen sieben Pfund an tausend!
Ruft's und beugt sich grollend auf die Wage,
Mit der Faust den Sack hinabzustoßen.
Doch der König springt herzu, und sausend
Fährt sein Schwert dem Frechen in den Nacken,
Fährt durch Fleisch und Bein mit scharfem Hiebe,
Daß das Haupt, vom blut'gen Rumpfe springend,
In die Schale rollt mit dumpfem Klange.
»Wohl! Nun ist die Zahl der Pfunde richtig!
Bringt sie meinem Vetter Karl und sagt ihm:
Nur noch Kiesel zins't ihm der Bretagner!«

Starr noch vor Entsetzen stehn die Franken,
Als der König schon zu Rosse sitzet;
Lachend sprengt er aus dem Thor der Veste.
Aber draußen stößt er in sein Hifthorn,
Sieh, da blitzen Lanzen rings und Schwerter,
Schaar an Schaar mit flatternden Panieren
Nah'n die Männer jedes Gau's, es führt sie
Von Arez der achtzigjähr'ge Häuptling.
Bald im Sturm gewinnen sie die Veste
Und von Schlacht zu Schlacht, von Sieg zu Siege
Folgen sie dem königlichen Adler.

Also ward der letzte Zins an Frankreich
Blutig ausgezahlt durch König Noman.


Der Spielmann von Lys.

(Bretonisch.)

Im Forst von Lys am tiefen See
Erglüht die Mittagsstunde,
Die hundertjährigen Eichen stehn
Verschlafen in der Runde.

Kein Lüftchen geht, man hört von fern
Den Specht in Waldesmitten,
Da kommt der Spielmann durch den Busch,
Der braune Geselle geschritten.

Er trägt ein Wamms von Flicken bunt,
Trägt Farr'nkrautblüt' am Hute,
Sein schwarzes Auge lacht und blitzt,
Er singt mit lachendem Muthe:

»Ich bin des grünen Waldes Kind,
Die Thierlein kennen mich alle;
Woher ich komme, das weiß der Wind,
Der Wind, wohin ich walle.

Des Bauern lach' ich hinterm Pflug,
Des Grafen hoch im Saale;
Mein Truchseß ist der Brombeerstrauch,
Mein Schenk der Quell im Thale.

Im Winter schlaf' ich bei dem Fuchs,
Im Lenz auf sonnigem Rasen,
Und wird die Weile mir lang einmal,
So heb' ich an zu blasen.«

Er zieht hervor die Pfeif' aus Rohr,
Den Klang versucht er leise!
Fremdartig durch die stille Luft,
Verlockend schwillt die Weise.

Sie jauchzt wie wirbelnder Lerchenschlag,
Sie klagt wie Unkengestöhne,
Wie Kinderjubel und Todesqual
Lachen und weinen die Töne.

Und wie er sanft und sanfter bläst,
Da regt sich's in den Büschen,
Da kommt es geschlüpft durch's hohe Gras
Mit leisem Rieseln und Zischen;

Jetzt hebt sich vom Boden ein grünes Haupt
Auf grünem gleißenden Rücken,
Zwei Augen glühn wie Edelgestein
Und funkeln vor Entzücken.

Das ist die Schlangenkönigin,
Sie kommt bezaubert vom Schalle,
Und hinter der Alten, wie Heeresgefolg,
Die Schlangen des Waldes alle.

Sie schließen den Kreis gleich wie zum Reih'n,
Sie ringeln und züngeln vor Wonne,
Um ihre schillernden Leiber spielt
Durch's Laub der Stral der Sonne.

Und sieh, nun schlüpft um des Spielmanns Hals
Die Königin zärtlich und leise,
Er kennt das Liebkosen der Freundin schon
Und bläst die schmelzendste Weise.

Doch als des Schalls ihn dünkt genug,
Da setzt er vom Munde die Pfeife,
Die Schlange, wonnegesättigt, löst
Langsam die glänzenden Reife.

Sie gleitet hinweg durchs wogende Gras
Und sucht ihr Nest in den Tannen,
Die Schwestern schießen ihr rauschend nach;
Der Spielmann wandert von dannen.

Er singt: »Ich bin des Waldes Kind,
Die Thierlein kennen mich alle;
Woher ich komme, das weiß der Wind,
Der Wind, wohin ich walle!«


Die Nacht zu Belforest.

» Sagt's dem König, meinem Herrn,
Daß der einz'ge Sohn und Erbe
Seines weiland Seneschalls,
Sagt's ihm, daß er schuldlos sterbe!

Niemals hab' ich mit dem Feind
Ränkevoll Verkehr gepflogen;
Die's dem König hinterbracht,
Hier beschwör' ich's, daß sie logen.

Doch ich fürcht', er glaubt' es gern,
Denn nach unsern Leh'n und Landen,
Nach dem Schloß von Belforest
Hat ihm längst der Sinn gestanden.«

Also spricht Graf Aimery,
Als er niederkniet am Blocke;
Blitzend fährt herab das Beil,
Und es schallt die Todtenglocke.

Doch wer wagt's, des Grafen Wort
Vor des Königs Ohr zu tragen!
In den Forsten von Poitou
Schweift er schon, den Hirsch zu jagen.

Dort von edler Spur verlockt
Irrt er Nachts im Waldesgrunde;
Vor das Schloß von Belforest
Kommt er um die zwölfte Stunde.

Langsam, wie er stößt in's Horn,
Sinkt vor ihm die Brücke nieder,
Langsam in den Angeln dreht
Sich das Thor und schließt sich wieder.

Doch kein Diener läßt sich schau'n;
Nur des Monds gedämpfter Schimmer
Leuchtet ihm zum Ahnensaal
Durch die ausgestorbnen Zimmer.

Aber dort im Steinkamin
Sieht er roth ein Feuer blitzen,
Sieht den todten Seneschall
An der Glut im Lehnstuhl sitzen.

Der erhebt sich vor dem Gast,
Und mit halberloschnem Klange
Spricht er: »Kommt ihr endlich, Sire?
Euch erwartet hab' ich lange.«

Nur um eins Euch kund zu thun,
Stieg ich aus der Gruft der Väter,
Daß vom Stamm der Belforest
Nie gezeugt ward ein Verräther.« –

Als der König das vernahm,
Warf ihn tiefes Grausen nieder;
Sinnberaubt am Morgen fand
Sein Gefolg im Saal ihn wieder.

Sieches Leid beschlich seitdem,
Tiefer Trübsinn all sein Wesen;
Von der Nacht zu Belforest
Ist er nimmermehr genesen.


Bothwell.

Wie bebte Königin Marie,
Als durch's geheime Pförtlein spat
Mit ungebog'nem Haupt und Knie
In ihr Gemach Graf Bothwell trat!

Ihr schön Gesicht ward leichenweiß;
Sie zuckt' und sah ihn fragend an;
Er wischte von der Stirn den Schweiß
Und sagte dumpf: »Es ist gethan.

Es ist gethan, dein süßer Mund
War nicht für Buben solcher Art,
Heut Abend um die achte Stund'
Hielt Heinrich Darnley Himmelfahrt.« –

Sie schrie empor: »Verzeih dir Gott!
Nimm all mein Gold, nimm hin und flieh!«
Da lacht' er laut in grimmem Spott:
»Was soll mir Gold für Blut, Marie?

Ich liebe dich, und wenn ich mich
Der Höll' ergab zu dieser Frist:
So war's um dich, allein um dich,
Weil du der schönste Teufel bist.

Die Hand, die einen König schlug,
Greift auch nach einer Königin.«
Er rief's, und Grau'n in jedem Zug,
Starr wie ein Wachsbild sank sie hin.

Er hub sie auf: sie fühlt' es nicht,
Daß ihr in's Fleisch sein Stahlhemd schnitt;
Ihr lockig Haupthaar wallte dicht,
Um seine Schulter, wie er schritt.

Er stieß den Ring an ihre Hand,
Er schwang sie vor sich fest auf's Roß,
Und jagt' ins wetterschwüle Land
Hinaus mit ihr gen Dunbar-Schloß.

Schwarz war die Nacht, als wäre rings
Erloschen jeder Stern des Heils;
Nur manchmal in den Wolken ging's,
Gleichwie das Blitzen eines Beils.


Märchen.

Schön Manar trat aus dem wilden Wald,
Sie trat in den prächtigsten Garten;
Da blühten die Rosen roth und weiß
Und lustig sprangen die Wasser.

Und über den Rosen und Wassern stieg
Ein Schloß mit schimmernden Kuppeln,
Zwei Flügelpferde standen am Thor
Aus grünem Erz gegossen.

Schön Manar schritt in das Schloß hinein,
Empor die schweigenden Treppen;
Zwölf Harfen hingen im Pfeilergang,
Die Spinnen woben darüber.

Und als sie trat in den ersten Saal,
Da stand eine Tafel gerüstet
Und funkelnder Wein in lichtem Krystall,
Doch Niemand kam, sich zu letzen.

Und als sie trat in das zweite Gemach,
Da lag auf seidenen Kissen
Das schönste Weib in goldnem Gelock,
Doch schlief sie bleiernen Schlummer.

Und als sie trat in den dritten Saal,
Da saß bei verhangenen Fenstern
Im dämmernden Raum auf güldnem Stuhl
Ein schattenhafter König.

Sein Antlitz war nicht jung noch alt,
Sein Haar war unbeschoren;
Auf seinen blassen Zügen lag
Ein unergründliches Elend.

Schön Manar sprach voll Mitleid: »Herr,
O brüte nicht hier so düster!
Die Welt ist draußen voll Sonnenschein
Und voll von Rosen der Garten.

Was gehst du nicht, am funkelnden Wein
Dein trauriges Herz zu erquicken?
Was weckst du die schlafende Jungfrau nicht
Mit Küssen zu Lust und Liebe?«

Der König hub zu ihr empor
Die gramerloschenen Augen;
Er schüttelte trüb das Haupt, doch kam
Kein Wort von seinen Lippen.

Er schlug den Purpurmantel zurück
Von seiner linken Seite,
Da war sie nicht Fleisch, da war sie nicht Bein,
Da war sie schwarzer Marmor. – –


Rheinfahrt.

I.

Nun wird es licht, nun will der Frühling nahn,
Durch blaue Lüfte schifft der wilde Schwan,
Von Berg zu Bergen webt der Sonnenstral,
Es jauchzt der Bach und springt in's Blütenthal,
Die Wolke treibt im Wind, die Seglerin, –
Was wogst du, Herz! O sprich, wohin, wohin?

O Herz, du möchtest mit dem Schwane ziehn,
Du möchtest mit dem Bach zur Tiefe fliehn,
Du möchtest fahren in die Welt hinein
Mit Märzenwind und Frühlingsonnenschein –
Wohin? Wohin? – O still! Was fragst du viel?
Du weißt die Richtung und du kennst das Ziel.

In hohen Wassern braust der grüne Rhein,
Die Berge schau'n, die Burgen still hinein;
Durch Felsgeklüft und Reblaub geht die Bahn;
Dort haust die Fey, die dir es angethan.
Spann' aus die Flügel denn! Was zögerst du?
Zu ihr! Zu ihr! Denn dort nur hast du Ruh!


II.

Nun geht's auf dampfbeschwingtem Schiffe
Zuthal vom Fels der Loreley;
Besonnte Weiler, schwarze Risse,
Zerfall'ne Warten fliehn vorbei.

Es grüßen Kirchen, grüßen Schlösser,
Bezaubernd wechseln Berg und Thal,
Des Stromes dunkelgrün Gewässer
Wird flutend Gold im Abendstral.

Aus allen Gärten Blütendüfte,
Von allen Thürmen Glockenspiel,
In Rosenglut getaucht die Lüfte –
O schöne Fahrt zum schönsten Ziel!

Am Bord die Musikantenbande
Hebt an ein Lied von Rhein und Wein,
Das Echo ruft vom Klippenstrande
Und Schaum und Räder brausen drein.

O Klang und Sang aus heller Kehle,
O Frühling, wie berauscht ihr mich!
Ein Jauchzen geht durch meine Seele:
Du schönes Weib, ich grüße dich!


Liebesleben.

Märchen dämmern herauf,
Reizende Märchen.

Kennst du die Sage?
Durch's Blau der Mondnacht
Wolkenvorüber
Rauscht der Greif.
Schwebend trägt er
Die Sultanskinder,
Trägt sie gebettet
Unter den mächtigen Schwingen
Ueber das Meer,
Ferne, ferne hinaus
Zu seligen Inseln.

Neide, Geliebte,
Neide sie nicht,
Die Sultanskinder!
Trägt nicht uns beide
Auf Greifenflügeln
Hoch hinauf
Der Geist der Dichtung?
Unten versinken
In silberner Dämm'rung
Land und Meer,
Schwinden im Nebel
Schranken und Sorgen.
Wir aber ruhen
Unter dem weichgefiederten Fittich
Sicher gebettet,
Aug' in Auge,
Arm in Arm,
Einsam selig.

Märchen leben wir,
Reizende Märchen.


Theodor Körner.

Als wider Frankreichs räuberischen Geier
Das Waidwerk anhub durch die deutschen Lande,
Da schoß, die Seelen zu geweihtem Brande
Entzündend, Blitz auf Blitz aus deiner Leier.

Zum Schwerte stürmtest du in zorn'ger Feier
Dein Volk empor aus thatenloser Schande,
Und selbst voran im schwarzen Jagdgewande
Die Eisenbraut erkorst du dir als Freier.

So sangst und rangst du, unsre Noth zu sühnen,
Und wardst in beidem gleich getreu erfunden,
Dein Lied besiegelnd durch den Tod der Kühnen.

Drum, wenn manch edler Kranz im Flug der Stunden
Dahinwelkt, wird noch frisch der deine grünen,
Bethaut mit Opferblut aus heil'gen Wunden.


Am Schillertage.

Wenn fromm den Kranz aus hundertjähr'gen Zweigen
Ein ganzes Volk für seinen Liebling flicht,
Wer nennt' ein ebenbürtig Wort sein eigen
Zu künden, was aus allen Herzen bricht!
Drum nur mit Zaudern in des Festes Reigen
Voll scheuer Ehrfurcht wagt sich das Gedicht,
Daß es den Pfad des hohen Meisters heute,
Die Sterne, die ihn führten, nenn' und deute.

Ein armes Dach nur war's im Gau der Schwaben,
Zu dem der Genius segnend eingekehrt,
Der Sorge Wohnsitz, die den blonden Knaben
Früh lehrte, wie man duldet, kämpft, entbehrt.
Ach, vor der Zeit in starren Zwang begraben
Und vom verhohlnen Feuer angezehrt,
Mußt' er die Laufbahn nach des Ruhmes Zinnen
Ein flüchtig Wild, auf steilstem Pfad beginnen.

Doch hielt die Mus' ihn aufrecht, wie er klimmend
Aus Jugendbrunst und Noth zum Licht sich rang,
Und kühn des Denkens lautern Strom durchschwimmend
Hinwegwusch, was ihn noch zum Staube zwang,
Bis sich, voll Wohllaut ineinander stimmend,
Gedank' und Leben, Sinn und Form durchdrang,
Und siegreich überm niedern Horizonte
Sein Geist im Aetherreich der Kunst sich sonnte.

Und nun aus Kampf und Flammen neu geboren
Entfaltet' er die Schwingen hoch und rein;
Doch bleibt, wie klar der Most sich ausgegohren,
Des Rebstocks Art erkennbar stets im Wein;
So ging auch ihm das Eine nie verloren:
Er war ein Sohn des Volks, und wollt' es sein,
Und wo er dichtend Welt und Zeit gemessen,
Der Freiheit hat er nimmermehr vergessen.

Wie liebt' er sie! Doch nicht die trunkne Dirne,
Die zu Paris sich wälzt' in Blut und Koth;
Nein, jene keusche, die mit klarer Stirne
Dem Inquisitor Trutz und Kampf entbot,
Die segnend von krystallner Gletscherfirne
Aufs Werk des Rütli schaut' im Morgenroth,
Sie, die allein mit unlösbarem Bande
Dem Ganzen uns verknüpft, dem Vaterlande.

Und wie er so in läuterndem Gedichte
Die Sehnsucht ausgoß seiner ganzen Zeit,
Ward ein lebendig Buch ihm die Geschichte,
Und Zukunft lehrt' ihn die Vergangenheit;
Er sah des Gottes wandelnde Gerichte
Im Kampf der Völker, in der Geister Streit,
Und, aus der Leidenschaften Schuld und Sühne
Das Schicksal deutend, meistert' er die Bühne.

Hier war sein Reich. Genährt vom Wein der Alten
Wie strebt' er kühn mit Adlersflug hinaus!
Doch gnügt' ihm nicht der strenge Wurf der Falten,
Die scharfumriß'ne Form des Gliederbau's;
Selbst ewig lodernd, füllt' er die Gestalten
Mit seiner Brust erhabnem Pulsschlag aus;
Des eignen Denkens Tiefsinn lieh er ihnen,
Daß sie uns nah, und doch wie hoch erschienen!

Und weil des deutschen Lebens tiefster Bronnen
Geheimnißreich ihm in der Seele floß,
Und weil in jedes Werk, das er begonnen,
Er diese Seele voll und flutend goß,
So war ihm bald des Volkes Herz gewonnen,
Das stolz in ihm sein bestes Selbst genoß,
Und, ob es andre fromm bewundern mochte,
Für keinen, wie für ihn, in Liebe pochte.

Er aber schritt, den Blick gewandt nach oben,
Den Pfad des Ruhms mit nur beschwingter'm Gang;
In Bildern, reich und reicher stets verwoben,
Enthüllt er uns der Weltgeschicke Drang,
Und wie von Schwanenfittichen gehoben
Zur Leier schwebte rauschend sein Gesang;
Rastlos geschürt, ach nur zu rastlos, glühte
Ihm der Begeist'rung Feuer im Gemüthe.

Ach, wie ein Baum, den Blüthen stets umkleiden,
Am eignen Reichthum hinstirbt vor der Zeit,
Zu früh erlag er dem verborgnen Leiden,
Ein Opfer, das sich achtlos selbst geweiht;
Doch sein erlöschend Auge sah im Scheiden
Den Sonnenaufgang der Unsterblichkeit;
Er ging nur hin, um aus des Todes Wehen
In Millionen Herzen zu erstehen.

Er ist erstanden! Seine Worte schweben
Wie reine Flammen fort von Mund zu Mund,
Begeistert lehrt sein Lied den Jüngling streben
Und thut dem Greis erhabne Weisheit kund,
Und wo sich deutsche Männer kühn erheben
Zu hoher That, da segnet Er den Bund.
So lebt er glorreich, ewig unvergessen.
Heil ihm! Heil unserm Volk, das ihn besessen!


Ludwig Uhland.

Es ist ein hoher Baum gefallen,
Ein Baum im deutschen Dichterwald;
Ein Sänger schied, getreu vor allen,
Von denen deutsches Lied erschallt.
Wie stand mit seinem keuschen Psalter
Im jüngern Schwarm er stolz und schlicht!
Ein Meister und ein Held, wie Walter,
Und rein sein Schild, wie sein Gedicht.

Wohl Größre preist man unser eigen,
Um deren Stirnen ewig grün
Im Kranz gewebt aus Eichenzweigen
Die Lorbeern der Hellenen blühn;
Doch keiner sang in unsrer Mitte,
Der, so wie Er, unwandelbar
Ein Spiegel vaterländ'scher Sitte,
Ein Herold deutscher Ehren war.

Drum, wenn wir seinen Weisen lauschen,
Umweht es uns wie Heimatluft,
Wir hören deutsches Waldesrauschen,
Wir athmen deutschen Maienduft.
Die Herrlichkeit verschollner Tage
Steigt mondbeglänzt vor uns herauf,
Uns geht beim Waldhornruf der Sage
Das Herz in süßem Schauder auf.

Und wenn mit männlich ernstem Fodern
Sein Lied nach Freiheit ruft und Recht,
Auch das ist deutschen Geistes Lodern,
Beharrlich', prunklos, stark und ächt.
Es lehrt uns – was das Schicksal sende –
Dem Weltlauf fest in's Auge schaun;
Es lehrt uns treu sein bis an's Ende
Und auf der Zukunft Sterne traun.

Und forschen wir, wie vom Beginne
Der Sprache zweigend Erz gediehn,
Und was der Väter gläub'gem Sinne
Als uralt heilig Bild erschien:
Er hat den rechten Schacht gefunden,
Er trägt auf vielgewundner Bahn
Durch's Labyrinth der Götterkunden
Die Fackel deutend uns voran.

So wob er schon in unsre Jugend
Des Liedes Schmuck, der Sage Lust,
So reift' er zu entschloß'ner Tugend
Den Freiheitsdrang in unsrer Brust.
So stand er deutschen Reichthums Wächter
In sinnverwelschter Zeiten Lauf,
Und huld'gend schauten drei Geschlechter
Zu seiner stillen Hoheit auf.

Er schied; es bleibt der Mund geschlossen,
So karg im Wort, im Lied so klar,
Der Mund, draus nie ein Spruch geflossen,
Der seines Volks nicht würdig war.
Doch segnend waltet sein Gedächtniß,
Unsterblich fruchtend um uns her;
Das ist an uns sein groß Vermächtniß,
So treu und deutsch zu sein, wie Er.


Vorüber!

Das Dampfroß schnaubt entlang der Halde,
Da, plötzlich, öffnet sich das Thal,
Und ferne dämmert überm Walde
Ein Schloß empor im Abendstral.
Mit Thurm und Erkern seh' ich's ragen,
Es naht, es grüßt, es flieht vorbei; –
Mir aber träumt von alten Tagen,
Von einem schönen Monat Mai.

Wie flog zu jenen grünen Schatten
Beim Frühroth einst mein leichter Schritt!
In Blumen standen Forst und Matten
Und meine Seele blühte mit.
Des Liedes tiefen Drang im Busen,
Verschwärmt' ich jung und sorgenfrei
Den goldnen Tag dort mit den Musen –
Es war im schönen Monat Mai.

Doch wenn der Mond um Busch und Gipfel
Sein traumhaft Silberlicht ergoß,
Berauschend durch die Nacht der Wipfel
Der Nachtigallen Stimme floß,
Dann harrt' ich, daß sie mir erschiene,
Sie, meines Waldes schlanke Fey,
Die lockendunkle Melusine –
Es war im schönen Monat Mai.

Und jetzt, entgegen meinem Gruße,
Als ging der Mond noch einmal auf,
Unhörbar, mit beschwingtem Fuße
Den Baumgang schwebte sie herauf.
Mir schoß das Blut in Stirn und Wangen,
Der Lipp' entfuhr ein Freudenschrei;
Mit Armen durft' ich sie umfangen –
Es war im schönen Monat Mai.

Ihr Sterne, die mit klarem Funkeln
Ihr in dieß Thal herniederscheint,
Ihr wißt allein, wie wir im Dunkeln
Geküßt, gejubelt und geweint!
Ihr wißt's, wie wir so selig waren,
So selig und so rein dabei,
Rein, wie man's ist mit achtzehn Jahren –
Es war im schönen Monat Mai.

O, denk' ich dran, so fliegt ein Schauer
Noch heut mir durch die müde Brust;
Erquickend fließt in meine Trauer
Ein Sonnenblick vergeßner Lust.
Mag nimmermehr dieß Herz genesen,
Sind Glanz und Frühling längst vorbei;
Glückselig bin auch ich gewesen;
Es war im schönen Monat Mai.


Gisella.

Du bist nicht schön, noch rein von Fehle;
Doch ob die Welt auch hart gesinnt
Dich unter die Verlornen zähle:
Du rührst das Herz mir, armes Kind.

Denn mitten unter Schein und Lüge,
Verdeckt von leichter Schlacke nur
Erkenn' ich noch an dir die Züge
Der gottbegnadeten Natur.

Schien je ein hold Gefäß erkoren
Zum Dienst der Kunst, die du erwählt,
So warest du's, der angeboren,
Was hundert Vielbekränzten fehlt:

Der stumme Zauber der Geberde,
Die Stimme, welche Thränen spricht,
Für alles Glück und Weh der Erde
Der Schrei, der aus dem Herzen bricht.

Doch weit ist's von der Kraft zum Siege,
Wenn ihr das Glück die Hand nicht bot;
Wohl stand die Mus' an deiner Wiege,
Doch bei der Muse stand die Noth.

Und was als lichtes Angebinde
Die Eine dir bescheert der Fey'n,
Die andre hüllt' es, ach, dem Kinde
In Dust und Spinnweb trostlos ein.

Kein Sternbild sahst du leitend funkeln,
Kein Führer ging dir treu voran;
Du tastetest allein im Dunkeln
Dich fort auf ungewisser Bahn.

Jung, rathlos, ohne Schutz und Pflege,
Vom eignen heißen Blut verwirrt –
Wer hebt den Stein auf, wenn vom Wege
Sich ahnungslos dein Fuß verirrt!

Emporgeblüht auf sonn'gen Matten
Wärst du vielleicht der Stolz der Flur,
Nun brachtest du's, verblaßt im Schatten,
Zu einer kargen Blüte nur.

Die Perle, die, vom Staub gereinigt,
Für keine Krone zu gering,
Verloren unter Sand und Steinicht
Zertrat sie wer vorüberging.

Und doch, um die zersprungnen Stücke
Spielt noch ein Glanz so ächter Art,
Daß ich die Thräne nicht zerdrücke
Um das, was hier verloren ward.

Ach, fast bedünkt's mich jetzt ein Segen,
Daß du dahingehst leichtgeherzt,
Kaum ahnend, was in dir gelegen
Und welche Zukunft du verscherzt.


Tempora mutantur.

Die Stätten meiner Jugend sah ich wieder,
Doch zeigen sie mir fast ein fremd Gesicht;
Rings wuchsen Giebel, sanken Wipfel nieder
Und selbst das Flußbett ist das alte nicht;
Ja, Freund, den Hauch, der unter'm Schlag der Glocken
Die Welt durchschauert, spür' ich doppelt hier;
Er blies nicht bloß das Braun aus unsern Locken,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Wie lag im goldnen Märchenduft die Ferne,
Da uns noch eng der Heimath Bann umgab!
Vom ersten Berg schon sah'n wir andre Sterne
Und Zaubergerte schien der Wanderstab.
Sehnsüchtig wuchs das Herz, wenn seine Weisen
Das Posthorn sang im nächt'gen Waldrevier –
Jetzt pfeift der Dampf und läßt im Sturm uns reisen;
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Von Ort zu Ort die traute Liebeskunde,
Die Grüße, die der Freund dem Freunde rief,
Wie bang erharrten wir sie Stund' um Stunde,
Und zum Ereigniß ward der späte Brief.
Verhallend selbst, als Echo nur, empfingen
Der Weltgeschichte Donnerbotschaft wir –
Jetzt trägt der Blitz das Wort auf Feuerschwingen,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Vom Zauberduft der blauen Blume trunken
Des Herzens Räthseln sann der Dichter nach;
Er klagt' um Sonnen, die hinabgesunken,
Und rief der Vorwelt mächt'ge Schatten wach.
Der Freiheit Muse schlich nur auf den Zehen
Bei Nacht zu ihm, als wär's Verbrechen schier –
Heut läßt sie auf dem Markt ihr Banner wehen,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Gruß euch, ihr Münster mit den hohen Schiffen,
Gebraus und Orgel, dunkles Chorgestühl,
Wo ein Geheimniß, ewig unbegriffen,
Uns Wahrheit ward durch unser wahr Gefühl!
Auf seinen Flügeln jedes Zweifels Schranke
Hoch überfliegend, kampflos glaubten wir –
Jetzt heischt sein Recht am Glauben der Gedanke;
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Wohl trugen wir das Vaterland im Herzen,
Doch liebten wir wie Knaben stumm und zart;
Zum Freund nur sprach der Freund von seinen Schmerzen
Und von dem Kaiser mit dem Flammenbart.
Das Wort vom Reich, ob niemals ganz verklungen,
Doch scheu nur ward's geflüstert dort und hier –
Heut rauscht es fort im Volk von tausend Zungen,
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.

Ja, vorwärts geht's; des Webstuhls Spulen sausen;
Die Welt ward weiter, freier Blick und Sinn:
Doch wie des Lebens Ströme schwellend brausen,
Wuchs nach Genuß die Gier und nach Gewinn.
Da singt bei Nacht wohl, eh' die Sterne schwinden,
Vom engen Jugendglück die Sehnsucht mir –
Doch komm nur Tag! Du sollst mich wacker finden!
   Verwandelt ward die Zeit und wir mit ihr.


Deutsch und Fremd.

Wenn Wald und Haide junges Grün gewinnen,
Das Veilchen schüchtern aus dem Grase sieht,
Die Wolken segeln und die Bäche rinnen,
Und rudernd hoch im Blau der Kranich zieht:
Da wacht dem Deutschen in Gemüth und Sinnen
Alljährlich auf der alten Sehnsucht Lied;
Ein leis' Erinnern fühlt er in ihm wogen,
Daß einst sein Stamm von fern in's Land gezogen.

Und wieder möcht' er wandern, schweifen wieder
Nach traumverheiß'nem Glück auf fernen Au'n,
Bald nordwärts, wo umschwirrt vom Seegefieder
Auf's Meer basalt'ne Pfeilergrotten schaun,
Gen Mittag nun, wo sanft in's Thal hernieder
Um Lorbeerwipfel sonn'ge Lüfte blaun,
Und übers Grab versunk'ner Heldenzeiten
Den blühenden Teppich Ros' und Rebe breiten.

Das zog den Angelsachsen übers Meer,
Das ließ, ob blutig auch um solch Gelüsten
In welsche Grüfte sank manch deutsches Heer,
Stets neuen Römerzug die Kaiser rüsten;
Das trieb mit blanker Waar' und blank'rer Wehr
Der Hansa segelnd Volk zu Lieflands Küsten,
Das läßt noch heut, wo dumpf die Stämme fallen,
Im Urwaldsrauschen deutschen Gruß erschallen.

Die Fremde lockt uns all. Und wem an's Haus
Der Fuß gebannt, der schickt auf luft'ger Schwinge
Den Wolkenpilger, den Gedanken, aus,
Daß forschend er, was draußen liegt, bezwinge.
So zieht noch heut erobernd fern hinaus
Der deutsche Geist, und schweift in weitem Ringe
Von Ort zu Ort, sich an den Wundergaben
Des Auslands allempfänglich zu erlaben.

Zu Theil ward uns die echoreiche Brust
Vor allen Völkern. Hell, wohin wir schritten,
Klang's in uns nach. Des Griechen Schönheitslust,
Des Römers Hochsinn, den Humor des Britten,
Die Weisheit, die dem Morgenland bewußt,
Des Spaniers Ernst, des Franzmanns heitre Sitten,
Was Nord und Süd in hundertfält'gen Zungen
Dem Lied vertraut, wer hat's wie wir durchdrungen?

Das Leben aller Weltgeschlechter schlossen
In unsres wir; wir haben kühngemuth
Den fremden Geist in deutsch Gefäß ergossen,
Die fremde Form durchströmt mit deutschem Blut.
Da ward, im Ringen tiefer nur genossen,
Zum Eigenthum uns das entlehnte Gut,
Und keine Blume, die mit frohem Glanze
Der Menschheit ausging, fehlt in unsrem Kranze. –


Kleinigkeiten.

1.

Einig im Künstler erscheint die Begabung beider Geschlechter:
    Männlich zeugender Geist, weiblich empfangend Gemüth.


2.

Was ich vom Kunstwerk will? Daß es schön und sich selber genug sei.
    In dem Einen Gesetz wohnen die übrigen all.


3.

Freude macht uns Unsterblichen gleich. Das Siegel der Menschheit
    Drückt uns der Schmerz auf die Stirn, wenn er uns beugt und erhebt.


4.

Ueber das irdische Leid, wenn die Sonne der göttlichen Freiheit
    Durchbricht, spannt der Humor farbig als Bogen sich aus.


5.

Seltsam giebt es die Muse den Dichtern. Rosige Jugend
    Singt schwermüthig vom Tod, aber von Rosen der Greis.


6.

Polyhymnia wandelt verhüllt, doch unter dem Schleier
    Glaubt jedweder den Reiz seiner Geliebten zu sehn.


7.

Nimmer läßt sich in's Wort das geweihte Mysterium fassen,
    Sprache der Religion bist du und bleibst du, Musik.


8.

Nicht zu gleichem Beruf tritt jedes Geschlecht in die Welt ein;
    Aber unsterblich bleibt's, wenn es dem seinen genügt.


9.

Wie fruchtbringend in uns der hellenische Genius fortlebt,
    Wird einst über dem Meer deutscher Gedanke bestehn.


10.

Wär' es das Trefflichste gleich, kalt läßt uns, was du gelernt hast,
    Gieb dich selber, Poet, und du bezwingst uns das Herz.


11.

Eh' du ein neues Gesetz aussinnst, durchgründe die alten,
    Uebe sie nur, und du siehst bald, sie genügen auch dir.


12.

Sprich als Dramatiker gut, doch wirf dein Stück in die Flammen,
    Wenn man den Ausdruck nicht über der Handlung vergißt.


13.

Nicht das Bild, das die Seele dir füllt, schon macht dich zum Dichter,
    Sondern die Gabe des Worts, die es in Andern erweckt.


14.

War es Lessing bewußt, als er Nathan uns malte, den Juden,
    Daß er ihn nur aus dem Schatz christlicher Bildung erschuf?


15.

Wo der politische Strom sich ergießt in den Strom der Geschichte,
    Dort erst, tieferen Betts, trägt er das Schiff des Gesangs.


16.

Vor der realen Kritik steht Hoheit lächelnd die Muse,
    Wie einst vor des Convents Schranke die Königin stand.


17.

Bruder, sprachen die Gänse zum Schwan, wir lassen dich gelten,
    Aber bemüh' dich nun auch, daß du das Schnattern erlernst.


18.

Wann der Verfall anhebt? Wenn die Zeit die geschwollene Phrase
    Von des empfundenen Worts Fülle zu scheiden verlernt.


19.

Wenn die Rosen verblüht und die Lilien, öffnet die stolze
    Georgine den Kelch, aber sie duftet nicht mehr.


20.

Zwischen Blumen im Wald hinrieselt ein Brunnen, das Volkslied;
    Dort in's verjüngende Bad taucht sich die Muse bei Nacht.


Gesang der Prätorianer

(Geschrieben 1859.)

Heil dem Gewalt'gen, Heil dem Kaiser,
Dem Herrn im blut'gen Kriegsgezelt!
Er giebt uns Gold und Lorbeerreiser,
Wir geben ihm dafür die Welt.
Denn scheu vor unsrer Adler Blitzen
Zu Boden fliegt der Völker Blick;
Wir tragen auf den Lanzenspitzen
Das Heil des Reichs, der Welt Geschick.

Als Herrscher ziehn wir durch die Lande,
Er hat den Willen, wir die Macht;
Hohnlachend jedem Widerstande
Läßt er uns los im Feld der Schlacht.
Ob tausend über tausend sinken,
Was kümmert's ihn? Er zwingt das Glück;
Wir bringen ihm beim Schall der Zinken
Aus jedem Sturm den Sieg zurück.

Dann lobt und kos't er seine Meute
Und was uns zufiel, theilt er ein;
Für ihn der Ruhm, für uns die Beute,
Für uns die Weiber und der Wein!
Da bricht die Lust aus allen Zügeln,
Da flammt die Feuersbrunst in's Thal;
Auf Städteschutt und Leichenhügeln
Beginnen wir das Bachanal.

So wälzt er uns wie Lavafluten
Von Siegesfeld zu Siegesfeld,
Und schreibt von Nacht zu Nacht mit Gluten
Sein Machtgebot an's Himmelszelt.
Er spricht, wer wagt zu widersprechen!
Wer fragt noch, was beschworen sei!
Er will, und die Verträge brechen,
Die moos'gen Tafeln, morsch entzwei.

Mag knirschend ihn der Bürger hassen:
Er bangt und schweigt, das ist genug;
Der Pöbel jubelt auf den Gassen
Stets dem, der ihn in Ketten schlug.
Was ist das Recht? Ein Schreck der Zahmen,
Was ist die Freiheit? Wahn und Spott,
Was sind die Götter? Hohle Namen,
Der Kaiser ist auf Erden Gott.

Triumph! Triumph! Und wenn hienieden
Kein Wort mehr schallt, als seines nur,
Dann ist das Kaiserthum der Frieden,
Dann ist erfüllt sein hoher Schwur.
Drum Heil dem Starken, Heil dem Kaiser,
Dem Herrn im blut'gen Kriegsgezelt!
Er giebt uns Gold und Lorbeerreiser,
Wir geben ihm dafür die Welt.


Seid eins!

Wie lang noch eifersücht'gen Muthes
Verzehrt ihr euch in Streit und Neid?
Ihr Volksgeschlechter deutschen Blutes,
Besinnt euch endlich, wer ihr seid!

Schon donnert's überm Eidergrunde,
Schon wölkt sich's am Gestad des Rheins;
Es rinnt der Sand der elften Stunde,
Und jedes Sandkorn mahnt: seid eins!

Seid eins! Von Gau zu Gau verkündigt
Ein Fest der Sühnung insgemein!
Wo all in gleicher Schuld gesündigt,
Ist's da so schwer denn, zu verzeihn?

Seid eins! Vom Schmäh'n und vom Verklagen,
Vom Hadern laßt, wer Führer sei;
Der Kühnste soll das Banner tragen,
Und der am treusten deutsch und frei.

Seid eins! Kein Griff nach fremder Krone!
Der Eichbaum wipfle vielverzweigt,
Doch Heil dem König auf dem Throne,
Der vor des Reichs Panier sich neigt!

Seid eins, und laßt euch nicht zerspalten
Durch Priesterzorn und Läugnerspott!
Mag jeder seiner Kirche walten,
Wir glauben all an Einen Gott.

Seid eins im Glück, seid eins im Leiden,
In Wort und That, in Spruch und Schlag,
Was auch der Erbfeind, euch zu scheiden,
Verheißen oder dräuen mag!

Seid eins, so donnert seinen Segen
Der Herr der Herrn vom Himmel drein,
Und sprechen mögt ihr allerwegen:
»Hie deutsches Schwert! So soll es sein!«


Beim Ausbruche des Krieges.

(Februar 1864.)

Wir waren also lang im Traum gelegen,
Daß uns der Kraft Gedächtniß schier entschwunden,
Ein schwüler Zauber hielt den Sinn gebunden,
Da blitzt es auf – o jeder Blitz ein Segen!

Ich grüße dich du heil'ger Feuerregen,
Du Sturm des Zorns nach so viel bangen Stunden!
In deinen Flammen werden wir gesunden,
Und jauchzend schlägt dir diese Brust entgegen.

Vorbei ist's endlich mit dem Dräu'n und Rügen,
Es spricht die That, wo Worte nichts verfingen;
Das Schwert durchhaut das Schmachgeweb der Lügen.

Vorwärts ihr Adler mit den starken Schwingen!
Schon athmet Deutschland auf bei euren Flügen,
Und stimmt die Harfen, euren Sieg zu singen.


Das Lied von Düppel.

    Was klingt aus den Städten wie helles Festgeläut?
Die Pauken und Drommeten was jubeln sie heut?
Was brausen und jagen die Wasser der Schlei?
Der Feind ist geschlagen und Schleswig ist frei.

   Bei Düppel dort am Meere, vor Alsen am Sund
Da rangen die Heere auf blutgetränktem Grund;
Da galt's auf die Schanzen im Siegessturmgewog
Den Adler zu pflanzen anstatt des Danebrog.

   Von Kugeln umsungen, vom heißen Tod umkracht,
Die märkischen Jungen, wie stritten sie mit Macht!
Wie lernten sie das Steigen auf schlüpfriger Bahn!
Es ging wie im Reigen; der Beeren war voran.

   Wohl mancher der Braven sank mit ihm in den Sand;
Du fielst, o tapfrer Raven, das Schwert in der Hand,
Und du am Pulverfasse, getreuer Winkelried!
Der Klinke'schen Gasse gedenkt noch manch ein Lied.

   Doch als auf den Wällen nun flog das Siegspanier,
Da bliesen die Gesellen: Herr Gott dich loben wir!
Das hat sich erschwungen wie Abels Opferbrand,
Das ist hinausgeklungen bis tief in's deutsche Land.

   Im sonnigen Meere nun spiegelt sich auf's neu
Die preußische Ehre, die alte deutsche Treu;
Und war sie geschändet, wie stralt sie doppelt rein!
Und habt ihr sie verpfändet, ihr löstet sie ein.

   Ihr Meister der Staaten und geht ihr nun und tagt,
So woll' euch Gott berathen, auf daß ihr nicht zagt!
Sprecht: Nichts von Vertragen! Nun bleibt es dabei,
Der Feind ist geschlagen und Schleswig ist frei.



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