Gustav Theodor Fechner
Nanna oder Über das Seelenleben der Pflanzen
Gustav Theodor Fechner

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XII. Stellung der Pflanze zum Tiere.

Man wendet ein: die Seele könne nicht aus dem Tierreiche in das Pflanzenreich hinabreichen, weil man sie schon im Absteigen vom Tierreiche zum Pflanzenreiche allmählich erlöschen und in der Nähe des letzteren ganz zweideutig werden sehe. Das Pflanzenreich stehe im ganzen tiefer als das Tierreich; haben aber schon die niedrigsten Tiere nichts Erhebliches mehr von Seele, so bleibe für die noch niedriger stehenden Pflanzen nichts anders übrig als eben nichts.

Polypen z. B. sind schon halb pflanzenartiger Natur. Sie sitzen, wenigstens zumeist, mit einem Stiele fest am Boden, treiben Zweige, Sprossen, manche scheinbar Blüten usw. Wie dunkel und unvollkommen sind aber auch schon bei ihnen die Zeichen der Beseelung! Kann man nun diesen noch so beweglichen, weichen Tieren höchstens einen dunkeln, trüben Rest von Seele beilegen, wie soll den ganz starren steifen Pflanzen überhaupt noch etwas davon zukommen, die, sozusagen, nur verholzte Polypen sind. Unter den niederen Geschöpfen gibt es ziemlich viele, bei denen man sich noch heute streitet, ob sie zu den Tieren oder Pflanzen zu zählenZu diesen Geschöpfen gehören unter andern die Bolvocinen, Klosterinen, Bazillarien, welche Ehrenberg unter den Infusorien aufführt und beschreibt, während sie v. Siebold (Vergl. Anat. I. 7.) in das Pflanzenreich verweist, Eckhard aber (Wiegm. Arch. 1846. H. 3.) aufs neue den Infusorien zuweist. Insbesondere über die Bazillarien (respektive Diatomeen, Desmidiaceen) ist viel Streit und Schwanken. Siebold, Kützing, Link, Mohl, Unger, Morren, Dujardin, Meyen halten sie für pflanzlich, Ehrenberg, Eckhard, Focke, Corda für tierisch. (Wiegm. Arch. 1837. II. 24. 1843. II. 372.) auch die Klosterinen werden von Meyen, Morren, Dujardin u. a. für pflanzlich erklärt. Ebenso widersprechen sich die Ansichten der Naturforscher über die tierische oder pflanzliche Natur der färbenden Materie des roten Schnees mehrfach (nach Unger und Ehrenberg z. B. pflanzlich, (nach Boigt und Meyen tierisch). Die Oszillatorien werden von Ehrenberg, Meyen u. a. zu den Algen, von Unger zu den Tieren gerechnet. Zu letzterem neigt auch Schleiden. Verschiedene Geschöpfe, welche wegen ihres Kalkgehaltes zu den Polypen gerechnet worden sind, nämlich Corallina, und die damit verwandten Galaxaura, Halimedea, Udotea, Acetabulum, Melobesia, Jania usw. hat Kützing (Anat. d. Tange S. 8) als Tange aufgeführt, und es dabei unentschieden gelassen, ob die Spongien tierischer oder pflanzlicher Natur sind. In betreff der Spongien und Spongillen wird auch sonst vielfach geschwankt. Die Spongillen insbesondere werden von Dujardin und von Laurent (Wiegm. Arch. 1839. II. 197. 1841. II. 411.) für Tiere, von Johnston und von Hogg (ebendas. 1839. II: 197. 1841. II. 409. 1843. II. 363.) für Pflanzen erklärt. Die Milliporen werden von Link und Blainville für anorganische Absätze von kohlensaurem Kalk angesehen, demnach in das Mineralreich verwiesen, von Ehrenberg und Lamarck für Zoophyten, von Rapp und Philippi für Pflanzen erklärt. (Wiegm. Arch. 1837. I. 387.) ; und dieser Streit fällt mit dem zusammen, ob Zeichen der Seele bei ihnen zu finden oder nicht; so zweideutig werden diese Zeichen hier. Wenn nun schon Zweifel, ob Seele, wo die Entscheidung zwischen Tier und Pflanze noch schwankt, kein Zweifel mehr, daß keine Seele, wo die volle Entscheidung zur Pflanze erfolgt ist.

Inzwischen kommt es bloß darauf an, dies Argument triftig zu fassen, so wendet es sich ganz auf die entgegengesetzte Seite.

Was gibt uns zuvörderst ein Recht, in den Polypen, Infusorien u. a. sogenannten unvollkommeneren, im Grunde aber nur einfacheren Tieren bloß zweifelhafte Spuren von Seele zu finden? Statt der Zeichen eines dunkeln, trüben Rests von Seele kann ich nur die Zeichen eines einfachen und sinnlichen Spiels derselben bei ihnen finden. Die große Empfänglichkeit dieser niederen Tiere für verschiedene Reize, die deutliche Unterscheidungsgabe, welche sie dafür besitzen, die Lebhaftigkeit und Entschiedenheit ihrer Bewegungen, die bestimmte Richtung, welche sie denselben auf bestimmte Zwecke geben, der dabei wahrzunehmende Charakter der Willkür, das entschiedene Widerstreben, mit dem sie Eingriffen in ihre natürlichen Lebensverhältnisse begegnen, der Kampf, in den sie untereinander selbst geraten, dies alles spricht ganz gegen ein unentschiedenes, stumpfes, im unbewußten Naturleben noch halb aufgehendes Seelenleben derselben.

Sehen wir die Lebenserscheinungen der Polypen nur näher an, und es dürfte sich zeigen, daß die scheinbare Undeutlichkeit ihrer Seele in der Tat bloß an der wirklichen Undeutlichkeit ihrer Betrachtung hängt.

Wird ein ausgestreckter Armpolyp (Hydra) berührt, oder das Wasser, in dem er sich befindet, erschüttert, so zieht er sich plötzlich zu einem kleinen Klümpchen zusammen; gewiß ein Zeichen lebhafter Empfindlichkeit. Er geht dem Lichte nach, und stellt man ein Glas mit mehreren Polypen hin, so findet man nach einiger Zeit alle an der Lichtseite hängen. Der Polyp hat also mehrerlei Sinnesempfindungen. Er ist ungeheuer gefräßig, hascht begierig mit seinen Fangarmen umher nach Beute, und zwei Polypen streiten sich öfters um selbige. Das sind doch Zeichen lebhafter Begierden. Er wählt und unterscheidet sehr bestimmt zwischen seiner Kost, indem er bloß tierische Kost genießt, Pflanzenkost zurückweist; auch unter der tierischen Kost macht er Unterschiede, indem er namentlich Polypen der eigenen Art gar nicht ergreift, auch wenn man ihn hungern und diese auf seine ausgebreiteten Arme fallen läßt, während er Tierchen, die er gern frißt, bei der ersten Berührung ergreift. Hier zeigt sich deutliche Unterscheidungsgabe (Trembley).

Was hat man nach allem im Polypen anders als ein Wesen von recht ausgebildeter Sinnlichkeit, wenn auch vielleicht nichts weiter? Das ganze Seelenspiel desselben dreht sich um Befriedigung dieser Sinnlichkeit auf kürzestmöglichem Wege. Aber sinnliche Empfindungen und Begierden können die allerheftigsten und entschiedensten sein, und die Einfachheit des Spiels, in dem sie begriffen sind, begünstigt eher ihre Stärke und Entschiedenheit. Man blicke nur auf die einfachsten und rohsten Menschen. Haben sie weniger heftige und entschiedene Begierden als die gesittetsten und gebildetsten? Dunkel kann man freilich ein solches Seelenleben insofern nennen, als das höhere Licht der Vernunft fehlt. Aber das Licht der Sinnlichkeit kann in seiner Art so hell brennen wie das höhere Licht der Vernunft, wie Fett so hell wie Äther brennt; und ein niedrig stehendes Licht erleuchtet den kleinen Raum, über den es reicht, nur um so greller.

Was von Polypen gilt, gilt auch von Infusorien, so weit wir, bei ihrer Kleinheit, die Lebensart derselben verfolgen können. Sie zeigen zum Teil die lebhaftesten Bewegungen mit allen Charakteren tierischer Willkür; und wenn nicht alle so regsam sind, so gibt es ja auch Faultiere unter den höheren Tierklassen, und kann man, wie früher erörtert, überhaupt in der Lebhaftigkeit äußerer Bewegungen nicht den einzigen Maßstab für die Lebhaftigkeit innerer Empfindungen suchen.

Unstreitig, ja bis zu gewissen Grenzen leicht verfolgbar, hängt das einfachere und sinnlichere Seelenleben dieser niederen Wesen mit ihrer einfacheren körperlichen Organisation zusammen. Die Natur hat vom Menschen bis zu den niedersten Tieren eine große Skala in dieser Beziehung durchlaufen; aber es ist eben keine Skala der Stärke und Deutlichkeit, sondern der Verwickelung, Höhe und Bedeutung des Seelenlebens, die hiermit durchlaufen wird. Beides sollte man nicht verwechseln, wie es doch im obigen Argumente geschieht.

In gewisser Weise (nur recht verstanden) lassen sich die Organismen als Maschinen fassen, welche aber, ungleich unseren künstlichen Maschinen, die Kraft zu ihrem Umtriebe in sich selbst erzeugen, und die Erzeugung wie Verwendung mit Bewußtsein begleiten, mit Gefühl durchdringen, indem sie, statt zum mittelbaren Dienste einer ihnen äußern Seele, zum unmittelbaren Dienste einer inneren bestimmt sind. Im übrigen zeigen sie ähnliche Verhältnisse größerer oder geringerer Komplikation wie unsere Maschinen, und, je nachdem es der Fall, genügen sie ebenso komplizierteren oder nur einfacheren Zwecken. Nun malt die einfachste Kaffeemühle ihren Kaffee doch noch so gut, wie die Schnellpresse ihr kompliziertes Druckgeschäft verrichtet. Und ich denke, wenn jede unserer Maschinen das, was ihr obliegt, durch eigene Kraft und mit eigenem Bewußtsein vollführte, würde auch die Kaffeemühle ihr Geschäft noch so gut damit beherrschen, mit Gefühl durchdringen wie die Schnellpresse. Nicht die Entschiedenheit oder Intension, nur, was man Höhe des Bewußtseins nennt, würde geringer sein; sofern der einfachere Zweck auch eine geringere Überschauung fordert. Wie wir es uns nun hier am besten denken können, wird es unstreitig wirklich bei den Organismen sein. An der zunehmenden Komplikation der Organisation wird auch eine zunehmende Höhe aber nicht Stärke und Entschiedenheit des Bewußtseins hängen. Es treten in der verwickelteren Organisation Beziehungen zu Beziehungen hinzu, und höhere Beziehungen über niederen auf, die in der einfacheren Organisation fehlen, und weil sie fehlen, fehlt auch das Bewußtsein dazu. Aber das Bewußtsein der einfachsten und untersten Beziehungen kann so wach, kräftig, lebendig, entschieden sein wie das der obersten, ja leicht entschiedener und lebendiger; weil jede Komplikation Kraft verzehrt, und wo sie für das Organische schwindet, wird sie zugleich für das psychische schwinden.

Gesetzt also, die Pflanzen wären wirklich noch einfacher organisiert als Polypen und Infusorien, so würde darin noch kein bindender Grund liegen, ihre Seele für weniger wach und lebendig zu halten als die dieser Tiere selbst, die sich wach und lebendig genug zeigt. Es bewiese nur für eine noch einfachere und niedrigere Art ihres Seelenlebens.

Nun kann aber nicht einmal zugegeben werden, daß die ausgebildetsten Pflanzen einfacher organisiert sind als die einfachsten Tiere, mithin das Pflanzenreich in diesem Betracht ganz und gar unter dem Tierreiche stehe, wenn gleich, im ganzen und großen betrachtet, dies Verhältnis zwischen beiden Reichen richtig bleibt, sofern nirgends im Pflanzenreiche die Organisation bis zu einer solchen Verwicklung gediehen ist wie in den höheren Klassen des Tierreiches. Jedenfalls aber erhebt sich das Pflanzenreich wie das Tierreich von dem zweideutigen Zwischenreiche, wo man nicht recht weiß, ob Tier, ob Pflanze, wieder zu größeren Verwicklungen, und dies kann also nicht anders als den Schluß begründen, daß die mit der organischen Verwicklung zunehmende Entwickelung der Seelentätigkeit, anstatt vom Zwischenreiche aus durch das Pflanzenreich noch weiter zu sinken, vielmehr durch dasselbe, wenn auch nach anderer Richtung, wieder aufsteigt.

Dem kommt folgende Betrachtung zu Hilfe: Nach unzweifelhaften Resultaten der Geologie über die fossile Welt waren Würmer und Schaltiere auf der Welt eher da als Amphibien, diese eher als Vögel und Säugetiere, diese eher als der Mensch, kurz, es ging, im ganzen und großen betrachtet, die Schöpfung jeder niedriger gestellten Tierklasse der jeder höhern voran, und zwar wohl um viele tausend Jahre. Innerhalb des Pflanzenreichs zeigt sich im ganzen und großen ein ähnlicher Fortschritt der Schöpfung von niederen zu höher gestellten Organisationen. Sollte also das Pflanzenreich schlechthin unter dem Tierreiche stehen, so würde man notwendig voraussetzen müssen, daß auch das Pflanzenreich, im ganzen und großen betrachtet, vor dem Tierreiche entstanden. Nichts aber ist gewisser, als daß dies nicht der Fall; vielmehr vereinigen sich alle Resultate der Geologie dahin, daß das Pflanzenreich jedenfalls nicht vor dem Tierreiche da war; eher könnte man zweifeln, ob es nicht vielleicht später entstanden. Das Wahrscheinlichste aber bleibt ihre gleichzeitige Entstehung. Die niedrigsten Pflanzen bildeten mit den niedrigsten Tieren den gemeinschaftlichen Ausgangspunkt der organischen Schöpfung, und von da erhob sich dieselbe in beiden Reichen zugleich. Mochte sie es nun im Tierreich, wenn wir die Höhe immer nach der inneren Komplikation messen, im ganzen höher bringen; aber die höchste Höhe, zu der sie es im Pflanzenreiche brachte, ist doch bei weitem höher als die unterste im Tierreiche. Und wenn das Pflanzenreich an Höhe der Entwickelung im ganzen in Rückstand geblieben, so hat es dagegen an Reichtum äußerer Entwickelung im ganzen den Vorrang gewonnen.

Stellt man die Pflanzen als starre, steife Körper den Weichen, beweglichen Polypen gegenüber, so klingt das freilich sehr zu ihrem Nachteil; aber man kann es und hat es mit größerem Rechte anders zu stellen. Die Polypen (insbesondere Hydren) sind weiche, fast gleichförmig erscheinende Massen, in denen nur eine sorgfältige Zergliederung mühsam einige Sonderung organischer Elemente erkennt, die höheren Pflanzen aufs feinste und deutlichste in Zellen und Röhren von verschiedenster Form und Funktion gegliedert, mit strömenden Säften durchdrungen, und treiben so lebendig Blätter und Wurzeln nach Nahrung, als der Polyp Arme danach ausstreckt, nur viel breiter und weiter. — Muß es nicht ohnehin jedem gleich von vornherein als eine Absurdität erscheinen, wenn der Affenbrotbaum mit seinem mehrtausendjährigen Alter, seinem ungeheuern Wachstum in Stamm und Zweigen, und der ebenso reichen äußeren Fülle als sorgsamen inneren Ausarbeitung seiner Teile auf der Stufenleiter der Geschöpfe tiefer stehen soll als der jämmerlich kleine, roh aus dem Rohen geformte Polyp oder die noch winzigeren, so einfach organisierten Infusionstierchen, die nach kurzer Frist wieder zu dem Schleime zerflossen sind, aus dem sie nur eben aufgebaut schienen? — Mag auch das kleinste Infusionstierchen noch einen Darm haben und der größte Baum keinen; aber hat nicht schon jede Röhre im Baume, welche den Saft von unten nach oben führt, gewissermaßen die Bedeutung eines solchen Darmes? Der Affenbrotbaum ist ein ungeheures Orgelwerk, indes das Infusionstierchen ein kleinstes Pfeifchen. Und so unsäglich mehr Aufwand an Masse, Kraft und Organisation sollte die Natur für ein seelenloses als für ein beseeltes Wesen gemacht haben? Wie kommt man da mit einer vernünftigen Teleologie zurecht? Oder wird man auch hier sagen: der Affenbrotbaum ist doch für die Affen nütze? Es wäre ebenso, als wollte man sagen, die Peterskirche ist für die Tauben nütze, die darauf sitzen. Ich denke, hierüber ist in früheren Abschnitten schon genug gesagt.

Im Grunde ist man schon längst davon zurückgekommen, die organischen Geschöpfe nach dem reinen Schema einer Treppe ordnen zu wollen; es geht nicht im Tierreiche für sich, es geht nicht im Pflanzenreiche für sich; es geht aber auch ebensowenig in der Stellung des Pflanzen- und Tierreichs zueinander. Der Begriff der Höhe eines organischen Wesens, in Verhältnis zu einem anderen, ist überhaupt ein ziemlich unbestimmter und vieldeutiger, und es dürfte sich zwar finden, daß nach den meisten Beziehungen, nach welchen man die Höhe eines Geschöpfes über dem anderen messen mag, die Tiere durchschnittlich über den Pflanzen stehen, aber weder wird es noch allen Beziehungen, noch wird es so zwischen allen Tieren und Pflanzen gelten. Die ganze Betrachtung, daß die Pflanzen deshalb noch weniger Anspruch auf Seele haben als selbst die tiefstehenden Tiere, weil sie sogar noch tiefer als diese stehen, verliert hiermit von vornherein ihr ganzes Fundament. Sicher werden sie in gewisser Beziehung noch tiefer stehen, aber in anderer Beziehung unstreitig wieder viel höher: ja man kann wohl behaupten, daß jedes organische Wesen in einer gewissen Beziehung höher als jedes andere steht. Der Gesichtspunkt seiner Bildung war eben der, eine gewisse Art des Zweckes mit dieser Art Einrichtung am vollkommensten und direktesten erreichen zu lassen; nun aber werden die Triebe und Empfindungen dieses Wesens auch am vollkommensten und direktesten auf den Bezug zu diesem Zwecke, auf das Bedürfnis seiner Erfüllung, das Leid bei seinem Verfehlen, die Lust bei seinem Erreichen, eingerichtet sein müssen, sonst wäre das ganze Zweckspiel ein blindes und taubes. — Aus diesem Gesichtspunkte, der für unseren Gegenstand gerade der wichtigste ist, läßt sich eigentlich gar keine allgemeine Stufenreihe der Wesen aufstellen, oder läßt sich jedes Wesen an die Spitze einer besonderen Stufenreihe stellen, worin eben sein besonderer Zweck zum Hauptaugenpunkt genommen ist. Nun kann man freilich zwischen der Höhe oder dem Wert der Zwecke selbst unterscheiden; aber auch dies wieder nach verschiedenen Gesichtspunkten. Zuletzt kann man versuchen, um doch etwas Durchgreifendes zu haben, eine Stufenreihe nach der Unterordnung des Allgemeinen über das Besondere der Zwecke aufzustellen, und dies fällt mit dem oben angewandten und der gewöhnlichen Anordnung zugrunde liegenden Gesichtspunkt der größeren oder geringeren Verwicklung der Organisation wohl ungefähr zusammen. Es kann Geschöpfe geben, die, durch verknüpfte Berücksichtigung vieler Zwecke, zugleich einem allgemeineren, diesem übergeordneten Zwecke zu genügen imstande sind, wobei inzwischen die selbständige und unmittelbare Erfüllung jedes einzelnen Zwecks durch die Mitberücksichtigung der übrigen eine Beschränkung erleiden muß. Jm ganzen mögen solche Geschöpfe nun wohl vollkommener, in betreff des einzelnen aber eben darum um so unvollkommener heißen als die Wesen, die bloß oder vorzugsweise den einzelnen Zwecken zu genügen haben. Das beste Beispiel gibt gleich der Mensch, bei dem es sicher auf die verknüpfte Erfüllung möglichst vieler Zwecke zugleich abgesehen ist, und diese auch im ganzen am besten erzielt werden. Dagegen hat er nicht so schnelle Beine, nicht so scharfe Augen, nicht so festhaltende Krallen wie viele Tiere, nur die Kombination von all diesem ist so günstig, daß er mit den schwächern Einzelheiten doch im ganzen und mittelbar mehr leistet als die Tiere, denen er im einzelnen und unmittelbar nachsteht. Freilich auch hauptsächlich mittelst seines Verstandes; aber die psychische Organisation hängt überall mit der physischen zusammen. Das gibt kein anderes Prinzip.

Inzwischen lassen sich auch hiernach nicht alle Wesen nach einer Reihenfolge über- und untereinander stellen, da viele Zweckgebiete sich koordinieren, andere ineinander eingreifen, und die Ausführlichkeit in Erfüllung eines Zweckes nach allen seinen Momenten leicht eine allgemeinere Bedeutung gewinnen kann als die, sozusagen, nur ganz skizzenhafte Erfüllung mehrerer Zwecke. So bleibt nach allem der einfache Begriff der Höhenabstufung unadäquat, das komplexe Verhältnis, in dem die Organismen zueinander stehen, zu repräsentieren. Und wie man sich auch dieses Begriffs zur Anordnung derselben zu bedienen versuchen will, die Pflanzen werden sich nicht ganz nett unter die Tiere setzen lassen; und selbst wenn es der Fall, wird doch nur eine niedrigere sinnliche, nicht aber keine Seele sich ihnen deshalb zusprechen lassen.

Natürlich muß, wenn der Unterschied der Beseelung zwischen Tier und Pflanze wegfällt, auch der über viele Geschöpfe des Zwischenreichs geführte Streit, was man davon eigentlich Tier und Pflanze zu rechnen habe, eine neue Wendung gewinnen, oder eine Wendung, die er früher öfter genommen, verlieren. Bisher ward häufig die Seele (Willkür, Empfindung) selbst als Unterscheidungsmerkmal zwischen Tier und Pflanze in Rechnung gezogen, ohne freilich über das Dasein oder Nichtdasein der Seele anders entscheiden zu können als nach äußeren Zeichen, deren Triftigkeit selbst erst an der Voraussetzung hing, daß bloß die Tiere beseelt sind. Sind aber die Pflanzen so gut beseelt als die Tiere, so fällt eine solche Unterscheidung überhaupt weg.

Es wird nun aber auch kein so großes Interesse mehr obwalten können, zwischen Tier- und Pflanzenreich eine strenge Scheidewand festhalten und zweifelhafte Geschöpfe durchaus diesseits oder jenseits dieser Scheidewand stellen zu wollen, als bisher der Fall. Die subjektive Leidenschaftlichkeit, welche der Streit, ob Tier ob Pflanze, oft gewonnen hat, hing unstreitig selbst nur an der Voraussetzung, es handle sich dabei zugleich um Dasein oder Nichtdasein eines objektiven Quells von Leidenschaft. Schwindet diese Voraussetzung, so bleibt bloß das äußerlichere Interesse übrig, für den Klassifikations-Unterschied von Tier und Pflanze ihren leiblichen Verhältnissen nach feste Gesichtspunkte zu gewinnen; in welcher Beziehung man sich doch von vornherein übertriebener Ansprüche begeben sollte, wenn man sich der Unsicherheit aller Klassifikations-Prinzipe schon innerhalb jedes beider organischen Gebiete für sich erinnert und keinen Grund mehr sieht, warum diese Unsicherheit nicht auch von einem Gebiete aufs andere übergreifen sollte. In der Tat aber ist hierzu aller Grund weggefallen, sowie man den Pflanzen wie den Tieren Seelen zugesteht. Denn solange dies nicht der Fall, konnte man freilich glauben, der Unterschied zwischen Beseelung und Nichtbeseelung müsse sich auch in einem entsprechenden schlagenden Unterschiede auf leiblichem Gebiete aussprechen, der keine Brücke gestatte.

Meines Erachtens wird es bis zu gewissen Grenzen immer willkürlich bleiben, was und wie viel man von den Geschöpfen des Zwischenreiches auf die eine oder die andere Seite legen will. Die wenigste Willkür wird dann stattfinden, wenn der Naturforscher von den Begriffen Tier und Pflanze ausgeht, wie sie sich im lebendigen Sprachgebrauche gebildet haben, und nur dessen Unbestimmtheit zu fixieren sucht; denn sonst wäre ja alles Willkür dabei; aber eben hiermit zeigt sich, daß er doch zuletzt der Willkür nicht entgeht. Denn im Leben haben sich jene Begriffe nach einem Komplexe gewöhnlich zusammen vorkommender Merkmale ohne strenge Abgrenzung dieses Komplexes und Entscheidung über ein Hauptmerkmal gestaltet, wobei hauptsächlich die höheren Tiere und Pflanzen ins Auge gefaßt worden. Wenn aber, wie es faktisch der Fall, die Merkmale dieser Komplexe im Zwischenreiche und schon in der Annäherung dazu teils auseinanderzufallen, teils sich zu mischen und ineinander überzugreifen beginnen, so liegt die Entscheidung, welches Merkmal oder welcher engere Komplex von Merkmalen noch den letzten Ausschlag für die Wahl des Namens und die Stellung diesseits oder jenseits der verlangten Scheidewand zwischen Tier und Pflanze geben soll, eben nicht mehr in der Natur der Sache oder dem Gebrauche der Sprache, sondern rein in dem subjektiven Ermessen des Naturforschers, oder der Richtung, die er seinem Klassifikations-Prinzip willkürlich geben wollte, und die doch für andere nicht wird bindend sein können. Und was er auch als Hauptunterscheidungsmerkmal wählen will, oder welchen Komplex von Merkmalen er wählen will, und wie schlagend die Unterscheidung danach bei Gegeneinanderstellung der höheren Stufen der Pflanze und des Tieres erscheinen mag, es werden dennoch im Grenzreiche immer zweideutige und zweifelhafte Fälle eintreten, wo selbst das einzelne Merkmal irgendwie schwankend zu werden anfängt.

Zwei Hauptunterscheidungsmerkmale scheinen sich hauptsächlich zu empfehlen und sind auch wohl am häufigsten in Anwendung gezogen worden, deren eins sich auf den Bau, das andere auf die Lebensäußerungen bezieht. Nach ersterem erklärt man ein Geschöpf für Tier oder Pflanze, je nachdem es seine Nahrung mehr durch innere oder eingestülpte Flächen (Darmkanal, Magen, wozu ein Mund gehört) oder äußere ausgestülpte Flächen (Blätter, Wurzelfasern u. dergl.) in die Substanz des Körpers aufnimmt; nach dem anderen, je nachdem sein Leben nach außen sich mehr durch frei scheinende Lokomotion des Ganzen oder der Teile, oder durch bloßes Wachstum ausspricht. In der Tat scheidet sich das Pflanzen- und Tierreich in seinen höheren Stufen durch die Verbindung beider Merkmale sehr bestimmt; doch haben beide Merkmale ihrem Begriffe und der Natur des Organismus nach nichts absolut Scheidendes, wie sich auch im Zwischenreiche hinreichend zeigt, weil Einstülpung mit Ausstülpung, Lokomotion mit Wachstum sich in demselben Organismus teils kombinieren, teils in der Zeit so wechseln können, daß man nicht immer wohl sagen kann, was als überwiegend charakteristisch in Betracht zu ziehen sei; auch hängt das Merkmal, das vom Bau hergenommen ist, nicht so wesentlich mit dem von den Lebensäußerungen hergenommenen zusammen, daß immer beide in Verbindung vorkämen.

Die Unmöglichkeit, bei Beschränkung auf diese beiden Merkmale zu scharfer Unterscheidung zu gelangen, hat dann andere zu Hilfe nehmen lassen: ob sich bei den Bewegungen "die äußeren Körperumrisse durch willkürliche Kontraktion und Expansion des Körperparenchyms ändern" (Siebold); ob Wimpern, ob Füße als Bewegungsorgane erscheinen; wie die Vermehrung erfolgt; ob dieser oder jener chemische Umstand vorhanden ist. — Aber was von den vorigen Merkmalen, gilt von diesen nicht minder. Keines dieser Merkmale hat bis jetzt dem Zwecke scharfer Unterscheidung von Tier und Pflanze völlig genügt. Und dieser Umstand, daß es unmöglich fällt, Pflanzen- und Tierreich nach leiblichen Merkmalen scharf zu scheiden, kann nun selbst rückwärts als ein Argument gelten, daß auch in betreff des Psychischen keine Scheidewand zwischen beiden bestehe.

Der Mangel eines Magens und einer der tierischen ähnlichen inneren Organisation überhaupt, bei frei erscheinender Lokomotion des Ganzen oder der Teile, kommt häufig genug vor, so bei den Oszillatorien, den Algensporen und überhaupt den S. 184. Anm. angeführten Geschöpfen, über die der Streit, ob Tier oder Pflanze, besteht. Die hier nur Pflanzen sehen, sagen freilich, ihre Bewegungen seien doch keine wirklich willkürlichen Bewegungen. Aber was willkürlich hierbei und hiervon zu nennen, ist bisher immer mehr Sache eines, durch individuelle Ansichten der Beobachter bestimmten, Apercu als fester Merkmale gewesen. Ja nicht bloß die äußern Merkmale, selbst der philosophische Begriff der Willkür ist etwas so schwankendes, daß man schwerlich eine exakte naturwissenschaftliche Unterscheidung hierauf gründen kann, wie es Ehrenberg mit folgendem zu tun versucht hat: "Die Bewegungen der Tiere (sagt er) haben den Zweck willkürlicher Ortsbewegung, die Bewegungen der Algensamen usw. haben nicht den Zweck der willkürlichen Ortsveränderung, sondern nur den der individuellen Drehung und Entwickelung zur gespannten Form. Diese haben, wie es deutlich scheint, den mehr durch Äußeres (Reiz) bedingten pflanzlichen, jene den mehr durch Inneres (Willen) bedingten tierischen Charakter. Dasein und Mangel von Mund und Darm unterscheiden kräftig beide Bildungen." (Abhandl. der Berl. Akad. d. W. aus d. J. 1833. Gedr. 1834. S. 157.) Anderwärts führt Ehrenberg als Merkmal des tierischen Charakters noch die Vermehrung durch Teilung auf, die aber auch Geschöpfen zukommt, die von andern zu den Algen gezählt werden.

Wie prinziplos man überhaupt noch bei den Versuchen, Tier und Pflanze zu scheiden, schwankt, mag u. a. aus folgendem erhellen: Meyen erklärte die Klosterien usw. mit deswegen für Pflanzen, weil er in ihnen Stärkemehl gefunden; nun aber sagte man, es könnten ja auch Tiere Stärkemehl enthalten; Unger erklärte die beweglichen Algensporen deswegen für tierischer Natur, weil sie sich scheinbar frei bewegten, und zwar mittelst Wimper-Organen; nun aber sagte man (Siebold), es könnten ja auch Pflanzen sich so bewegen und Wimper-Organe haben. So sagt man, was man will, um gerade sein System zu retten. Siebold (Vergl. Anat. I. 8.) legt auf die willkürliche Kontraktion und Expansion des Körpers als Merkmal des Tieres viel Gewicht, dafür findet er sich aber veranlaßt (ebendas. S. 14) die Anwesenheit von Mund und Magen als unwesentlich zu erklären und von Tieren zu sprechen, die mit ihrer ganzen Körperoberfläche (also äußeren Flächen) den Nahrungsstoff einsaugen (so die Opalinen). Für ihn gilt also weder Mund und Magen, noch frei erscheinende Lokomotion (wenn nicht mit Kontraktion und Expansion verbunden) mehr als Merkmal des Tieres.

Die obenwähnten, in der Natur der Sache begründeten Schwierigkeiten einer festen Unterscheidung zwischen Pflanze und Tier komplizieren sich übrigens, namentlich bei kleinen Organismen, noch mit Schwierigkeiten teils der Beobachtung, teils der Deutung der Beobachtungen. Ob Magen, ob Darmkanal vorhanden, ist oft nur sehr unsicher, oft gar nicht zu entscheiden: Selbst Ehrenbergs (zuerst von Gleichen ausgeübte) berühmte Fütterungsmethode der Infusorien mit Farbstoffen wird neuerdings nicht überall mehr als entscheidender Weg hierzu anerkannt. (Siebolds Vergl. Anat. I. 15 ff.) Meyen beschreibt vielfach etwas als gewöhnliche Pflanzenzelle (in s. Algengattungen Pediastrum, Scenedesmus, Staurastrum), was Ehrenberg (in s. Polygastricis) Magen nennt; ja der Begriff einer Pflanzenzelle mit einer Öffnung und eines Magens mit einem Munde könnte möglicherweise hier und da wirklich ineinander laufen. Siebold erklärt Ehrenbergs Magen zum Teil für Tropfen unter der Hautbedeckung. Ob Ortsbewegungen durch ein Spiel von Lebenskräften entstehen, oder durch äußerliche mechanische Ursachen (wie die Brownschen Molekularbewegungen), oder nach Art der Bewegungen des Kampfers auf Wasser, läßt sich ihnen auch nicht immer leicht ansehen; und die verschiedene Voraussetzung der Beobachter bestimmt auch hier meist die Deutung. Gesetzt aber, eine Ursache von letzter Art käme ins Spiel, so begegnete uns nun noch zuletzt die mißliche Frage nach dem Unterschiede des Lebensprozesses vom unorganischen Prozesse überhaupt. So gut die Stimmbänder als Saiten schwingen, könnte eine Spore sich durch Ausstoßen eines ätherischen Öls auf Wasser bewegen (wie Schleiden früher vermutete), und doch die Bewegung noch eine lebendige und tierische heißen müssen.

Unstreitig ziemt Schärfe und Bestimmtheit jeder Wissenschaft und bedingt hauptsächlich den exakten Charakter derselben, doch scheint es mir nicht exakt, solche auch da zu suchen, wo sie in der Natur selbst nicht liegt; oder auf eine Weise zu suchen, wie sie nicht in ihr liegt. Denn bestimmt freilich ist die Natur überall, aber deshalb nicht nach solchen abgeschlossenen Allgemeinbegriffen und Typen, als wohl unserer Philosophie bequem wäre. Alle Allgemeinbegriffe und Typen der Natur greifen ineinander über, wir aber schneiden nur zu gern mit dem Messer des Systems durch die verschränkte Fuge. Ich würde mir, da ich nicht selbst Mann vom Fache, gar nicht erlaubt haben, hierüber mitzusprechen, Wenn mir nicht so manche Männer vom Fache gerade diesen Gegenstand zu sehr als Männer vom Fache zu fassen schienen. Nachdem die Fächer für die Natur einmal abgeteilt, soll sich auch die Natur derselben bedienen.

Tatsache bleibt jedenfalls, daß die Ähnlichkeiten und Übergriffe zwischen Pflanzen- und Tierreich sich überhaupt um so mehr häufen, je tiefer man in beiden Reichen absteigt, und so kann das Eintreten einer Zwischengrenze, wo der Unterschied wirklich völlig schwankend wird, an sich nichts Befremdliches haben.

Gewissermaßen kann man diese mit dem Absteigen im Tier- und Pflanzenreiche zunehmende Verähnlichung beider schon in dem Begriff der zunehmenden Einfachheit beider bedingt finden; es treten aber bei Annäherung an das unentschiedene Grenzreich von einer Seite her selbst Übergriffe in charakteristische Eigentümlichkeiten höherer Stufen der anderen Seite ein. Wieviel Stengliches, Verzweigtes, Sprossendes, Rankendes, Blätteriges, Blütenähnliches, Spirales gibt es um die untere Grenze des Tierreiches; man möchte sagen, das Tierreich spiele hier Maskerade unter Verkleidung als Pflanzenreich. Umgekehrt verlieren in den niederen Stufen des Pflanzenreichs die Pflanzen zum Teil ihren verzweigten, blätterigen Typus, es treten hier rundliche Formen, wie in den Pilzen, dort gegliederte Formen, wie bei den Konserven auf (was wenigstens undeutliche Annäherungen an das höhere Tierische sind). Man denke weiter an die Ähnlichkeiten, welche niedere Tiere mit Pflanzen dadurch gewinnen, daß sie sich in ähnlicher Weise ohne Nachteil für das Leben teilen und durch Teilung vermehren lassen, und wie umgekehrt niedere Pflanzen (viele Algen) frei bewegliche Junge gebären (wovon unten mehr). Man hat neulich Holzfaserstoff in den Hüllen mehrerer ziemlich niedrig stehenden Tiere (in dem Mantel der Aszidien und übrigen salpenartigen Tunikaten) entdeckt; umgekehrt sind die Pilze bekannt wegen ihres Reichtums an den tierischen ähnlichen Stoffen usw.

In betreff der Formähnlichkeit der niederen Tiere mit höheren Pflanzen betrachte man z. B. (etwa auf den Kupfertafeln zu Ehrenbergs großem Infusorienwerke) die Ähnlichkeit der Vortizellen mit blumentragenden verzweigten Pflanzen; woher sie selbst den Namen Blumentierchen führen. Besonders reich aber ist die Klasse der korallenartigen Tiere an Ähnlichkeiten mit Pflanzen. Als gut geeignet, dies ins Licht zu stellen, teile ich hier folgenden (wörtlichen) Auszug aus einer Schilderung mit, die ein Naturforscher (Dana) von diesen Tieren gibt. Überall Ausdrücke (hier im Druck hervorgehoben), die an Pflanzliches erinnern.

"Der zusammengesetzte Bau der Korallentiere ist eine Folge ihrer Knospenbildung, aus welcher alle ihre mannigfaltigen Formen hervorgehen. Einige derselben, als die Madreporen,

Gorgonien, Asträen usw. sind hinreichend bekannt und allgemein für die am häufigsten vorkommenden, wenn nicht gar für die einzigen Formen, gehalten worden; es herrscht indes unter ihren Gestalten eine ungeheure Mannigfaltigkeit; einige wachsen als übereinander gerollte, einem Kohlkopfe ähnliche Blätter, andere bestehen aus zarten, gekräuselten, unregelmäßig angeordneten Blättchen. Die Oberfläche jedes Blattes ist mit Polypenblüten bedeckt, durch deren Wachstum und Sekretion es entstanden ist. Nicht minder ließen sich Ähnlichkeiten mit einem Eichen- und Akanthuszweige, mit Pilzen, Moosen und Flechten auffinden. Die Gefäßmadreporen ruhen auf einer zylindrischen Basis, die im lebenden Zustande ganz mit Polpynblüten bedeckt ist; sie bestehen aus einem Netzwerke von Ästen und Zweigen, das sich anmutig von seinem Mittelpunkte ausbreitet und über und über mit farbiger Polypenbrut bedeckt ist. Die Kuppeln der Astraea sind durchaus symmetrisch und erreichen oftmals einen Durchmesser von 10 bis 12 Fuß; die Poriteshügel werden über 20 Fuß hoch; außerdem gibt es säulen- und keulenförmige, sowie Korallen der verschiedensten Gestalten."

"Jeder zusammengesetzte Zoophyt entspringt aus einem einzigen Polypen, und wächst durch fortgesetzte Knospenbildung zu einem Baume oder einer Kuppel hervor. Ein 12 Fuß Durchmesser zählender Asträastamm vereinigt etwa 100000 Polypen, deren jeder ½ Qu. Zoll einnimmt; bei einer Porites, deren Tierchen kaum l Lin. breit sind, würde deren Zahl 5½ Millionen übersteigen. Bei ihr sind also eine gleiche Anzahl von Mäulern und Magen zu einem einzigen Pflanzentiere verbunden und tragen gemeinschaftlich zur Ernährung, Knospenbildung, und Vergrößerung des Ganzen bei, sind auch untereinander seitlich verbunden. Wiederum gibt es andere, die niemals Knospen erzeugen und in einzelnen Gehäusen bald als kleine Becher, bald als flache Schüsseln usw. wohnen."

"Die Polypen einer zusammengesetzten Gruppe unterscheiden sich nach der Art ihrer Befestigung aneinander. Entweder sind sie allein an der Basis verbunden, wo jeder einen einzelnen Arm vorstellt, und das Ganze ein baum- oder strauchartiges Aussehen gewinnt; oder sie sind seitlich bis zur Spitze miteinander verbunden und bilden so mäßige (massige?) Formen. Im ersteren Falle werden sich kleine Kelche für jeden getrennten Polypen erheben, im anderen nur flache Zellen, wie bei den Gorgonien, wo sich die Polypen hervorstrecken, aber deren Kelche fehlen." (Dana in Schleidens und Fror. Not. 1847. Juni. no. 48.)

Man erinnert vielleicht, die große Ähnlichkeit der Korallentiere mit höheren Pflanzen betreffe doch nur die ganzen Polypenstöcke, nicht die einzelnen Polypentiere (Tierblüten). Es ist wahr; aber warum sollten wir auch die einzelnen Tierblüten mit ganzen Pflanzen vergleichen, da sie vielmehr eben nur analoge Verhältnisse mit einzelnen Pflanzenblüten zeigen. Die Frage, inwieweit die einzelnen Polypenblüten und einzelnen Pflanzenblüten als selbständige Individuen anzusehen, kehrt in beiden Reichen in derselben Weise wieder, und dieselben Gründe, welche veranlassen müssen, trotz allem, was man als individuell in der ganzen Pflanze unterscheiden kann, auch die ganze Pflanze selbst wieder als ein übergeordnetes, in sich gebundenes Individuum anzusehen, kommen mehr oder weniger auch dem ganzen Polypenstocke zustatten. Er entsteht so gut aus einem einzigen Ei wie die Pflanze aus einem einzigen Samen; seine Gestalt entwickelt sich nach einer festen Idee, doch mit gewisser Freiheit; jeder Polyp hängt mit dem andern durch tierische Materie zusammen (insbesondere wenn man auf Edward’s Untersuchungen über die durch das Kalkgerüst sich durch erstreckende tierische Organisation Rücksicht nimmt).

Scheint es doch sogar nicht an direkten Zeichen psychischen Zusammenwirkens der Glieder an Polypenstöcken zu fehlen. Besonders interessant ist mir in dieser Beziehung folgende Angabe Ehrenbergs (in s. großen Infusorien-Werke S. 69) über das bekannte Kugeltier, volvox globator, erschienen, welches, ob zwar nicht zu den Korallentieren gehörig, doch auch eine Art Polypenstock aus vielen einzelnen Tierchen bildet, die, im Umfange einer Kugel sitzend, nur durch fadenartige Röhren verbunden sind: "Tut man etwas blaue oder rote Farbe ins Wasser unter dem Mikroskope, so erkennt man sehr deutlich eine kräftige Strömung um die Kugeln. Diese ist eine Folge der Gesamtwirkung aller Einzeltierchen, die wie Tierherden, Vögelzüge, selbst singende oder tanzende Menschen und Volkshaufen einen gemeinsamen Rhythmus oder eine gemeinsame Richtung annehmen, oft selbst ohne Kommando und ohne sich des Willens dazu klar bewußt zu werden. Es schwimmen alle Polypenstöcke, und der gemütliche wie der kälter urteilende Naturforscher erkennt hierin einen Gesellschaftstrieb, welcher aus Kraft und Nachgiebigkeit für gemeinsame Zwecke besteht, einen Zustand, der eine geistige Tätigkeit verlangt, die allzu gering anzuschlagen man nicht berechtigt, nur verführt sein kann. Nie darf man auch vergessen, daß alle Einzeltierchen Empfindungsorgane besitzen, die den Augen vergleichbar sind, und daß sie mithin nicht blind sich im Wasser drehen, sondern als Bürger einer unserem Urteile fernliegenden großen Welt den Genuß einer empfindungsreichen Existenz, so stolz wir uns auch gebärden mögen, mit uns selber teilen."

Die ganze Frage über das Verhältnis übergeordneter und untergeordneter Individualitäten nach physischer wie psychischer Seite ist überhaupt bis jetzt noch eine sehr dunkle. Auch muß man nicht vergessen, daß bei aller Ähnlichkeit zwischen Pflanzen und Polypenstöcken doch noch größere Verschiedenheiten zwischen ihnen bleiben, und man Schlüsse nach Analogie von den einen auf die andern nicht ohne große Vorsicht machen kann. Es wäre möglich, daß die Pflanze doch ein viel mehr zur Einheit gebundenes Wesen wäre als ein Korallengewächs. Mindestens ist mir nicht bekannt, daß man an Korallengewächsen so entschiedene Zeichen des Zusammenwirkens aller Teile beobachtet, als wir im 13. Abschnitt bei den Pflanzen kennen lernen werden.

Unter Anwendung der obigen zwei Merkmale würde man von den Korallengewächsen zu sagen haben, das Gewächs im ganzen sei eine Pflanze, die Polypen im einzelnen daran seien Tiere. Zwar sind die Flächen, womit Nahrung aufgenommen wird (die Mägen der einzelnen Polypen), hier überall Einstülpungen, aber es sind Einstülpungen, die sich an Ausstülpungen des Gewächses finden, wie umgekehrt bei höheren Organismen, welche als Tiere im ganzen zu betrachten, es Ausstülpungen (Zotten) sind, welche aus Einstülpungen (Darmkanal) hervorragen, wodurch die Nahrung aufgenommen wird.

Betrachtet man die ausnehmend großen Veränderungen, die sowohl innerhalb des Tierreichs als Pflanzenreichs oft im Laufe verschiedener Lebensperioden an demselben Geschöpfe eintreten, und die bei manchen sehr tiefstehenden Tieren, wie Medusen, noch auffallender, als selbst bei Insekten sind, so kann es nach allem vorigen auch nichts Unglaubliches haben, daß ein Geschöpf in solchem Wechsel der Lebensperioden den tierischen und pflanzlichen Charakter selbst wechseln könne. Daß wirklich bei niederen Geschöpfen Abänderungen in dieser Richtung stattfinden, darüber besteht nach den gleich anzuführenden Beispielen kein Zweifel, nur darüber streitet man sich noch, ob dies auch so weit gehe, um wirklich aus einem eigentlichen Tiere eine eigentliche Pflanze, oder umgekehrt, zu machen; was in Rücksicht obiger Betrachtungen kaum eine andere Entscheidung als durch Willkür zulassen wird.Man vergleiche über die Übergänge zwischen Tier und Pflanze namentlich folgende Schriften und Abhandlungen: Unger, Die Pflanze im Moment der Tierwerdung. Wien. 1843. — Kützing, Über die Verwandlung der Infusorien in niedere Algenformen. Nordhausen. 1844, Derselbe in Linnaea. 1833. — Siebold, Dissertatio de finibus inter regnum animale et vegetabile constituendis. Erlangae. 1844. — Meyen in Rob. Brown, Vermischte Schriften. Herausgegeben von Nees v. Esenbeck. IV. S. 327 ff. und in s. Pflanzenphysiologie. — Thuret, Recherches sur les organes locomoteurs des spores des algues in Ann. des sc. nat. Botanique. 1843. T. XIX. — (Eine Zusammenstellung der früheren Beobachtungen findet sich namentlich in Kützings Schrift, und noch ausführlicher von Meyen in Browns Schrift.

Schleiden (Grundz. I. 265) sagt freilich in seiner gewöhnlichen schroffen, doch wissenschaftseifrigen Weise: "Nur an phantastischem Mystizismus krankende Wissenschaft, nicht aber eine klare, sich selbst verstehende Naturphilosophie, kann zu solchen Träumereien kommen, daß Geschöpfe bald einmal Tier, bald einmal Pflanze sein können. Wäre das möglich, so müßte doch noch viel leichter ein Wesen bald einmal Fisch, bald einmal Vogel, oder bald Käfer, bald Rose sein können, und dann wäre alle unsere Naturwissenschaft Torheit und wir täten besser Kartoffeln zu bauen und sie zu verzehren, wären aber auch da nicht sicher, daß sie nicht zu Mäusen würden und davon liefen."

Ich möchte dagegen an ein Wort erinnern, was Grabbe, zwar überkühn, doch von gewisser Seite treffend, in einem seiner Dramen sagt: "der Teufel steht Gott näher als die Milbe", womit etwa gleichgeltend ist: ein Engel kann sich leichter in einen Teufel als in einen Maulwurf verwandeln. Was sich hier von den Extremen höchster Entwickelung in zwei entgegengesetzten Reichen mit einer gewissen Wahrheit sagen läßt, wird in Betracht der größeren Einfachheit um so mehr von den Extremen niedrigster Entwicklung gelten müssen; sie werden sich näher stehen und leichter ineinander verwandeln können als die Extreme tiefster und höchster Entwickelung in jedem Reiche für sich.

Die Tatsachen selbst, um die es sich hierbei handelt, sind folgende:

Daß manche Algen (einfachste Wasserpflanzen) in Infusorien, und umgekehrt, übergehen können, ist zwar früher schon öfters behauptet und immer wieder bezweifelt worden; inzwischen gibt es neuerdings so sorgfältige und zuverlässige Beobachtungen darüber, namentlich von Flotow und Kützing, daß der Vorteil gegenwärtig gewiß nicht mehr auf Seite der Gegner liegt. Dabei aber bleibt freilich immer der (von Flotow eingeschlagene) Ausweg, die kleinen Tierchen eben deshalb, daß sie sich in Pflanzen wandeln oder aus solchen entstehen, für Pflanzen zu erklären.

Die kleinen Bläschen, aus welchen die rotfärbende Materie des Schnees besteht (Protococcus nivalis), wurden von den ersten Beobachtern derselben (Agardh, Decandolle, Hooker, Unger, Martius, Harvey, Ehrenberg) für mikroskopische Pflänzchen (Algen) angesehen; Ehrenberg gelang es sogar, die Fortpflanzung dieser von den Alpen herrührenden Pflänzchen in Berlin zu beobachten, indem er die eingesandten Proben im Winter 1838 auf Schnee aussäte. Die Pflänzchen vermehrten sieh in zahlloser Menge, erschienen den Mutterkörperchen ganz gleich, waren aber in der Jugend nicht rot, sondern grün (eine Erscheinung, welche sich an vielen rotgefärbten Algen zeigt), und trugen keine Spur von tierischem Charakter, wohl aber einen feinkörnigen, gelappten Keimboden und Würzelchen an sich, wodurch Ehrenberg sich veranlaßt fand, sie unter dem Namen Sphaerella nivalis den Algen beizuzählen. Inzwischen fanden andere Beobachter, wie Voigt und Meyen, daß diese rotfärbende Materie vielmehr die Gestalten und Bewegungen von Infusorien darbot; und erklärten sie hiernach für tierisch. Shuttleworth endlich unterschied teils Infusorien, teils Algen darin. Diese Widersprüche, welche dahin zu deuten schienen, daß die Beobachter verschiedene Materien vor sich hatten, lösen sich aber durch die sehr sorgfältigen Beobachtungen, welche Flotow an einem, der rotfärbenden Materie des Schnees sehr verwandten, jedoch, statt auf Schnee, in Regenwasser gefundenen Pflänzchen oder Tierchen, Haematococcus pluvialis, machte. Dieses, bestehend aus mikroskopischen, äußerst zarten, kugligen, glänzenden, roten Bläschen, verriet anfangs ein bloß pflanzliche Natur, wandelte sich aber in Ausgüssen unter geeigneten Umständen, durch verschiedene Zwischenformen deutlich verfolgbar, in ein Infusionstierchen (Astasia pluvialis) mit rüsselförmigem (mitunter selbst gablig gespaltenem) Fühler und allen Zeichen freiwilliger Bewegung um; wonach man Grund hat, auch im pflanzlichen und tierischen Zustande der rotfärbenden Materie des Schnees nur verschiedene Entwicklungsstufen desselben Geschöpfs zu sehen (zumal da Flotows Astasia pluvialis sich Shuttleworths Astasia nivalis im roten Schnee verwandt zeigt). Da Flotow als ausgemacht hält, "es könne der Haematococcus doch nur sein entweder ganz Tier oder ganz Pflanze", so meint er nun freilich, der sich bewegende H. "habe nur das Scheinwesen einer Astasia angenommen", ungeachtet er selbst den völlig tierischen Charakter der Bewegungen zugesteht. (Nov. act. acad. Leop. Car. 1843. T. XX. p. 413.)

Aus Kützings Beobachtungen geht hervor, daß das Infusorium Chlamidomonas pulvisculus gar vielfacher Veränderungen fähig ist, daß sich aus ihm eine entschiedene Algenspezies, Stygeoclonium stellare, entwickele, daß aber auch noch andere Bildungen aus ihr entstehen, welche ebenfalls einen entschiedenen Algencharakter an sich tragen, obgleich sie zum Teil der äußeren Form nach auch als ruhende Infusorienformen in Anspruch genommen werden können. (Es kommen nämlich Tetraspora lubrica oder gelatinosa, Palmella botryoides, Protococcus- und Gyges-Arten als verschiedene Entwickelungsformen zum Vorschein.) Nach demselben verwandelt sich das Infusorium Enchelys pulvisculus in einen Protococcus und zuletzt in eine Odzillatorie. (Kützing, Über die Verwandlung der Infusorien in niedere Algenformen. Nordhausen. 1844.)

Bei einer ganzen Reihe von Algen (Zoospermae), sowohl gegliederten als ungegliederten, und noch anderen niederen Gewächsen (Pilzen, Nostok), hat man beobachtet, daß ihre Keimkörner (Sporen, Sporidien, von manchen Samen genannt) aus der Mutterpflanze hervorbrechend eine Zeit lang eine freiwillig erscheinende infusorienähnliche Bewegung im Wasser machen (wie man denn zum Teil Formen unter ihnen erkennt, welche von Ehrenberg wirklich als Infusorien beschrieben worden), dann, etwa nach ein paar Stunden, sich festsetzen und zu keimen beginnen, so daß nun ein Gewächs wie die Mutterpflanze daraus entsteht. Diese Keimkörner zeigen zwar inwendig keine tierische Organisation, wohl aber äußerlich, sofern man an ihnen ähnliche wimper- oder peitschenförmige Organe bemerkt, als welche sonst bei den Bewegungen der niederen Tiere, insbesondere vielen erklärten Infusorien, eine so große Rolle spielen.

Wie merkwürdig diese Erscheinungen sich ausnehmen, mag man aus folgender Stelle in Ungers Schrift: "Die Pflanze im Moment der Tierwerdung" entnehmen. Nachdem er in Briefen an einen Freund die Erscheinungen an Vaucheria clavata bis zum Austritt der Sporidie beschrieben hat, sagt er (S. 2l): "Wenn du mir bis hierher gefolgt bist, so kannst du unmöglich deine Erwartungen so hoch gespannt haben, daß nicht dennoch das, was ich dir weiter erzählen werde, selbst den kühnsten Flug der Phantasie überflügelte. Ja, es ist wirklich ein Wunder, eine so von den allgemeinen Gesetzen abweichende Erscheinung, daß man vermuten könnte, die Natur habe sich hier eher eine poetische Freiheit erlaubt, als einmal den Schleier zurückgezogen von einem Vorgange, den sie vielleicht täglich und stündlich millionenmal nur mit leichtem Modus übte und noch übt: — Tief und ernst ist die Bedeutung der Zeugung in allen ihren einzelnen Schritten, aber wahrhaft wundervoll darf man sie dann nennen, wenn das Erzeugte anders als der Erzeuger, kurz wenn die Naturen beider verschieden sind, wie das eben im vorliegenden Falle ersichtlich ist.

Um so interessanter werden diese Erscheinungen, wenn man sie mit ganz analogen zusammenhält, welche in das erklärte Tierreich fallen. Die Eier (nach neueren Ansichten vielmehr Embryonen zu nennen) vieler (wahrscheinlich aller) jener niederen Tiere, welche man wegen ihres Festsitzens und pflanzenähnlichen Wuchses in weiterem Sinne Zoophyten nennt, haben nämlich eine ganz ähnliche einfache Organisation wie jene Keimkörner der Algen, bewegen sich ebenso erst eine Zeitlang frei mit Wimperorganen im Wasser und setzen sich erst später fest, um pflanzenähnlich fortzuwachsen. Es findet die vollkommenste Analogie zwischen Algen und Zoophyten in dieser Hinsicht statt. Ja selbst bei etwas höher gestellten Tieren kommen bis zu gewissen Grenzen ähnliche Verhältnisse vor.

Von den zahlreichen Beobachtungen und Angaben über diesen Gegenstand lasse ich einige der zuverlässigsten folgen:

Die kleine Alge Vaucheria clavata Agdh. (Ectosperma clavata Vauch.) überzieht, in zahlreichen Individuen vereinigt, in Form kleiner polsterförmiger Rasen, die Oberfläche der Steine seichter rasch fließender Gewässer des mittleren Europa. Sie stellt im entwickelten Zustande einen verzweigten ungegliederten Schlauch von 37/ 10000 Wien. Zoll Durchm. dar, der seine grüne Farbe dem inwendigen Chlorophyll verdankt. Unter normalen Verhältnissen erscheint nun an der Spitze der Endtriebe in dem ursprünglich einfachen Schlauche eine Querwand, und in der dadurch entstandenen oberen Abteilung geht aus einer ungefärbten, schleimig-körnigen Substanz die Bildung eines an die ursprüngliche Haut sich anschmiegenden Schlauches (Sporidium) vor sich, der aus einem Flimmer-Epithelium gebildet wird. In seinem Innern ist nur eine geringe Spur von Organisation zu erkennen. Durch Anschwellung der reifenden Sporidie gleichzeitig mit der Verdünnung der Spitze des Mutterschlauches durch Resorption (Ausdehnung) berstet diese, und die Sporidie drängt sich durch die enge Öffnung "eigenmächtig" und endlich sogar mit drehender Bewegung heraus. Dieser Vorgang dauert wenige Minuten. Die Sporidie hat nach dem Austritt eine birn- oder eiförmige Gestalt, die sich allmählich in einer regelmäßig ovale oder ellipsoidische ändert. Vom Mutterschlauche befreit "erhebt sie sich erst in freudiger rascher Bewegung im Wasser und kreiset nach verschiedenen Richtungen ähnlich einem Infusorium herum." Die Bewegung ist eine in konstanter Richtung von links nach rechts rotierende und zugleich fortschreitende. Ein mit schwingenden Zilien gleichförmig besetztes Epithelium bringt dieselbe hervor. Tut man etwas zerteilten Farbstoff ins Wasser, so sieht man den Wirbel, den die Zilien machen. Momente der Ruhe wechseln "nach Willkür" mit Bewegungen ab, die im ganzen durch 2 Stunden dauern. Höchst auffallend ist, wie die Sporidien bei diesen Bewegungen sorgfaltig alle Hindernisse vermeiden, wie geschickt sie durch das Gewebe der Sprossen der Vaucheria ziehen und sich gegenseitig ausweichen, daher auch nie ein An- oder Zusammenstoßen stattfindet. Mehr oder weniger runde Schleimklümpchen, mit Chlorophyll überzogen, ziemlich unregelmäßig verteilt, im Hinterteile viel gedrängter als im Vorderteile liegend, sind die einzigen mit Sicherheit erkennbaren Körperchen, die einen wesentlichen Anteil an der inneren Beschaffenheit der Sporidie haben. Mit dem Aufhören der Bewegungen verändert sich das Ellipsoid in die Kugelgestalt, alle Zilien verschwinden plötzlich, ohne daß man weiß, wohin sie kommen; die grüne Färbung verteilt sich gleichförmiger, und die glasartige Durchsichtigkeit des Epitheliums verwandelt sich in eine zarte homogene Pflanzenmembran. In weniger als 12 Stunden verlängert sich die Blase durch unmittelbare Aussackung an einer oder an zwei Stellen zugleich, und es treten damit die Erscheinungen des Keimens ein. Die Entwickelung der Schläuche fährt rasch fort. Es bildet sich einerseits ein Wurzelgebilde, wodurch das Pflänzchen sich festsetzt, während der andere Fortsatz sich verlängert, verzweigt und innerhalb 14 Tagen zur gleichen Sporenbildung gelangt. — Warmes Wasser, selbst von 20° R, wirkt tödlich auf die bewegten Sporidien, dagegen ruft eine Temperatur, welche dem Gefrierpunkt des Wassers zunächst liegt, zwar eine Unterbrechung der Bewegungen und selbst der vegetativen Lebenserscheinungen hervor, ohne aber zu töten. Lichtentziehung wirkt beschleunigend auf das Aufhören der Bewegungen und das Keimen wird verhindert. Der galvanische Strom hat ähnlichen Einfluß wie auf die Infusorien; ein schwacher bewirkt Betäubung und Unregelmäßigkeit in den Bewegungen; ein stärkerer bewirkt sogleich den Tod. Mineralsäuren, Alkalien und die meisten Salze wirken schon in kleinster Menge tödlich. Wurden in eine konzentr. Lösung von schwefelsaurem Morphin fröhlich schwimmende Keime gebracht, so hörten dieselben zwar anfangs auf sich zu bewegen, nach kurzem aber fingen sie ihre Bewegungen wieder an, tanzten aber dabei in so seltsamen Kreisen umher, als ob sie in einem Zustande von Betäubung wären, und nach wenigen Minuten trat Ruhe ein. Noch kräftiger wirkte Opiumertrakt; schon die kleinste Dosis, in Wasser gelöst, brachte Lähmung in den Bewegungen und Tod hervor. In konzentr. Blausäure, mit gleichen Teilen dest. Wassers verdünnt, wurden die eingesetzten, munter schwimmenden Sporidien plötzlich bewegungslos. Eine Aufnahme von Farbstoff, wie bei Infusorien, ließ sich in keiner Weise bewirken. (Nach Ungers Schrift: Die Pflanze im Moment der Tierwerdung.)

Thyret hat auch bei den Sporen von Conferva glomerata und rivularis, Chaetophora elegans var. pisiformis, Prolifera rivularis und Candollii Leclerc die Abhängigkeit ähnlicher Erscheinungen von wimper- oder peitschenförmigen Organen speziell nachgewiesen. (Ann. des sc. nat. 2. Ser. T. XIX.)

" Achlya prolifera (eine Gallertalge) hat zwei Arten von Sporen, größere, die sich in kleinerer Anzahl in kugelförmigen Sporangien bilden, und kleinere, die sich in größerer Anzahl in den unveränderten fadenförmigen Endgliedern entwickeln. Von den Endgliedern trennt sich zur Zeit der Sporenreife ein kleiner Deckel, schon kurz vorher geraten die Sporen in eine wimmelnde Bewegung, wobei eine wirtliche, oft bedeutende Ortsveränderung stattfindet. Diese Bewegung dauert nach dem Austritt eine Zeitlang fort und hört endlich auf, worauf die Sporen oft schon nach wenigen Stunden keimen. Wenn ein solches Endglied geleert ist, wächst gewöhnlich ein neues solches Glied, von der nächsten Scheidewand ausgehend, in jenes hinein, oftmals das stehenbleibende ältere nicht ganz ausfüllend. Auch in diesem neuen Gliede bilden sich wieder Sporen, die dann bei ihrem Austritt zwei Öffnungen zu passieren haben und zuweilen lange zwischen beiden Zellenwänden herumschwanken, bis sie zur zweiten Öffnung herauskommen. Es ereignet sich aber auch, daß sie diesen zweiten Ausweg gar nicht erreichen und innerhalb des älteren Schlauches wenigstens den Anfang der Keimung machen." (Schleiden, Grundz. I. 264.)

"Die Embryonen der Campanularia geniculata (Sertularia geniculata Müll.) sind längliche zylindrische oder birnförmige, von einer zarten Haut vollkommen geschlossene schlauch-ähnliche Körper, ohne Mundöffnung und ohne die geringste Spur einer Organisation im Innern. Ihre Oberfläche ist mit ungemein zahlreichen feinen Flimmerhaaren bedeckt, wodurch sie in den Stand gesetzt sind, rasche Bewegungen vorzunehmen, wie Infusorien im Wasser herumzuschwimmen, und jene Stelle aufzusuchen, die für ihre fernere Entwicklung am zweckmäßigsten ist. Nach diesem kurzen infusoriellen Zustande erlangen sie eine scheibenförmige Gestalt, setzen sich an einen Gegenstand fest und treiben einen schlauchartigen Fortsatz, der im Anfange von jenen der keimenden Algensporidien der Form nach nicht einmal verschieden ist. Damit tritt das Tier erst in das zweite Stadium seines Lebens, in das Polypenstadium, ein, wo erst nach der Hand die Organe der Reproduktion gebildet werden. — Ganz so verhält es sich mit den Embryonen der Medusen nach Ehrenberg’s, Siebold’s (Beitr. z Naturgesch, der wirbellosen Tiere. Danzig. 1839), und vorzugsweise nach M. Sar’s Beobachtungen mit Medusa aurita und Cyanea capillata (Arch. f. Naturgesch. 1841. S. 9). Sobald dieselben die Mutterarme verlassen, sind sie kaum mehr als punktgroße, ovale oder birnförmige, etwas zusammengedrückte Körperchen, ohne Mund Öffnung und ohne Spur von Organisation im Innern. Ihr Körper ist weich, besteht bloß aus einem sehr feinkörnigen Gewebe und scheint inwendig eine große Höhle. Von derselben Form wie die der Körperkontur, zu haben. Dicht stehende Flimmerhaare bedecken die ganze Oberfläche des Körpers gleichförmig und erlauben demselben, Bewegungen nach allen Seiten und in der Art wie Infusorien auszuführen. — Bei dem Schwimmen drehen sie sich häufig um ihre Längenachse und das stumpfe Ende geht voran. Erst nachdem die Periode ihres infusoriellen Lebens abgelaufen, setzen sie sich mit dem Vorderende fest, erlangen nach unten einen stielartigen Fortsatz, während an der entgegengesetzten Fläche eine von Tentakeln umgebene Vertiefung erscheint, die sich zum Mund und zum Magen erweitert, und damit werden sie zu Polypen, die Zweige treiben und sich sowohl durch diese als durch Querteilung fortpflanzen, Nur die durch Ouerteilung entstehenden Jungen erlangen die Form und Organisation der Akalephen. (Ungers Schrift S. 88.)

"Die Vortizelle entwickelt einen Stiel, teilt sich (und häutet sich?), entwickelt Rückenwimpern, löst sich ab vom Stiele, schweift umher, zieht (nach zweiter Häutung?) die Rückenwimpern wieder ein oder verliert sie, und setzt sich fest, um wieder einen Stiel auszuscheiden, einen Stammbaum zu bilden und dasselbe unablässig zu wiederholen." (Ehrenberg in s. Werke über Infusorien S. 290.)

Nach Burmeister haben die Cirripoden, namentlich die Anatisen, beim Auskriechen aus dem Eie vorn zwei muskellose Fühlfäden mit Saugnäpfen, seitlich drei Paar mit Borsten endigende, zum Teil gabelförmig gespaltene Füße, aus Hornhaut, Kristallinse und schwarzem Pigment bestehende Augen, und schwimmen frei herum; haben sie sich aber mit den Saugnäpfen an einer Stelle festgesetzt, so wachsen sie durch einen fleischigen Stiel an und werfen mit der Haut die Fühlfäden und Augen ab, während die Fußpaare sich verdoppeln und in vielfach gefiederte, krumme Ranken verwandelt werden. (Burmeister, Beiträge zur Geschichte der Rankenfüßer. Berlin. 1834.)

Nach Nordmann hat die weibliche Lernaeocera cyprinacea, wie sie aus dem Ei kommt, die gewöhnliche Gestalt anderer krebsartiger Schmarotzertiere, nämlich ein paar Fühlfäden, zwei paar Füße und ein Auge; hat sie aber mit Hilfe dieser Organe zu ihrem künftigen Wohnort sich einen Fisch gesucht und mit ihrem Vorderleibe sich in dessen Fleisch tief eingesenkt, so wandelt sich ihr Leib beim Verschwinden jener Organe in einen einfachen Zylinder um, und man kann an demselben sogar weder Muskeln noch Nerven erkennen, während die Verdauungsorgane sich weiter ausbilden und die Zeugungsorgane sich entwickeln. Nun bleibt sie bis zu ihrem Tode in der von ihr gegrabenen Vertiefung, um pflanzenähnlich aus dem Fleische des Fisches Nahrung aufzusaugen und mit dem Männchen, welches von ihrem Kote sich zu nähren scheint, übrigens aber Sinnes- und Bewegungsorgane behält, Junge zu erzeugen. (Nordmann, Mikrographische Beitr. z. Naturgesch. der wirbellosen Tiere. Berlin. 1830. Heft II. S. 123 ff.)

Außer solchen Bewegungen, welche nur einen vorübergehenden Entwicklungszustand gewisser niederen Pflanzenorganismen bezeichnen, kommen auch mancherlei merkwürdige Bewegungserscheinungen von verschiedener und nicht hinreichend erkannter Bedeutung bei entwickelten niederen Pflanzenorganismen selbst vor, die an tierische Phänomene erinnern können und zum Teil selbst schwanken lassen, ob man nicht vielmehr hier von Tier als von Pflanze sprechen soll.

"Höchst auffallend sind die Erscheinungen, welche die Oszillatorien eine kleine Algengattung (von andern vielmehr für tierischer Natur gehalten), zeigen. Sie erscheinen als kurze Fäden, aus mehr breiten als langen zylindrischen Zellen aneinander gereiht, erfüllt mit grünem Stoff und verschiedenartigem, teils flüssigem, teils granulösem Inhalt. Die Spitze jedes Fadens ist etwas verjüngt und abgerundet, häufig wasserhell und farblos. Solange sie lebhaft vegetieren, zeigen diese Fäden eine dreifache Bewegung, eine abwechselnde geringere Krümmung des vorderen Endes, ein halb pendelartiges, halb elastisches Hin- und Herbiegen der vorderen Hälfte und ein allmähliches Vorrücken. Diese Bewegungen beobachtet man oft alle zugleich, oft einzeln. Sie haben (sagt Schleiden) etwas Seltsames, ich möchte sagen Unheimliches, an sich." (Schleiden, Grundz. II. 549.) Schließt man Oszillatorien in einen finsteren Raum ein und läßt durch eine Öffnung Licht einfallen, so ziehen sich alle Oszillatorien nach der Öffnung hin und verschwinden aus dem übrigen finstern Raum des Gefäßes. (Vaucher, Hist. des conf. d'eau douce. 171.) Näheres über die Bewegungen der Oszillatorien s. in Meyen’s Physiol. III. 443.

"Reißt man von einer Spongie (von manchen zu den Tieren gerechnet) Fragmente der schleimigen Substanz ab, so zeigen sich diese nach Dujardin anfangs unbeweglich unter dem Mikroskope, aber bei passender Beleuchtung sieht man an den Rändern rundliche durchsichtige Vorsprünge, welche ihre Gestalt in jedem Augenblicke durch Expansion und Kontraktion verändern. Zuweilen sollen sich sogar kleine Fragmente Von 1/ 100 bis 1/ 200 mm langsam am Glase kriechend durch jene Fortsätze fortbewegen. D. will dies Phänomen bei Spongia panicea, Cliona celata und Spongilla seit 1835 beobachtet haben. Auch sah er an den Rändern abgerissener Lappen der Spongilla Fäden von außerordentlicher Zartheit hervortreten, und mit lebhaft undulierender Bewegung schwingen, so daß sie an kleinen isolierten Massen eine Ortsbewegung, verschieden von der oben beschriebenen, veranlaßten." Gegen die hierdurch angeregte tierische Natur der Spongillen sprechen inzwischen, abgesehen vom Mangel eines Magens, die Beobachtungen Hoggs, daß die Spongille ihre grüne Farbe allein durch den Einfluß des Lichts erhalte und diesem entzogen wieder verliere, im Lichte Gas entwickele, sich Pflanzen ähnlich zu Säuren verhalte usw. Wiegm. Arch. 1839. II. S. 197. 1841. II. S . 410.)

Bei den Laub- und Lebermosen, Charen und Farnen entwickeln sich in den Zellen ihrer sogenannten Antheridien oder Antheren (deren Bedeutung als solche jedoch bestritten wird) spiralige Fäden (in jeder Zelle einer, nach Thuret bei den Charen auch wohl zwei), welche, wenn die Zellen unter Wasser kommen, eine lebhafte Bewegung um ihre Achse machen, auch nach Zerreißen des Zellchens diese Bewegung eine Zeitlang für sich im Wasser fortsetzen und dabei fortschreiten. Man hat diese Spiralfäden mit den sogenannten Samentierchen (Spermatozoen) der Tiere verglichen (selbst Borsten oder Fühlspitzen daran zu sehen geglaubt), ohne freilich rechten Grund zu haben, ihnen eine gleiche Funktion beizulegen. Näheres s. in Meyen, Physieol. III 208ff. — Schleiden, Grundz. II. 48, 66. 77. — Wiegm. Arch. 1837. I. 430, 1838. I. 212. II. 85. 1839. II. 45. 1841. II. 423.

Die Molekularbewegungen, welche die Kügelchen des Pollen-Inhalts nach dem Austreten machen, scheinen nach neueren Untersuchungen nicht das Interesse zu verdienen, was man ihnen früher beizulegen geneigt war. (Vergl. Schleiden, Grundz. 11. 303.)

In den meisten Pflanzen aus den Familien der Charazeen, Najaden und Hydrocharideen und im Fruchtstiel der Jungermannien ist in jeder Zelle ein einfacher an der einen Seite aufsteigender, an der anderen Seite absteigender Strom einer durch Farbe, Konsistenz (Schleimigkeit) und Unlöslichkeit in wässerigen Flüssigkeiten von dem übrigen wasserhellen Zellensaft verschiedenen Flüssigkeit zu beobachten, die in einigen besonders dadurch sichtbar wird, daß sie die im Safte enthaltenen Kügelchen (Stärkemehl, Chlorophyll, Schleim usw.) mit fortführt, meist aber auch für sich deutlich genug erkannt wird. (Näheres siehe in Schleiden, Grundz.II. S. 256.)


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