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III. Der älteste Untergrund von München.

Aus den großen Gesetzen der Erdentwicklung ist es nun nicht mehr schwer, sich ein Bild von der Geschichte eines bestimmten engeren Gebietes zu machen, selbst wenn dessen Boden, wie es gerade bei München der Fall ist, bis zur Unkenntlichkeit verschüttet und versunken erscheint. Die reizvolle Aufgabe aber wird zur Pflicht, wenn im Zwange unseres leitenden Gedankens bei dieser Arbeit auch die Fäden aufgespürt werden, an denen die Vorwelt in manchem selbst noch die Gegenwart lenkt.

Diesem Zweck widmet sich der vorliegende Abschnitt, der es versucht, aus dem Gesamtgebiet der geologischen, paläontologischen und klimatologischen Forschung den Untergrund Münchens bis zu der Zone zu rekonstruieren, in der die Besonderheiten erdgeschichtlicher Sonderschicksale zusammenfließen im gemeinsamen Werden des Erdballs.

Unmittelbar erforschbar ist hiervon nur die in Aufschlüssen, seien es die Uferränder der Isar oder Kiesgruben oder in Bohrungen zutage tretende Bodenschicht. Und diese ist gerade in München überraschend dünn. Auch die tiefsten Bohrungen (ein Brunnen in der Sedlmayrschen Brauerei erreicht 87,6 Meter, der im Leistbräu in der Sendlingerstraße nur 74,28 Meter) dringen kaum 100 Meter in die Erdrinde ein und durchstoßen nur die oberste Schicht der eiszeitlichen Schotter vollständig, die nächstfolgenden Sande der geologischen Neuzeit dagegen nur unvollkommen. Andere Aufschlüsse über das Tiefenmaterial sind durch den Augenschein nicht zu erlangen; wohl aber kann durch Schlüsse mit mehr oder weniger Bestimmtheit hierüber etwas ausgesagt werden. Auf diese Schlüsse und ihre Folgerungen beschränkt sich das vorliegende Kapitel.

Über die tiefsten Zonen der Erdrinde, unmittelbar nach Bildung der Erdkruste, gibt es fast nirgends Aufschlüsse. Geschichtliches über bestimmte geographische Regionen der Erdoberfläche läßt sich überhaupt nicht aussagen, und wenngleich es durchaus unbewiesen, ja mit guten Gründen sogar anfechtbar ist, so wird doch allgemein angenommen, daß sich bei der Erstarrung der Erdrinde an nicht erschließbarer Stelle Schlacken festsetzten, aus denen sich allmählich sowohl die kristallinischen Massengesteine, wie die zur Hydrosphäre sich verdichtenden Wasserdämpfe, ebenso die Gase der Atmosphäre absonderten.

Man muß vorschreiten bis zum Archaikum, bevor sich für unser Wissen vertrauenswürdige Anhaltspunkte zur Feststellung von Festland und Wasser, Gebirge und Ebene, sowie klimatischer Aussagen ergeben. Zweifelsohne ist dies nur eine wissenschaftliche Konvention, die sich ändern wird und muß. Sie zu durchbrechen, liegt aber zu sehr außer dem Aufgabenkreis des Werkes; die Wahrscheinlichkeit, aus jenen Stadien noch merkbar nachwirkende Einflüsse auf die Gegenwart zu finden, ist so gering, daß sie füglich vernachlässigt werden kann.

siehe Bildunterschrift

Abb. 9. Schematischer Versuch eines Profils durch den Untergrund der bayerischen Hochebene vom Gebirge bis Dachau. Das gesamte Gebiet ist eine Senkungsmulde, in der sich wie in einer Wanne auf den alpinen Urgneiskern die Sedimente und Schollenfaltungen aller Erdzeitalter seit der Urzeit der Erde (Archaikum) lagerten. Die Wirkungen der großen Bruchspalte sind, um das Bild übersichtlicher zu gestalten, nur angedeutet. (Original des Verfassers.)

Beginnen wir mit dem Archaikum, aus dem doch an sich schon keine Lebensreste bekannt sind, so zeigt sich da die hypothetisch angenommene Urgneisrinde durch Ozeane schon in mehrere Kontinente zerlegt. Ganz nahe zu Bayern ist in der sogenannten » böhmischen Masse« ein derartiges azoisches Massiv aus Gneis und kristallinischen Schiefern bekannt, desgleichen eine Art alpiner Kern (vgl. Abbildung), und wenn auch an diesem Punkte nichts mit Sicherheit auszusagen ist, so deuten doch andere Vorkommen sowohl auf archaische Gebirge wie mächtige Erosionsvorgänge (Labrador!), woraus zugleich ein gewisser Schluß auf das damalige Klima gezogen werden kann. Im besonderen gilt namentlich der Montblanc als ein Block (vgl. Abb. 26), der der paläozischen Faltung bereits im Wege stand. Ob von ihm sich Festland zu dem Vogesenkern erstreckte, ob die azoischen Schiefer am Brenner in Tirol zu dem mit Sicherheit erkannten Fennoskandischen Kontinent (die alte skandinavisch-russische Platte) in Beziehungen stand, läßt sich ebensogut behaupten wie leugnen. Wenn damals an Münchens Stelle Festland war, dann gehörte es zu einem Inselarchipel in einem unermeßlichen Weltmeer, das in einem Zuge in der Breite von fast ganz Europa um die ganze Erde ging und im merkwürdigen Südkontinent, dem Gondwanaland, eigentlich nur einen einzigen Erdteil von Bedeutung aufwies. Wie lang das alles bestand? Wir haben einen Anhaltspunkt dafür in dem überaus dicken Stoß azoischer Gesteine, der den aller jüngeren Erdperioden um ein Bedeutendes überragt. Da nicht der geringste Anhaltspunkt dafür besteht, daß die erdbildenden Kräfte jemals schneller oder langsamer tätig sind, als heute, muß demnach der Zeitfaktor sehr erheblich in Rechnung gestellt werden.

Zu unseren Füßen liegt also in einer Tiefe, die auch eine vorsichtige Schätzung nicht unter 7000 Meter, eine ausschweifende nicht über 14 000 Meter schätzen kann, der abgetragene Rumpf eines archaischen, aus Gneis und Glimmerschiefer bestehenden Gebirgsausläufers, der Rest der allerersten Uralpen, sicherlich überschüttet mit einem Schild von Abtragungskonglomeraten, die das Ruinenfeld eines Gebirges zudecken, in dessen erschrecklicher Wüstenöde niemals freundliches Grün angesiedelt war, dessen Totenstille niemals von dem Schrei eines Tieres unterbrochen wurde. Die Szenerie hatte sicher mit nichts so sehr Ähnlichkeit, wie mit dem starren Bilde, das eines der Kettengebirge des Mondes uns weist.

Auf diesen Urgneisen müssen Gesteine des Kambriums und des Silurs lagern. Das Weltbild zeigt gegen die tierlose Zeit große Veränderungen. Die fennoskandische Scholle zerbrach in Brüche, die heute noch wahrnehmbar sind. Transgressionen und Rückzüge des Meeres wechseln in bunter Folge, und immer ist es die Landschaft zwischen dem böhmischen Massiv und Südfrankreich, um welche die Elemente kämpfen. Eine Flachsee lagert über England Sedimente ab, die 4000 Meter mächtig sind, im Oberkambrium bildet sich nach und nach zwischen dem Donaurand und dem Mittelländischen Meer, in gleicher Breite sich bis China erstreckend, jenes vorzeitliche Mittelmeer aus, das von nun an mit wechselnden Schicksalen durch viele Erdzeitalter hindurch bestehen bleibt, so wie der Pazifik, der in gewissen Teilen seit dem Archaikum bis heute das Geheimnis seines Grundes noch niemals dem Sonnenlicht preisgegeben hat. Die » Thetys« ist es, die im Kambrium Länder verschlingt und, vom Oberkambrium ab, wagrechte Schichten von Tonschiefern auch in München niederschlug. Im Oberkambrium erfolgte doch zum erstenmal eine jener ganz großen Meereswanderungen, der halbe Kontinente zum Opfer fielen. Die Uralpen waren wohl schon abgetragen und wieder vom Meer verschlungen.

Die Thetys blieb auch im Silur erhalten, und durch Äonen hindurch besteht von nun an die ganze erdgeschichtliche Frage für Münchens Gegend nur noch mehr in der Feststellung der Küstenlinien. Alpine und apenninische Inseln mag sie damals getragen haben, sonst steht aber in Bayern nach wie vor das blaue, einsame Weltmeer der Trilobiten und Panzerfische. Dieses Silurmeer beherbergt in der Gegend von Nowaja Semlja prachtvolle Riffkorallen und legt dadurch damit nahe, sich der Pendulationstheorie anzuschließen. Denn wenn für irgendwelche Organismen, so gilt das Wärmegesetz des Lebens gerade für die riffbildenden Korallenarten, denen es heute eine peinlich genaue Verbreitung im Weltmeer vorschreibt. Nirgends können Korallen ihre Bauten errichten, wo nicht die Wassertemperatur im Jahresdurchschnitt 20 Grad Celsius beträgt. Daher sind alle Korallenriffe auf die Tropenmeere beschränkt. Allerdings nicht auch jedes Kalkvorkommen. Denn wie uns die Untersuchungen von Voltz und neuerdings von Salomon W. Salomon, Das Adamello-Gebiet. 4°. 1909. überzeugt haben, sind die Korallen nicht die wichtigsten, sondern nur die auffälligsten aller Kalkbildner. Sie teilen sich in der Arbeit vielmehr vorzugsweise mit noch einfacheren Tieren und mit Kalkalgen (Diploporen), welche, im Plankton der Hochsee in unermeßlichen Mengen vorkommend, ständig als feiner Kalkkörnchenregen nach vollendetem Leben zu Boden rieseln. Lohmann hat unwiderlegliche Beweise für die außergewöhnliche Bedeutung der rezenten Kokkolithoporen beigebracht; ich habe das, was Salomon für die Riffkalke des Tiroler Adamellogebietes sagt, bei eigenen, darauf gerichteten Studien, ebenso an Riffen des arabischen Korallenmeeres, wie an dem Plankton des Indischen Ozeans bestätigt gefunden. Um so unbegreiflicher erscheint es daher gerade mir, wie wenig Gebrauch die Geologie von dem nicht mehr bezweifelbaren Kalkgesetz der Erde macht, trotzdem es ihr geläufig ist, daß einer Verbreitung von nur 10 Millionen km², auf denen sich heute im Weltmeer Korallenschlick findet, das ungeheure Territorium von 105,6 Millionen km² gegenübersteht, auf denen sich Kalk aus Kleinlebewesen des Meeres ( Globigerinenschlamm) ablagert. Ob aller roter Tiefseeton (der auf weiteren 130,3 Millionen km² lagert), nur durch die Auflösung dieses Kalkes durch die in der Tiefsee sich absetzende Kohlensäure entstanden ist, erscheint nur deshalb fraglich, weil man bemerkt hat, daß er auch vulkanischen Ursprungs ist.

Es spiegelt sich also das Kalkproblem heute in unserem Tatsachenwissen in ganz neuer und überraschender Weise. Da die Pteropodenkalke mit 1,4 Millionen km² Verbreitungsgebiet daneben völlig zurücktreten und auch die anorganische Kalkbildung (Niederschläge von CaSO 4) nur geringfügig sind, läßt sich sagen, daß etwa 11 Millionen km² Korallen das zehnfache Territorium Kalk aus mikroskopischen Lebewesen gegenübersteht.

siehe Bildunterschrift

Abb. 10. Eine Korallenalge ( Lithothamnion), wie sie in außerordentlicher Ausdehnung die Koralleninseln des nördlichen Roten Meeres zwischen Suês und El Tôr zusammensetzen. Aus solchen Korallenalgen besteht auch ein erheblicher Teil des Wettersteinkalkes (in der Diploporen-Ausprägung), aus dem sich der Schotteruntergrund von München aufbaut. (Original des Verfassers.)

Man darf also mit gleichem Recht sagen: der Kalk entsteht durch die Tätigkeit von Kleinlebewesen, wie man den Mai als warmen Frühlingsmonat ansprechen darf, trotzdem er etwa zehn Prozent kalte Tage (Eismänner) in sich schließt.

So erklärt sich jene allgemeine, auch in den gemäßigten (da Kalkalgen sogar in kalten Meeren vorkommen) Klimaten vorhandene Entkalkung des Meerwassers, das durch zahllose Flüsse ständig mit dem im Wasser gelösten Erosionskalk der Gebirge gespeist wird. Aller Kalk wird in ihm vom Leben aufgenommen, in organische Form geprägt und erst dadurch zum Baumaterial neuer Faltungen geeignet gemacht, als das der Kalk nach jeder Transgression seine traditionelle Rolle spielte. Gerade München, das hervorragend eine auf Kalkgeröllen mit Kalksteinen erbaute, mit Kalkwasser getränkte, in Kalkstaub gehüllte Stadt ist, hat besonderes Interesse daran, sich dieses Kalkgesetz einzuprägen, das in vielen Beziehungen die Folgerungen der Geologie ändern wird.

So ist es denn auch wohl nicht zweifelhaft, daß im Silur- und noch im Devonmeer an Stelle Münchens mehr oder minder gewaltige Kalkniederschläge gebildet wurden, wenn auch wohl nicht so riesige wie im Rheinland, wo die Devonkalke an 5000 m mächtig sind. Eine Tiefsee bildet nicht so umfangreiche Sedimente; wir haben in der Erdgeschichte Beispiele, wo die Meeresablagerungen gleichlanger Zeiten fast um das zehnfache variieren. Und daß in Oberbayern wenigstens im Silur eine Tiefsee rauschte, Offenbar ein Ausläufer des Meeres, dem die hercynische Facies des Devons entstammt, die Barrande in Böhmen so klassisch studiert hat. dafür gibt es einen indirekten Beweis dadurch, daß gerade damals an seinen Nordgrenzen ein ungeheures, zwei Drittel der Erde umspannendes Kettengebirge seine ersten Falten aufwarf, was fast immer nach dem Gleichgewichtsgesetz der Schollen nur in sedimentgefüllten Tiefseebecken zu geschehen pflegt.

Im unteren Devon sind uns Teile des bayrischen Waldes als Inseln bekannt, und wohl vermag man sich auszumalen, daß sie aus Sandsteinbänken, vielleicht auch aus rotem Sandstein ( Old red) bestanden und jene ärmliche Vegetation von schilfähnlichen Gewächsen, Farnen und ersten Nadelbäumen trugen, die den Anfang des Devons kennzeichnet. Dann aber kam die große Transgression des oberen Devon, welche dem Wasser auf Erden überhaupt die Vorherrschaft verlieh und zum Karbon überleitet.

Durchaus neue Züge treten damit in unser heimatliches Landschaftsbild, das zum Übergang zweier Charakterlandschaften des erdgeschichtlichen Altertums wird.

Das eine hängt mit der Entstehung eines der größten Gebirge zusammen (wenigstens der Ausdehnung nach), welches die Erde je getragen und das tief in die Gestaltung des Münchner Untergrundes eingegriffen hat. Man hat es herkömmlicherweise als armorikanisch-variskisches Gebirge bezeichnet oder als die Alpen der Steinkohlenzeit, was wenigstens insofern gerechtfertigt sein mag, als diese Bergketten aller Vermutung nach die Alpen noch überragten.

Noch heute beeinflussen die Rümpfe und Stümpfe der Variskischen Alpen stark das Bild und die Lebensverhältnisse der Erde. Nur unter der Münchner Hochebene sind sie – wenn man Zahlen nennen darf, vielleicht gut an 4000 Meter – verschüttet unter ungemessenen Kalk- und Sandsteinlagen. Merkbar treten sie erst im Frankenland und Thüringerwald zutage, der ein Rumpfgebirge der Steinkohlenzeit ist. An der Bahnlinie München–Berlin führt jeder Tag tausend Reisende an dem klassischen Aufschluß der Steinkohlenalpen vorbei, nämlich an der Bohlenwand von Saalfeld, wo die Saale am Bergrand eines der lehrreichsten aller Profile aufgedeckt hat. Man sieht dort die krausen, zerknitterten und steil aufgerichteten Schichten des karbonen Schiefers, oben gerade abgeschnitten und überdeckt von wagrechten Schichten des Zechsteins, kann also wie von einem Bilderbogen der Natur ablesen, daß dort ein Gebirge stand, dessen Luftsättel in ihrer Ergänzung auf mehrere tausend Meter Meereshöhe deuten, das aber, aus weichen Schiefern bestehend, ungemein rasch erodiert wurde, so daß schon im Perm, also am geologischen »nächsten Tag«, das Zechsteinmeer über seinen eingeebneten Stumpf hinwegrauschte und nun Sediment um Sediment darauf niederschlug.

Dieses nach den Urbewohnern des Vogtlandes benannte Gebirge faltete sich durch Äonen auf; schon im Silur sind seine Anfänge nachweisbar und gegen Ende des Karbons erreicht es seine Höhepunkte. Vom südlichen Frankreich, ja in fächerförmigen Ausstrahlungen an den marokkanischen Küsten, in der Bretagne, in England, Irland und Flandern hob es die Schiefer seit dem Kambrium zum Licht. Sein kristalliner Kern zog über die Vogesen, den Schwarzwald, das Fichtelgebirge, Erzgebirge in großer Breite. Noch der Harz, das rheinische Tafelland sind seine Stümpfe und im Süden gehörten Berge dazu, die heute in die Karnischen Alpen eingepreßt sind. Dieser Abschnitt gibt das Recht, von einem zweiten Gebirge unter unseren Füßen zu reden, dessen Mumie über den ersten Uralpen in einer höheren Etage begraben liegt.

Von diesen Kenntnissen her leitete ich auch das Recht ab, auf dem Münchner Profil über den Devonkalken ein von Norden her in mächtigen Wellen gegen Süden zu verstreichendes Schiefergebirge einzusetzen, dessen faltenbildende Kräfte bis zum Archaikum hinunter auf alle Sedimente übergriffen und vielleicht nur an dessen Urgneisen das Widerlager fanden, das zu jeder Auffaltung gehört.

Mit den Kärntner Bergen war das Variskikum aber noch lange nicht abgegrenzt. Dieselben mächtigen karbogenen Faltenzüge werfen sich weiter nach Osten auf, unter den Karpathen, in den Kohlenfeldern des Donezgebietes, im Altai und dem Herzen von Asien; ja, die karbonischen Ketten reichen nach Birma und Insulinde, Java, und scheinen erst in Sumatra und Neuseeland zu endigen. Andererseits ist es bis zur Gewißheit erhärtet, daß die irischen Kohlenalpen auch unter den Atlantik reichen, in Amerika wieder auftauchen ( Appalachien) und erst in Florida ihr Ende finden.

Da noch ein zweites, in einem Winkel von 90° diesem Gebirgsbogen aufgesetztes Gebirge (die Uraliden) vom Kapland bis in den Ural reichte, ist es nicht übertrieben, zu sagen, daß niemals, so weit es bekannt ist, der Erdball mehr gebirgsbildende Kräfte entwickelt hat, wie zur Steinkohlenzeit, namentlich am Ende des Oberkarbon, nach dem die Welt mit den Wäldern übergrünt war, von deren gespeicherter Sonnenenergie unsere Kultur lebt.

Von diesem ganzen Problem hat für den Münchner nichts so sehr Interesse als das, ob die Steinkohlenschichten auch hier »schwarze Diamanten« führen und in welcher Tiefe diese erreichbar wären.

Um das beurteilen zu können, muß man sich den Prozeß der Steinkohlenentstehung im ganzen vor Augen führen. Steinkohlen sind trocken verweste Baumstämme und Material von Sumpfpflanzen nach Art der Torfmoore. In dieser allgemeinen Fassung sind die Streitpunkte widersprechender Meinungen auf das Gemeinsame verschmolzen, und das genügt für unseren Zweck. Die karbonen Sumpfwälder können sowohl (paralisch) am Meeresufer wie (limnisch) in Festlandssümpfen grünen, bedürfen aber in beiden Fällen, um zu der trockenen Verwesung zu gelangen, welche erst den »Inkohlungsprozeß« ermöglicht, einer luftabsperrenden Decke über sich. Einschwemmungen, bald vom Meer, bald vom Land, sind hierzu eine notwendige Bedingung, und beide setzen »schwemmbares Material«, d. h. Erosionsschutt und Sand, mit anderen Worten das Vorhandensein eines der Abtragung verfallenden Gebirges voraus.

Der Zusammenhang zwischen den Variskischen Alpen und den Kohlenflözen ist somit gegeben. Über dem Variskischen Rumpf muß überall dort, wo ihn das Meer nicht bis zu unterst hinweggespült hat, ein Schuttmantel liegen (Abb. 9), unter dem begraben wohl auch unter München ebenso Flöze zu finden wären, wie an den Rändern dieses wahren Weltgebirges in Amerika, England, Belgien, im Rheinland, am Donez, Altai, in Ostasien und China. Erreichbar sind diese Münchner Flöze wohl niemals, da es heute nicht möglich ist und auch nie lohnen kann, die mehrere Tausend Meter dicke Schicht zu durchstoßen, mit denen sie zugedeckt sind.

Da sich bei diesem Gedanken brennend die Frage zudrängt, wieso die gleichen Schichten das eine Mal in Belgien oder Schlesien kaum wenige Meter unter Tag liegen, das andere Mal viele Tausend Meter tief versenkt sein können, muß hier vorwegnehmend auf die Besonderheit hingewiesen werden, daß München mit ganz Oberbayern, von den Alpen bis zur Donau, das Schicksal teilte, eine sinkende Scholle zu sein, welche am Ende der Jurazeit an einer großen Bruchlinie zur Tiefe sank, so daß die sich später ablagernden Schichten, welche z. B. im Fränkischen Jura wieder wegerodiert wurden, hier gleichsam wie in einer Mulde zusammengeschwemmt, nun den entstandenen Kessel ausfüllen.

So kommt es, daß München durch einen derartig mächtigen Schichtenstoß von den Kohlenlagern getrennt ist, die der Lebensnerv seiner Entwicklung geworden wären und die ganze Entwicklung der Stadt in andere Bahnen gedrängt hätten. Es laufen eben die Fäden zwischen dem geologischen Geschehen und den Kulturfragen bis in verborgenste Tiefen hinab.

Dem gewaltigen Ansteigen von Gebirgen, das übrigens in den östlichen Teilen des Variskischen Gebirges bis zur Trias anhielt, mußte naturgemäß eine ebenso bedeutende Überflutung an anderen Orten entsprechen, die auch im Süden nicht fehlt. Dagegen wird nun Mitteleuropa trocken gelegt, und diese Tendenz währt in der ganzen Permzeit. Nur im Osten und Süden flutet noch Meer. Der Schutt der Variskischen Alpen kann sich ein Weltzeitalter hindurch als Wüste über Südbayern ausbreiten (Abb. 11), soweit es nicht das kühlere Klima mit seinen Niederschlägen zum erstenmal neben der Farnvegetation der Glossopteris-Flora mit den Wäldern der Urnadelhölzer überzieht. Bildet sich doch noch im Perm in Böhmen, im Vogtland, im Schwarzwald limnische Kohle, woraus ein gewisser Rückschluß auf den Anfang der permischen Periode auch in Oberbayern gezogen werden kann. Die Thetys besteht nach wie vor, sogar vergrößert durch den Niederbruch des Gondwanakontinents (Hypothese von Koken) und die Bildung des Indischen Ozeans; ein ganz schmaler Atlantik bildet sich, der bis Norddeutschland, also an die Nordhänge der Variskischen Alpen, reicht, und unter dem klimatischen Schutz dieses mächtigen Bergwalls muß auch bei uns die Landschaft im Regenschatten und in der Glut einer südlicheren Sonne allmählich den Wüstencharakter angenommen haben, der sich in den Flugsanddünen, den roten Sandsteinen und roten Konglomeraten des Rotliegenden ausspricht. Das Land der ersten Saurier und merkwürdigen Gliedertiere merkte nichts von der Vereisung, die um diese Zeit die südliche Halbkugel überzog (vgl. S. 22). In Kärnten schlugen Meereswellen an die Felsenküsten ( Bellerophonkalke), in Norddeutschland lagerte eine Flachsee Kalk und wieder Kalke die sich zu den zähen Bänken des Zechsteins verbanden, und vielleicht ergoß sich in sie, aus Erdtiefen kommend, jener Kupfer- und Silbersegen aus Thermalquellen, den heute noch der Mansfelder Bergmann im Zechstein abbaut.

Dieses Zechsteinmeer reichte im oberen Perm und vielleicht noch zur Buntsandsteinzeit (nach Tornquists Untersuchungen Vgl. Tornquist in Zeitschrift f. praktische Geologie 1906.) hart bis an den Rand der Donau, nördlich davon brandete es über ganz Deutschland, von Holland bis weit nach Rußland. Hier sind die mächtigsten Salz- und Kalilagerstätten, die bis zur älteren Trias sich aus einem verdampfenden Meere niederschlugen. Sie bilden neben der Kohle den wahren Nationalreichtum Deutschlands, ein unverlierbares und unerschöpfliches Gut, das in der Weltstellung des deutschen Volkes ganz anders hätte in die Wagschale geworfen werden können, als es geschehen ist. Denn der Kalidünger, den in genügenden Mengen nur deutsche Arbeit produzieren kann, ist der Landwirtschaft der gesamten Erde unentbehrlich, und er lagert zu Aschersleben und Staßfurt in 330 m und 460 m Mächtigkeit; im Bohrloch von Sperenberg südlich von Berlin wurden die Steinsalzlager schon bei 89 m angefahren und sind bei 1200 m Tiefe noch immer nicht durchstoßen. Entstehen konnten solche unschätzbare Lager nur durch wiederholte Senkungsvorgänge des norddeutschen Beckens mit immer wieder nachfolgender Verdampfung der nachdrängenden Flachsee; in Werten berechnen läßt sich ein solcher Vorrat an Edelsalzen überhaupt nicht. Nur legt er dem deutschen Volke oder dem Bunde von Völkern, wenn dieser die Verwaltung der Kulturschätze übernehmen sollte, die unabweisbare Verpflichtung auf, in ganz anderer Weise, als es gegenwärtig geschieht, diese viele Tausend Quadratkilometer sich erstreckende Salzdecke an möglichst vielen Stellen auszuwerten.

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Abb. 11. Verwitterungserscheinungen und Dünenbildungen in einer rezenten Wüste. Man achte auf die vielen durch die Temperaturextreme schalig zersprungenen Gesteinsstücke, zwischen denen der Wind halbmondförmige Sandhügel (Barchane) zusammenweht. Auf diesen bilden sich »Rippelmarken«, wie sie oft auch fossil erhalten sind, so im Untergrund der Münchner Hochebene, in den oligozänen Sandsteinen. (Original von meiner Reise nach der arabischen Küste.)

Es fragt sich also, ob auch München an diesem Reichtum Teil hat. Da zeigt sich nun in den Aufschlüssen, daß diese permischen Ablagerungen drei sehr verschiedene Gesichter aufweisen. Der Zechstein und Buntsandstein hat eine rein salzige Ausbildung nur von der Wasserkante bis etwa Metz, die Mainlinie, Dresden, Schlesien. Die deutschen Mittelgebirge dagegen umfassen nur die sandigen Ausbildungen des Buntsandsteins. Sie reichen in einem Bogen vom Genfer See über Basel und entlang der Donau bis Wien. Alles, was südlicher davon ist, war um die Zeit der Salzablagerungen eine gebirgige Landbarre von Buntsandsteinen oder wieder der offene Ozean der Thetys, dessen Küste vom Bodensee zum Ammer- und Starnberger See, Chiemsee, Salzburg in einer Linie bis Wien verlief (vgl. Abb. 2).

Münchens Untergrund ist demnach auch dieser Schätze bar und es ist ganz verständlich, warum die südlichste Salzbohrung erst bei Mellrichstadt und Königshofen in Franken besteht; noch weiter südlich scheint Mühe und Arbeit vergebens zu sein. Die nahen Salzlager der Alpen (Berchtesgaden und Hall in Tirol) haben mit den großen deutschen Salzstätten nichts zu schaffen und sind jüngeren Ursprungs.

In ganz andere Bahnen riß das Weltenschicksal das wüste, schuttbedeckte Trümmerland an den Südhängen der variskischen Ruine. Für München rollt sich keine Salz-, wohl aber jene große Kalkfrage auf, die dieser Stadt noch heute in tausend feinen Zügen ihr Gepräge gibt.

Das Altertum der Erde war zu Ende und die neue Zeit des Mesozoikums begann. Auf einmal stehen in großen und groben Zügen die Formen der heutigen Kontinente, bis auf Europa herausmodelliert, und der Gondwanakontinent tauchte für immer unter im blauen Weltmeer. Europa aber, der ewige Tummelplatz, auf dem Meer und Berge ihren Kampf austragen, besteht aus einer großen Zahl von Festlandskernen, in Spanien, Frankreich, England usf., von denen uns namentlich die Zentralalpen interessieren, die mit der fortschreitenden Trias immer besser aus dem Saumwall der Küstenriffe hervorstechen und wie ein Zaun das » deutsche Muschelkalkmeer«, dessen Umfang genau vom »deutschen Wappentier« (dem Ceratites nodosus) umzirkt ist, von der Thetys absperren. Dieser Archipel war gegen Bayern zu mit einem Saum heißer, trostloser Wüsteneien umgeben, der dem Meer solche Mengen von Sand zutrug, daß die unterste Trias auch unter München nur dicke Bänke von Sandsteinen ( Werfener Schichten) und nur ab und zu Kalke enthalten kann. Erst später kommt es zu den ausgedehnten Kalkabsätzen, von denen sich die Geologie der letzten fünfzig Jahre bemüht hat, uns die farbenprächtigsten Bilder zu entwerfen, als den bleichen Resten untergegangener glücklicher Inseln, für die man sich das Modell immer wieder von den Smaragdeilanden der Südsee borgte.

Man hat unermüdlich allen Glanz und bunteste Farben zusammengetragen, um die schneeweißen Wände des Tiroler Schlerns vom Korallenfriedhof wieder zum Leben zu erwecken. Man hat das Märchenbild an die Wand geworfen, daß in den wunderlichen Gebirgsstöcken der Dolomiten, der Berchtesgadner Alpen nichts anderes denn stehen gebliebene triassische Korallenriffe zum Himmel starren, die geradenwegs, so wie sie standen, aus den Wassern herausgehoben wurden und es nun ermöglichen, trockenen Fußes auf einem uralten Meeresgrund spazieren zu gehen.

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Abb. 12. Partie aus dem lebenden Korallenriff der großen australischen Barrière, wo gegenwärtig das Kalksteinmaterial eines künftigen Hochgebirges geschaffen wird. Die Hauptmasse besteht aus den verästelten Madreporen, aber auch sie sitzen auf dem Riff, so wie die Blumen auf dem Beet. Der Untergrund besteht aus Diploporen, Kalkschlamm und den kleinen Kalkalgen. (Nach Saville-Kent.)

Man hat nur in das heutige Bild der Korallenriffe jene alte, wunderliche Welt der längst ausgestorbenen Tiere einzusetzen, die das Triasmeer belebten, um Vergangenes aus Lebendem zu verstehen. Nur die Hexakorallen sind zum Teil noch immer die gleichen, dafür fehlen heute die vielen Brachiopoden und vor allem der große Reichtum des Trias und Jurameeres: die Ammoniten. Ammoniten in allen Größen und Varianten beleben die flache Küste der Atolls, in deren sumpfigen Lagunen die Fabelwelt der Saurier immer mächtiger und phantastischer aus den Wassern steigt. Ichthyosaurier bewohnen die Tiefsee, die ersten Schwanendrachen ( Plesiosaurus) tauchen auf, Flugsaurier und Schreckensformen zu Lande rüsten sich, die Herrschaft der Erde anzutreten, die ihnen das nächste Weltzeitalter bescheren soll. Ganz verborgen, demütig verkrochen vor ihnen, mögen die ersten Säugetiere der Erde, kleine Beutelratten, getrachtet haben, sich im grünen Dickicht der Farne, Zapfenpalmen und Kalamiten zu verlieren.

siehe Bildunterschrift

Abb. 13. Geröllstück aus Liaskalk mit einem eingebetteten Ammoniten aus den Nebenbächen der Loisach. (Original.)

Nicht alles an diesem, die Phantasie berauschenden Bilde ist haltbar geblieben. Ich mußte ihm, ich muß der gesamten Trias in einem Werke, welches das Leben Münchens verständlich machen soll, Raum gönnen, denn die Trias erbaute das Material, auf dem und mit dem diese Stadt haust.

Würde das Bild ganz richtig sein, so müßten wir Münchner unsere Straßen mit Korallen schottern, wie es Gerolstein mit seinen Devonkalken wirklich tut. Aber davon ist keine Rede. Die eiszeitlichen Schotter, die an jeder Flußleite, in jeder Kiesgrube zutage treten, welche die Isar herabschwemmt, die als Nagelfluh Sockel und Werkstein zahlloser Münchner Bauten bilden, haben wohl noch kaum jemanden erraten lassen, daß an dem Aufbau der nördlichen Kalkalpen Korallen wirklich mit beteiligt waren. Man muß schon gut bewandert sein in den Voralpen und in der Erdgeschichte, um die wirklich ergiebigen Korallen- und Ammonitenfundorte zu finden. Einer davon, der Gipfel des Brünnstein, wirft sie allerdings dem Besteiger so reichlich vor die Füße, daß es schwer ist, sie zu übersehen. Jeder Block an den Hängen, an denen man zur Himmelmoosalm absteigt, zeigt dort die nagelförmigen Köpfe von Korallen, deren Nester in ähnlichem Reichtum nur mehr da und dort im Zugspitzgebiet angetroffen werden.

Aber das sind Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Gerade weil man die Korallen suchen muß, kann der lange Zug der Berge, aus deren Material sich der unmittelbare Boden von München aufbaut, nicht ein Korallenfriedhof sein. Karwendel und Wetterstein sind keine ehemaligen Riffe, sondern verdanken anderen Kräften ihre Substanz (vgl. Abb. 12).

Damit ist für die Münchner Biologie unmittelbar jene große Streitfrage aufgerollt, welche in der Geologie seit zwei Jahrzehnten in wachsendem Maße die Gemüter erhitzt: Woher stammen die ungeheueren Kalkdecken, welche die Trias über das alpine Gebiet gebreitet und das Tertiär zu den nördlichen und südlichen Kalkalpen aufgefaltet hat?

Um das sine ira et studio beurteilen zu können, soll hier zuerst die Karte der Land- und Wasserverteilung auf dem alpinen Bezirk umrissen werden.

Die Thetys brandete in der Trias über dem heutigen Becken des Mittelmeeres, zog auch über Kleinasien, Syrien, Arabien und fast ganz Zentralasien. Alpen, die Anatolischen Berge, Hindukusch und Himalaja waren noch nicht aufgefaltet, die iranischen Hochländer noch nicht emporgehoben. In diesem Meer stehen in langem Zug größere Inseln aus Urgestein an Stelle der Zentralalpen, beiderseits umsäumt von einer Küstenbarriere, die man sich so denken muß, wie die am Ostsaum Australiens (Abb. 12). Den nördlichen Rand der Thetys bilden etwa die Gegenden zwischen dem Münchner Breitegrad und dem heutigen Alpensaum. Sie sind auch jetzt roter Wüstenboden und steigen bald zu einem mäßig hohen Urgesteinsrücken auf, der von Passau quer durch Oberbayern etwa gegen die Gegend von Rettenschwang im Allgäu und dem Tödi in der Schweiz verstreicht. Jenseits dieses Urgebirges, dessen Zusammenhänge mit der Landbarre des Zechsteinmeeres ebenso klar, wie der Ursprung aus dem Variskikum unergründlich ist, dehnt sich wieder die rotgelbe Sandwüste des Buntsandsteins. Sie geht in Lagunen über, enthält Reliktenseen mit einer ausgesprochenen Salzfauna und umrandet das warme, flache deutsche Muschelkalkmeer, das Dorado jener reichen Muschel-, Korallen- und Fisch-, sowie Kopffüßlerfauna, welche alle deutschen Museen ziert. Von der unteren Trias bis zum Keuper ist das Schicksal dieses Meeres ein stetes Trans- und Regredieren im Kampfe gegen die Wüste, wobei im unteren Keuper die üppigen Sümpfe der Lettenkohle dem Bilde das Gepräge geben, im mittleren Keuper die reine Wüste überwiegt und sich neuerdings Salz und Gips niederschlägt, wie im Zechsteinmeer. Am Ende der Trias aber überwiegt das Wasser; es kommt das rhätische Meer und schließt die merkwürdige Geschichte der » germanischen Trias« ab.

Dem gegenüber hat die alpine Trias ganz andere Schicksale. Während die germanischen Schichten »nur« etwa 1000 m Sedimente umfassen, beträgt die Mächtigkeit der alpinen Ablagerungen des Triasmeeres gegen 2000 m, die sich ins Große gerechnet in folgende Schichten gliedern:

Die Buntsandsteinwüste wehte solche Massen Sand an die Flachküsten der Thetys, daß hier enorme Sandsteinschichten (Werfener Schichten) noch bis tief in das heutige Alpengebiet (um Salzburg!) in der untersten Trias zur Sedimentierung gelangten. Am Rand schnürten sich Lagunen ab, die einer raschen Eindampfung verfielen und erhalten sind als die Salz- und Gipsstöcke von Hallstatt, Hallein, Berchtesgaden und Hall in Tirol (vgl. Abb. 14).

Dann folgt die Schicht der alpinen Trias, in der relativ häufig, namentlich am südlichen Barrièreriff, Korallen gefunden werden (Schlerndolomit), während an dem nördlichen Riffsaum manchenorts in fast 7000 m Mächtigkeit der Wettersteinkalk zur Ablagerung kam. In diesen Wettersteinkalken, die sehr kompakt und fast weiß sind, gibt es wohl Galmei, auch Silber, Molybdaen und andere Erzeinschlüsse, aber fast gar keine Versteinerungen außer den kreisrunden Querschnitten einer kleinen Kalkalge ( Gyroporella aus der Gruppe der Diploporen), die gewissermaßen als das Leitfossil dieses Kalkes gelten kann. Korallen finden sich nur vereinzelt in Stöcken und Nestern, und so wird der Wissenschaft nichts anderes übrig bleiben, als sich der Ansicht W. Salomons anzuschließen, daß hier zusammengeschwemmte Kalkmassen, gebildet durch Kalkalgen und Kleinorganismen, nicht aber richtige Korallenriffe das Material jener bald hauchzart lichten, bald eisengrauen Felsmauern geliefert haben, die an der Zugspitze, im Karwendelzug, im wilden Kaiser und Bettelwurf, in den Miemingern den Münchnern ihre hundert lockenden hochtouristischen Ziele aufstellen.

Unter dem Wettersteinkalk liegen Mergel ( Partnachschichten), ebenso auch darüber, die mehr sandigen Charakter haben ( Raiblerschichten). Heute stellen diese Mergelablagerungen, welche leichter verwittern und schneller abgetragen werden, als der Kalk, fast stets die Terrassen und Böschungen gegenüber den Steilwänden dar (gewöhnlich sind sie die Unterlage der Alpenweiden, umsomehr, als ihre Grenzflächen gegen den Kalk auch Quellhorizonte zu bilden pflegen); ihre Bildung ist nur durch neuerliches Überwiegen der Wüstenbildungen zu verstehen.

In der alpinen Trias verwischen sich die scharfen Grenzen, welche den deutschen Muschelkalk und Keuper auszeichnen; beide Abteilungen bestehen abwechselnd aus dicken, massigen Kalkbänken und Mergeln. Immerhin folgt der mittleren Trias auch hier eine Periode überaus blühenden Rifflebens, in der sich der massige, rauhe und graue Hauptdolomit (auch der Dachsteinkalk) bildete, der in den Bayerischen Alpen bis zu den Vorbergen neben dem Wettersteinkalk das ausschlaggebende Gestein ist. Gerade hier gibt es Korallen, und in einzelnen Nestern berückende Fundstätten von Ammoniten, ebenso in den, in der alpinen Fazies der Trias den Beschluß machenden mergeligen Kössener Schichten und dem Rhät (die bekannten wunderbaren Fundorte am Wendelstein und Untersberg bei Salzburg). In der oberen Trias schafft sich das Meer Verbindungen zwischen dem südlichen und nördlichen Ufer der alpinen Inseln und so sehen wir dann auch im Innern der Zentralalpen eine Kalkdecke abgelagert, auf deren Mächtigkeit man nur nach einzelnen Überbleibseln rückschließen kann. Sie ist, als die Alpen aufgefaltet wurden, rasch denudiert worden, nur ab und zu blieb ein Rest den Urgesteinsbergen des inneren Tirol noch aufgesetzt. Das stattlichste derartiger Überbleibsel ist der aus Dachsteinkalk bestehende Pflerscher Tribulaun bei Gossensaß. Diese Kalkdecke ist natürlich nicht verschwunden, von den Schultern der kristallinischen Berge geglitten, liegt sie zertrümmert als Erosionsschutt zum Teil auch in dem Münchner Becken und muß unter München als Konglomerate über dem Hauptdolomit zu finden sein.

Die Bodenschichten über dem Buntsandstein müssen daher im Münchner Untergrund ganz besonders vielgestaltig und verworren sein und sind überaus schwierig zu rekonstruieren (vgl. Abb. 9). Der ununterbrochene Wechsel der Lebensverhältnisse machte die alpine Trias an sich ausnehmend reich und legte der Forschung jahrzehntelange Arbeit auf, bis es ihr gelang, die richtige Reihenfolge der Schichten festzulegen. Da zweifelsohne die Thetys bis zum Breitegrad von München reichte, darf in ein Profil des Untergrundes ganz gewiß der gesamte Stoß der Ablagerungen von den Werfener Sandsteinen, mit besonders gewaltig entwickeltem Wettersteinkalk, bis zu den rhätischen Mergeln eingetragen werden; nur sind die oberen Ablagerungen zweifellos durchsetzt vom Erosionsmaterial der zentralalpinen Dachsteinkalke, welche auch die Kreide und namentlich den Flysch bis zum Flinz immer wieder in dem Maße durchstreuen müssen, in dem sich die Aufwölbung der Alpen und die Denudation deren zentraler Stöcke vollzog. Innig vermengt muß die unterirdische Münchner Trias aber auch mit den Wurzeln des oberbayrisch-oberschwäbischen Urgebirgsstockes sein, der die Landbarre zwischen der germanischen und alpinen Trias bildete.

Dieses hypothetische Gebirge, dessen Vorhandensein seinerzeit Guembel K. v. Guembel, Geologie von Bayern. 8º. 1899. Bd. II. voraussetzte, um die Faziesunterschiede in den Alpen und Deutschland zu verstehen, wurde mit ebensovielen Gründen bestritten und darf auf unserem Profil mit gleichem Recht verwiesen, wie eingesetzt werden.

Es hat aber immerhin seine Art Notwendigkeit gefunden in den rätselhaften » exotischen Blöcken« von Sonthofen und Hinterstein im Allgäu, die teils aus Urgestein, teils aus vulkanischem Gestein (!) bestehend, sonst nur mehr in ähnlichem Vorkommen am Tödi in der Schweiz ein Gegenstück finden. Sie liegen vollkommen wurzellos und unerklärt auf den triassischen Kalken, teils auch auf dem Flysch Derartige »exotische Blöcke« liegen im Talgrund zwischen Daumen und Entschenkopf, namentlich gut entblößt am Bergrutsch unter dem Rothspitz. Es sind grüne, rote und schwarze kristallinische Schiefer, im besonderen Quarzite und Glimmerschiefer mit viel Granaten. Unter dem Entschenkopf findet sich Roteisenerz in einem Alpenmelaphyr (Diabas), der als schmutziggrünes, massiges Gestein (von Winkler als Allgovit bezeichnet) fast porphyrartig anmutet. Er besteht aus einem Gemenge von Plagioklas, Augit und Magnet- oder Titaneisen und macht einen sehr verwitterten Eindruck. Weitere Fundorte sind auch noch bei Ebnet bei Einödswald.], können nicht gut etwas anderes sein, als der Rest eines größeren Vorkommens, und da sie nur in den Quarzitschiefern des böhmischen Massives ihren Anschluß finden, zieht sich trotz der Erledigung der Guembelschen Hypothese dennoch immer wieder die Linie von Passau zum Allgäu quer über München. Die Existenz submariner Vulkane in den Alpen ist übrigens durchaus bezeugt durch die ungeheure Bozener Porphyrplatte, die gelegentlich der karbonischen ersten Auffaltung der Uralpen durch die unvermeidliche Zerreißung der Erdrinde in den Brüchen emporquoll; die Ausbrüche haben sich wenigstens in den Südalpen auch im Trias wiederholt.

Fremdartige Gesteine in jurassische Schichten eingesprengt zeigen sich im Allgäu ferner noch am Hohen Schelpen und am Feuerstätter Berg. Am Bolgen liegen im Wald Granattrümmer und quarzitische Sandsteine.

Unter dem Zwang dieser Erwägungen habe ich wenigstens »exotische Erosionstrümmer« des Guembelschen Vindelizischen Gebirges in das Profil Münchens eingesetzt, wenn wir diesen Namen auf die unbestreitbaren Allgäuer Reste eines Urgesteinbergrückens beschränken wollen, von dem hier nichts weiter vorausgesetzt wird, als daß sich seine Spuren zwischen Trias, Jura und Flysch auch weiter nordöstlich finden müssen.

Die Triasgesteine, was für die Münchener Interessen gleichbedeutend ist mit Sandsteinen, Wettersteinkalk, Hauptdolomit und Mergeln, liegen demnach im Verein mit einem gewissen Prozentsatz kristallinischer und vulkanischer Blöcke in erheblicher Mächtigkeit zu unseren Füßen; einmal zusammenhängend und »gewachsen«, darüber dann noch einmal zertrümmert, in Erosionsgerölle verwandelt und seltsamer Weise dann sogar noch in einer dritten Schicht, die entstand, als die Eiszeit eine ganz besonders energische Abtragung einleitete und die herabbeförderten Moränenmaterialien dann in zusammenhängender Schotterdecke über das Münchener Stadtgebiet ausstreute.

Die Moränen stammen aus dem Steinmaterial der Kalkalpen (nur wenig von ihnen noch aus den Zentralmassiven). Es wanderte also die alpine Trias bei uns ein, die Berge selbst kamen hernieder und bestreuten unsere Wege mit den Zeugen ihrer Vergangenheit. Wer in eine Schottergrube blickt oder über einen Kiesweg schreitet oder an den Kiesbänken der Isar steht, der sieht immer wieder dieses große und alte Kapitel der Erdgeschichte vor sich und kann in den Geröllen mit Muße jedes Blatt aufschlagen, Stein um Stein, den er aufhebt. Hier der schlohweiße Wettersteinkalk, in dem man manchmal die Gyroporellen noch erkennen kann, dort rote, rauhe Sandsteine, die das Tropenklima der Buntsandsteinwüste zurechtgebacken hat; im Sand und gelben Lehm findet er die Mergel der Trias wieder, hin und wieder liegt flimmernd im Sonnenschein ein Quarzstück, ein Granatkiesel, ein Stückchen Verrukano oder Gabbro und lockt das Denken auf Reisen in das sagenhafte Vindelizische Gebirge oder näher in die Bozener Landschaft, da nur diese zwei Möglichkeiten für die seltsamen Fremdlinge im Münchner Boden bestehen.

Zwischen dieser triassischen Schotterdecke und dem bodenständigen Münchner Trias liegt noch ein gewaltiger Schichtenstoß der Jura-Kreidezeit und des Tertiärs von vielleicht anderthalbtausend Meter Mächtigkeit, dessen Entstehungsgeschichte nicht viel weniger verworren ist, als die der Trias. Setzt doch unmittelbar nach der Sedimentierung die Auffaltung der Alpen ein, ein gewaltiger, auch heute nicht zur Ruhe gekommener Prozeß, der ein Gegenstück zu dem großen karbonischen Faltenwurf in seiner Ausdehnung, Konsequenz und Bedeutung für die Lebensgestaltung zu sein scheint.

siehe Bildunterschrift

Abb. 14. Landkarte des Alpengebietes vom Montblanc bis Wien zur Jurazeit nach Fraas, welche für die Münchner Gegend die Existenz des aus kristallinischen Gesteinen bestehenden variskischen Gebirges annimmt.

Schon in der Triaszeit scheinen die Westalpen als Festland dem Meere entrückt gewesen zu sein, da dort nur spärliche Triasablagerungen vorhanden sind. In der Jura- und Kreidezeit wurde dieses Verhältnis gerade umgekehrt. Die Westalpen wurden nun von einer Tiefsee überdeckt, während es in den Ostalpen, also auch in dem auf den Münchner Boden herabblickenden Berggebiet vielfach zu sehr erheblichen Landbildungen kam. Es fehlen hier sowohl die sog. Hochgebirgskalke der französischen und Schweizer Jurazone, wie auch die bedeutenden kretazeischen (und noch Allgäuer) Ablagerungen der Schweiz.

Wohl sind noch ausgedehnte Gebiete auch in den Ostalpen von der Salzflut bedeckt, das rhätische Meer bestand vorläufig weiter, und dementsprechend ging auch die gesetzmäßig jeder Auffaltung voranschreitende Segmentierung ihren Gang.

Die Lebensentwicklung hatte inzwischen den vollendeten Reichtum der Ammoniten und Saurier herausgebildet. Der 30 m lange Atlantosaurus, die Rhamphorhynchen und Pterodaktylen, der erste Urvogel ( Archaeopteryx), eine Fülle von Insekten mit den ersten Schmetterlingen, in der Flora die Zapfenpalmen ( Zykadeen), Cordaïten und Kalamiten geben der neuen Welt des Jura das Gepräge, die wenigstens zu Beginn schon das Keupermeer auch über Mitteleuropa fluten ließ. Ein Archipel von Inseln, eine Art Ägäisches Meer mit flachen Küsten sonnte sich hier, mit zahllosen Korallenriffen und einem Tierleben, dessen Reichtum sich heute nur etwa im Roten Meer oder Indischen Ozean wiederfindet. Die berühmten Fundorte von Holzmaden oder von Lyme regis, deren Liasschiefer förmlich erfüllt von Ichthyosauriern sind, der Blumenberg von Eichstätt, die Plattenkalke von Solnhofen im Altmühltal mit ihrem erstaunlichen Reichtum zeigen außerdem an, daß dieses Korallenmeer bis vor die Tore unseres eigentlichen Gebietes reichte. In dieser Flachsee mit ihren stillen Atollgewässern konnten die zartesten Gebilde in dem feinen Kokkolithoporenkalk erhalten bleiben: der Insektenreichtum der Solnhofener lithographischen Schiefer oder sogar die subtilen Seelilien und Quallen. Diese Ausprägung fand wieder gerade an den Küsten der Thetys ihre Grenzen. Die uralte »vindelizische« Landbarre, wenn sie um diese Zeit auch schon abgetragen sein mochte, schied noch immer die Welten. Der »Salzburger Marmor« (Adnether Kalke), dessen schönes Gestein auch noch in manchem Münchner Prachtbau Verwendung fand, ist ein roter Ammonitenkalk, dessen Leitform ( Arietites) ein Bewohner der Hochsee war. Auch die weiß und rot geflammten Hierlatzkalke des Salzkammergutes deuten auf die roten Tone einer Tiefsee. Ununterbrochen folgt im ganzen Jura Transgression auf Transgression; Dogger und Malm schaffen immer wieder Kalk, das Tithon enthält in den Terebrateln seiner Kalke wieder unverkennbare Zeugen einer neuerlichen Tieferlegung der Meeresgründe.

Wir sind mitten in der ungeheuren Juratransgression, einer der größten aller Zeiten, die sich nur mit der Annahme deuten läßt, daß dem Pazifik damals an der Küste Südamerikas ein »südpazifischer Kontinent« entstieg.

Erst am Übergang zur Kreidezeit tritt die gesetzlich notwendige Regression ein, in der langsam auch Mitteldeutschland wieder mit brakischen Seen und Sumpfland erfüllt erscheint. Die Liaskohlenflöze der »Grestner Schichten« zwischen den Alpen und Böhmen deuten auf überaus reiches Pflanzenleben, das sich im Übergang zur Kreidezeit noch immer üppiger entfaltet haben mag.

Die instruktive Karte, welche E. Fraas Vgl. E. Fraas, Szenerie der Alpen. Stuttgart 1892, 8°, S. 223. von der Verbreitung der Jurameere in den Alpen entworfen hat (Abb. 2), setzt noch immer das Vorhandensein des Guembelschen kristallinischen Vorgebirges gerade im Münchner Zuge voraus (Abb. 14) und stellt die Zentralalpen als eine Insel dar, in die tiefe Buchten eingeschnitten sind. Einzelne Sonderinseln (Montblanc, Seealpen, Silvretta, Cima d'Asta) bilden einen Archipel. Ein Meeresarm flutet über den Brenner und führt in die nördliche Bucht, mit ihren roten Tiefseekalken und abyssalen grauen Tonen. Dazu kommen Riffbildungen (die ** der Karte), die im oberen Jura immer mehr aufhören. Um diese Zeit setzen in diesem außerordentlich tiefen Meer sogar die Ablagerungen aus; sehr spärlich bilden sich die für die Tiefsee kennzeichnenden grauen Schlammdecken oder auch roter Tiefseeton.

Alle diese jurassischen Ablagerungen können im Münchner Profil zwischen der Stadt und dem Hochgebirge nicht fehlen, nur sind sie sicher, später von der Alpenfaltung erfaßt, in ihrer Lagerung noch weit gründlicher gestört worden, als es aus Übersichtsgründen auf meinem Profil (S. 33) angegeben ist. Insgesamt lagerte der Jura in den Alpen nur 800-1000 m Sediment ab, die bei der Gebirgsbildung in Oberbayern auf das Gründlichste durcheinander geraten sind. Großenteils als schmales Band, oft eingepreßt in die Trias oder zwischen dieser, sind jurassische und kretazeische Schichten, meist nur als einzelne Klippen oder schmale Bergzüge, aufgerichtet – jedem Münchner wohlbekannt, z. B. als Rotwand (rote Liaskalke) im Schlierseer Ausflugsgebiet – und damit auch hineingerissen in den großen Erosionsprozeß, so daß seit Aufrichtung der Alpen in dem herabbeförderten Schutt daher auch im Münchener Straßenboden immer wieder rote Liaskalke (vgl. Abb. 15), Plattenkalksteine (auch mit Korallen), ab und zu rote Hornsteine (mit Radiolarieneinschlüssen), rote Mergelkalke der jurassischen Aptychenschichten (mit eingeschlossenen Versteinerungen von Aptychus lamellosus) zu finden sind (namentlich westlich von München im Schottermaterial der Amper).

Alles das liegt auch etwa so tief unter unseren Füßen, wie der moderne Bergwerksbetrieb zu dringen pflegt. Es wird und muß in mannigfachen Störungslinien überkippt und zusammengeschoben sein, denn es hatte noch Teil an dem ersten Teil der neuzeitlichen Alpenbildung, die, vielleicht seit dem Karbon nicht ganz ruhend (wie wären sonst die Inseln mit ihren mannigfachen Hebungen und Senkungen zustande gekommen?), gleich nach den letzten Ablagerungen mit Macht einsetzten und bereits zur mittleren Kreide in jeder Weise Neubildungen, die sich bis heute im Relief der Lrde ausprägen, hervorriefen.

Die Kreideperiode ist einer jener großen Aktschlüsse des Weltendramas, die auf dramatische Akzente zugespitzt sein müssen, um das Auftreten neuer Geschehensketten mechanisch zu ermöglichen. Damit die neue Tierwelt des Känozoikums eintreten könne in das Weltgeschehen, mußten die Saurier und Ammoniten aussterben, damit die Laubbäume und Blütepflanzen die Herrschaft über das Festland erlangen, mußte die alte Welt der Kryptogamen und Gymnospermen versinken; neues Land gehört zu diesen Prozessen, eine neue Klimamigration bereitet neuen Lebensmöglichkeiten den Gesetzesrahmen vor. Nie war noch auf Erden die Idee der Cuvierschen Katastrophen dem Betrachter so nahegelegt, wie in diesem » fin de siècle« der Erdgeschichte, in dem sich das Mittelalter für die Neuzeit vorbereitet.

Mit der Trockenlegung weiter Länder, die sich im Tithon vorbereitet, geht das große Sterben Hand in Hand. Wie jede Katastrophe zuerst dadurch, daß alle Leistungen übertrieben werden. Jetzt kommt erst die Zeit der Riesendrachen, der Riesenammoniten, das Blühen der Rudisten, die einseitige Steigerung der Anpassungen.

Ch. Depèret Ch. Depèret, Die Umbildung der Tierwelt. Stuttgart, 8°, 1909. hat in einem höchst wertvollen Werk das Gesetz nachgewiesen, dem sich solche Erscheinungen unterordnen, und wir müssen, wenn die Gültigkeit dieses Gesetzes für Saurier, Cephalopoden, Foraminiferen, Säugetiere gilt, es mit gleicher Notwendigkeit auch auf den Menschen anwenden. Nach ihm hat jede Gruppe von Lebewesen zwei Möglichkeiten vor sich. Entweder kann sie, indem sie den Neuanpassungen ausweicht, durch viele Erdperioden hindurch ihren Bestand in einer allerdings sehr bescheidenen Form bewahren und sich vor dem Aussterben schützen. Das tut z. B. die Gattung Lingula oder es taten es die Kieselalgen ( Diatomaceen), die seit dem Paläozoikum bis heute unverändert (zum Teil sogar noch in denselben Gattungen) weiterleben. Oder die Lebewesen treten in die »große Welt« ein. Sie werden durch die Klimamigration und das Transgressionsgesetz ohnedies hineingerissen und durch die Änderungen des Milieus vor immer neue Anpassungsaufgaben gestellt. Darum ist die große Mehrzahl aller Lebendigen gezwungen, ihr Bestes herzugeben, den ganzen Bestand von Fähigkeiten zu entwickeln, um diesen Anforderungen gerecht werden zu können. Und so sehen wir Gruppe um Gruppe in glänzendem Aufstieg, in unerschöpflicher Artenfülle sich alle Lebensräume erobern (Saurier, die Schwimm-, Flug-, Kletter-, Kriech-, Lauftiere, Pflanzenfresser und Raubtiere hervorbrachten!), zu den feinsten und übertriebensten Anpassungen kommen, zu Riesenformen sich entwickeln, bis ihr »Anpassungsfundus« erschöpft ist. Dann sterben sie, einseitig und extrem angepaßt, jäh aus.

Dieses Schicksal erlebten die Kalamiten, die Ammoniten und Belemniten, die Saurier in der Kreidezeit, die Riesensäugetiere im Tertiär, die Trilobiten im Karbon, die Brachiopoden im Mesozoikum, die Nummuliten im Tertiär – dieses Schicksal scheint eines der ganz großen Weltgesetze in sich zu schließen; seine Erkenntnis ist vielleicht die wertvollste Frucht, welche die moderne Paläontologie überhaupt auf den Tisch der Kultur niedergelegt hat.

Dieser große Umbildungsprozeß wurde zur Kreidezeit, wenigstens in Mitteleuropa, dadurch beschleunigt, daß sich ein großer Wechsel aller Lebensbedingungen durch die Aufrichtung der Alpen einleitete.

Zunächst bestand die Thetys, wenn auch verkleinert, fort; im deutschen Gebiet kam es zu erheblichen Trockenlegungen, wodurch die Bedingungen für die Bildung der Süßwassersümpfe gegeben waren, aus denen die »Wäldertone« übrig blieben, in denen die 7 Meter hohen Iguanodonten lebten, die es menschengleich wagten, auf zwei Beinen zu gehen und das Haupt frei zu den Sternen zu heben. Neben dem Wealden bestand allerdings im Neokom und Gault auch das Kreidemeer, das Europa von Asien scheidet, aber schon in Norddeutschland seine Grenzen fand. Aber mit dem Cenoman ändert sich das. Wieder erfolgt eine der Welttransgressionen. Woge um Woge zieht der Ozean die Grenzen der Festländer enger, sogar Böhmen und die Steinpfalz, die seit dem Altertum der Erde trocken lagen, erhalten nun ihre Decke von cenomanen Sanden und Kalken. Im Turon bleibt diese Bedeckung erhalten und erst im Senon mit dem Aussterben der Meeressaurier und Ammoniten hört auch ihr Reich in Europa zu bestehen auf.

So lagen die allgemeinen Verhältnisse, auf deren Hintergrund nun die speziellen Schicksale Oberbayerns einzuzeichnen sind. Die obere Kreide sah auch hier Wellenrauschen und Meeresstürme. Die eingedrungene Thetys lagerte mächtige Kalkmassen ab, erfüllt von Rudisten und anderen Muscheln; dazwischen siedelten sich wieder Korallennester an (vgl. Abb. 12). Ganz anders an den böhmischen Grenzen, wo nun die Abrasion ungeheure Quarzsandmassen (Elbsandsteingebirge) und Kalkmergel (blauer) an den sächsischen Grenzen schuf. Gerade der Nordrand des Alpengebietes vereinigt die beiden Faziesausbildungen in Sedimenten, deren Namen: Flysch überall dort, wo sie dem Volk bekannt wurden – und sie sind am nördlichen Alpenrand von Ungarn und Wien bis in die Schweiz verbreitet –, stets die Erinnerungen an Sandstein und Mergelkalke weckt.

Dadurch reiht sich der Flysch der nördlichen Kreidefazies an, namentlich mit ihrem Karpathensandstein und Wiener Sandstein aus Glimmersand, dessen Herkunft mehrere Deutungen zuläßt. In Bayern nimmt der Flysch, dessen Natur jedem Münchner von seinen Ausflügen auf den Blomberg und Zwiesel bei Tölz wohlbekannt ist, eine andere Beschaffenheit an. Wohl gibt es auch noch hier Sandsteine (Grünsandsteine), aber überwiegend treten mergelige (Zementmergel) und dünnbankige reine Kalke, auch rote und weiße Kalke mit zahlreichen Versteinerungen auf. Im Hochgebirge verdanken die Schrattenkalke, oder so schöne Gesteine wie der Untersberger Marmor der Kreide ihre Entstehung. Überall, in den Allgäuern (Grünsandstein bei Hindelang), manchmal vor den Alpen (Gaultsandstein bei Murnau), im Aschauer und Ruhpoldinger Becken (Grünsand), in Berchtesgaden (Roßfelder Schichten und die blendend weißen Schrattenkalke) ist die untere Kreide, an vielen Stellen (Orbitulinenkalke am Röthelstein bei Kochel an der Roßsteinalm, als Gosauschichten im Reichenhaller Gebiet und am Sonnwendjoch) ist die obere Kreide in die Trias- und Juraschichten eingefaltet, oft in solch verwickelten Überkippungen und kleinen Schmitzen, daß es vieljähriger Arbeit der bayerischen Alpengeologen (E. Fraas, Rothpletz, Imkeller u. a.) bedurfte, um die Tektonik dieser Gebirge überhaupt klarzulegen.

siehe Bildunterschrift

Abb. 15. Schematisches Profil des Gebirgsbaues in den nördlichen Kalkalpen, um die Wirkung der gebirgsbildenden Kräfte zu veranschaulichen. Der Sinn der Abbildung ergibt sich aus ihren Bezeichnungen selbst. (Nach Frech.)

Ich habe hier mit Bedacht ausführlichere Ortsangaben und Einzelheiten gegeben, um den Beweis vor Augen zu stellen, daß an diesen Orten zur Zeit des Cenoman und Turon noch kein Festland und von der Alpenfaltung keine Rede war. Erst mit dem Ende des Senons (und nicht des Neokoms, wie Rothpletz meint A. Rothpletz, Das Karwendelgebirge. Zeitschr. d. D.-Ö. Alpenv. 1888.) können die ersten Gebirgsketten auf unserem Gebiet, etwa das Karwendel aufgewölbt worden sein. Um diese Zeit reichte das mediterrane Meer in einzelnen Fjorden (z. B. das Sonnwendjoch) in die Bergwelt und brachte hier immer noch Flyschgebilde zum Absatz. Erst von da ab kam die große Mulde der Neokomschiefer, die später in die Vorberge des Karwendels hineingefaltet wurde, und vom Gatterl an der Zugspitze und Mittenwald über die Riß, das Fonsjoch, den Juifen zum hinteren Sonnwendjoch und etwa die Gegend von Kufstein reicht, zur Hebung.

Gebirgsbildungen müssen hier der eigentlichen Auffaltung des heutigen Gebirges bereits vorangegangen sein Auch Rothpletz sagt (in Profil der Ostalpen II, S. 122): Das Karwendel war Festland während der Kreide- und Tertiärzeit; die eigentliche alpine Hebung hat erst am Ende der Tertiärzeit stattgehabt; aber die Ablagerungen der cenomanen und senonen Kreide und des Eozäns, Pliozäns und Miozäns in der nächsten Nähe dieses Festlandes, bestehen vielfach aus Trümmern desselben und liegen abwechselnd den verschiedenen Gliedern der Trias und des Juras unmittelbar auf. Es müssen also längst vor der Hauptfaltung der Alpen schon bedeutende Massen der älteren Sedimente zerstört worden sein. Dies ist aber nur möglich, wenn dieselben aus dem Grunde des Meeres emporgehoben und zu hohen Küstenfelsen oder Bergen umgewandelt wurden. Es ist nur anzunehmen, daß angesichts der Einfaltung von Kreidekalken, unmittelbar vor dem Karwendel (zwischen Scharfreiter und der Riß), die Regression sehr ungleichmäßig war und sich auf Buchten und einzelne Küstenzüge beschränkte., und so darf man wohl, trotz der überaus schwer zu beurteilenden, verwickelten Verhältnisse, sagen, daß im Kreide- und Flyschmeer bis zum Senon verschiedentlich Hebungen stattgefunden haben, während die eigentliche Alpenbildung noch einem späteren Zeitalter vorbehalten blieb.

Auf dem Münchner Gebiet bestand das Jurameer nach wie vor auch in der Kreidezeit weiter und die Weltrevolution zeigte sich hier höchstens darin, daß am südlichen Horizont Höhenzüge erschienen, an deren Dolomitsteilküste das Meer donnerte. Und von diesen Höhenzügen aus hätte ein spähendes Auge fern im Süden ein übersteiles, also ganz junges Bergland erblickt, das Massiv der zentralen Alpen, dessen Wölbungen das Meer aus den Buchten und Fjorden, in denen es dagegen arbeitete, immer mehr verdrängte, hinaus in die weite Ebene, die sich zwischen den letzten Schuttstümpfen des Urgebirgsrückens und den ersten Alpenbergen auftat. Sie war erfüllt von einem schmalen Meeresarm, der sich ostwestlich von Ungarn bis in die Schweiz erstreckte und Schlamm, Kalke, Sande, also lauter küstennahe Sedimente, auf den Boden streute. Das war das Flyschmeer. Seine Ablagerungen müssen auch unter Oberbayern liegen, in kaum 100-500 m Tiefe. Draußen im ebenen Lande ruhen sie wohl sicher als flache Decke von nicht beträchtlicher Dicke, immer wieder durchsetzt von den Trümmern des Urgebirges. Sie müssen Grünsandstein, graue Sandsteine mit Wurmkriechspuren und spärlichen Fossilien, graue Zementmergel, dünnbankige, helle Kalke mit vielen Austern, Foraminiferen, Inozeramen und auch noch Ammoniten ( Haploceras), Gryphaeen, Turitellen führen und sind zweifelsohne, je mehr man sich dem Gebirge nähert, desto mehr gestaucht, zurückgedrückt, in Fächerfalten auseinandergebogen und in tausend feine Fältchen ebenso zerknittert, wie man sie an den Bächen des stillen Waldlandes zwischen Tölz und Kochel aufgeschlossen findet. In einer schmalen, nur etwa 7 km breiten Zone, unmittelbar vor dem Hochgebirge, sind sie von der alpenbildenden Kraft des Tertiärs so mächtig erfaßt worden, daß sie in kühnem Schwung die ihnen aufgelagerte Molasse zurückdämmten und ans Sonnenlicht heraustraten. In weichen Bergformen, als Blomberg, Zwiesel und deren Nachbarn, lagern sie vor dem Benediktengebirge und sind mit dichtem Waldkleid überzogen, da ihre Sandsteine und Mergel leicht verwittern und dann ein überaus fruchtbares Erdreich abgeben. Eine lohnende Zementindustrie kann an ihrem Nordrand ihre Existenzmöglichkeit finden und sie wird auch aufblühen in dem Augenblick, da das Walchenseekraftwerk die Gegend mit billiger Kraft versorgt.

Ob in jenem Flyschmeer unter München noch Korallen hausten, ist nicht mehr zweifelhaft, wenn auch im Ausgang der Kreidezeit nicht mehr jenes reine Tropenklima herrscht, das man für den Jura oder das Cenoman unbedenklich bejahen muß. Wir wissen bereits, daß die Eichen- und Credneriawälder der Kreideküsten Frostspuren auf den Blättern aufweisen (vgl. S. 62, 90) – jedenfalls gab es also Jahreszeiten und auch damit neuen Anlaß zu Anpassungen und Umformungen.

Auf unserem Gebiet bestand dazu besondere Gelegenheit durch das große Weltereignis, das sich im Süden vorbereitete. Es vollzog sich ganz sicher nicht in Katastrophen – gerade die Kreidezeit erscheint vollkommen frei von vulkanischen Erscheinungen –, aber ganz sicher in einer Folge von Beben, durch die etwa zur Mitte der Kreidezeit ein nicht unwesentlicher Teil der Alpen bereits aufgerichtet zu sein scheint.

Aus welcher Ursache sie entstanden, kann heute noch nicht gesagt werden. Diese Frage fällt zusammen mit dem allgemeinen Problem der Gebirgsentstehung, in dem sich noch immer die zwei Hypothesen von der Erkaltung der Erde mit dabei notwendig erfolgender Verkleinerung ihres Durchmessers und dementsprechender Runzelung ihrer Oberfläche (Sueß) und von dem Gleichgewichtsgesetz der Schollen gegenüberstehen. Als Haupteinwand gegen die erstere Ansicht kann geltend gemacht werden, daß dann die Faltungen in der archaischen Zeit viel gewaltiger sein mußten als später, da die wachsende Abkühlungsrinde, deren schlechtes Wärmeleitungsvermögen als ausgezeichneter Wärmeschutz bekannt ist (vgl. S. 27), den Prozeß der Erkaltung sehr namhaft verlangsamen muß. Nun steht die tertiäre Gebirgsbildung der karbonpermischen als ihrer letzten, großen Vorgängerin keineswegs wesentlich nach. Erstreckte sich diese in einem Zug von Appalachien bis Neuseeland (vgl. S. 37), so brachte diese den Zug der Kordilleren und Anden, die Pyrenäen, Alpen, Apenninen, Kaukasus, Himalaja, also sämtliche große Kettengebirge der Gegenwart, in Summa keine geringere Gebirgsmasse hervor, als die paläozoische Faltung. Über die Ausdehnung der unzweifelhaft vorhanden gewesenen Gebirge des Archaikums fehlt jeder Anhaltspunkt. Außerdem mußte, falls die Abkühlungshypothese zutreffen sollte, der Gebirgsbildungsprozeß ebenso kontinuierlich, bzw. wenn auch in absteigender Intensität, so doch in gleicher Progression verlaufen, was durch alle Zeugnisse wiederlegt wird.

Schließlich erlaube ich mir, noch einen bisher unbeachteten Gesichtspunkt zur Beurteilung dieser Frage vorzulegen. Wir haben einen ganz zuverlässigen Anhaltspunkt, um die im Schichtenstreichen nicht mehr erkennbaren präzoischen Gebirge doch, wenigstens ihrer Masse nach, feststellen zu können. Und das ist das Quantum der vorhandenen Sedimente. Der Vorgang der Sedimentation ist gesetzmäßig an den einer vorausgegangenen Auffaltung gebunden. Ohne Neigung der Gesteine keine Erosion. Ihre lebendige, also sedimentierende Kraft, wird von der Situationsenergie gespeist. Es läßt sich demnach durch Beobachtung die gebirgsabtragende Kraft der Erosion feststellen und daraus die Menge der in geologisch-historischer Zeit gebildeten Sedimente; zieht man diese von dem Gesamtquantum der feststellbaren Sedimente ab, erhält man eine sichere Angabe, wie mächtig die früheren, wieder völlig verschwundenen Gebirge gewesen sind. Daraus läßt sich ermessen, ob die gebirgsbildende Kraft im Steigen oder Sinken begriffen ist.

Man hat übrigens mit dieser Methode auch ein Mittel, um sich über das Alter der Erde genauere Vorstellungen machen zu können, als es bisher möglich war. Unter Voraussetzung des auch niemals bestrittenen Lyellschen Satzes, daß die chemo-physikalischen Kräfte des Erdballs stets unverändert bleiben, kann man aus der Tatsache, daß erst ein sehr unwesentlicher Teil der Erdkruste in Sedimente verwandelt ist, mit Sicherheit darauf schließen, daß die Erosionsvorgänge vor nicht unausdenkbar langen Zeiten, sondern zeitlich sehr wohl ausdrückbaren Jahrtausenden ihren Anfang genommen haben. Aus der, wie oben ersichtlich, berechenbaren Masse der erodierbaren Gesteine und dem jährlichen Erosionsquotienten, sowie der Menge der bereits sedimentierten Erdrinde, läßt sich ohne Mühe die Zeit finden, seitdem die Erosion arbeitet. Sie wird so ziemlich zusammenfallen mit dem Zeitpunkt, seitdem die Erde eine festere Kruste besitzt, also mit dem »Alter der Erde« als bewohnbarer Himmelskörper selbst.

Ich habe diese Rechnungen ausgeführt Sie werden an anderer Stelle ausführlicher veröffentlicht, da sie hier nur den Fluß der Darstellung stören würden. und habe in vorläufigen Ergebnissen festgestellt, daß die Gebirgsbildung, gemessen am Alter der Erde, fast stets sich in gleichen Maßen bewegt. Man kann weder von einer Abnahme, noch einer Zunahme der gebirgsbildenden Kräfte sprechen.

Aus dieser Ursache habe ich mich von der Sueßschen Hypothese (die übrigens auch durch die Feststellung des Radiumvorrates der Erde bedroht ist) abgewendet und kann die Ursache der Gebirgsbildung nur in einem Ausgleich der Belastung, also in jenem Schollengesetz sehen, zu dem ich mich im zweiten Abschnitt dieses Werkes bekannt habe.

So ist es zu verstehen, wenn ich es selbstverständlich finde, daß die ungeheueren Massen von 7000 m hohen Ablagerungen, die sich in der Synklinale des deutschen Beckens niederschlugen, nach einem Ausgleich dieser enormen Belastung verlangten und in der Nachbarschaft Schollen zum Ausweichen, also zur Aufrichtung und Zusammenpressung zwangen. Daß dies nicht ohne mannigfaltige Zerrungen und Brüche vor sich gehen konnte, ist selbstverständlich.

Der Hauptprozeß der Sedimentation war nach der Trias- und Jurazeit beendet; tief sank der Südrand des deutschen Beckens nieder (die Tiefsee des Alpennordrandes) – sofort mußte das die Nachbarschollen wegdrücken und zum Aufsteigen bringen.

Wir sehen auch um diese Zeit wirklich die Alpenbildung in voller Entwicklung, nachdem schon seit dem germanischen Zechsteinmeer einzelne Inseln in wachsender Zahl einen alpinen Archipel gebildet hatten, also Schollenbruchstücke seitlich verdrängt wurden. In der mittleren Kreidezeit erfaßte diese Bewegung bereits das Nordtiroler Alpengebiet. Die sehr interessanten Profile dieser Alpenteile von E. Fraas und A. Rothpletz, die auf Abb. 15 wiedergegeben sind, geben darüber jeden wünschenswerten Aufschluß. Ein seitlicher Schub, der von Süden kam und ziemlich oberflächlich blieb (er erfaßte den permischen Schichtenstoß nur mehr wenig), zerknitterte besonders die Triasschichten dermaßen, daß er sie zu überhängenden, geschleppten, sogar überkippten Falten auftürmte, deren Antiklinalen mehr als die doppelte Höhe des heutigen Alpenzuges erreicht haben müssen. Das heute Fehlende wurde durch die Erosion beseitigt. Natürlich waren bei diesem Vorgange Brüche unvermeidlich, die bis zum kristallinischen Kern hinabreichten und an deren Bruchlinien einzelne (auf dem Bilde die Mittelscholle) um mehrere tausend Meter zur Tiefe sanken.

siehe Bildunterschrift

Abb. 16. Profil durch das Karwendelgebirge in der Linie Sonnenspitz-Rißtal, welches die Überfaltung und tiefgehenden Störungen demonstrieren soll, denen dieser Teil des Gebirges seine besonders malerische Gestaltung verdankt. (Nach Rothpletz.) [Vgl. S. 54.]

In anderer Beziehung lehrreich, ist das von Rothpletz entworfene genetische Profil des Karwendels. Man sieht auf dem oberen Bilde, wie durch Bruchspalten schon vor dem Tertiär (also da zu oberst noch Kreide auflagert, etwa erst von der mittleren Kreide an) eine Zusammenschiebung und Gebirgsbildung einsetzte, die hypothetisch etwa eine Vorstellung von der mittleren Karwendelkette zur Kreidezeit vermittelt. Dann setzte erst im Tertiär der (jetzt noch dauernde) Schub von Süden ein, der das Bruchgebirge nachträglich noch einmal faltete und überschob und die wahre Ursache der wirklich abenteuerlichen Berggestalten ist, die das Falzturntal, die Eng, das Roßloch, die Riß und das Vompertal umstehen.

Diese, in ihren Grundzügen nicht bezweifelbaren Verhältnisse bedingen es, warum ich auf dem Profil des Münchner Untergrundes die alpine Faltung nur mehr schwach, auch keineswegs tiefer, als bis zum Karbon wirkend, annehmen durfte, denn es ist nicht nur das Ausklingen der Hebungskräfte, sondern auch ihr nur sehr oberflächlicher Verlauf überaus wahrscheinlich. Dagegen beeinflußten die Bruchspalten dieses Bild auf das nachhaltigste.

Betrachtet man die Karte Süddeutschlands mit dem geschulten Auge des Geographen, so nimmt man sofort wahr, daß von den Alpen bis zur Donau eine ganz einförmige, offenbar also einem Bildungsgesetz entsprungene Fläche, die voralpine Hochebene von durchschnittlich 500 m Seehöhe liegt. Sie wird im Nordwesten durch den Fränkischen Jura in einer Linie begrenzt, die ziemlich mit dem Donautal zusammenfällt. Nur an wenigen Stellen treten die Kalkfelsen des Jura auch auf das Südufer über (Natternburg, Weltenburger Donauenge), sonst zeigt sich fast überall ein schroffer Gegensatz zwischen der jurassischen Umrahmung der nördlichen Talseite und dem fruchtbaren alluvialen Löß, und dem nur auf den Kuppen noch vom tertiären Sand gebildeten Hügelland der Südseite. Wie ist es möglich, daß hier der Jura in einigen hundert Kilometer Länge um 100-200 m höher steht, als das Alluvium? Nur dadurch, daß das Donautal mit einer, den Alpen annähernd parallel verlaufenden Bruchlinie identisch ist, entlang deren alles nach dem Jura Gebildete in die Tiefe sank. Eine mächtige Erdscholle, die oberbayerische Hochebene, auf der auch München steht, ist in die Tiefe hinabgeglitten gleich dem bekannten Staffelbruch des Rheingrabens, und wir haben nur im Süden nach der anderen Grenze dieser gewaltigen Erdscholle zu suchen, um uns zu vergewissern, ob sie nicht etwa in schräger Lagerung, nur einseitig herabgeschlagen nach Süden hängt.

Spuren eines mächtigen Bruches lassen sich nun allerdings auch am Alpenrande erkennen, besonders schön ausgesprochen an der imposanten Wand des Vorderen Kaisers (Naunspitze – Pyramidenspitze), die senkrecht aufgerichtet aus Wettersteinkalk und Hauptdolomit an 1500 m über den alluvialen, glazialen, auch der kretazeischen und jurassischen Bildungen nicht entbehrenden Ablagerungen im Inntal steht. Von hier zur Zugspitze verläuft der Südrand der Bruchspalte, so daß das Wort Guembels gerechtfertigt ist, wonach »das Voralpenland ein zwischen den älteren Schollen der Erdrinde eingesunkenes Becken sei, das mit jüngeren Sedimenten ausgefüllt wurde«. (Vgl. Profil auf S. 33.)

Dieser Abbruch konnte erst nach Ablagerung der Kreide erfolgen, sonst könnten nicht die Kalke der Alb verfestigt und denudiert sein. Er stand also offenbar mit der alpinen Erhebung in Zusammenhang.

Wir haben diesen Bruch, als eine der notwendigen Zerreißungen des Zusammenhanges zwischen der deutschen Schichtendecke und der emporgehobenen alpinen Trias- und Jura-Kreidedecke, aller Wahrscheinlichkeit nach an das Ende der Kreidezeit zu setzen.

Mit ihm sinkt alles, was auf der großen bayrisch-schwäbischen Scholle stand, zur Tiefe. Der vindelizische Bergrücken versank so gut wie das Flyschgebirge, das sich wie ein zweiter Wiener Wald vor den Toren Münchens ohne ihn ausdehnen würde. Nur dort, wo die Schichten so mächtig emporgerichtet waren, daß sie auch trotz diesem an 1000 m betragenden Absinken noch aus der dadurch entstandenen Mulde herausstanden, blieb der Berggürtel der Flyschzone erhalten, wie ein schmales, dem Hochgebirge vorgelagertes Band, über das von dem mächtigen Schub von Süden her triassische Kalkschollen ganz anderen Ursprunges gewälzt wurden. Dies gilt für alle Berge des bayrischen Hochlandes, welche mit schroffen Wänden gegen Norden schauen (Herzogstand, Jocheralm, Vorderer Kaiser, Demeljoch usw.). Von ihnen ist namentlich die Benediktenwand eine solche, über den Flysch- und Kreidesockel gewälzte »wurzellose« Scholle, deren Ursprung viel weiter im Süden zu suchen ist.

Wenn man nun das auf Seite 33 wiedergegebene Profil aufmerksam betrachtet, wird man volles Verständnis für die ungeheuere Bruchspalte besitzen, die nur der Anschaulichkeit halber unmittelbar unter die Triasscholle des Benediktengebirges gesetzt wurde, in Wirklichkeit aber etwas weiter südlicher und nicht so einfach verläuft. Sie ist der Rand der großen Wanne, die sich langsam mit den nachkretazeischen Ablagerungen (mit der Molasse, dem Flinz und den diluvialen, sowie alluvialen Schottern) füllte, so daß sie jetzt wie ein Sandfaß fast bis zum Rand voll steht. Dieser Bruch war wohl nicht der einzige, durch den die oberbayrische Scholle zerbarst; es gibt z. B. Anhaltspunkte dafür, daß zahlreiche nach Süden gerichtete Brüche und Verwerfungen am Gebirgsrand, namentlich im Inntal existieren. Entsprechendes auch dort, wo die Isar und die Loisach aus dem Gebirge heraustreten. Die notwendige Folge mußten an diesen Stellen Grabeneinsenkungen sein, mit anderen Worten: Inntal, Isartal, Loisachtal, in dessen Verfolg auch die Starnberger Seemulde, sind wohl schon kretazeische, jedenfalls aber tertiäre tektonische Täler. Sie sind älter, als die heutigen Flüsse und Seen gleichen Namens. Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß auch schon in den Festlandszeiten der Kreide und des Tertiärs darin gewaltige Bergströme den Ausgang nach Norden suchten; ganz sicher ist es dagegen, daß die Gletscher der Eiszeit und die nachfolgenden Schmelzwasser der Pluvialzeit den Weg dieser Täler nur wählten, weil sie schon als Linien des geringsten Widerstandes vorhanden waren.

Das Klima dieser kretazeischen Uralpen mußte Anlaß zu dauernden, oft wiederholten und ausgiebigen Niederschlägen geben, die Bildung großer Flüsse, damit Hand in Hand auch eine sehr lebhafte Erosionstätigkeit, kann nicht bezweifelt werden. Seit der Aufrichtung der Flyschbarre und der Tiroler Kette muß demnach der gesamte Untergrund Münchens mit deren Erosionsmaterial überzogen sein, gleichgültig, ob er im Wechsel der Zeiten Festland, Sumpf oder Meer war. So wie sich heute noch in den quartären Schottern auf allen Wegen Flyschsandsteine, Nummulitenkalkgeröll, rote Mergel finden lassen, müssen diese mit Kalkgeröllen, Sand und Schlamm in Massen die obersten tausend Meter zu unseren Füßen durchsetzen. Langsam schütteten die Alpen auf 50 und 100 Kilometer Entfernung vor sich den Verwitterungsschuttkegel auf und sorgten so für die Entstehung der Hochebene, in die nunmehr Flüsse, Faltungen, Gletscher und Schmelzwasser, zuletzt der Mensch seine Spuren wie eine Skulptur in eine Platte eintrugen.

siehe Bildunterschrift

Abb. 17. Der Weg der Minima über Europa. Man erkennt einige Hauptzugstraßen, welche München immer nur in die Lage des Minimumrandes von Norden, wie von Süden bringen. (Nach Eckardt.)

Das Klima dieser Uralpen muß bereits vor dem Tertiär deswegen niederschlagsreich, wenn auch erheblich wärmer gewesen sein, weil um diese Zeit die heutige Form der Kontinente im großen bereits festlag. Von ihr und von dem Verlauf der Hochgebirge aber hängt im wesentlichen die Richtung der Zugstraßen ab, auf denen die Niederschläge bringenden Minima abziehen. (Abb. 17.) Die identische Konfiguration läßt erwarten, daß schon damals der Hauptweg über den Norden Europas ging und Südbayern jene Abwechslung von Randminima und Föhnlagen bescherte, die heute noch den Charakter des Münchener Klimas festlegen. Es ist nur anzunehmen, daß dieser Witterungstyp gemildert wurde durch erheblich höhere Durchschnittstemperatur, die zwar im Winter Fröste zuließ, aber immerhin noch erlaubte, daß die Phönixpalme und ihre Gefolgschaft die bayrischen Landschaften besiedelten, daß die Flüsse von Krokodilen belebt waren, ihre Ufer von Magnolien und Brotfruchtbäumen bedeckt, die im Verein mit Tulpenbäumen, Zimtbäumen und Lorbeerbüschen, aber auch mit Pappeln, Weiden, Ahornen, Eichen und Birken Wälder bildeten.

Nur die Saurier und die Ammoniten, sowie die Riesenschachtelhalme und Nachkommen der gigantischen Bärlappgewächse waren mit dem Ausgang der Kreidezeit aus dem Landschaftsbilde getilgt, das auch in seiner Lebensbesiedelung von nun an immer deutlicher die Züge aufweist, die es heute noch trägt.

Auf diese Art kann die Forschung den Sockel, auf dem sich das Münchner Leben der Gegenwart aufbaut, mit ziemlicher Sicherheit rekonstruieren.

Er ist arm und zeugt von einer besonders verworrenen und ereignisreichen Geschichte. Er birgt außer unerreichbarer Steinkohle keine nutzbaren Mineralien und höchstens Zementmergel in Tiefen, die kaum mehr nutzbar erscheinen, aber die Bodenwasser der Oberfläche hermetisch abschließen und vor dem Versickern bewahren.

Sein Schicksal war, vier Gebirgsruinen in sich zu bergen, also die ganze Geschichte des Lebens hindurch der Schauplatz von Störungen gewesen zu sein. Der Münchner Boden lag seit dem Archaikum immer an der Grenze zweier Welten und war stets das vermittelnde Glied ferner Zusammenhänge. Die von den ältesten Zeiten an bis zum Eintritt in die geologische Neuzeit aufgerichtete Landbarre zwischen dem deutschen Meer und dem Weltozean bestimmte von je das Schicksal dieses Bodens, separierte Altbayern von der nördlicher gelegenen Welt, ohne es völlig an den Süden anzuschließen.

Dieses tektonische Sonderverhältnis mußte sich auch von je in der Lebensgesetzlichkeit ausprägen. Nie ist die Besiedelung ganz in dem deutschen Typus aufgegangen, nie ist sie durchaus von der südlichen Welt bestimmt gewesen. Wohl haben die Alpen oder das, was vor ihnen war, stets das Schicksal des Landstriches, auf dem München erbaut ist, geprägt. Immer reichten die alpinen Faltungen, der in ihrem Gefolge zurückkehrende Erosionsschutt, die alpinen Sedimente bis hierher. Die große Aufrichtung bedingte den mächtigen, eigentlich für immer die Münchner Zukunft festlegenden Bruch, das Versinken der Scholle zwischen der Donau und dem Bergwall und damit wieder die Sonderstellung des Landes unter allen Gebieten Europas. Aber gerade dadurch wurde auch das Eingangstor geöffnet für den anderen Faktor, der ununterbrochen in die Lebens- und Klimagestaltung eingriff. Die Besiedelung von Nord und Nordost blieb immer frei. Schon zur variskischen Zeit war der Zuzug entlang dem Südhang des Gebirges, also von Nordosten her, offen, das gleiche wiederholte sich in der vindelizischen Epoche und war selbstverständlich, als die Abtragung Pässe nach Norden durch den Gebirgswall öffnete.

Die Fremdlinge kamen und wurden mit neuen Verhältnissen bekannt. Sie mußten sich mit den alpinen Einflüssen vermählen und ändern, wollten sie bleiben. Den meisten aber war München mit seinen armen Verhältnissen nur Ruhepunkt an der Zugstraße.

Das sind Gesetze, die in die Jahrmillionen zurückweisen und sich niemals geändert haben und das ganze Leben dieses Landes bestimmen. Es ist von der Gesetzlichkeit der Erdgestaltung dazu auserkoren, selbst arm, ein Übergangsplatz, der Knotenpunkt eines Verkehres zu sein, der Süd und Nordwest und Ost miteinander verbindet und der international war schon zu Zeiten, als es nur Nationen der Kopffüßler, Saurier oder Palmen gab.


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