Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Muttergottesbild am Buchenast

Auf der morgenseitigen Berglehne, wo der junge, üppige Fichtenwald und die magere Hutweide zusammenrainen, steht eine große, breitastige Steinbuche. Die Holzhauer hatten den alten Baum als den einzigen seines Bruderbestandes belassen, weil er von einer seltsam widerschneidigen Beschaffenheit war. Seine unteren Stammknorpeln waren verschiedentlich um weißen und blauen Bodenkies gewachsen. Wo ihm auch untenherum die Säge angesetzt worden war, hatte er sie mit einem förmlichen Pfiffe zahnluckig gemacht. »So leb, bis es dich verdrießt!« hatten sie zu ihm gesagt. Sie waren jetzt weiche Asche, die so zu ihm geredet hatten. Und durch seine glasharten Stammknorpeln stiegen auch im Frühling neue Lebenssäfte in seine ältesten und jüngsten Zweige.

Einen etwa armdicken, kerngesunden Ast hatte er aber doch verloren in diesem Lenze. Es war dies freilich auch sein absonderlichster Ast gewesen. In Manneshöhe war er dem Stamm entwachsen und hatte sich dann anstatt der Höhe der Tiefe zugewendet. Dabei war er über den steilen, steinigen Pfad gewachsen, der von hier aus in den Wald hinauf und in das Tal hinabführt. Erwachsene Menschen hatten unter dem Aste nur gebückt des Weges gehen können. Aber heuer zur Auerhahnbalzzeit war einer gekommen, der sich außerordentlich ungern bückte: der reiche, stolze Gutsherr, dem der Wald gehörte. Er hatte sich zwar auch vor dem Aste gebeugt, aber dann hatte er dem Förster, der mit ihm ging, kurz befohlen: »Wegschneiden!« Tags darauf war ein starker Holzknecht mit Leiter und Handsäge hier gewesen. Der hatte den Ast dicht am Stamme abgeschnitten. Die runde Schnittfläche war drei Tage lang tellerblank gewesen.

Dann war der Lüstl Kobi des Weges gekommen. Das war ein Mensch, an dem man sich auf den ersten Blick wirklich gar zu arg irren konnte. Er sah in Gestalt und Mienen wie ein richtiger Schwerblütler aus. Wer ihn aber näher kannte, der glaubte kaum ein leichtblütigeres Geschöpf zu kennen als eben ihn.

Er war ein Zimmermaler. Oder, besser gesagt, er hätte ein Zimmermaler sein sollen. Jenseits des Berges hätte er lm Laufe des Frühlings eine Villa neu ausmalen sollen. Nun waren im Tale die Frühlingsblüten eben verweht, aber auf den Wänden der Villa prangten erst spottwenige der vielen Blumen, die vertragsgemäß schon hinschabloniert hätten sein sollen.

Er ging wohl allmorgendlich über den Wald zu seinem Arbeitsplatz, aber zu der Arbeit selbst gelangte er selten. Für ihn waren zu viele kurzweilige Menschen und zu herrliche Wirtshäuser in der Nähe der Villa. Und wenn ihn dort sonst keiner in ein Wirtshaus zog, so tat es sein Arbeitgeber und Freund, der Villenbesitzer, den fast allzeit Durst und Langeweile plagten, seit er sich beginnender Arterienverkalkung wegen von seinem mit allzuvielem Geselligkeitszwange verbundenem Selchergeschäft zurückgezogen hatte.

Heute war Kobi auch schon etliche Stunden in der Nähe seines Arbeitsplatzes bei guten Freunden gewesen. Hernach hatte er im Walde ein nicht allzu kurzes Mittagsschläfchen gehalten. Und jetzt an dem schönen Spätnachmittag ging er hübsch gemächlich durch die grüne Pracht heimzu.

Da fiel ihm an der alten Steinbuche die runde, weiße Schnittfläche auf. »Ich hätt' den Ast nicht abschneiden mögen«, dachte er. Dabei fühlte er wahrhaftig schon allein über diesen Gedanken einen müden Schmerz in den Armen. Dann fand er es sehr malerisch, wie sich die lichte, glatte Scheibe von den grauen, rauhen Baumfladern abhob. »Aber noch schöner als das Weiß könnt' sich eine passende Malerei auf dem Anschnitt ausnehmen«, dachte er dann. Er spürte plötzlich die Lust, die Schnittfläche zu bemalen.

Sein altes Malkästchen trug er just wie bei allen jenen Vergnügungsgängen, die er lieber für Berufsgänge ansehen ließ, bei sich. Gewöhnlich trug er das Kästchen auch deshalb, damit er mehr für einen Kunstmaler als für einen anderen angesehen werde. Manchmal hatte er sich auch schon als Kunstmaler versucht. Das war freilich immer mit mehr Lieb' und Mut als Geschick geschehen.

Zu dem Bemalen der Aststelle fühlte er nun einen ganz besonderen Anreiz. »Ich hab' halt heut' eben noch gar nichts gearbeit't«, entschuldigte er seine Schaffensfreude bei sich selbst. Dann faßte er den schönen Vorsatz: »Jetzt mach' ich aber was ganz Fein's!« Und er beratschlagte mit sich selber. »Aber was? Vielleicht was G'spaßig's, wo die Leut' d'rüber lachen müßten, die da vorübergehn?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein!« dachte er. »Etwas mehr Fein's als G'spaßig's mach' ich.« Er befand sich jetzt in einer eigenen Weihestimmung. »Es wird etwas, wo die Leut' dabei was Ernst's und Fromm's denken müssen«, sagte er sich. »Etwas Heilig's!«

Es war plötzlich die seltene Sehnsucht in ihm, seine heutige Tagdieberei mit einer schönen, frommen Tat zu sühnen.

»Ein Muttergottesbild mal' ich«, entschied er sich. »Wenn nachher davor von den Leuten gebetet wird, so kommt dabei meiner Seel' gewiß auch was zum Guten. Vonnöten hätt' ich das wohl, denn ein hautschlechter Lump bin ich ja.«

Damit er beim Malen nicht auf den Zehenspitzen stehen mußte, sah er sich nach irgendeinem Dinge um, das ihm als Fußstaffel dienen könnte. Er fand eine passende Steinplatte. Die legte er vor den Buchenstamm. Dann machte er sich an das Kunstwerk. Kaum ein Stündchen lang malte er. Dann war ein Muttergottesbild fertig, das sich, vom Wege aus besehen, nicht wie ein Stümperwerk ausnahm. Er hatte auch mit soviel Eifer und Sorgfalt gearbeitet wie schon lange nicht. Einen Regenschutz gab er dem Bilde auch. Im Malkasten hatte er eine runde, volle Schokoladenschachtel. Von einem wandernden Zuckerlmann hatte er im Wirtshaus das Naschwerk gekauft, um der Gattin daheim den Mund versüßen zu können, der ihr zu leicht von Bitterkeit überquoll. Über den Schokoladenstückchen lag ein wasserhelles Glimmerglas. Mittelst etlicher Reißnägel heftete Kobi eine Scheibe des schwachen Glasersatzes über dem Bilde fest. Dann betrachtete er vom Wege aus sein Werk. Er war wirklich noch von gar keiner seiner Leistungen so fein und innig befriedigt gewesen wie von dieser. Und er wunderte sich wie kaum jemals über sein Können und Empfinden.

Von roten Abendwolken, die er durch das dichte Gezweige nicht sehen konnte, fiel irgendwo ein zarter Schein auf das Bild. Da wurden die rosigen Gesichter der Jungfrau und des Jesukindleins hell wie sonst nichts in der Runde. Einem jungen Singvogel, der auf dem alten Baum zu Hause war, fiel das neue, leuchtende Farbengetön auf. Vor dem Bilde setzte er sich auf einen Zweig. Eine Weile betrachtete er mit seitlich geneigtem Köpfchen das Bild. Dann begann er es jubelnd anzusingen.

Dieses Vogellied und das Leuchten des Bildes wirkten auf Kobi als sinnvolle Wunder. »Das sind ja förmliche Himmelszeichen dafür, daß ich da wirklich was Schön's und Recht's gemacht hab'«, sagte er sich.

Mit Gefühlen der Genugtuung und Andacht, die ihm bisher nicht bekannt gewesen waren, schritt er heimzu. Sonst ging er auf dem Heimwege fast an keinem Wirtshause vorbei. Jetzt aber war ihm sein seltenes Empfinden zu wert, als daß er damit in ein Wirtshaus treten wollte. Aus einem Weinschank rief ihn jemand an: »Ist dir vielleicht nicht gut, weil du nicht einmal auf einen G'spritzten hergehst?« .– »Nein!« rief er zurück. »G'rad', weil mir so gut ist, kauf' ich mir heut' keinen mehr!«

Daheim sah es ihm seine Frau gleich freudig staunend an, daß er in einer vornehmer gehobenen Stimmung kam als sonst. Als er ihr seine Umwandlung erzählte, gab sie derselben alle gebührende Ehre. Sie verlebten dann einen selten glücklichen Abend miteinander. Im Verlauf dieses Abends machten sie einen schönen Plan. Sie wollten morgen miteinander in den Wald zu dem Bilde gehen. Es sollte das einmal ein schöner, erbaulicher Sonntag werden und zugleich ihre erste gemeinsame Wallfahrt. Sie freuten sich beide rein und ehrlich darauf.

*

Zeitlich morgens an jenem Sonntag kam der Knüller Ferdl zu der Buche. Er trug seine Maurerpinselstange geschultert. Hinten hatte er ihr seine kleine lärchene Farbelbutte angefügt. Die Pinsel waren in der Butte.

Ferdl wollte drüben im Tal ein Häuschen anfärbeln. Er kam, obwohl er ein fleißiger und gutbezahlter Maurer war, mit seinem Werktagsverdienst nicht aus. Deshalb arbeitete er auch an Sonntagen. Sein richtiges Auskommen fand er aber trotz der Feiertagsarbeit auch noch nicht. Sein Weib und seine schöne Tochter brauchten ja viel. Und sie vermieden fast alles, was sie zu der Entlastung des alternden, ausgemergelten Maurers hätten tun sollen, und ließen ihn wirklich gar zu sehr ihren Ernährer sein. Er liebte die beiden gar zu zärtlich und plagte sich lieber viel, als daß er sie auch nur ein wenig eines Fehlers zieh. Die Hauptschuld an seiner schlechten wirtschaftlichen Lage gab er der allgemeinen Weltordnung. Über alles in der Welt sagte er eher tausend ungerechte Worte, als daß er sich gegen seine beiden Lieben zu einem gerechten Worte entschloß.

Heute war er auch wieder stark mit Unrecht verbittert. Es ärgerte ihn fast alles an seinem Wege. Deshalb ärgerte ihn auch das neue Werk des Lüstl Kobi. »Jetzt haben's da auch schon so was Heilig's herg'klett«, brummte er. »Als ob alle, die da vorübergehen, dran glauben täten, daß so was hilft. Na, ich glaub' nicht dran!«

Dann überkam ihn eine grimmige, boshafte Zerstörungslust. Er band den Pinsel an die Stange. Neben der Buche war eine kleine Wasserlache. Dort tunkte Ferdl den Pinsel ein. Mit etlichen Strichen meinte er das Bild verwischen zu können. Das Glimmerglas schützte die Malerei ein Weilchen. Dann fiel es freilich zu Boden und der Morgenwind trug das Blättchen bis zu einer niederen Staude. Dort blieb es hängen.

Ferdl vertilgte nun die Spuren des Bildes vollständig. Die Schnittfläche des Astes war dann wieder so weiß wie zuvor. Ferdl ging grimmig mit einem Hohnlächeln auf den Lippen weiter.

*

Nachmittags machte der Lüstl Kobi und sein Weib ihre Wallfahrt. Sie kamen wirklich in einer glücklichen, andachtsvollen Eintracht, die ihnen neu war und ihnen beinahe als das Köstlichste ihrer bisherigen Ehe erschien. Dann sah Kobi schon von weitem den abgescheuerten Aststrunk. Er fühlte einen Schrecken und ein Weh, deren er sich früher in seinem alten Leichtsinne gar nicht fähig gehalten hätte. Es war ihm, als ob man ihm gar nichts Lieberes, Heiligeres hätte nehmen können als dieses Bild. Mit großen Sätzen war er seiner Frau vorangestürmt, als er die lichte Stelle bemerkte. Sie hielt zuerst ein freudiges Ungestüm für die Ursache seines Voranrennens. Ehe sie vollends zu ihm an die Buche kam, merkte sie es freilich, daß ihm viel geschehen war.

Er sah mit schmerzverzerrtem Gesichte zu dem Aststrunk empor. »Weg g'rieben hat's einer!« rief er. »So ein niederträchtiger Frevel! So ein Schuft! Weinen könnt' ich! Und zerreißen könnt' ich den Kerl, der das getan hat!«

Die Frau fühlte teilweise mit ihm. Dabei stieg ein eigener leiser Zweifel in ihr auf. In ihren Blick kam etwas Forschendes. »Du wirst es doch hergemalt haben?« fragte sie.

Er fühlte sich von dem Blick und der Frage tief verletzt. »Was glaubst denn?« rief er. »Daß ich dich für ein'n Narrn g'halten hätt'? Oder glaubst, ich war gestern nachmittag noch betrunken und hab' dir im Bierdusel was vorphantasiert? Oder – –?«

»Nein, nein!« beruhigte sie ihn und bereute dabei schon wirklich ihre Zweifel. »Sei mir nicht bös'! Ein Verbrechen bringt ein'n halt so leicht auf alle möglichen Verdächt'.«

Dann tat sie plötzlich einen kleinen Schrei. Mit einer Hand packte sie den Arm ihres Mannes, mit der anderen zeigte sie nach dem Staudengewirre, das hinter der Buche anhob. »Dorthin schau!« rief sie. »Ist's nicht dort, das Bild?«

Nun schrie er ebenfalls auf und stürzte zu den Stauden. Das Glammerglastäfelchen, welches der Knüller Ferdl mit dem Pinsel von dem Bilde fortgeschoben hatte, hing fest zwischen den Gipfelzweigen eines kleinen Erlenbusches. Der Wind hatte es zwischen ein Rund der tiefgrünen, klebrigen Erlenblätter wie in einen Rahmen gestellt. Wider sein Wissen und Wollen hatte der grimmige Knüller Ferdl mit den groben Pinselwischern von den Farben und Formen des Marienbildes einen wesentlichen Teil auf das Glimmerglas abgedruckt. Von der Stelle, auf welcher jetzt die Frau des Lüstl Kobi stand, sah das Blättchen wahrhaftig wie ein ganzes Bild aus. Die lichtbraunen Augen der Lüstl'schen Madonna waren besonders vollständig auf das Glimmerglas übertragen. Das Glänzen des Blättchens machte ihren Ausdruck lebendiger, als er es vordem auf der Astfläche gewesen war.

»Da ist ein Wunder geschehen!« rief der Lüstl Kobi. »So wahr ich leb', ein Wunder! Das hat einer in der Eil' wegg'wischt und wegg'worfen, und es ist ihm nicht g'lungen. Wie sie jetzt nur schaut! Ganz anders, viel bedeutungsvoller als früher! Betracht's nur genau, wie sie schaut!«

Ohne daß er das Bild noch berührt hätte, trat er wieder an die Seite seiner Frau zurück. »Freilich betracht ich's«, sagte sie. Und es war ihr dabei fast wie ihrem Manne in Andachtsschauern heiß und kalt. »Man kennt's, daß du's gemacht hast«, setzte sie hinzu. »Und man kennt's, daß durch ein Wunder mehr daraus geworden ist als du machen hätt'st können.«

»Ja«, sprach der Lüstl Kobi. »So wirksam wie durch diese Zeichen ist mir niemals zuvor was gesagt worden. Und ich will mir auch nichts so wie dieses ins Herz g'schrieben sein lassen.«

Sie trugen das Glimmerglas behutsam nach Hause. Mit seiner liebevollsten Mühe und Sorgfalt gestaltete der Kobi daheim die Reste seines Werkes zu einem neuen Bilde aus. Die Arbeit gelang ihm ganz nach seinem Sinne. Von seiner alten Muttergottes blieb alles auf das beste erhalten. Es schien ihm, daß sich der Wunderglanz ihrer Augen noch vermehrte, als sie hinter Glas und Rahmen gebracht war. Der Rahmen war kunstvoll geschmückt und schwer vergoldet. Kobi hatte noch niemals für etwas soviel Geld ausgegeben als für diesen Rahmen. Er mußte dieses Rahmens wegen lange arbeiten und sparen.

Sein Muttergottesbild lehrte ihn wirklich auf manchen überflüssigen Trunk verzichten. Ihm war dieses Verzichten von Anfang an lieb und leicht – und dann war es gar keines mehr für ihn; er hielt es bald für so etwas Selbstverständliches wie früher das Lumpen. Er wurde ein arbeitsamer, wirtschaftlicher, frommer Mensch durch sein Bild.

Einmal kam der reiche Großgrundherr, dem der Wald und die alte Buche gehörten, zu dem armen Zimmermaler. Der unverhoffte Besuch führte sich mit Worten ein, die dem Kobi zunächst nicht recht verständlich waren. Denn er sagte: »Sie haben hier ein Bild, zu dessen Entstehung eigentlich ich die Grundursache gab.« Erklärend fügte er hinzu: »Sie konnten eigentlich das Bild nur aus dem Grunde malen, weil ich es einmal einem Aste nachtrug, daß ich mich vor ihm bücken mußte. Ich bin's, der sozusagen hoffärtigerweis' den Ast wegschneiden ließ. Vor Ihrem Bilde verbeug' ich mich in Demut. Und ich möcht', daß sich auch andere davor verbeugen. Die ganze Buche möcht' ich umschneiden lassen und auf dem etwa mannshohen Strunke Ihr Muttergottesbild aufstellen. Über diesem Altare ließ' ich eine kleine Kapelle bauen, eine mit einer festen Gittertür, durch welche der Wegfahrende das Bild sehen könnte. Wär' Ihnen das recht?«

Dem Lüstl Kobi war es recht. Die Buche fiel. Ihr Riesenstrunk gab einen Altarsockel, der mindestens so dauerhaft erschien als die Kapelle, welche ihn dann überwölbte. Dann kam Kobis Muttergottesbild auf den Buchenstrunk.

Manchem, der durch die Gittertür auf das Bild sah, schienen dessen Augen zu leuchten wie nur damals dem Kobi.

Einmal kam auch der Knüller Ferdl zufällig zu der Kapelle. Bisher hatte er von ihrem Bestande gar nichts gewußt. Zunächst war er bei ihrem Anblicke nur ganz gering betroffen. »Da ist ja einmal eine Buche g'standen«, dachte er. »Und auf einer Aststell' war einmal ein Heiligenbild ang'klext. Und das hab' ich wegg'wischt.« Er dachte mit spottwenig Reue an jene Tat. Und er war auch kaum neugierig auf das Ganze, was sich in der Kapelle befand. Schier unwillkürlich warf er doch einen Blick zwischen die Gitterstäbe hinein.

Da leuchteten ihn ein paar Augen an, die er plötzlich sehr genau kannte. Wie zwei Blitze schlug das Leuchten dieser Augen in ihn. Eine Weile war er dem Hinfallen nahe. Er hatte noch keinen solchen entsetzensvollen Schrecken gefühlt wie diesen. Wie einer, der sich aus einem furchtbaren Traume reißen will, tat er ein Weilchen. Dann aber sah er doch klar, daß er nicht träumte.

»Ich hab' dich doch vertilgt! Deine letzte Spur vertilgt!« rief er durch das Gitter hinein. »Und jetzt bist du da?!«

Ein Weilchen hernach kniete er vor der Kapelle. Er betete. Später, als er es ganz genau wußte, wie die Kapelle entstanden war, betete er wieder hier und die Augen des Bildes brachten ihn mählich in einen seligen Bann. In späteren Zeiten kam er sogar mit seiner liederlichen Frau und seiner welttollen Tochter zu der Kapelle.

Die Menschen wurden hier gläubiger und glücklicher.


 << zurück weiter >>