Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil III
Henry Fielding

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Zehntes Kapitel.

Unsere Reisenden erleben ein ganz ungewöhnliches Abenteuer.

Eben als Jones und sein Freund das Ende ihres Gespräches in dem letzten Kapitel erreicht hatten, gelangten sie an den Fuß eines sehr steilen Berges. Jones blieb stehen und sah schweigend hinauf. Endlich rief er seinen Begleiter und sagte: »Partridge, ich wollte, ich wäre auf diesem Berge; man muß von seinem Gipfel eine herrliche Aussicht haben, besonders in diesem Mondenscheine; denn das bleiche Licht, das der Mond über alle Gegenstände verbreitet, ist über alle Beschreibung schön, besonders für eine Phantasie, welche gern melancholische Ideen hegt.« – »Sehr wahrscheinlich,« antwortete Partridge, »wenn aber der Gipfel am meisten geeignet sein soll, melancholische Gedanken zu erzeugen, so werden wohl am Fuße die heitersten entstehen und diese halte ich für besser. Ich versichere, mein Blut erstarrte bei Ihrer bloßen Erwähnung des Gipfels dieses Berges, der einer der höchsten in der Welt zu sein scheint. Nein, wenn wir nach etwas suchen, so möge es ein Plätzchen unter der Erde sein, wo wir uns 51 vor der Kälte schützen können.« – »Thun Sie das; nur sorgen Sie, daß Sie mich von hier aus hören können; ich werde Sie bei meiner Rückkunft rufen.« – »Sie sind doch gewiß nicht toll,« meinte Partridge. – »Ich bin es gewiß,« antwortete Jones, »wenn es Tollheit ist, auf diesen Berg hinaufzusteigen; bleiben Sie unten, da Sie schon jetzt sich so sehr über die Kälte beklagen, binnen einer Stunde bin ich gewiß wieder zurück.« – »Verzeihen Sie,« fiel Partridge ein, »ich bin entschlossen, Ihnen überall hin zu folgen.« Er fürchtete sich wirklich zurückzubleiben, denn ob er gleich in jeder Hinsicht feig war, so fürchtete er sich doch besonders vor Geistern, für welche die Nachtzeit und die Oertlichkeit ganz geeignet zu sein schienen.

In diesem Augenblicke sah Partridge ein Licht durch einige Bäume hindurch schimmern, die sehr nahe zu sein schienen. Sogleich rief er entzückt aus: »Ach, der Himmel hat endlich mein Gebet erhört und uns an ein Haus geführt; vielleicht ist es ein Wirthshaus. Lassen Sie sich beschwören, wenn Sie Mitleid mit mir und mit sich selbst haben und verschmähen Sie die Güte der Vorsehung nicht, sondern lassen Sie uns gerade auf dieses Licht zugehen. Mag es ein Wirthshaus sein oder nicht, wenn Christen darin wohnen, werden sie Personen in unserm Zustande ein Plätzchen nicht versagen.« Jones gab endlich den ernsten Bitten Partridge's nach, und so gingen sie gerade nach dem Orte zu, von wo das Licht schimmerte.

Sie gelangten bald an das Haus oder vielmehr Häuschen. Jones klopfte mehrmals an der Thüre an, ohne eine Antwort von innen zu erhalten, weshalb Partridge, dessen Kopf voll von Geistern, Gespenstern, Teufeln und Hexen war, zu zittern anfing und sagte. »Herr, habe Erbarmen mit uns! Die Leute darin sind gewiß alle todt. Ich sehe jetzt auch kein Licht mehr, ob ich gleich dasselbe 52 noch den Augenblick vorher bemerkte. Ich habe von dergleichen schon gehört.« – »Was haben Sie gehört?« fragte Jones. »Die Leute schlafen entweder sehr fest oder fürchten sich, was noch wahrscheinlicher ist, ihre Thüre zu öffnen, da das Haus einsam steht.« Darauf rief er laut und endlich fragte eine alte Frau, die ein Fenster oben öffnete, wer sie wären und was sie wollten? Jones antwortete, sie wären Reisende, hätten sich verirrt und wären, da sie ein Licht hier gesehen, auf dasselbe zugegangen, in der Hoffnung, ein Feuer zu finden, an dem sie sich wärmen könnten. »Wer Ihr auch sein möget,« sagte die Frau; »Ihr habt hier nichts zu schaffen und ich öffne in dieser Nachtzeit die Thüre Niemanden.« Partridge, dem der Klang einer menschlichen Stimme die Furcht ganz vertrieben hatte, begann nun auf das flehendlichste zu bitten, die Frau möchte ihn doch nur auf einige Minuten an das Feuer lassen und sagte, er sei fast erfroren. Er versicherte, der Herr, welcher sie vorher angesprochen, sei einer der vornehmsten Herren im Lande, kurz er bot alle Gründe auf, welche die Frau bestimmen konnten, bis auf einen, den Jones später und zwar mit guter Wirkung hinzusetzte, das Versprechen einer halben Krone nämlich, was eine zu große Lockung war, als daß ihr eine solche Person hätte widerstehen können, besonders da sie durch die gute Kleidung unsres Helden, die sie im Mondenschein deutlich erkennen konnte, so wie durch sein artiges Benehmen von ihrer ersten Besorgniß, es möchten Diebe sein, völlig zurückgekommen war. Sie willigte also endlich ein, sie in das Haus zu lassen, wo Partridge zu seiner großen Freude ein gutes Feuer fand.

Der arme Mann hatte sich indeß kaum aufgewärmt, als die Gedanken, welche in seinem Kopfe immer obenauf waren, ihn zu beunruhigen begannen. An nichts glaubte er fester als an Zauberei, und der Leser wird sich keine 53 Gestalt denken können, welche eine Hexe besser vorstellen kann als die alte Frau, welche vor den beiden Reisenden stand. Hätte sie unter der Regierung Jacob's I. gelebt, so würde ihr bloßes Aussehen vollkommen hingereicht haben, sie an den Galgen zu bringen.

Es kamen überdies noch mehrere Umstände zusammen, welche Partridge in seiner Meinung bestärkten, z. B., daß sie, wie er damals glaubte, allein an einem so einsamen Orte und in einem Hause lebte, dessen Aeußeres schon für sie viel zu gut zu sein schien, während das Innere sehr zierlich und elegant eingerichtet war. Jones selbst war, wenn wir die Wahrheit gestehen sollen, über das, was er sah, nicht wenig überrascht, denn, nicht genug, daß das Zimmer höchst reinlich aussah, war es auch mit einer großen Menge zierlicher Kleinigkeiten und Merkwürdigkeiten ausgeschmückt, welche die Aufmerksamkeit eines Kenners gefesselt haben dürften.

Während Jones diese Gegenstände bewunderte und Partridge in dem festen Glauben, daß er sich in dem Hause einer Hexe befinde und deshalb zitternd, dasaß, sagte die alte Frau: »ich hoffe, meine Herren, Sie werden sich so sehr als möglich beeilen, denn ich erwarte eben meinen Herrn und möchte nicht, wenn Sie mir auch das Doppelte gäben, daß er Sie hier träfe.« – »Ihr habt also einen Herrn?« fragte Jones; »nun, Ihr werdet mir's nicht übel nehmen, ich wunderte mich auch sehr, alle diese schönen Dinge in Euerm Hause zu finden.« – »Ach, Herr,« antwortete sie, »wenn der zwanzigste Theil von diesen Dingen mein wäre, würde ich mich für eine reiche Frau halten. Aber, guter Herr, bleiben Sie nicht länger, denn ich erwarte ihn jede Minute.« – »Er würde gewiß nicht mit Euch zürnen,« sagte Jones, »daß Ihr eine so gewöhnliche Handlung der Menschenliebe gethan.« – »Ach, guter Herr,« antwortete sie, »er ist ein seltsamer Mann, gar nicht wie andere Leute. Er geht mit Niemanden um und verläßt das Haus selten als in der Nacht, denn er will sich nicht sehen lassen und alle Leute hier in der Gegend fürchten sich ihm zu begegnen, denn sein Anzug schon reicht hin, sie zu erschrecken, wenn sie nicht daran gewöhnt sind. Sie nennen ihn den Mann vom Berge.(denn da geht er in der Nacht umher) und ich glaube, sie fürchten sich vor dem Teufel selbst nicht mehr, als vor ihm. Er würde entsetzlich zornig sein, wenn er Sie hier träfe.« – »Wir wollen den Herrn nicht böse machen,« fiel Partridge ein, zu Jones gewendet; »ich bin bereit weiter zu gehn und ganz durchwärmt. Wir wollen gehen. Hier über dem Kamine hängen Pistolen: wer weiß, sie können geladen sein.« – »Fürchten Sie nichts, Partridge,« entgegnete Jones, »ich werde Sie vor der Gefahr bewahren.« – »Was das betrifft,« fiel die Frau ein, »so thut er Niemanden etwas zu Leide, aber es ist nöthig, daß er Waffen zu seiner eigenen Sicherheit hier hat, denn sein Haus ist schon mehr als einmal angefallen worden und erst vor nicht langer Zeit glaubten wir Diebe in der Nähe zu hören. Ich habe mich oft gewundert, daß er nicht von irgend einem schlechten Menschen ermordet wird, wenn er allein, zu dieser Zeit draußen umhergeht; aber, wie gesagt, die Leute fürchten sich vor ihm und außerdem meinen sie wahrscheinlich, er habe nichts, was gestohlen zu werden verdiene.« – »Aus dieser Sammlung von Merkwürdigkeiten möchte ich schließen,« sagte Jones, »daß Euer Herr viel gereiset ist.« – »Ja, Herr, er ist sehr viel gereiset; es kann wenige Leute geben, die von allen Dingen so viel wissen als er. Ich glaube, er hat eine unglückliche Liebe gehabt oder so etwas; aber in den dreißig Jahren, die ich nun bei ihm bin, hat er nicht mit sechs Menschen gesprochen.« Dann ersuchte sie die Fremden nochmals, sie 55 möchten sich entfernen, und Partridge unterstützte dieses ihr Gesuch, Jones dagegen zog die Abreise absichtlich in die Länge, da er sehr begierig war, den außerordentlichen Mann zu sehen. Obgleich also die alte Frau jede ihrer Antworten mit dem Wunsche schloß, er möchte doch nun gehen und Partridge ihn sogar am Aermel zog, so ersann er doch immer neue Fragen, bis die Frau erschrocken erklärte, sie höre ihres Herrn Zeichen. In demselben Augenblicke hörte man draußen an der Thüre mehrere Stimmen ausrufen: »Gleich zeigt uns Euer Geld! Euer Geld oder wir schlagen Euch das Hirn durch die Ohren heraus.«

»Ach du lieber Gott!« rief die alte Frau, »schlechte Kerle haben gewiß meinen Herrn angefallen. Was soll ich thun? Was soll ich thun?« – »Sind diese Pistolen geladen?« fragte Jones. – »Ach, guter Herr, es ist nichts drin. Ermorden Sie uns nicht!« (denn sie hielt jetzt die im Hause nicht für besser als die draußen). Jones antwortete nicht, sondern riß ein altes breites Schwerdt von der Wand und eilte hinaus, wo er den alten Herrn im Kampfe mit zwei Kerlen fand, die er um Gnade anflehete. Jones fragte nicht lange, sondern fing an, das Schwerdt so rasch und kräftig zu brauchen, daß die Kerle ihre Beute bald losließen und, ohne sich gegen unsern Helden zu wenden, das Hasenpanier ergriffen. Er selbst verfolgte sie nicht, da er vollkommen damit zufrieden war, den alten Herrn befreit zu haben. Auch hatte er die Räuber recht arg zugerichtet, denn sie jammerten und wehklagten sehr, als sie entflohen und riefen, sie wären verloren.

Jones beeilte sich, den alten Mann aufzuheben, der im Kampf niedergeworfen worden war, und fragte besorgt, ob er verletzt sei. Der Mann sah einen Augenblick Jones verwundert an und sagte sodann: »nein, ich bin nicht verwundet, ich danke Ihnen. Gott sei mir gnädig!« 56 – »Ich sehe, Sie sind nicht ganz ohne Besorgniß selbst vor denen, die das Glück hatten, Sie befreien zu können; doch kann ich sie darum nicht tadeln. Beruhigen Sie sich aber, denn Sie haben keine Ursache zu Besorgniß; wir sind Freunde. Wir hatten uns in der kalten Nacht verirrt und nahmen uns die Freiheit, uns an Ihrem Feuer zu wärmen; wir wollten uns eben wieder entfernen, als wir Sie um Hilfe rufen hörten, die Ihnen die Vorsehung so unerwartet gesendet zu haben scheint.« – »Ja, die Vorsehung,« sagte der Alte, »wenn es so ist.« – »Es ist wirklich so,« wiederholte Jones. »Hier ist Ihr eigenes Schwerdt; ich brauchte es zu Ihrer eigenen Vertheidigung und gebe es Ihnen nun zurück.« Als der alte Mann das Schwerdt, das von dem Blute seiner Feinde befleckt war, schaute, sah er Jones einige Augenblicke fest und unverwandt an und sagte endlich mit einem Seufzer: »Sie werden mir verzeihen, junger Herr; ich war nicht immer mißtrauisch, auch bin ich nicht undankbar.« – »So danken Sie der Vorsehung, die Ihre Befreiung veranlaßte; ich für meinen Theil habe nur die gewöhnliche Pflicht der Menschlichkeit erfüllt und nichts gethan, was ich nicht für jeden Menschen in einer ähnlichen Lage thun würde.« – »Lassen Sie mich Ihr Angesicht noch etwas länger sehen,« sprach der Alte. »Sind sie ein menschliches Wesen? Vielleicht sind Sie es. Kommen Sie, gehen Sie in mein Häuschen mit herein. Sie sind wirklich mein Befreier gewesen.«

Die alte Frau fürchtete sich vor ihrem Herrn und fürchtete für ihn; größere Furcht aber fühlte wo möglich Partridge. Die Frau jedoch beruhigte sich bald, als sie ihren Herrn freundlich mit Jones sprechen hörte und erfuhr, was geschehen war; Partridge aber hatte den Mann kaum erblickt, als ihm der Anzug desselben noch weit größere Furcht einflößte, 57 als die Beschreibung, die er von ihm vernommen oder der Lärm vor der Thüre, in ihm schon hervorgebracht hatten.

Allerdings hätte das Aeußere des Mannes wohl auch einen Festern einigermaßen zum Schauern bringen können. Der Mann war nämlich ungewöhnlich groß und hatte einen langen schneeweißen Bart. Bekleidet war er mit einer Eselshaut, der man einigermaßen die Form eines Rockes gegeben hatte. Er trug Stiefeln an den Beinen und eine Mütze auf dem Kopfe, aber auch diese waren aus dem Felle von Thieren gemacht.

Sobald der Greis in sein Haus getreten war, wünschte ihm die Frau Glück wegen seiner Rettung aus den Händen der Räuber. »Ja, ich bin ihnen entgangen, Dank sei es meinem Retter,« entgegnete er. – »Gott segne ihn!« fiel sie ein; »er ist gewiß ein guter Mensch. Ich fürchtete, Sie würden mir zürnen, daß ich ihn eingelassen, und ich hätte es gewiß auch nicht gethan, wenn ich nicht im Mondenscheine gesehen, daß er ein anständiger Herr und fast erfroren war. Gewiß hat ihn ein guter Engel dahergeführt und mich geleitet, daß ich die Thüre aufschloß.« – »Es thut mir leid,« sagte der alte Mann zu Jones, »daß ich nichts in dem Hause habe, das Sie essen oder trinken können, Sie müßten denn einen Schluck Branntwein annehmen wollen; davon kann ich Ihnen etwas vorzügliches geben; ich habe ihn dreißig Jahre hier.« Jones lehnte dieses Anerbieten höflich ab und der Alte fragte ihn sodann, wohin er wanderte, als er sich verirrt. »Ich muß gestehen, daß ich mich wundere, einen jungen Mann wie Sie zu Fuße in dieser Zeit reisen zu sehen. Sie sehen nicht aus wie Einer, der immer ohne Pferde zu reisen pflegt.«

– »Der Schein trügt,« antwortete Jones; »die Menschen sehen oft aus wie das, was sie nicht sind. Ich bin 58 nicht aus der Gegend hier und wohin ich reise, weiß ich eigentlich selbst nicht.«

»Wer Sie auch sein mögen und wohin Sie reisen,« fuhr der alte Mann fort, »ich bin Ihnen Verbindlichkeiten schuldig, die ich nicht erwiedern kann.«

– »Ich wiederhole noch einmal,« entgegnete Jones, »daß Sie mir keine Verbindlichkeiten schuldig sind, denn es kann kein Verdienst sein, das für Sie gewagt zu haben, was für mich keinen Werth hat. Nichts ist in meinen Augen so verächtlich als das Leben.«

»Es thut mir leid, junger Mann,« sagte der Greis, »daß Sie in Ihren Jahren bereits Ursache haben sollten, unglücklich zu sein.«

»Ich bin wirklich,« antwortete Jones, »der unglücklichste Mensch.« – »Vielleicht hatten Sie einen Freund oder eine Geliebte?« fragte der Andere. – »Sie erwähnen zwei Worte, die mich zur Verzweiflung treiben können.« – »Eines davon reicht schon hin, einen Mann zur Verzweiflung zu bringen,« entgegnete der alte Mann; »ich frage nicht weiter; vielleicht hat mich meine Neugierde bereits zu weit geführt.«

– »Ich für meinen Theil,« fiel Jones ein, »kann eine Leidenschaft nicht tadeln, welche ich in diesem Augenblicke auf das Stärkste fühle. Sie werden mir verzeihen, wenn ich Sie versichere, daß Alles, was ich gesehen und gehört habe, seit ich dieses Haus betrat, die größte Neugierde in mir rege gemacht hat. Sie müssen durch etwas ganz Außergewöhnliches zu dieser Lebensweise gebracht worden sein und ich fürchte, daß auch Ihre Geschichte nicht ohne Unglück ist.«

Der alte Mann seufzete und schwieg einige Minuten lang; endlich aber blickte er Jones ernsthaft an und sagte: »wie ich gelesen habe, ist ein gutes Gesicht ein 59 Empfehlungsbrief; ist dem so, so kann Niemand besser empfohlen sein, als Sie. Wenn ich mich nicht aus anderer Rücksicht zu Ihnen hingezogen fühlte, müßte ich der undankbarste Unmensch auf Erden sein, und es thut mir leid, Ihnen auf keine andere Weise als durch Worte meine Dankbarkeit bezeugen zu können.«

Jones entgegnete nach kurzem Zögern, er könne ihm durch Worte einen sehr großen Dienst erzeigen. »Ich habe meine Neugierde bekannt; brauche ich Ihnen zu sagen, wie sehr verbunden ich Ihnen sein würde, wenn Sie dieselbe befriedigen wollten? Wollen Sie mir also die Bitte erlauben, mich, wenn Sie sonst davon nicht abgehalten sind, die Gründe wissen zu lassen, welche Sie veranlaßten, sich so von der Gesellschaft der Menschen zurückzuziehen und eine Lebensweise zu beginnen, zu welcher Sie offenbar nicht geboren wurden?«

»Nach dem, was geschehen ist, glaube ich Ihnen kaum irgend etwas verweigern zu dürfen,« antwortete der alte Mann. »Wünschen Sie also die Geschichte eines Unglücklichen zu hören, so werde ich Ihnen dieselbe erzählen. Sie haben ganz Recht, wenn Sie meinen, es liege in dem Schicksale derer, welche die Gesellschaft fliehen, meist etwas Ungewöhnliches, denn wie seltsam, wie widersprechend es auch scheinen mag, so ist es doch gewiß, daß hauptsächlich große Menschenliebe uns geneigt macht, die Menschen zu meiden und zu hassen, nicht sowohl wegen ihrer besonderen und selbstsüchtigen Laster, sondern wegen der relativen, z. B. Neid, Bosheit, Verrath, Grausamkeit und andern Arten des Uebelwollens. Dies sind die Laster, welche die wahre Menschenliebe verabscheut, die lieber die Gesellschaft ganz meidet, als jene Laster immer zu sehen. Sie scheinen mir, und ich will Ihnen damit kein Compliment machen, keiner von denen zu sein, die ich hassen und meiden würde; 60 ja es scheint nach den wenigen Worten, die Sie fallen ließen, unsere Geschichte etwas Aehnliches zu haben. Ich hoffe indeß, die Ihrige werde ein besseres Ende nehmen.«

Es folgten nun einige Complimente zwischen unserm Helden und dessen Wirthe, der sodann seine Erzählung beginnen wollte; Partridge unterbrach ihn. Die Angst hatte denselben jetzt so ziemlich verlassen, wenn auch noch einige Wirkungen seines Schreckens zurückblieben. Er erinnerte nämlich den Alten an den Branntwein, den derselbe erwähnt. Dieser wurde sogleich gebracht und Partridge nahm ein großes Glas voll zu sich.

Der Greis begann darauf ohne weitere Vorrede, was man in dem folgenden Kapitel lesen kann.


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