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Zweites Kapitel.

Von Herrn Joseph Andrews, seiner Geburt, Familie, Erziehung und großen Naturgaben; nebst einigen Worten, Ahnen und Vorfahren betreffend.


Herr Joseph Andrews, der Held unserer Geschichte, wurde für den einzigen Sohn von Gaffer und Gammer Andrews gehalten; und er war der Bruder der berühmten Pamela, deren Tugend jetzt so allgemein bekannt ist. Wir haben uns alle mögliche Mühe gegeben, über seine Voreltern etwas in Erfahrung zu bringen, aber mit wenig Erfolg, indem wir sie nicht über seinen Urgroßvater hinaus verfolgen konnten, welcher, wie ein alter Mann im Orte von seinem Vater gehört haben will, ein vortrefflicher Klopffechter gewesen sein soll. Ob unsers Helden Verwandtschaft in aufsteigender Linie noch weiter reiche, müssen wir dem neugierigen Leser selbst zu entscheiden überlassen, da wir keine sichern Urkunden hierüber vorzulegen haben. Wir können jedoch nicht umhin, folgende Grabschrift einzurücken, die ein gelehrter Freund uns mitgetheilt hat.

Steh, Wandrer, unter diesem Stein
Liegt Andrew, einst ein lust'ger Mann;
Freu' sich des Lebens, wer's noch kann,
Denn bald wird Jeder traurig sein.

Die Worte sind durch die Länge der Zeit fast von dem Stein verwischt; doch ist es unnöthig zu bemerken, daß Andrew hier ohne »s« geschrieben, und überdem nur ein Taufname ist. Mein Freund vermuthet überdem, daß erwähnter Andrew der Gründer jener Sekte lachender Philosophen gewesen sei, die wir seitdem hier zu Lande lustige Andrese ( Merry-Andrews) zu nennen pflegen. Abgesehen von diesem, den strengen Regeln der biographischen Schreibart gemäß zwar angeführten aber nicht besonders wesentlichen Umstande, gehe ich nun zu wichtigern Dingen über. Es ist in der That sicher genug, daß Joseph so viel Vorfahren hatte, als der beste Mann auf Erden, und wenn wir fünf- oder sechshundert Jahre zurückgehen, so möchte er vielleicht mit einigen Personen verwandt sein, die jetzt eine große Rolle spielen, wenn schon deren Vorfahren die Hälfte des letzten Jahrhunderts hindurch in gleicher Dunkelheit begraben liegen. Angenommen aber auch, wir geben der Argumentation wegen zu, er habe durchaus keine Vorfahren gehabt, sondern sei, nach einem sprichwörtlichen Ausdruck unserer Zeit »aus dem Dünger entsprossen,« wie die Athenienser aus der Erde entsprungen zu sein behaupteten – würde dieser Autokokopros (wie er denn etwa auf griechisch heißen müßte) nicht gerechten Anspruch auf allen Ruhm haben, den er seinen eigenen Tugenden verdankte? Wäre es nicht hart, wenn ein Mann, der keine Vorfahren hatte, dadurch unfähig werden sollte, Ehre zu erwerben; da wir so viele, die aller Tugend entbehren, der von ihren Voreltern erworbenen Ehre sich erfreuen sehen?

Joseph kam nach zurückgelegtem zehnten Jahr (zu welcher Zeit seine Erziehung bereits bis zum Lesen und Schreiben vorgerückt war) als Lehrling dem Statut gemäß in das Haus des Sir Thomas Borby, eines Onkels des Herrn Borby von väterlicher Seite. Da Sir Thomas damals eine eigene Besitzung hatte, so wurde der junge Andrews zuerst damit beschäftigt, die Vögel zu verscheuchen. Sein Beruf war der von den Alten dem Gott Priapus überwiesene, welche Gottheit man jetzt bei uns Jack o' Lent nennt; da aber seine Stimme so melodisch war, daß sie die Luftbewohner mehr anlockte, als zurückschreckte, so wurde er bald von den Feldern in den Wald versetzt, wo er unter dem Förster den Posten eines Hundejungen versah. Aber auch zu dieser Stelle machte seine liebliche Stimme ihn untauglich, denn die Hunde zogen deren Wohllaut, wenn er schalt, allen Anlockungen des Försters vor, und dieser wurde dadurch so aufgebracht, daß er Sir Thomas bat, dem Knaben eine andere Bestimmung zu geben, indem er ihm fortwährend jeden Fehler zur Last legte, den die Hunde sich zu Schulden kommen ließen, und Joseph wurde jetzt in den Stall versetzt. Hier gab er bald Beweise einer für sein Alter ungewöhnlichen Kraft und Gewandtheit, und ritt fortwährend die muthigsten und wildesten Pferde mit einer Unerschrockenheit, die Jeden in Erstaunen setzte, in die Schwemme. Während er diesen Posten bekleidete, ritt er mehreremale auf der Rennbahn für Sir Thomas, und zwar mit einer Schnelligkeit und einem Erfolge, daß die benachbarten Gutsbesitzer häufig vor dem Baronet sich den kleinen Joey (wie er genannt wurde) zu ihren Wettrennen erbaten. Die besten Spieler fragten immer, bevor sie auf eine Wette eingingen, welches Pferd der kleine Joey reiten würde, und die Wetten wurden mehr auf den Reiter als auf das Pferd selbst gestellt; zumal seitdem er eine angebotene Bestechung bei einer solchen Gelegenheit verächtlich zurückgewiesen hatte. Dieses hob sehr seinen Ruf, und gefiel der Lady Borby so, daß sie ihn (der jetzt 17 Jahr alt war) als Lakaien in ihre eigenen Dienste verlangte. Joey wurde nun vom Stalle berufen, seiner Gebieterin aufzuwarten, ihre Aufträge auszurichten, beim Thee hinter ihrem Stuhle zu stehen, und ihr Gebetbuch in die Kirche zu tragen, wo seine Stimme ihm Gelegenheit darbot, sich beim Psalmsingen auszuzeichnen. Er bezeigte sich überhaupt in jeder Beziehung beim Gottesdienst so andächtig, daß er die Aufmerksamkeit des Pfarrers, Herrn Abraham Adams, erregte, der eines Tages, als er in des Sir Thomas Küche ein Glas Bier trank, Anlaß nahm, mehrere Fragen über die Religion an den Jüngling zu richten, mit dessen Antworten er sich ausnehmend zufrieden bezeigte.


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