Gustav Theodor Fechner
Nanna oder Über das Seelenleben der Pflanzen
Gustav Theodor Fechner

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VIII. Wachstum, Winden, Biegen, Drehen der Pflanzen.

Die Betrachtungen des vorigen Abschnitts führten darauf, das Wachsen und Treiben der Pflanzen in Wurzel, Stengel, Ästen, Blättern usw., insoweit es sich als Mittel darstellt, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu führen, mit einer Tätigkeit ihrer Seele in Beziehung zu setzen.

Hiergegen erhebt sich ein Einwand, der wichtig scheint.

Wir selbst haben doch weder eine bestimmte Empfindung von unserem Wachstum, noch fühlen wir einen Trieb, so oder so zu wachsen, vielmehr liegt unser Wachstumsprozeß ganz abseits von unserem Bewußtsein; wie soll nun derselbe Prozeß bei den Pflanzen auf einmal Bezug zum Bewußtsein gewinnen?

Ich erwidere: unser Wachstum und das der Pflanzen sind überhaupt zwei gar nicht recht vergleichbare Dinge, die zwar das Wort, aber, wie sich bald noch näher zeigen wird, gerade alle die Punkte nicht gemein haben, welche für die Frage nach Anknüpfung von Seelenerscheinungen entscheidend sein müssen. Und selbst bei uns und den Tieren kann der Wachstumsprozeß nicht als absolut unbeteiligt an dem Seelenleben angesehen werden, da die Prozesse der Ernährung und des Kreislaufs, an denen er hängt, nicht unbeteiligt dabei sind (vergl. den vorigen Abschnitt). Vielmehr würde ein plötzliches Stocken des normalen Wachstums gewiß in einer veränderten und wahrscheinlich deprimierten Lebensstimmung auch von uns empfunden werden. Nur scheidet sich, was der Wachstumsprozeß zum normalen Lebensgefühl beiträgt, nicht in besonderer Empfindung aus. Wenn aber, wie wir gesehen, der Ernährungs- und Kreislaufsprozeß doch bei besonderen Modifikationen in bestimmte Empfindungen, Hunger, Durst, Frost, Hitze usw. ausschlagen, so ist kein Grund, den damit zusammenhängenden Wachstumsprozeß hierzu an sich weniger befähigt zu halten. Nur eben bei den Tieren ist er weniger auf solche Modifikationen eingerichtet; aber dafür bei den Pflanzen um so mehr; wie sich bald zeigen wird. Es wird also hier an den Wachstumsprozeß der Pflanzen nicht etwas ganz Neues, Fremdartiges geknüpft; sondern nur an die besonders hervorstechende und eigentümlich geartete Entwickelung, die er bei den Pflanzen tatsächlich gewinnt, auch eine besonders hervorstechende und eigentümlich geartete Entwickelung des Seelenbeitrags, den er ohnehin schon liefert, geknüpft.

Erinnern wir uns, daß die Pflanzen die Tiere nicht wiederholen, sondern ergänzen sollen. Nur die allgemeinen Bedingungen des Seelenlebens werden immer bei beiden gleich gewahrt bleiben, im besondern muß man die Übereinstimmung nicht verlangen. Pflanzen wollen durch das freie Wachstum erreichen, was Tiere durch freie Ortsbewegung erreichen wollen, und so knüpfen sich bei jenen natürlicherweise auch analoge Gefühlsstimmungen und Seelentriebe an Wachstumsbewegungen wie bei diesen an Ortsbewegungen. Der Zweck bestimmt in der Natur die Mittel, und an die verschiedene Art der Mittel knüpft sich ein verschiedenes Gefühl in betreff der Erreichung des Zwecks.

Durchlaufen wir jetzt einmal die Hauptunterschiede zwischen dem Wachstum von Tieren und Pflanzen, und wir werden finden, daß wir es hierbei in der Tat mit viel verschiedeneren Dingen zu tun haben, als man beim Gebrauch desselben Namens für beides glauben könnte; und zugleich finden, daß die Unterschiede wirklich in der von uns geforderten Richtung liegen.

l) Im Wachstum der Tiere ist für die Hauptgestalt nichts frei gelassen. Ein Hund hat einen Schwanz, vier Beine, zwei Augen, eine Zunge, dies alles immer an derselben Stelle, in derselben Zahl; nur feinere Verhältnisse wechseln. Wenn also das Tier keinen Trieb so oder so zu wachsen fühlt, so ist es darum, weil es keinen hat. Ein Apfelbaum dagegen gabelt sich bald mit zwei, bald mit mehr Hauptästen, die sich unter den verschiedensten Winkeln, in den verschiedensten Höhen, ansetzen können; jeder Ast treibt wieder sozusagen beliebig Zweige, Zweigelchen, nun gar Blätter so oder so; ohne Zahl, Ordnung, Richtung sich durch eine feste Regel vorschreiben zu lassen. Dies ist eben freigelassen für einen Trieb, der durch äußere Anlässe, Empfindungsreize erst noch da- und dorthin gelockt werden soll; während bei den Tieren statt dessen die Möglichkeit verschiedener Ortsveränderung frei gelassen ist. Das Tier füllt durch sein Wachstum sozusagen nur eine vorgeschriebene Form aus, die ihm dann zur weiteren Gestaltung seines Lebens dienen muß; bei der Pflanze fällt die Gestaltung des Lebens selbst mit der des Wachstums zusammen; und eben darum kann sich dieses nicht in einer so bestimmt vorgeschriebenen Form halten. Es nimmt noch Vorschrift von den zutretenden Bedingungen an, in bezug zu welchen die Pflanze sich zu benehmen hat. Und doch nicht allein von diesen. Denn ein innerlich waltendes Einheitsprinzip erhält doch, wie wir früher ausgeführt, für jede Pflanze trotz aller Freiheit ihres Wachstums einen sogar noch äußerlich sichtbaren Grundcharakter unveräußerlich fest. Das aber ist recht der Charakter der Seele, daß sie in aller Mannigfaltigkeit und Freiheit ihrer Äußerungen eine das Ganze beherrschende Richtschnur nicht aufgibt.

2) Dem Vorigen gemäß richtet sich des Tieres Wachstum wenig nach Jahres- und Tageszeit, Witterung und anderen äußeren Verhältnissen, es wächst immer fort in seiner vorgeschriebenen Weise; es handelt aber verschieden nach Jahres- und Tageszeit und Witterung und äußeren Verhältnissen. Die Pflanze dagegen wächst verschieden nach Jahres-, Tageszeit, Witterung und sonstigen äußeren Umständen. Also verhält sich der Pflanze Wachsen wie des Tieres Handeln. Der Winter ist ihre Schlafzeit, da wächst sie gar nicht; sie wächst rascher bei Tag als in der Nacht; rascher bei rechter Abwechselung von Wärme und Feuchtigkeit, als wenn es immer zu heiß oder zu feucht. Und nicht bloß rascher oder langsamer, auch anders bei jeder anderen Witterung; anders in jeder anderen Sonnenlage, anders auf jedem anderen Standorte. Dabei behält die Individualität immer ihr Recht, sofern verschiedene Pflanzenarten, und selbst verschiedene Individuen derselben Art, und selbst verschiedene Teile desselben Individuums auch unter gleichen äußeren Umständen immer charakteristisch verschieden wachsen.

Prof. E. Meyer in Königsberg hat sich überzeugt, daß ein rasch aufwachsender Stengel am Tage beinahe noch einmal so schnell wächst als während der Nacht. Eine Amaryllis Josephinae verlängerte ihren geraden blattlosen Blütenschaft binnen 12 Tagen um 21 Zoll Rheinl. Die Zunahme der Länge ward morgens 6 Uhr, mittags 12 Uhr und abends 6 Uhr jedesmal genau gemessen, und betrug in den 12 Vormittagen zusammen 6" 9'", in den 12 Nachmittagen 7", also am Tage überhaupt 13" 9'", in den 12 Nächten aber nur 7" 3'". Ganz ähnliche Resultate erhielt Dr. Palm bei Beobachtung des Hopfens und der Bohne (Fror. Not. XLI. S. 218). Vergl. auch die Versuche von E. Meyer an Gersten- und Weizenpflanzen in Linnaea IV. p. 98; von Mulder an dem Blatt von Urania speciosa und Cactus grandiflorus in Treviranus’ Physiol. II. 145; von Gräfe am Blütenstiele von Littaea geminiflora in Flora, I. 1843. S. 35.

"Zwischen trocknem Gestein, auf kümmerlichen, besonnten Kalkfelsen erscheint Carlina völlig acaulis: gerät sie auf einen nur wenig lockeren Boden, gleich erhebt sie sich; in dem guten Gartenlande erkennt man sie nicht mehr, sie hat einen hohen Stengel gewonnen und heißt alsdann Carlina acaulis caulescens." (Goethe, Metamorphose der Pfl. Ges. Werke XXXVI. S. 126.) — Die Georgine ist eine im wilden Zustande sehr unscheinbare Pflanze, in der man die stattliche Zierpflanze unserer Gärten kaum wiedererkennen möchte. — Der Einfluß der Gartenkultur auf das Wachstum der Gewächse ist überhaupt bekannt genug.

Eckermann in s. Gespr. (dritter Band S. 101) erzählt Goethen von Versuchen, die er angestellt, das passendste Holz zur Verfertigung eines Bogens ausfindig zu machen, wobei folgende auch für uns interessante Bemerkungen vorkommen. "Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich (von einem Wagner), daß zwischen Esche und Esche ein großer Unterschied, und daß bei allen Holzarten sehr viel auf den Ort und auf den Boden ankomme, wo sie gewachsen. Ich erfuhr, daß das Holz des Ettersberges als Nutzholz weniger Wert habe; daß dagegen das Holz aus der Umgegend von Nohra eine besondere Festigkeit besitze, weshalb denn die Weimarischen Fuhrleute zu Wagenreparaturen, die in Nohra gemacht, ein ganz besonderes Vertrauen hätten. Ich machte im Laufe meiner weiteren Bemühungen die Erfahrung, daß alles auf der Winterseite eines Abhanges gewachsene Holz fester und von geraderer Faser befunden wird als das auf der Sommerseite gewachsene. Auch ist es begreiflich. Denn ein junger Stamm, der an der schattigen Nordseite eines Abhanges aufwächst, hat nur Licht und Sonne nach oben zu suchen, weshalb er denn, sonnenbegierig, fortwährend aufwärts strebt und die Faser in gerader Richtung mit emporzieht. Auch ist ein schattiger Stand der Bildung einer feineren Faser günstig, welches sehr ausfallend an solchen Bäumen zu sehen ist, die einen so freien Stand hatten, daß ihre Südseite lebenslänglich der Sonne ausgesetzt war, während ihre Nordseite fortwährend im Schatten blieb. Liegt ein solcher Stamm in Teile zersägt vor uns da, so bemerkt man, daß der Punkt des Kernes sich keineswegs in der Mitte befindet, sondern bedeutend nach der einen Seite zu. Und diese Verschiebung des Mittelpunktes rührt daher, daß die Jahresringe der Südseite durch fortwährende Sonnenwirkung sich bedeutend stärker entwickelt haben und daher breiter sind als die Jahresringe der schattigen Nordseite. Tischler und Wagner, wenn es ihnen um ein festes feines Holz zu tun ist, wählen daher lieber die feiner entwickelte Nordseite eines Stammes, welche sie die Winterseite nennen, und dazu ein besonderes Vertrauen haben." — Erinnere man sich hierbei, daß nicht das Gewachsene, sondern das Wachsen, während es stattfindet, als Lebensäußerung der Pflanze anzusehen. Der Baum hinterläßt seinen Lebensweg verholzt hinter sich; nur ist nicht das Holz, sondern die Tätigkeit, welche das Holz diesen Weg nehmen ließ, ins Auge zu fassen. Je nachdem der Baum anders wuchs, wird er anderen Trieb empfunden haben.

In denselben Gesprächen Tl. III. S. 146 sagt Goethe selbst bei anderer Gelegenheit: "Wächst die Eiche im Dickicht des Waldes heran, von bedeutenden Nachbarstämmen umgeben, so wird ihre Tendenz immer nach oben gehen, immer nach freier Luft und Licht. Nach den Seiten hin wird sie nur wenige schwache Äste treiben, und auch diese werden im Laufe des Jahrhunderts wieder verkümmern und abfallen. Hat sie aber endlich erreicht, sich mit ihrem Gipfel oben im Freien zu fühlen, so wird sie sich beruhigen und nun anfangen, sich nach den Seiten hin auszubreiten und eine Krone zu bilden. Allein sie ist auf dieser Stufe bereits über ihr mittleres Alter hinaus, ihr vieljähriger Trieb nach oben hat ihre frischesten Kräfte hingenommen, und ihr Bestreben, sich jetzt noch nach der Breite hin mächtig zu erweisen, wird nicht mehr den rechten Erfolg haben. Hoch, stark und schlankstämmig wird sie nach vollendetem Wuchse dastehen, doch ohne ein solches Verhältnis zwischen Stamm und Krone, um in der Tat schön zu sein. — Wächst hinwieder die Eiche an feuchten, sumpfigen Orten, und ist der Boden zu nahrhaft, so wird sie, bei gehörigem Raum, frühzeitig viele Äste und Zweige nach allen Seiten treiben; es werden jedoch die widerstrebenden, retardierenden Einwirkungen fehlen, das Knorrige, Eigensinnige, Zackige wird sich nicht entwickeln, und, aus einiger Ferne gesehen, wird der Baum ein schwaches, lindenartiges Ansehen gewinnen, und er wird nicht schön sein, wenigstens nicht als Eiche. — Wächst sie endlich an bergigen Abhängen, auf dürftigem, steinigtem Erdreich, so wird sie zwar im Übermaß zackig und knorrig erscheinen, allein es wird ihr an freier Entwickelung fehlen, sie wird in ihrem Wuchs frühzeitig kümmern und stocken, und sie wird nie erreichen, daß man von ihr sage: es walte in ihr etwas, das fähig sei, uns in Erstaunen zu setzen. — Ein Sandiger oder mit Sand gemischter Boden, wo ihr nach allen Richtungen hin mächtige Wurzeln zu treiben vergönnt ist, scheint ihr am günstigsten zu sein. Und dann will sie einen Stand, der ihr gehörigen Raum gewährt, alle Einwirkungen von Licht und Sonne und Regen und Wind von allen Seiten her in sich aufzunehmen. Im behaglichen Schutz vor Wind und Wetter herangewachsen, wird aus ihr nichts; aber ein hundertjähriger Kampf mit den Elementen macht sie stark und mächtig, so daß nach vollendetem Wuchs ihre Gegenwart uns Erstaunen und Bewunderung einflößt."

Hartingh sagt nach Versuchen an der Hopfenpflanze; "Das Wachstum der besondern Stengel von einer und derselben Pflanze, obgleich vollkommen gleichen äußern Einflüssen ausgesetzt, ist nicht allein nicht gleich, sondern man nimmt auch kein regelmäßiges Verhalten in ihrer täglichen Verlängerung wahr. — Es findet im Anfange des Wachstums eine täglich zunehmende Beschleunigung des Wachsens statt, die von äußern Einflüssen unabhängig ist." (Wiegmanns Arch. 1844. II. S. 41.)

3) Ein Tier wächst bald aus, indem es seine Gestalt dabei mehr dehnt als ändert; statt immer fortzuwachsen, läuft es endlich fort. Eine Pflanze wächst ihr Leben lang beständig fort, aufhören zu wachsen und im Wachsen sich neu zu gestalten, heißt ihr aufhören zu leben; statt Hände und Füße immer aufs neue auszustrecken, um etwas Neues zu schaffen oder sich etwas Neues zu verschaffen, streckt sie zu demselben Zwecke immer neue Zweige und Blätter aus; statt anderes umzugestalten, gestaltet sie fortgehends sich selbst um. — Betrachten wir eine Kornähre, wie sie im ersten Frühjahr unaufhörlich aufwärts wächst, und wenn sie darin nachläßt, so fangen ihre Körner an zu wachsen; wenn gar nichts mehr wachsen will, verdorrt sie; wird sie Stroh. — Betrachten wir einen Aronsstab (Calla), wie immer ein Blatt nach dem andern aus der Mitte hervorwächst; es ist ein unerschöpflicher Trichter, aus dem die Blätter quellen; er setzt es fort bis zum letzten Augenblicke, — Betrachten wir einen Baum, wie er jedes Jahr einen neuen Jahresring ansetzt, und aus diesem neue Zweige, neue Knospen treibt; indes die alten Blätter fallen; nicht sie zu haben, sie zu treiben, scheint ihm Lebenszweck. — Ja betrachten wir irgend eine Pflanze, die mit dem Frühling austreibt; sie wächst den ganzen Sommer durch, aufwärts, seitwärts, über der Erde, unter der Erde; macht immer etwas Neues an sich.

Manche Pflanzen bringen’s ungeheuer weit darin bei langem Leben, wie mancher Mensch bei langem Leben große und viele Werke zu zeugen vermag. Nur erscheint die Pflanze viel mehr selbst als das Werk oder der Zusammenhang der Werke, woran sie gestaltet, als der Mensch; obwohl auch er im Grunde bei all seinem Wirken nach außen sich selber mehr oder weniger mit umgestaltet; und auch die Pflanze, indem sie sich gestaltet, gar manches ändernd in die Außenwelt hineinwirkt, was in deren Zwecke verrechnet ist. Wie überall in der Natur, gibt’s auch hier keine absoluten Unterschiede.

Wer kennt nicht die Beispiele ungeheuer dicker Bäume, die Jahrtausende gewachsen, die sich wohl gar rühmen, noch von der Schöpfung der Welt her zu stehen, und nicht müde geworden sind, jedes Jahr durch einen Jahresring zu bezeichnen.

"Die berühmte Castagna dei cento cavalli (Castanea vesca) auf dem Ätna muß an tausend Jahre alt sein. Die Baobabbäume (Adansonia digitata) auf dem grünen Vorgebirge taxiert man nach ihrer Dicke und der Zahl der Jahresringe an einigen Ästen zu 4000 Jahren und drüber. Die Riesenzypresse (Cupressus disticha) zu Santa Maria del Tule, zwei Stunden östlich von Oaxaca in Mexiko, hat einen Umfang von 124 spanischen Fuß, also 40 Fuß Durchmesser; rechnet man jeden Jahresring zu 2 Linien, so ist der Baum fast 1500 Jahre alt; historisch sicher ist er älter als die Eroberung von Mexiko durch die Spanier. Das Alter des großen Drachenbaumes (Dragaena Draco) von Orotava auf Teneriffa wird sogar zu mehr als 5000 Jahre bestimmt, und er wäre also nach gewöhnlicher Berechnungsweise des jüdischen Mythus beinahe Zeuge der Schöpfungsgeschichte." (Schleiden, Grundz. II. S. 629.)

Manche Pflanzen wachsen langsam, andere schnell, wie es unter den Tieren träge und schnelle gibt.

"Eine Alge, the everlasting bladder thread, ist von Matrosen 1500 Fuß lang gefunden worden, und Hr. Fanning, der Eigentümer und Kurator des botanischen Gartens zu Carracas, gibt an, daß er vor einigen Jahren eine Art von Convolvulus binnen 6 Monaten auf nicht weniger als 5000 Fuß gezogen habe, was auf l Tag und l Nacht durchschnittlich 24 Fuß gäbe." (Murray in Fror. Not. XXXVIII. S. 250.)

Ein bekannter Versuch ist, daß man von einer blühenden Roggenähre die Staubbeutel abstreift und den Oberteil des Halmes in Wasser stellt, wo in wenigen Minuten andere Staubbeutel heraustreten und die Filamente sich bis zu ½ Zoll verlängern.

"Nach einer annäherungsweise angestellten Berechnung bilden sich an einem sehr schnell wachsenden Pilze, dem Riesenbovist (Bovista gigantea), in jeder Minute 20000 neuer Zellen." (Schleiden, die Pflanze. S. 43.)

4) Bei Menschen und Tieren fällt der Gipfel des Lebens erst in die Zeit nach beendetem Wachstume oder vollendeter Entwickelung aller Organe, bei den Pflanzen fällt der Gipfel des Lebens mit der Entwickelung eines neuen Organs, der Blume selbst zusammen, und das ganze Wachstum erfährt dabei bemerkenswerte Änderungen. Was kann besser beweisen, als daß bei der Pflanze anders als beim Tiere die Tätigkeit des Wachstums und die Entwickelung der Organe nicht bloß Mittel zur Erreichung des Lebenszweckes schaffen, sondern Mittel zur Erreichung des Zweckes selbst sein soll?

Manche (obwohl nicht alle) Pflanzen zeigen um die Blütezeit einen merkwürdig erhöhten Wachstumstrieb. Die sogenannte hundertjährige Aloe (Agave Americana) z. B. bringt im südlichen Europa 3 oder 4 Jahr, und in den Treibhäusern der gemäßigten Gegenden oft 50 oder 60 Jahre zu, ehe sie anfängt in die Höhe zu schießen und zu blühen; dann aber treibt sie plötzlich in einigen Monaten einen Blumenstengel, der 15 und 18 Fuß lang wird. Nach der Blüte geht die Hauptpflanze ein und nur Nebenschößlinge bleiben. So wird alle Lebenskraft im Treiben und Blühen erschöpft. Begießt man die Erde, worin die Pflanze wurzelt, während sie den Blütenstengel treibt, so zieht sie das Wasser so stark in sich, daß man es schon mit einem hörbaren Zischen will haben verschwinden sehen. Treibt die Pflanze aber keinen Blütenstengel, so bleibt das aufgegossene Wasser, was für die Befeuchtung der Erde in dem Gefäße überschüssig ist, auf der Oberfläche stehen. — Man weiß, daß überhaupt die Pflanzen zur Blütezeit mehr Wasser als sonst brauchen; ja viele, die sonst sehr trocken gehalten werden müssen, wie der Kaktus, wollen um die Blütezeit erforderlich getränkt sein. — Die Agave foetida oder Fourcroya gigantea wurde im Pariser Garten seit fast einem Jahrhundert kultiviert und hatte während dem nur eine langsame und mäßige Entwicklung gezeigt, als sie auf einmal im Sommer 1793, der ziemlich warm war, anfing rasch in die Höhe zu schießen, in 77 Tagen um 22½ Fuß, im Mittel täglich 3½ Zoll; an manchen einzelnen Tagen aber fast l Fuß. (Decand. Physiol. II. S. 34.)

5) Bei dem Tiere verharren die Organe, nachdem sie vollständig entwickelt sind, im lebendigsten Stoffwechsel, indem sie, unter Verbleiben derselben Form, immer aus neuen Stoffen zusammengesetzt werden, was sogar von den Knochen gilt. Die Funktionen gehen in den vollständig ausgebildeten Organen am kräftigsten vonstatten. Bei den Pflanzen treten dagegen die Organe, nach Maßgabe als sie gebildet sind, mehr aus dem Stoffwechsel und der lebendigen Tätigkeit heraus; die neu zutretenden Stoffe werden immer nur gebraucht, um neue Organe zu bilden; die alten Organe bleiben mehr wie Rückstände der früheren Lebenstätigkeit übrig, neue um sich oder an sich ansetzen zu lassen; oder sie fallen ab. So tritt der Holzkörper der Bäume, nach Maßgabe als er gebildet ist, aus dem lebendigen Wechselverkehr mit der Außenwelt mehr und mehr heraus; der Baum kann sogar innerlich hohl werden, und treibt noch äußerlich lebendig fort; die Blätter zeigen alle Lebenserscheinungen um so schwächer, je älter sie sind, und fallen zuletzt ab, um neuen Platz zu machen. Die Organe des Tieres altern, welken freilich auch; aber nur indem das ganze Tier altert, welkt, für immer welkt. Nicht so bei der Pflanze. Dieser Unterschied ist, wie alle hier betrachteten, nur relativ; denn ganz fällt doch gewiß kein Organ der lebendigen Pflanze aus lebendiger Tätigkeit heraus; aber er ist im ganzen charakteristisch.

Duhamel teilte am Stämmchen einer Samenpflanze der Roßkastanie von 1½ Zoll Höhe einen gewissen Raum durch angebrachte feine Silberdrähte in 10 gleiche Teile. Im Herbste darauf hatten solche sämtlich sich voneinander entfernt und um desto mehr, je näher am oberen Ende sie angebracht worden waren. Im zweiten Jahre, als der neue Trieb 4 bis 5 Linien Länge hatte, ward er auf gleiche Weise bezeichnet, und der Erfolg war der nämliche, während im Triebe des ersten Jahres die Zeichen keine weitere Verlängerung angaben. Dieser Teil war also sozusagen fertig, abgemacht. Ähnliche Beobachtungen wurden von Hales am Weinstocke gemacht. Duhamel grub ferner neben einem jungen Baume einen Pfahl ein, mit einem Zeiger versehen, dessen Spitze einem Zeichen entsprach, das an der Rinde des Bäumchens angebracht war. Der Zeiger fuhr immer genau dem Zeichen zu entsprechen fort, obgleich der Baum indessen beträchtlich in seiner Höhe gewachsen war. — Einmal vollkommen verholzte Teile dehnen sich überhaupt weder mehr in Dicke noch Länge. Das Wachstum betrifft immer die jüngeren frischen Teile. — Duhamel zog Silberfäden durch Wurzeln, die in bloßem Wasser vegetierten, oder bezeichnete sie von Außen mittelst gefärbten Firnisses, so daß er die Merkmale leicht wieder erkennen könnte. Im allgemeinen ergab sich das Resultat, daß sämtliche Zeichen ihre Entfernung vom Halse der Wurzel behalten hatten, wie sehr auch diese sich verlängert haben mochte; ein Beweis, daß die Wurzel nur an der Spitze fortwächst; obwohl, wie anderweite Versuche ergaben, dies nicht bloß durch äußeren Zellenansatz an der Spitze geschieht, vielmehr erfolgt innerhalb einer kleinen Strecke an der Spitze allerdings Dehnung. Noch manches Interessante über das Wachstum der verschiedenen Pflanzenteile s. in Treviranus, Phys. 11. 152 ff. Ein Auszug aus neuen Untersuchungen über verschiedene Verhältnisse des Wachstums von Bravais, Hartingh, Münter, Grisebach und Gräfe findet sich in Wiegm. Arch. 1844. II. 38.

6) Schneidet man einer Eidechse den Schwanz, ein Bein ab, sie ersetzt es wieder; eine Schnecke ersetzt ihren Kopf, ihr Fühlhorn wieder. Wo ein Tier etwas nicht ersetzen kann, da bleibt die Gestalt verstümmelt. Des Tieres Wachstum ist eben nur darauf berechnet, eine vorgeschriebene Gestalt zu erhalten und nötigenfalls wieder zu ergänzen. Aber eine Pflanze erzeugt nie einen weggeschnittenen Ast, ein weggeschnittenes Blatt an seiner Stelle wieder. Sie treibt aber dafür ein anderes, auch wohl anders gestaltetes an anderer Stelle; ihr Wachstum dient eben nicht sowohl, bestimmte Organe zum Wirken zu schaffen, als es selbst das Wirken sein soll. Was gewachsen ist, ist ein Vergangenes; soll es selber fortleben, muß es selber fortwachsen.

7) Die Pflanze zeigt im allgemeinen die Tendenz, ihre Teile in spiraliger Form zu entwickeln und zu stellen; die Spirale aber ist eine ihrer Natur nach unabgeschlossene Form, während der Tiergestaltung mehr in sich abgeschlossene Formen zugrunde liegen. Auch dies beweist, daß das Wachstum der Pflanze seiner Anlage nach weniger zu einem bestimmten Endresultat sich abzuschließen bestimmt ist als das des Tieres. Der Unterschied ist zwar wieder nur relativ, denn es kommen auch im Tierreiche Spiralformen (in gewundenen Schneckenhäusern, Hörnern usw.) vor, die inzwischen von keinem unbegrenzten Wachstume abhängen; und auch in den Pflanzen greift die Spiraltendenz nicht überall und durch alles durch; doch zeigt sich dieselbe im Tierreiche verhältnismäßig selten, im Pflanzenreiche aber viel häufiger, als es für den ersten Anblick scheinen möchte.

Bei den windenden Pflanzen windet sich der ganze Stengel spiralig um eine Stütze, bei manchen Bäumen der ganze Stamm spiralig in sich selbst (s. weiterhin); die Blattstellung läuft gewöhnlich in spiraliger Windung um den Stengel, was neuerdings zu ausführlichen Untersuchungen Anlaß gegeben hat (vgl. XV.); die Warzen der Mammillarien haben eine spiralige Stellung; manche Blumen sind vor dem Aufblühen spiral gewunden (aeativatio contorta); manche Früchte, wie Schwertbohnen, oder Teile von Früchten, wie die Schuppen der Tannzapfen, zeigen Neigung zur spiralen Drehung oder Stellung; die Farne rollen sich in doppelter Richtung auf, einmal aus einer Spirale der Rippe, dann aus den eingebogenen federnder seitlichen Richtung; die ganze Existenz der Oszillatorien ist spiral; ältere Fadenzweige von Lycium Europaeum neigen zu spiraler Windung; die Blattstiele der italienischen Pappel drehen sich, von einem Insekt gestochen, spiral; an einer langen Kartoffel sah man alle Augen in einer Spiralfolge von der Linken nach der Rechten aufsteigend; manche Pflanzenhaare sind mit Wärzchen, die deutlich in Spirallinien stehen, besetzt. — Im Inneren der Pflanzen haben wir das System der Spiralgefäße (vergl. S. 35); bei den Moosen, Lebermoosen, Charen und Farnen die spiraligen Samenfäden; in den Zellen der Chara nehmen selbst die Stärkemehlkügelchen eine spirale Stellung an; auch haben die Flüssigkeitsströmungen, die man in den Zellen von Chara bemerkt, eine spirale Richtung usw. — Zahlreiche Fälle von Spiraltendenz bei den Pflanzen finden sich in Goethes Abhandlung: "Über die Spiraltendenz der Vegetation" (Ges. Werke. Band 55. S. 99) gesammelt. Über die gesetzlich spirale Windung von manchen Blumen vor dem Entfalten (aestivatio coutorta), so wie von manchen Früchten vergl. insbesondere: Braun in der Flora oder allgem. botan. Zeit. von 1839. S. 311.

8) Die Pflanze vermag in ihren Wachstumsprozeß unorganische Stoffe hineinzuziehen, sie zu bewältigen, indes das Tier sich nur von organischen Stoffen zu nähren und zu wachsen vermag; jene baut eine lebendige Gestalt neu auf, dieses baut sie nur um. Auch sonst zeigt sich, daß die Assimilation der Stoffe im Wachstumsprozesse der Pflanze eine ganz andere Rolle spielt als beim Tiere. Im ganzen bietet sich den verschiedenen Pflanzen eine ziemlich ähnliche Nahrung dar, doch vermögen sie die allerverschiedensten Stoffe daraus in sich zu erzeugen, was alles besondere Akte der Lebenstätigkeit voraussetzt, die auch wohl mit eigentümlichen Bestimmungen des Gemeingefühls verknüpft sein können. Umgekehrt genießen die verschiedenen Tiere zwar die verschiedenste Nahrung, aber erzeugen alle ziemlich dieselben und im ganzen ohne Vergleich weniger zahlreiche Stoffe in sich als die Pflanzen. Die Stoffe, welche dieselbe Pflanze enthält, sind ebenso wie die äußeren Erscheinungen des Wachstums je nach Jahreszeit, Standort, Alter und anderen Umständen sehr veränderlich; die beste Arzneipflanze wirkt, zur unrechten Zeit, vom unrechten Standpunkt eingesammelt, nichts; indes beim Tiere dergleichen nicht viel Unterschied macht. Gibt es doch sogar Pflanzen, die mit dem Sonnenlaufe während des Tages ihre Bestandteile sehr merklich ändern, morgens sauer, abends bitter schmecken.

"Die Blätter Von Cotyledon calycina Rot (Bryophyllum calycinum Salisb.) in Indien sind nach Hayne morgens so sauer wie Sauerampfer, gegen Mittag geschmacklos, gegen Abend bitter. Link fand dies bestätigt und bemerkte dasselbe bei Cacalia ficoides L., Portulacaria afra Jacq. und Sempervivum arboreum L." (Gmelins Theoret. Chemie 1829. B. II. S. 1802.)

Es sind Fälle bekannt, wo das einfache Versetzen einen Mandelbaum süße Mandeln tragen machte, der vorher bittere Mandeln lieferte. (Liebig, Chem. Briefe. S. 173.)

Am meisten Ähnlichkeit mit dem Pflanzenwachstum dürfte noch das Wachstum des Fötus im Mutterleibe haben; sofern derselbe wie die Pflanze seine Organe sich von Anfang an selber baut. Diese Ähnlichkeit, oberflächlich aufgefaßt, hat nun freilich sogleich wieder zu einem ebenso oberflächlichen Einwurf gegen die Empfindung der Pflanzen geführt. Fötusleben gleich Pflanzenleben, also Pflanzenleben gleich Fötusleben. Der Fötus empfindet nicht; also auch die Pflanze nicht. So ist man schnell fertig. Als wenn es nicht bei jeder Analogie außer der Seite der Ähnlichkeit auch eine Seite der Verschiedenheit zu beachten gäbe.

Der Fötus bildet sich unter dem Einflusse fremder Lebenskraft, schöpft seine Stoffe aus fremdem Lebensborne, wächst als Erzeugnis und Teil eines anderen Leibes unter den gleichförmigsten Einwirkungen nach einem streng eingehaltenen Plane; die Pflanze wächst aus eigener Kraft, bereitet sich selbst ihren lebendigen Stoff, wächst in Freiheit unter den wechselndsten Einwirkungen der Außenwelt, zwar nicht ohne Plan, doch in freiester Entfaltung desselben. Also statt der Pflanze nach Analogie ihres Wachstums mit dem des Fötus Empfindung abzusprechen, sollte man vielmehr von vornherein eine solche Analogie gar nicht annehmen.

Um so weniger triftig kann der Vergleich des Pflanzenlebens im allgemeinen mit dem Fötusleben sein, als ein besonderer Teil des Pflanzenlebens mit viel größerem Rechte diese Vergleichbarkeit in Anspruch nimmt; ich meine das Leben des Pflänzchens im Samen, während er noch von der Mutterpflanze getragen wird. Schon hier nämlich entwickelt sich die ganze Pflanzenanlage in Würzelchen, Stengel und Blattfederchen, was der Entwickelung des Fötus im Ei, während es noch im Mutterkörper enthalten, so analog wie möglich ist. Diesem Pflänzchen im Samen freilich mag so gut eigene Empfindung fehlen wie dem Fötus; wenn aber der Fötus nach dem Austritt aus dem Mutterkörper und Durchbruch des Eies solche im freien Wechselverkehr mit Luft und Licht gewinnt, warum das Pflänzchen weniger unter so analogen Umständen?

Vielleicht ist es nicht undienlich, der Voreiligkeit von Schlüssen in diesem Felde noch mit folgender Bemerkung zu begegnen. Gesetzt, die Analogie des Lebens der erwachsenden Pflanze mit dem Fötusleben wäre so durchgreifend, daß sich wirklich etwas darauf bauen ließe; hätte man ein Recht, daraus auf Abwesenheit selbständiger Empfindung bei der Pflanze zu schließen? — Noch keineswegs; sondern gerade eben so gut könnte man umgekehrt auf selbständige Empfindung des Fötus daraus schließen. Die Voraussetzung, daß der Fötus keine selbständige Empfindung habe, ist ja selbst eben nichts als Voraussetzung, die, so wahrscheinlich sie uns erscheinen mag, doch, als noch ganz unbewiesen, nicht dienen kann, anderes zu beweisen oder zu widerlegen. Man sagt, die Erfahrung liefert uns den Beweis; wir erinnern uns doch keiner Empfindung mehr aus dem Fötuszustande. Aber welcher Mensch erinnert sich auch nur noch dessen, was er in den ersten Wochen nach der Geburt empfunden hat? Hat er deshalb nichts empfunden? Um so weniger können wir erwarten, daß der Mensch sich dessen noch erinnert, was er etwa vor der Geburt empfunden; aber auch um so weniger einen Beweis aus dem Mangel der Erinnerung an diese Empfindung gegen das Statthaben derselben ziehen. Das Erinnerungsvermögen selbst bildet sich eben erst mit der Geburt aus; und sofern wir der Pflanze ebenfalls kein eigentliches Erinnerungsvermögen beimessen werden, wie später (XIV) zu erörtern, so stände sie in der Tat hierin mit dem Fötus ganz auf derselben Stufe; die Pflanze führte das Seelenleben des Fötus und der Fötus das der Pflanze.

Ich bin jedoch weit entfernt, auf die Behauptung eines wirklichen selbständigen Empfindungslebens im Fötus etwas bauen zu wollen; ich behaupte bloß, daß man auf die gegenteilige Annahme eben so wenig etwas bauen kann, da jede Annahme hierüber erst durch anderweite Betrachtungen begründet werden muß.

Außer den bisher betrachteten Wachstumsbewegungen stehen der Pflanze noch gar manche andere Bewegungen in Faltung und Entfaltung, Hebung und Senkung, Biegung und Drehung ihrer Teile zu Gebote, welche nicht mit Wachstumsbewegungen zu verwechseln sind, obwohl freilich, wie alles in den organischen Prozessen zusammenhängt, auch damit zusammenhängen. Können wir doch auch beim Tiere ein Doppeltes unterscheiden, welchem die doppelte Form der Pflanzenbewegung gewissermaßen entspricht. Das Tier kann seinen Ort ganz und gar verändern, aber auch bloß einzelne Teile seines Körpers in verschiedene Lagen zueinander bringen, sie drehen, biegen, indes es im Ganzen am Orte bleibt. Ersterem analog erscheint es, wenn die Pflanze um sich, unter sich, über sich weiter in den Raum hineinwächst, ohne freilich so wie das Tier dabei sich vom Ausgangspunkte ganz losmachen zu können; letzterm, wenn sie, ohne sich durch neue Ansätze fortzustrecken, die schon gewonnenen in neue Lagen bringt. Alle Teile der Pflanze über der Erde sind solcher Bewegungen fähig; der ganze Stengel, die ganze Krone dreht sich bei vielen nach dem Lichte; bei andern windet sich der Stengel um Stützen; die Blätter heben sich in der Frische und senken sich in der Ermattung; die Blumenblätter entfalten sich morgens und legen sich abends zusammen: die Staubfäden mancher Blumen neigen sich, wenn die Zeit der Befruchtung gekommen, gegen das Pistill; es gibt Blätter, die Fliegen fangen, indem sie sich darum zusammenschießen. Manche solcher Bewegungen erfolgen nur unter Einfluß von besonderen Reizen; andere schon ohne solche, wenn die Entwickelungsperiode der Pflanze dazu drängt; jede Pflanze verhält sich anders darin; manche ist so empfindlich, daß sie bei jeder Berührung die Blätter faltet; hier sind diese, dort jene Teile mehr gelenkig, reizbar und beweglich. Es gibt in all diesem eine unerschöpfliche Verschiedenheit. Heben wir nun das Interessantere daraus hervor, wo die Beziehung auf Instinkt und Empfindung am nächsten liegt, oder die Ähnlichkeit mit tierischen Bewegungen am größten ist, immer mit Bedacht, daß wir unbeschränkte Ähnlichkeiten überhaupt nicht zu erwarten haben.

Die Pflanze ist ein lichtdurstiges Wesen, und so genügt es ihr nicht bloß, sich durch das Wachstum nach dem Lichte zu richten, wovon wir oben Beispiele sahen; sie wendet überhaupt alle Mittel an, die ihr zu Gebote stehen, sich in recht passende Lage und Stellung dazu zu bringen. Auch haben die nüchternsten Forscher hierin Ähnlichkeit mit dem Instinkt der Tiere gefunden, obwohl freilich meist eben nichts als Ähnlichkeit.

So sagt Decandolle in seiner Pflanzenphysiol.II. 874: "Jedermann hat wahrgenommen, daß die Zweige der in Treibhäusern oder auch in Zimmern gezogenen Pflanzen sich den Fenstern zuwenden, daß die Zweige der Waldbäume nach den lichten Stellen streben, daß die an Mauern wachsenden Pflanzen das Bestreben zeigen, sich von denselben abzuwenden, und daß die Gewächse im allgemeinen, gleichsam infolge eines besonderen Instinkts, nach dem Lichte zu trachten scheinen."

Von den Blättern ist es namentlich die Oberseite, welche das Licht sucht. Gibt man einer Pflanze oder einem Zweige eine solche künstliche Lage, daß die Blätter statt ihrer Oberseite nun ihre Unterseite dem Lichte zuwenden, so macht alsbald der Blattstiel oder, in dessen Ermangelung, die Basis des Blattes eine Drehung, wodurch die natürliche Lage sich herstellt (Bonnet). Diese Tendenz ist so mächtig, daß Knight ein Weinblatt, dessen Unterseite das Sonnenlicht beschien, und welchem er jeden Weg, in die naturgemäße Lage zu kommen, versperrt hatte, fast jeden möglichen Versuch machen sah, um dem Lichte die rechte Seite zuzuwenden. Mehrmals, nachdem es während einiger Tage demselben in einer gewissen Richtung sich zu nähern gesucht und durch Zurückbeugung seiner Lappen fast seine ganze Unterseite damit bedeckt hatte, breitete es sich wieder aus und entfernte sich weiter vom Glashausfenster, um in der entgegengesetzten Richtung dem Lichte sich wieder zu nähern (Treviranus, Beitr. 119).

Dutrochet erzählt in s. Rech. p. 131: "Ich sah, daß, wenn man die obere Fläche des Blattes einer in freier Luft stehenden Pflanze mit einem kleinen Brette bedeckt, dies Blatt sich diesem Schirme durch Mittel zu entziehen sucht, welche nicht immer dieselben, aber immer von der Art sind, wie sie am leichtesten und schnellsten zum Zwecke führen müssen; so geschah es bald durch eine seitliche Biegung des Blattstiels, bald durch eine Biegung desselben Blattstiels nach dem Stengel hin. War das Brett zu groß, als daß das Blatt darunter hätte wegkommen können, so beugte sich der Blattstiel zur Erde, damit das seitlich unter das Brett gelangende Licht das Blatt treffen könnte."

Derselbe Naturforscher bedeckte das Endblättchen eines Bohnenblattes (von Phaseolus vulgaris), welches bekanntlich 3 Blättchen besitzt, mit einem kleinen Brette. Da sich nun dies Blättchen wegen der Kürze seines besonderen Stiels nicht durch Beugung desselben der Bedeckung mit dem Brettchen zu entziehen vermochte, so erfolgte dies durch die Beugung des gemeinschaftlichen Blattstiels. "Wenn man," sagt Dutrochet, "sieht, wie viel Mittel hier angewandt werden, um zu demselben Zwecke zu kommen, wird man fast versucht zu glauben, es walte hier im Geheimen ein Verstand, welcher die angemessensten Mittel zur Erreichung des Zweckes wählt." — Daß es übrigens wirklich eine Sucht nach Licht, nicht eine Flucht des Brettes ist, welche bei diesen Versuchen ins Spiel kommt, beweist der Umstand, daß bei Wiederholung derselben im Dunkeln sich kein Bestreben äußerte, sich der Bedeckung mit dem Brette zu entziehen.

Bei jungen Blättern erfolgt das Umwenden schneller als bei älteren — Selbst ganze Baumäste können durch die Tendenz der Blätter, sich umzuwenden, aus ihrer Lage gebracht werden. (Dassen) in Wiegm. Arch. 1838. II. S. 159.)

Nach Bonnets und andrer Versuchen, wenn man ein Blatt so befestigt, daß es in keiner Weise seine obere Fläche dem Lichte zuwenden kann, sondern genötigt ist, die untere demselben zuzuwenden, so verdirbt das Blatt; ja die Verderbnis breitet sich von da weiter über den Zweig aus. Also ist es wirklich eine ihm zusagende Lebensbedingung, welche das Blatt durch seine rechte Stellung im Lichte zu gewinnen sucht.

Dassen (Fror. N. Not. VI. S. 51) hat neuerdings Versuche angestellt, durch die er glaubt beweisen zu können, daß die Bewegungen der Blätter, die im Vorigen dem Einflusse des Lichtes zugeschrieben wurden, in der Tat nicht davon abhängen, sondern daß die Blatter überhaupt die Tendenz haben, eine ihrer Flächen nach oben zu kehren, und diese Lage immer wieder einzunehmen streben, welcherlei Umstände in betreff von Licht, Wärme, Feuchtigkeit auch obwalten. In der Tat scheint aus seinen Versuchen hervorzugehen, daß eine solche Tendenz, abgesehen vom Lichteinflusse, stattfinde; indes möchten die obigen Versuche Dutrochets und anderer doch nicht ganz aus Dassens Voraussetzungen erklärbar sein. Für uns ist die Diskussion über diesen Gegenstand weniger wichtig; da uns diese Versuche überhaupt nur dienen sollen zu zeigen, wie die Pflanzen in ähnlicher Weise wie die Tiere sich durch zweckmäßige Bewegungen in naturgemäße Verhältnisse zu versetzen streben, wobei es im Grunde gleichgültig ist, ob diese Verhältnisse sich auf Licht oder Schwere oder sonst etwas beziehen.

Unter den Blumen hat sich die Sonnenblume ihren Namen gewiß nicht minder durch ihre Neigung, in der Stellung dem Sonnenlaufe zu folgen, als durch ihr sonnenähnliches Aussehen verdient. Hat doch Athannsius Kircher sogar eine Sonnenuhr hierauf zu gründen vorgeschlagen.

Die Einrichtung soll folgende sein: Mitten auf dem Boden eines großen, mit Wasser zum Teil gefüllten, Zubers werde eine Eisenspitze angebracht und an diese ein ansehnliches Stück Kork so befestigt, daß dasselbe auf dem Wasser ruhe und sich um die Spitze frei drehen könne. Auf diese Scheibe befestige man eine Sonnenblume samt der Wurzel in senkrechter Richtung (auch kann man den Stengel durch den Kork gehen lassen). Vom Stengel selbst lasse man zur Erquickung der Pflanze einige wollene Bänder in das Wasser herabgehen. Man umgebe darauf die Blume mit einem Metallringe, auf dessen innerer Seite die Stundenzahlen nach der Polhöhe des Ortes richtig verzeichnet sind, damit der im Mittelpunkt der Uhr steckende Zeiger solche gehörig anzeigen könne. Diese Vorrichtung stelle man nun morgens in die freie Luft so, daß die Nordseite derselben nach der Sonne gekehrt sei. Die Blume soll sich nun nach dem Laufe derselben drehen und hierdurch die Stunden anzeigen.

Freilich ist dies nur eine Spielerei; denn das Sonnenlicht ist’s doch nicht allein, was die Stellung der Sonnenblume bestimmt; man sieht auch Sonnenblumen genug, die nicht nach der Sonne blicken; wie ein Tier in seinen Stellungen und Bewegungen ja auch nicht ausschließlich durch einen Reiz bestimmt wird. Doch bleibt das Sonnenlicht jedenfalls ein Hauptreiz, der auf die Stellung dieser Blume wie auf die vieler anderen Blumen Einfluß hat. (VergI. die von Hegel mitgeteilte Bemerk.. S. 54.)

Sehr viele krautartige Pflanzen bewegen auch ihren Stamm und ihre Äste einigermaßen nach dem Laufe der Sonne, wie z. B. Lupinus luteus, Reseda luteola, Sonchus arvensis u. a. (Van Hall. Elem. Bot. p. 28).

So deutlich in den bisher angegebenen Fällen die Tendenz der Pflanzenteile nach dem Lichte hin ist, so gibt es doch auch Fälle, wo das Licht vielmehr geflohen wird, eben wie im Tierreiche von manchen Tieren und unter gewissen Umständen derselbe Reiz geflohen wird, den die anderen unter den meisten Umständen suchen.

So schreibt Mohl (über den Bau und das Winden der Ranken S. 26): "Eine besondere Merkwürdigkeit zeigen die Ranken der Rebe und nach Knight (Philos. transact. 1812. p. 314) auch die von Cissus hederacea, indem sie nicht wie andere grüne Pflanzenteile sich dem einfallenden Lichte zuwenden, sondern sich von der Seite, wo das Licht einfällt, wegdrehen. Diese Erscheinung ist um so auffallender, da die Blütentrauben der Rebe, aus denen die Ranken entstehen, dieses Fliehen vor dem Lichte nicht zeigen. Dieses Zurückbiegen vor dem einfallenden Lichte zeigt sich nicht nur, wenn die Rebenschößlinge in einem Zimmer sind, welches nur von einer Seite sein Licht empfängt, sondern auch in einem sehr auffallenden Grade an Weinstöcken, welche im Freien gezogen werden, wo die Ranken mehr oder weniger eine Richtung nach Norden zeigen, oder, wenn sie an Mauern gezogen werden, gegen diese hingerichtet sind . . . Daß dieser Umstand das Umfassen von Stützen erleichtert, sieht man leicht ein, daß aber diese Richtung nur Folge des Einflusses des Lichts ist, sieht man daran, daß auch an ganz freistehenden Schößlingen von Reben die Ranken sich vom einfallenden Lichte abwenden, daß, wenn man einen Schößling einer Rebe unter ein offenes Fenster stellt, die Ranken rückwärts gegen den leeren Raum des Zimmers sich wenden, und nicht seitwärts gegen die Mauer des Fensters, den einzigen Körper, der in der Nähe steht. — Dieses Fliehen vor dem Lichte scheint nur den Ranken von Cissus und Vitis zuzukommen, wenigstens konnte ich (Mohl) an den Ranken von Passifloren, von Cobaea, welche in Gewächshäusern gezogen wurden, in welche das Licht nur von einer Seite einfiel, nie bemerken, daß sie sich entweder dem Lichte zuwendeten oder dasselbe flohen. Dasselbe bemerkte ich auch an Passiflora coerulea, Pisum sativum, Lathyrus odoratus, an Kürbissen, welche ich in meinem Zimmer zog; obgleich die Stengel dieser Pflanze sich stark gegen das Licht bogen, standen doch die Ranken gleichförmig nach allen Seiten hinaus."

Nach Dutrochet inzwischen fliehen auch die Stengelspitzen des Hopfens (Humulus lupulus) und der Zaunwinde (Convolvulus sepium), desgleichen die Würzelchen des keimenden Mistelkorns das Licht. Nach Payer tun dasselbe die Wurzeln von Kohl und weißem Senf, wie man bemerkt, wenn man den Samen dieser Pflanze auf Baumwolle säet, die in einem Glase voll Wasser schwimmt. Wie die Stengel sich gegen das Licht biegen, wenden sich die Wurzeln vom Licht abwärts, so daß die Pflanze ein S darstellt. Die Wurzeln von Sedum telephium wenden sich nicht vom verbreiteten aber vom direkten Sonnenlichte ab. Auf die Wurzeln der Kresse aber wirkt weder das verbreitete noch direkte Licht, wo aber auch das Licht auf die Wurzeln wirkt, ist doch der Neigungswinkel der Wurzeln immer kleiner als der der Stämme. (Comptes rendus. 1843. II. 1043.)

Zu den interessantesten instinktähnlichen Lebensäußerungen der Pflanzen gehören die, welche die windenden Pflanzen im Aufsuchen ihrer Stützen zeigen, worüber besonders Mohl gute Aufschlüsse (in s. Schrift über das Winden der Ranken) gegeben hat.

Eine Pflanze, welche von der Natur die Bestimmung erhalten hat, sich um eine Stütze zu winden, streckt sich, aus der Erde hervorkeimend, erst ein Stück senkrecht in die Höhe, beugt aber dann im Fortwachsen den obern Teil um, so daß er der wagrechten Richtung sich mehr nähert, indes der untere aufrecht bleibt. Nun fängt dieser senkrechte Teil an sich um seine Achse zu drehen, so daß die Fasern desselben eine Spirallage annehmen. Es ist wie bei einem Bindfaden, der am obern Punkte festgehalten und mit der anderen Hand um sich selbst gedreht wird; nur daß bei der Pflanze die Befestigung vielmehr unten durch die Einwurzelung in der Erde gegeben ist, und die Drehung durch die eigene Lebenskraft der Pflanze erfolgt. Dabei wird natürlich der gegen den Horizont umgebogene Teil im Kreise herumgeführt, und mittelst dieser tastenden Bewegung sucht die Pflanze die Stütze. Ist es bei einmaligem Kreisen nicht gelungen, eine solche zu finden, so wiederholt sie es wohl mehrmals, während sie das Tastorgan durch Fortwachsen immer weiter vorstreckt. Es könnte ja in einem Kreise von größerem Halbmesser eine Stütze stehen, die im kleineren Kreise fehlte. Findet aber die Pflanze auf solche Weise keine, so gibt sie den Versuch auf; es wird ihr zu schwer, das zu lang gewordene Tastorgan über dem Boden zu erhalten, Sie legt sich aus dem Boden nieder und kriecht darauf hin, so lange bis sie eine Stütze findet. Hat sie nun eine solche gefunden, so merkt sie es sofort, denn sie hört jetzt auf einmal auf, weiter zu kriechen, und läuft nun um die Stütze in die Höhe. Merkte sie nichts davon, und gefiele es ihr nicht, die Stütze hinan zu laufen, so würde sie ja doch nebenweg laufen in der Fortsetzung der bisherigen Richtung, wo sie’s so viel bequemer hatte, nicht gegen die Schwere anzustreben brauchte.

Bei dem Umschlingen der Stütze hört dann auch die Drehung des windenden Stengels um sich selbst (welche die Fasern eine Spirallinie beschreiben läßt) auf, wie man sich überzeugen kann, wenn man mit Tinte Striche längs des windenden Stengels zieht; diese bleiben der Achse parallel (Mohl S. 111).

Freilich kann man den Erfolg wieder so darstellen, und pflegt ihn wirklich so darzustellen, der physische Reiz der Stütze auf die Pflanze treibe sie zum Aufwärtslaufen; Empfindung sei nicht dahinter. Es ist aber wieder die alte Geschichte. Mit gleichem Rechte könnte man auch das Aufwärtslaufen des Eichhörnchens am Eichstamme als ein nur etwas komplizierteres Spiel des Reizes der Lichtstrahlen, die vom Eichstamme ins Auge des Eichhörnchens fallen, und des Eichstammes selber auf die noch komplizierteren Einrichtungen und Bewegungen im Eichhörnchen betrachten; ja im Grunde erscheint doch noch weniger erklärlich, wie ein trockner Stock die windende Pflanze zum Aufwärtslaufen reizen kann, als wie das Licht, das von einem Baume kommt, und der lebendige Baum selber das Eichhörnchen dazu reizen kann. Und wenn man den Erfolg hypothetisch im einen wie im anderen Falle auch so betrachten kann, hat man ihn deshalb im einen wie im anderen Falle noch nicht bloß so zu betrachten. Doch ich verweise hierüber auf frühere Erörterungen.

Die Pflanze windet sich nun bis zum Gipfel in die Höhe. Ist sie oben angelangt, was wird sie tun? Die Stütze ist zu Ende; das Bedürfnis danach erneuert sich also und die Pflanze fängt wieder wie zu Anfange an, danach zu suchen. Sie wächst erst wieder ein Stückchen in die Höhe, biegt sich dann wieder um und fängt wieder an im Kreise zu tasten, um eine andere Stütze zu finden.

Manche von den sich windenden Pflanzen haben die Eigentümlichkeit, bloß rechts, und wieder andere, bloß links im Kreise umherzutasten, und winden sich dann auch stets in solcher Richtung. Man stecke einen Stab links gleich neben den Taster einer sich rechts windenden Pflanze ein, die ihre Stütze sucht, und sie findet ihn nicht, bewegt sich vielmehr sogar weg davon. Dies hat man gegen das Vorhandensein eines Instinkts geltend gemacht. Denn, sagt man, der Instinkt würde die Pflanze den nahen Stock merken lassen; statt dessen entfernt sie sich davon. Der Fall beweist aber bloß, was wir sonst schon wissen, daß der Instinkt in seinen Äußerungen an natürliche Anlagen gebunden ist. Der Taster hat natürlich keine Augen, und selbst der Hungrigste sieht ein Stück Brot nicht, was man hinter seinen Rücken hält, der Blinde sogar nicht, wenn man es ihm vor die Nase hält. Aber, wenn ihm ein Instinkt sagte, es könne um ihn etwas zu essen geben, so würde er auch umhertasten, es zu finden, und dabei das Brot so leicht verfehlen können, als die Pflanze die Stütze verfehlt, sofern es in seiner Anlage begründet ist, nicht durch Bewegungen der Nase, sondern der Arme, zu suchen, was er braucht.

Viele Gewächse umwinden tote, wie lebendige Stützen; die Flachsseide (Cuscuta), eben jung hervorgekommen, unterscheidet zwischen beiden; sie umwindet nur lebendige.Mohl (Über den Bau und das Winden der Ranken S. 127. 131) sagt zwar, daß die Cuscata sich um leblose Körper, z. B. trockne Stäbe von Tannenholz, Glasstäbe, silberne Röhren, ebensowohl winde als um lebendige (Stengel, aber es betrifft diese Angabe ältere Exemplare, die sich schon an anderen lebendigen Pflanzen festgewurzelt haben und dann aus diesen fortgehens Nahrung saugen können; dagegen fand Palm, (Über das Winden der Pflanzen S. 48), daß die Flachsseide sich niemals um tote Körper windet; er bot ihr eine Menge abgestorbener oder unorganischer Körper verschiedener Art als Stützen dar, und nie wollte sie sich um dieselben Schlingen, was dagegen bei lebendigen Stengeln erfolgte. Der scheinbare Widerspruch zwischen beiden Angaben dürfte sich also lösen, wenn man annimmt, daß Palm mit ganz jungen Pflanzen experimentierte; denn in dieser Beziehung sind Mohls (allerdings nicht zahlreiche) Versuche mit denen von Palm in Einstimmung. Er sagt (S. 138 seiner Schrift): "Ob die junge, erst aus dem Samen aufgegangene, Cascuta Europaea eine Ausnahme (vom Winden um allerlei sowohl tote als lebende Stengel) macht, weiß ich nicht gewiß; einige Versuche, die ich mit ihr anstellte, scheinen dafür zu sprechen; doch hatte ich nicht Gelegenheit, sie in gehöriger Anzahl anzustellen, da alle Samen von Cascuta, welche ich zu wiederholten Malen aussähte, nicht aufgingen, und da die jungen Exemplare, die ich im Freien aushob, alle zu Grunde gingen, bis auf das eine, mit dem ich die Versuche anstellte. Neben dieses Exemplar, welches noch in der Samenhülle steckte, und welches gegen 2 Zoll lang war, steckte ich einen Messingdraht, so daß er die Pflanze berührte; nach 3 Tagen hatte sich diese auch nicht im Mindesten um denselben gewunden, ebensowenig wand sie sich um ein dünnes Stäbchen von Tannenholz. Sobald ich sie aber neben eine lebende Nessel gesetzt hatte, so daß sie ihren Stengel berührte, wand sie sich innerhalb 9 Stunden um dieselbe." Warum hat sie einen so andern Instinkt als andere Pflanzen? Ihre Lebensverhältnisse sind eben andere. Die andern windenden Pflanzen, indem sie aufwärts ranken, bleiben doch noch im Boden wurzeln und saugen Nahrung daraus, auch ohne daß die Stütze solche hergibt. Die Flachsseide aber macht sich, nachdem sie im Erdboden gekeimt, von demselben gänzlich los, indem ihre darin haftenden Wurzeln absterben und nun vermag sie bloß noch aus dem lebenden Gewächse durch Würzelchen, die sie hineintreibt, Nahrung zu ziehen; was hälfe ihr da ein toter Stock. Der lebende Stengel dagegen wird von ihr mit engen Windungen umfaßt, sie saugt ihn aus, oft stirbt er darüber ab. Wie hilft sich jetzt die Pflanze? An Toten kann sie doch nicht mehr Nahrung finden. Sie fängt jetzt an ihre Windungen zu erweitern, ob sie dadurch vielleicht ein anderes Gewächs erfassen kann.

Letztere Bemerkung, die ich nicht in Mohls Schrift finde, wurde mir von Prof. Kunze mitgeteilt.

Auf das Rechts- und Links-Winden der windenden Pflanzen äußern weder Sonne, noch Mond, noch Stellung zum Licht einen Einfluß. Daß eine Art bald rechts, bald links winde, war Mohl nie vorgekommen. So weit seine Beobachtungen reichen, winden sich die Arten einer Gattung, aber nicht immer die einer Familie, in derselben Richtung. Die Mehrzahl der Schlingpflanzen windet sich links.

Nach dem Lichte richten sich die Schlingpflanzen im allgemeinen weniger als andere Pflanzen (vergl. S, 142). Auch nachts und bei völliger Ausschließung des Lichts machen sie ihre Kreisbewegungen, oder winden siech um ihre Stützen (Mohl S. 122).

Der bereits bemerkte Einfluß der Jugend macht sich auch beim Winden der Pflanzen geltend. Die Kreisbewegungen, welche der Stengel einer Schlingpflanze macht, erfolgen bloß im jungen Zustande desselben; nachher wird er fester, verholzt, und kann sich nun nicht mehr um Stützen schlingen, selbst wenn man solche unmittelbar mit ihm in Berührung bringt.

Der Stamm mancher Bäume kann auch ohne Stütze im geraden Emporwachsen sich um sich selbst winden, obwohl diese Windungen immer nur lang gezogen sind und meist nicht einmal einen ganzen Umlauf machen. Sofern es hierbei nichts Besonderes zu suchen gibt, wird man hierin auch nicht Äußerungen eines ebenso bestimmten Instinkts zu sehen haben wie bei den Bestrebungen windender Pflanzen, eine Stütze zu finden. Doch gibt es auch hierbei Punkte, welche von Interesse sind, sofern sie an die halb gesetzliche, halb freie Art erinnern, wie im Menschlichen und Tierischen sich Anlagen entwickeln und äußern. Das Holz, kann man sagen, benimmt sich hierbei doch nicht hölzern, sondern dreht und schmiegt sich, nach inneren und äußern Antrieben, wie man es der organischen Grundlage für die Entwicklung einer Seele wohl ziemend halten kann. Es geschieht nämlich dies Winden auch nicht nach einer einfachen, toten, überall und ein für allemal in selber Weise gültigen Regel, sondern nach einer sozusagen lebendigen flüssigen Regel, die teils individuellen Unterschieden in der Natur des Gewächses folgt, teils sich Abänderungen äußerer Umstände auf eine von uns nie ganz zu berechnende Weise anbequemt.

Man mache einen Spaziergang um Leipzig durch dessen Allee, welche hauptsächlich aus Linden und Roßkastanien besteht, und betrachte etwas aufmerksam die Roßkastanienbäume darin; so wird man an so ziemlich allen tiefgehenden Rindenrissen und erhabenen Rindenwülsten derselben von einiger Länge die Zeichen spiraliger Drehung deutlich erkennen. (Besonders auffallend u. a. an mehreren der zwischen Barfußpförtchen und Theater stehenden Stämme. Wo keine bedeutenden Risse oder Wülste vorhanden, zeigen sich Spuren der Spiraldrehung doch oft noch in der gegen die Achse des Stammes schiefen Richtung der kleinen Risse.) Die Spiraldrehung steigt überall übereinstimmend von Links nach Rechts (für den gegenüberstehenden Beobachter) in die Höhe. Die Drehungsrichtung ist also bei dem Roßkastanienbaume so fest bestimmt wie bei einer um einen Stengel sich windenden krautartigen Pflanze. Aber der Grad der Drehung ist sehr verschieden bei denselben, wenn auch benachbarten, Stämmen. An den Linden derselben Allee bemerkt man dagegen nirgends entschiedene Zeichen von Drehung. Geht man weiter ins Rosental und betrachtet die Stämme von Hainbuche (Carpinus Betulus), die sich zahlreich darin finden, so werden die meisten ebenfalls kein entschiedenes Zeichen von Drehung verraten; bei manchen aber tritt sie sehr deutlich auf, doch so, daß ebensowohl Stämme vorkommen, wo die Drehung von Links nach Rechts, als wo sie von Rechts nach Links aufsteigt. Ich zählte bei einem größeren Spaziergange 20 Stämme erster gegen 14 Stämme zweiter Art. Das Übergewicht der ersteren gegen die letzteren rührte aber nur daher, daß auf einem gewissen Distrikt bloß links gewundene Stämme vorkamen, wo also der Entwickelung dieser Richtung besonders günstige Umstände obwalten mußten; während ich sonst links und rechts gewundenen im unregelmäßigsten Wechsel begegnete und hierunter zweimal den Fall hatte, daß zwei entgegengesetzt gewundene Stämme gleich nebeneinander standen, den Anschein nach unter ganz gleichartigen Verhältnissen gewachsen. Die Eichen des Rosentals zeigen nichts von Drehung. Kombiniert man diese verschiedenen Fälle, so wird man darin folgendes für die Entwickelung der Anlagen von Tier und Mensch geltende Resultat wiederfinden. Waltet eine Anlage in bestimmter Richtung sehr vor, so hat nichts mehr Macht, sie zu verkehren; wo aber die Anlage nicht entschieden ist, da schlägt sie nach Verschiedenheit der äußeren Umstände diese oder jene Richtung der Entwicklung ein, ohne daß sich solche aus den äußeren Umständen allein berechnen ließe.

Nach Goethes Angabe windet sich auch die Birke ausnahmslos spiralig von links nach rechts bis in den Gipfel; was man aber nicht sowohl auswendig als beim Spalten des Stammes erkennt. Freistehende Birkenstämme zeigen die Spiraldrehung weit auffälliger als solche, die im Dickicht stehen. Derselbe erwähnt, daß nach forstmännischen Angaben auch unter Kiefern Fälle vorkämen, wo der Stamm von unten bis oben eine gedrehte, gewundene Richtung annehme; man habe geglaubt, da man dergleichen Bäume an der Brane gefunden, eine äußere Wirkung durch heftige Stürme sei die Veranlassung; man finde aber dergleichen auch in den dichtesten Forsten, und es wiederhole sich der Fall nach einer gewissen Proportion, so daß man l bis etwa 1½ pC, im Ganzen das Vorkommen rechnen könnte. Auch an alten Kastanienbäumen und Stämmen von Crataegus torminalis kommt nach Goethe die Spiraldrehung vor (Goethes ges. Werke Band 55. S. 123). Ich selbst fand einen Maßholderstamm (Acer campestre) ziemlich stark gewunden. Viele Arten und Individuen von Bäumen aber zeigen wenigstens auswendig nichts von Drehung.

Unter den Bewegungen des Faltens und Biegens, welche die Pflanzen im Entwickelungsgange ihres Lebens von selbst vornehmen, ist die Entfaltung der Blumenkrone beim Aufblühen und ihr Schließen oder sonstige Lagenveränderung ihrer Teile im sogenannten Pflanzenschlafe von vorzugsweisem Interesse. Man vergesse aber nicht, sein Augenmerk auch auf die Blütenstiele und die Blätter zu richten. Es kommen ganz anmutige Verhältnisse dabei vor, die uns freilich eine Bedeutung für das Seelenleben der Pflanzen nur mehr ahnen lassen, als daß wir sie wirklich verfolgen könnten. Erinnern wir uns der mit dem Sonnengange zusammenhängenden auf- und abgehenden Bewegung der Wasserlilie und Lotosblume von Nacht zu Tag. Wie es nach Linné die Wasserlilie im Wasser macht, macht es der Huftattig (Tussilago Farfara) außer dem Wasser; d. h. er schließt bei Nacht die Blumen und senkt sie nieder, dem schlafenden Menschen ähnlich, der die Augen schließt und das Haupt senkt. Überhaupt ist das Senken der Blumen bei Nacht nicht selten, obwohl nicht überall mit schließen der Blumen; wie anderseits viele Blumen sich schließen, ohne sich zu senken. Jede macht’s nach ihrer Weise.

Bei vielen hängt die Art der Stellung des Blütenstengels mit der Periode der Blütezeit zusammen. Der Mohn trägt die Knospe tief gesenkt, so lange sie noch nicht aufgeblüht ist, aber steif aufgerichtet, wenn sie erblüht ist; ungeachtet die Blume doch schwerer ist als die Knospe, wie eine Jungfrau ihr Köpfchen bescheiden neigt, um es als Frau dereinst stolz emporzutragen und sich mit ihrem Schmucke zu brüsten. — An der Hyazinthe, die aufblühen will, drängen sich alle Blütenknospen eng um den Mutterstamm zusammen wie zu einer geschlossenen Faust und sehen noch grün wie die Blätter aus; als sollte auch die kleinste Ahnung dessen, was kommen wird, von ihnen abgehalten werden. Aber wenn sie aufblühen, biegt sich eine so viel wie möglich von der andern ab, um recht selbstständig Luft und Licht, und was es sonst gibt, genießen zu können, und das Grün verwandelt sich in reizende Farbe. — Die Euphorbia oleaefolia Gouan läßt ihr Haupt den Winter hindurch überhängen und kündigt durch ihr Sichaufrichten (nach Draparnaud) die Wiederkehr des Frühlings an (Decand. 11. 628). — Bei der Gattung Phaca und einigen anderen Leguminosen dreht sich das Blumenstielchen während der Zeitigung der Hülse dergestalt, daß die obere Fruchtnaht, welche sich allein öffnet, zur untern wird und dem Samen folglich möglich macht auszufallen. (Decand. II. 623.)

Von besonderem Interesse ist auch der Schutz, den manche Pflanzen im Schlafzustande durch die Stellung ihrer Blätter den zarten Teilen gewähren, indem sie entweder durch das Aufrichten der Blätter um den Stengel oder die Spitze der Zweige eine Art von Trichter bilden, worunter die jungen Blumen oder Blätter geschützt sind (Malva Peruviana), oder auch, indem die obersten Blätter sich herabsenken und über den jungen Trieben ein Gewölbe bilden (Impatiens noli me tangere), oder indem die Blättchen eines zusammengesetzten Blattes sich nach oben so zusammenlegen, daß sie die Blüten zwischen sich einschließen. (Trifolium resupinatum und incarnatum, Lotus tetragonolobus und ornithopodioides u. a.)

Noch einiges Nähere über den sogenannten Pflanzenschlaf, s. in den diesem Abschnitte angefügten Zusätzen.

Man hat dergleichen Biegungen, wie sie die Pflanzenteile machen, durch ungleiche Befeuchtung, oder ungleiche Erwärmung der Fasern an verschiedenen Seiten des Stengels erklären wollen. Wie wenig das inzwischen ausreicht, beweist nicht nur das so ungleiche Verhalten verschiedener Pflanzen unter denselben Umständen, was vielmehr ganz analog ist dem eben so verschiedenen Verhalten verschiedener Tiere unter denselben Umständen, sondern auch recht schlagend der Fall der Vallisneria spiralis, deren Stengel sich sogar unter Wasser spiralförmig auf- und abrollt.

Alle bisher angeführten Bewegungen des Wachsens, Biegens, Drehens, Windens der Pflanzen erfolgen nur langsam im Verhältnis zu den Bewegungen, welche Mensch und Tier vornehmen können. Der Mensch, das Tier streckt rasch den Arm, die Kralle, ergreift, was ihm dienlich scheint, und zieht sie eben so schnell zurück. Welche schnell wechselnden Bewegungen im Hantieren, Laufen, Springen! Nichts von all dem in der Pflanze. Sie streckt nur langsam ihre Wurzeln, erhebt nur langsam ihren Stengel, kriecht nur allmählich eine Stütze hinauf, folgt scheinbar träge den Reizen, die auf sie wirken, und verharrt stetiger in den Lagen, die sie einmal angenommen. Dennoch liegt hierin kein Grund, auf schwächere Empfindungen und Triebe bei ihr zu schließen, sofern starke Empfindungen und Triebe sich eben sowohl in starken inneren Veränderungen und Bewegungen als in einem großen Umfange oder großer Schnelligkeit äußerlicher Bewegung aussprechen können, in welche letztere auszuschlagen bei dem festen und engen Wirkungskreise der Pflanze wenig Anlaß war. Man betrachte einen Menschen, welcher tief nachdenkt, wie arbeitet es in seinem Kopfe; sicher, obwohl wir es nicht sehen können, strömt es dabei hin und her in den unzähligen feinen Nerven- und Gefäß-Kanälen, welche sein Gehirn bilden, wozu wären sie sonst da; aber äußerlich sieht man nichts. Wie tief fühlt oft innerlich das Weib, und wie wenig zeigt sie’s oft äußerlich; nicht daß sich dabei nichts in ihr leiblich regte; vielmehr wollen die Tränen vielleicht mit Gewalt zum Auge heraus, ein Krampf geht ihr vielleicht durch alle Glieder, das Herz will ihr vielleicht zerspringen, ja es gibt Fälle, daß es wirklich bei inneren Gemütsbewegungen gesprungen ist, durch den gewaltigen Drang des Blutes; aber all das kann ohne äußerlich sichtbare Bewegung erfolgen. Dergleichen innere Veränderungen sind sogar ein viel wesentlicherer Ausdruck von Empfindung und empfundenem Triebe, als alle äußeren es sein können, sofern die äußern selbst nur Ausläufer von jenen sind. Wenn jemand wütend auf den andern losschlägt, ist nicht die Bewegung seines Armes das, worin sich die Gemütsbewegung unmittelbar leiblich ausdrückt, sondern etwas, was durch den Zorn im Gehirn aufgerührt wird, und durch Vermittelung der vom Gehirn auslaufenden Nerven den Arm erst in Bewegung setzt. Man kann den Arm halten, und der Zorn dauert nur gesteigert fort; könnte man die Bewegungen im Gehirn halten, so würde man nach der hienieden stattfindenden Wechselbedingtheit von Geist und Leib hiermit den Zorn selbst halten; es beweist sich sogleich, wenn etwa das Übermaß des Zorns Schlagfluß herbeiführt, wobei alle Bewegungen im Gehirn und alle Leidenschaften zugleich stocken.

Also nicht darauf kommt es an, recht starke äußerliche Bewegungen zu sehen, um auf starke Triebe und Empfindungen zu schließen, vielmehr die inneren Bewegungen sind in Betracht zu ziehen, welche allerdings nach Maßgabe dazu auffordernder Anlässe und Zwecke in äußere Bewegungen ausschlagen können, aber es keineswegs immer tun.

Dürfen wir einen Schluß von uns selbst machen, so wird es übrigens weniger die Größe der inneren Bewegungen an sich, als die Größe der Veränderungen, in denen sie selbst befangen, oder in deren Erzeugung sie begriffen sind, sein, womit die Stärke der Empfindungen und empfundenen Triebe zusammen hängt. Geht alles im gewöhnlichen Gleise in uns her, wo doch Blut und Nervengeist schnell genug laufen mögen, so tragen wir nichts als ein allgemeines Lebensgefühl davon, aber jede besondere Änderung oder jedes Streben dazu, was, sei es durch einen äußeren Sinnesreiz, sei es durch innere Anlässe, hervorgebracht wird, fühlen wir alsbald um so lebhafter, je größere Kraft sich in Hervorrufung der Änderung tätig erweist. Ziehen wir dies in Betracht, was gewiß im allgemeinen triftig ist, wenn gleich an der gründlichen Klarstellung noch viel fehlt, so werden wir die Zeichen lebhafter Empfindungen und lebhaft empfundener Triebe selbst in den äußerlich so gering erscheinenden Bewegungen der Pflanze nicht vermissen, denn diese äußerlich geringen Bewegungen hängen mit einem mannigfaltigen Spiel innerer Änderungen und einem großen Drange zu solchen Änderungen zusammen. Man weiß, daß jede freiwillige Biegung und Drehung der Pflanzenteile mit Abänderung des Säftelaufs und wahrscheinlich noch feineren, ins Chemische greifenden Abänderungen in Beziehung steht. Und was für ein innerer Drang mag dazu gehören, die Gestalt der Pflanze von innen heraus so nach allen Richtungen und dauernd zu ändern, wie es im Emporwachsen des Stengels, im Knospen- und Blütentriebe der Fall ist. Ja die Erfahrung beweist direkt die Kraft dieses Dranges. Der Saft, der dazu aufsteigt, vermag durch die Kraft, mit der er es tut, große Wasser- und Quecksilbersäulen zu heben; und die Wurzel, die niedersteigt, vermag in schweres Quecksilber einzudringen, und durch feste Erde durchzudringen, Durch keimende Erbsen, Quecken u. dgl. wird festes Erdreich oft in Klumpen aufgehoben. Nun sehen wir doch den, so mit Gewalt emporsteigenden oder niedersteigenden, Saft die leichten Hüllen der Knospen- oder Wurzeltriebe, in die er dringt, nicht roh durchbrechen; also wird diese Gewalt zum weiteren Heraustreiben der Knospen- oder Wurzeltriebe, Entwickeln der Blätter und Blüten selbst verwandt.

"Jedermann weiß, daß, wenn der Weinstock beschnitten ist, zu den Schnittflächen, bei welchen das Holz bloßgelegt ist, Wasser herausfließt, und daß bei nicht beschnittenen Bäumen der Saft nicht ausfließt und dazu dient, die Knospen zu entwickeln. Hales wollte wissen, mit welcher Kraft der Nahrungssaft in den Stämmen aufsteige. Um dieses zu erfahren, paßte er an das obere Ende eines sieben Zoll langen Weinstocks eine Röhre an und verstrich diese so sorgfältig mit Kitt, daß das aus dem Weinstocke dringende Wasser nicht abfließen konnte und sich daher, durch die aus dem Stamme neu hinzuströmende Flüssigkeit von unten getrieben, in der Röhre ansammeln mußte. Bei einem ersten Versuche stieg das Wasser 21 Fuß hoch; bei einem zweiten ward in der Röhre oben eingegossenes Quecksilber von dem zum Weinstocke hinausdringenden Wasser 38 Zoll hoch gehoben. In diesem Falle muß die den rohen Nahrungssaft treibende Kraft hinreichen, den Druck von 2½ Atmosphären auszuhalten. Nach Hales’ Berechnung ist sie 5 mal stärker als die Kraft, welche das Blut in der Schenkel-Schlagader eines Pferdes treibt."

"Senebier erhebt gegen Hales’ Versuche Zweifel, die darauf gegründet sind, daß, wenn der Nahrungssaft wirklich mit der Kraft in die Höhe steige, welche man ihm nach dem angeführten Versuche beilegt, es außerordentlich sei, daß er durch die schwache Hülle einer Knospe könne aufgehalten werden. Nun aber (sagt Decandolle) ist es augenscheinlich nicht die Knospenhülle allein, die ihn aufhält, sondern der Umstand kommt noch hinzu, daß der Saft zur Entwickelung neuer Teile angewendet wird, und daß, da er nicht zur Pflanze hinausfließt, auch eine so große Menge durch die Wurzel eindringt. (Decand. Physiol. I. 76.)

Wenn man ein Samenkorn von der wohlriechenden Platterbse (Lathyrus odoratus L.) über einer mit laufendem Quecksilber gefüllten Schale keimen läßt, und es durch eine leicht erdenkbare Vorrichtung fest hält, so richtet sich zufolge Pinots Versuchen das Würzelchen jenes Samenkorns senkrecht gegen den Erdboden und dringt in das Quecksilber ein, obgleich letzteres bedeutend schwerer ist als jenes." (Journ. de pharm. 1829. T. XV. p. 490; Annalen der Gewächskunde Band IV. H. 4. S. 408. 409 . Vergl. Ann. des sciences nat. 1829; Revue bibliographique 129. 130.).

"Werden Hyazinthen in kleinen Töpfen gezogen, so sieht man die Zwiebel oft beträchtlich über die Erde gehoben, von den Würzelchen getragen, die gegen sie verlängert scheinen. Auch bei Palmen beobachtet man diese Besonderheit des Wachstums. Bei Martynezia caryotaefolia H. B. K. ist der Stamm manchmal 2 Fuß hoch über die Erde gehoben und ruht auf den zusammenstoßenden Würzelchen wie auf Stützen. Das nämliche sieht man bei Iriartea exorhiza und I. ventricosa Mart." (Treviranus, Phys. II. 157.) Diese Erscheinungen hängen davon ab, daß die Wurzeln, wenn sie bei ihrem Streben, nach unten sich zu verlängern, ein Hindernis treffen, durch Heben des Gewächses sich helfen. Man sieht aus diesen Beispielen, daß die vereinte Kraft des Wurzelwachstums hinreichend ist, ganze Gewächse emporzuheben.

"Wenn man als Stütze einen senkrecht ausgespannten Bindfaden anwendet, so haben die Schlingpflanzen, deren Stengel nicht gar zu dünn ist, die Kraft, die gerade Richtung des Bindfadens durch den Druck, den sie auf ihn ausüben, indem sie sich an ihn anschmiegen, zu verändern, so daß er ebenfalls wie der um ihn geschlungene Stengel die Richtung einer Spirallinie annimmt." (Mohl, Über das Winden der Ranken S. 113.)

Dassen legte frisch abgeschnittene Zweige von Faba vulgaris, Oxalis stricta, Lupinus albus und Robinia viscosa abends um 6 Uhr auf Wasser, so daß wenigstens einige ihrer Blätter (die sich vermöge des Pflanzenschlafs zusammenzulegen trachteten) vollkommen mit der hinteren Fläche auf demselben trieben. "Alsbald schienen die Blätter ihre Kräfte anzustrengen, um die nächtliche Richtung anzunehmen. So krümmten sich die Blätter der erstgenannten Art, um sich von der Oberfläche des Wassers loszumachen, konnten sich aber keineswegs ganz aufheben. Die zweite Art machte dieselbe Bewegung, durch welche die Blättchen auf die Seite fielen. Die Blättchen der dritten Art konnten sich nicht vom Wasser losmachen, drückten aber den Punkt, wo sie angeheftet waren, so weit nach unten, daß sie beinahe dieselbe Richtung wie außer dem Wasser erhielten. Die letzte der genannten Arten konnte wegen des Widerstandes des Wassers die Blättchen nicht abwärts bewegen, aber hob durch Rückwirkung den gemeinsamen Blattstiel etwas in die Höhe." Durch nähere Versuche fand Dassen, daß jedes der Blättchen von Faba vulgaris 3 Gran mehr aufheben kann, als für die Bewegung zum Schließen des Blattes nötig. (Wiegm. Arch. 1838. I. 218.)

Selbst äußerlich sind die Veränderungen, welche eine Pflanze in gegebener Zeit durch das Wachstum erfährt, gar nicht so unbedeutend, wie es manchem scheinen mag. Ein Baum, der im Frühjahr austreibt, arbeitet an taufend Blättern zugleich, jedes wächst in jedem Augenblick fort; nun macht sich die im ganzen große Veränderung wegen ihrer ebenso großen Verteilung freilich dem Auge nicht bemerklich, weil sie für jeden Punkt nur wenig beträgt. Aber die große Summe der kleinen Veränderungen ist doch im ganzen etwas sehr Erhebliches. Man denke sich, daß der Baum allen Stoff, den er aufnimmt, und alle Kraft, die sich zum Wachstum im ganzen verteilt, immer nur darauf verwende, ein Blatt auf einmal hervorzutreiben; wäre dies Blatt fertig, finge ein anderes an anderer Stelle an, ebenso zu wachsen. Das würde uns schon viel mehr wie willkürliches Austreiben, Bilden erscheinen; und doch ist bloß der formelle Unterschied vorhanden, daß die Pflanze, statt an einer Stelle, an allen Stellen zugleich dieselbe Freiheit übt, Kraft und Stoff dazu allseitig verteilt, statt sie jedesmal auf eine Stelle vorzugsweise zu konzentrieren.

Die Seele der Menschen und Tiere ist, selbst ohne immer von neuem durch neue äußere Reize angeregt zu sein, in einem Spiele kontinuierlicher Änderungen begriffen, welches sich in einem, unseren Blicken freilich entzogenen, aber durch Schlüsse wohl erreichbaren, rastlosen Spiele leiblicher Prozesse insbesondere im Gehirn ausdrückt. Ich erinnere nur kurz daran, daß ja ein Spiel mit dem anderen stockt, wie es andrerseits auch an Lebhaftigkeit damit wächst. Aber dies rastlos bewegliche Spiel hinterläßt auch dauernde Änderungen. Der Geist baut sich selbst durch seine Tätigkeit immer mehr aus, organisiert sich immer feiner und reicher, aber er kann es nicht anders, als indem es zugleich seine leibliche Grundlage tut. Wir müssen es freilich wieder mehr mit geistigen als leiblichen Augen verfolgen, wie sich sozusagen immer feinere Blätter, Blüten in die Organisation des Hirns hineinbilden, nach Maßgabe als die geistige Organisation solche treibt; sie gehen so ins Feine, daß sie das Mikroskop nicht verfolgen kann; aber wenn eine Krankheit sie zerstört, so zerstört sie mit den leiblichen für diese Welt auch die geistigen Blätter und Blüten.

Was wir nun hier in unserem geistigen Gebiete aufs klarste vermöge unseres Selbstbewußtseins, im zugehörigen leiblichen Gebiete aber aufs Versteckteste vermöge des Verschlusses vor unseren eigenen Sinnen vor sich gehen sehen, das sehen wir umgekehrt bei den Pflanzen im geistigen Gebiete für uns aufs Versteckteste, vermöge des Abschlusses unseres Bewußtseins gegen das ihre, im leiblichen aber auf das Offenste vor sich gehen. Die Pflanze entfaltet den leiblichen Gestaltungsprozeß, an den sich bei ihr der kontinuierliche, freiwillige Fluß ihres Seelenlebens knüpft, vor uns frei zutage, breitet ihn klar vor uns aus, treibt die Blätter, Blüten offen nach außen, die unser Gehirn in freilich ganz anedrer Form verborgen nach innen treibt. Unstreitig knüpft sich an letzteres Treiben ein höherer geistiger, an jenes ein mehr sinnlicher Seelenprozeß; aber in betreff des kontinuierlichen Fortganges steht sich beides gleich. Und dies ist ein Umstand von Wichtigkeit. Eine Seele will immer etwas zu tun haben. So fehlt es denn auch der Pflanzenseele nicht an beständigem Zeitvertreibe.

Gewissermaßen hat die Natur das Augenfällige im Ausdruck der Seelenbewegungen zwischen Tierreich und Pflanzenreich nur verschieden verteilt. Die Menschen und Tiere verstecken in sich den ganzen unmittelbaren leiblichen Ausdruck ihrer Seelenbewegungen, aber zeigen in starken, lebhaften, einzelnen Bewegungen (im Glieder- und Mienenspiel) Ausläufer davon nach außen, die uns nun mittelbar als um so deutlichere Zeichen ihrer Seelentätigkeit gelten. Bei den Pflanzen treten solche vereinzelte, lebhafte Ausläufer innerer Bewegungen zurück, dafür entfalten dieselben in einem kontinuierlichen stillen Spiel an der Oberfläche viel mehr von dem unmittelbaren Ausdrucke ihres Seelen-Lebens und –Webens. Der Unterschied ist freilich, wie aller in der Natur, nur relativ. Dies muß man nie vergessen.

In der Tat entbehrt auch das Pflanzenreich verhältnismäßig rascher und augenfälliger Bewegungen, die namentlich infolge von Reizen eintreten (wovon im folgenden Abschnitt die Rede), nicht völlig. Aber selbst ohne Reizung erfolgen bei manchen Pflanzen und unter manchen Umständen Bewegungen mit dem Anschein von Freiwilligkeit. Hierher gehören gewisse Bewegungen der Geschlechtsorgane der Pflanzen, wovon wir im 11. Abschnitte sprechen werden, verschiedene Bewegungen im Bereiche der niederen Pflanzen, die im 12. Abschnitt erwähnt werden sollen, und die Bewegungen an Hedysarum gyrans, von denen zum Schluß der jetzt folgenden Zusätze (S. 127) die Rede sein wird.

Über den Pflanzenschlaf.

Hier nun das Interessanteste und Wichtigste über diesen Gegenstand. Näheres darüber s. in den Lehrbüchern der Pflanzenphysiologie, als z.B. Treviranus II. 750; Decandolle II. 25. — Besonders ausführlich ist ein holländisches Werk darüber von Dassen, im Ausz. in Wiegm. Arch. 1838. I. 214. 358. II. 159. — Von neueren Abhandlungen vergl. Dutrochet in Comptes rendus 1843. 11. 989. und Fror. N. Not. no. 13 und 14 des I. Bandes. — Foe in Comptes rendus 1846. T. XXIII, No. 12. (Fror. Not. No. 13 des XL. Bandes.) — Fritsch in den Abhandl. der böhm. Gesellsch. der Wissenschaften 1847. 5. Folge. 4. Band.

Die Erscheinungen des sog. Pflanzenschlafs bestehen im allgemeinen in einer abgeänderten Stellung der Blatt- oder Blütenteile oder beider von Tag zu Nacht.

Das Phänomen solcher Abänderungen zeigt sich an keine besondere Ordnung oder Gattung, oder einen besonderen Bau der Pflanzen gebunden, kommt vielmehr bei den verschiedenartigsten Gewächsen, doch in gewissen Familien mehr als in anderen, vor; nach Art der Pflanzen und Pflanzenteile treten aber hierbei verschiedene Stellungen ein. Im allgemeinen kann man vielleicht als Regel aussprechen, daß die Pflanzenteile bei Abwesenheit des Lichts möglichst zu der Lage zurückkehren, welche sie im Knospenzustande hatten, und daß diese Lage um so genauer angenommen wird, je jünger und zarter gebildet das Blatt ist; bei älteren und derberen sind die Abweichungen zwischen Tag und Nacht geringer, bei perennierenden und lederartigen fallen sie ganz weg.

Schlaf der Blätter.

Bei weitem am häufigsten und auffallendsten kommen die hierher gehörigen Erscheinungen an Pflanzen mit zusammengesetzten Blättern, insbesondere aus der Klasse der Leguminosen und Oralideen vor. Die Zeit, in welche der Übergang aus der täglichen in die nächtliche Richtung und umgekehrt fällt, richtet sich nach dem Auf- und Untergange der Sonne und ist im allgemeinen viel geregelter als das Öffnen und Schließen der Blumen. Hierbei muß man jedoch nicht außer acht lassen, daß Pflanzen, die aus fremden Klimaten in das unserige übergeführt worden, im allgemeinen fortfahren, zu der Zeit ihre Blätter zu öffnen und zu schließen, zu welcher sie dies in ihrem Vaterlande zu tun gewohnt waren. Daher sieht man in unseren Gewächshäusern abends 6 Uhr, mitten im Sommer, einige Pflanzen ihre Blätter schließen, obgleich dann weder Licht noch Wärme verändert ist, während sie auch im Winter dieselben morgens zu ihrer gewohnten Zeit wieder öffnen, obgleich es noch völlig finster ist. Unsere vaterländischen Pflanzen dagegen richten sich nach der Sonne. Genau hängen die Veränderungen in der Richtung der Blätter mit der Gesundheit der Pflanzen zusammen, und besonders mit der der Blätter selbst; je kräftiger eine Pflanze ist, desto geregelter und weniger abhängig von äußern Einflüssen finden die täglichen Bewegungen statt. Werden die Blätter im Herbst alt, so verändern sich die Bewegungen, hören ganz auf, oder verlieren den Bezug zu den frühern. Namentlich gilt dies auch von den Pflanzen, die während des Winters in Häusern aufbewahrt werden, wo dann deren Blätter meist keine oder eine kaum bemerkbare Verschiedenheit zwischen Tag und Nacht zeigen. Junge Blätter haben vor ihrer vollkommenen Entwickelung durchgängig die Richtung, welche sie später allein des Nachts annehmen. In der ersten Zeit nach ihrer Entwickelung zeigen sie die Verschiedenheit der Bewegung im höchsten Maße, sowohl durch Schnelligkeit der Bewegungen als durch größere Vollkommenheit in der Ausführung.

Die Lage der Blätter im Schlafzustande anlangend, so schlafen einfache Blätter entweder so, daß sie aus der horizontalen Lage, als der natürlichsten, sich aufrichten, oder (seltener) daß sie sich rückwärts dem Stengel nähern, was übrigens beides bei verschiedenen Pflanzen in sehr verschiedenem Grade geschieht. Das erstere findet sich in stärkerem Grade bei Sida Abutilon, Oenothera mollissima, Atriplex horteusis, Alsine media und mehreren Asklepiadeen, in geringerem Grade bei Mandragora officinalis, Datura Stramonium, Solanum Melongena, Amaranthus tricolor, Celosia cristata u, a. — Das letztere findet sich bei Hibiscus Sabdariffa, Achyranthes aspera, Impatiens noli tangere, einer Triumfetta und wenigen anderen. — Von den Pflanzen mit zusammengesetzten Blättern schlafen manche so, daß die Blättchen von entgegengesetzten Seiten des Hauptblattstieles sich nach oben zusammenlegen (Lathyrus odoratus, Colutea arborescens, Hedysarum coronarium, Vicia faba), oder sich senken und nach unten zusammenlegen, so daß sich entweder die Oberseiten berühren (Phaseolus semierectus, Robinia pseudacacia, Abrus precatorius) oder die Unterseiten (sämtliche Kassien). Endlich können sich auch die Blättchen nach der Länge des Hauptblattstiels dachziegelförmig übereinander legen, und dies geschieht wiederum entweder vorwärts, so daß die Oberseite des hinteren Blättchens die untere des vorderen zum Teil bedeckt (Tamarindus lndica, Gleditschia triacanthos, mehrere Mimosen), oder rückwärts, so daß die Blättchen gegen die Basis des Blattstiels sich zurückbeugen und jedes vordere mit der Oberseite dem hinteren genähert ist (Tephrosia caribaea).

Nach Maßgabe der Zusammensetzung der Blätter können auch zusammengesetzte Bewegungen eintreten. So können bei den gefiederten Blättern die Blättchen und der gemeinsame Blattstiel, bei den doppelt gefiederten Blättern auch noch die besonderen Blattstiele sich besonders bewegen. Es sind jedoch nur wenige Beispiele von Blättern bekannt, die mehr als einen beweglichen Teil haben.

Die Bewegungen der Blätter und Blättchen vieler (obwohl bei weitem nicht aller) Pflanzen, namentlich derer mit zusammengesetzten Blättern, erfolgt unter besonderer Mitwirkung einer kleinen Anschwellung (Blattkissen, pulvinus), welche sich an der Basis der Stiele oder Stielchen befindet. Die sehr interessant erscheinenden Versuche und Ergebnisse Dutrochet’s und Dassen’s über den Mechanismus dieser Wirkung haben indes durch die Versuche von Meyen und von Miquel keine rechte Bestätigung gefunden. (Wiegm. Arch. 1839. II. 88. Meyen, Physiol. III. 538). Dassen glaubt ermittelt zu haben (Wiegm. Arch. 1838.1. 223. 325), daß die Bewegung mit Änderung des Säftelaufes und der Kohlensäurebildung zusammenhänge.

Feuchtigkeit befördert im allgemeinen die nächtliche Richtung (Dassen). Über Einfluß von Licht und Wärme sind nach Maßgabe der Art, Stärke und Dauer ihrer Einwirkung oder Entziehung und nach Beschaffenheit der Pflanzen veränderliche Resultate erhalten worden. In den meisten Fällen scheinen die beweglichen Blätter nicht durch bloße Beraubung des Lichtes den Schlafzustand anzunehmen; doch fand es in manchen Fällen statt. (Versuche darüber s. in Wiegm. Arch. 1888. I. 225.) Man hat sogar Fälle beobachtet, daß bei starkem Sonnenschein Schließen der Blätter eintrat (bei Robinia und Mimosa pudica nach Sigwart, Reils Arch. XII. 33., bei Oxalis- und Lotusarten nach Dassen, Wiegm. Arch. 1838. II. 216.), was einige Mittagsschlaf genannt haben.

Die Blätter mancher Pflanzen sind noch besonders empfindlich gegen gewisse Witterungseinflüsse, so daß man sie sogar zu Wetteranzeigern vorgeschlagen (s. unten Pflanzenbarometer). Von der Empfindlichkeit mancher Blätter gegen mechanische und andere Reize handelt der folgende Abschnitt.

Schlaf der Blüten.

An unregelmäßigen Blumen, namentlich den Scitamineen, Orchideen, Labiaten, Personaten, Papilionazeen sind noch keine Erscheinungen des Schlafes beobachtet worden.

Bei manchen Blumen äußert sich der Schlaf nur dadurch, daß sie, während sie am Tage aufgerichtet sind, nachts gegen den Horizont oder selbst gegen die Erde mit ihrer Öffnung sich kehren. (Euphorbia platyphyllos, Geranium striatum, Ageratumconyzoides, Ranunculus polyanthemos, Draba verna, Verbascum blattaria, Achyranthes lappacea, Thlaspi bursa pastoris, Alyssum montanum, Monarda punctata, Heracleum absinthifolium, besonders ausfallend Tussilago farfara.) Dies Senken beruht inzwischen nicht auf Erschlaffung; denn versucht man die gesenkten Stiele aufzurichten, so schnellen sie wieder zurück, als wenn sie sich in einem gespannten Zustande befänden. — Am häufigsten zeigt sich der Blütenschlaf dadurch, daß die am Tage geöffneten Blumen sich nachts schließen oder zusammenlegen; auch kommen einige Blumen vor, wo Neigung des Blumenstiels mit Schließung der Blumen in Verbindung eintritt (so Nymphaea alba und Tussilago farfara). Strahlenblumen schlafen so, daß der Strahl entweder rückwärts sich dem Blumenstiele nähert (gemeine Kamille, Hundskamille u. a. Arten von Anthemis und Matricaria), oder daß die Ränder des Strahls sich an der Oberseite einwärts rollen (Gorteria pavonia). Gewisse Pflanzen gibt es, wo das Schließen oder Einrollen der Blumenblätter statt nachts vielmehr umgekehrt am hellen Sonnenschein stattfindet, und abends wieder Ausbreitung eintritt (die Arten von Mirabilis, von Silene und Cucubalus, besonders die großblumigen von beiden letzteren). Das seltenste Vorkommen ist, daß der ganze Saum der Blumenkrone kraus wird, als wenn sie verwelkt wäre, so daß, wenn man eine solche Blume im wachenden Zustande sieht, man sie nicht mehr für die nämliche halten sollte (Commelina coelestis, Mirabilis jalappa und longiflora, Oenothera tetraptera u. a.).

Manche Blumen sind in ihrem Öffnen und Schließen von äußern, besonders atmosphärischen, Einflüssen wesentlich mit abhängig und beobachten keine ganz feste Zeit bei diesen Bewegungen. Linné, der den Pflanzenschlaf besonders sorgfältig untersucht hat, nannte sie meteorische (s. unten Pflanzenbarometer). Andre öffnen sich am Morgen und schließen sich am Abend; die Zeit ihres Aufgehens und Schließens ändert sich aber mit Zu- und Abnehmen der Tage. Solche nannte er tropische. Noch andere endlich öffnen und schließen sich immer zu bestimmten unveränderlichen Zeiten. Diese nannte er Äquinoktialblumen und brachte sie, so weit er Gelegenheit hatte, sie selbst zu beobachten, in eine Tabelle, auf welche er seine Blumenuhr (Horologium florae) gründete (s. unten). Vergleicht man mit seinen zu Upsala aufgestellten Beobachtungen diejenigen, welche Decandolle bei einer Anzahl Gewächse in der Nähe von Paris anstellte, so sieht man, daß die Aquinoktial-Pflanzen, z. B. Papaver nudicaule, Nymphaea alba, Mesembryanthemum barbatum, Anagallis arvensis bei Paris zur nämlichen Stunde wie in Upsala ihre Blüten öffneten. Ebenso fand R. Pulteney bei Wiederholung der Linnéschen Beobachtungen in England dieselben bis auf einige Abweichungen bestätigt. Selbst in einem Treibhause, wo immer der nämliche Grad von Wärme unterhalten wird, und selbst dann, wenn die Fensterladen verschlossen sind, öffnen und schließen sich die Äquinok-tialblumen um die gewöhnliche Zeit.

Blumen-Uhr.

Zur zweckmäßigen Aufstellung einer Blumen-Uhr hat man den Vorschlag gemacht, die hierzu dienenden Gewächse auf ein Kreisbeet, nach der Zeit des Öffnens und Schießens der Blumen geordnet, (mit dem Eingange nach der Nordseite) zu pflanzen. Hier die erforderlichen Angaben (nach Reichenbach); wobei man freilich die Stunden nicht auf den Punkt zutreffend halten darf.

I. Pflanzen, deren Blüten sich vormittags öffnen: Von 3—5 Uhr Tragopogon pratense L. — Von 4—5 Uhr Thrincia tuberosa D. C. (Leontod. tub. L.); Helminthia echioides Gärtn. (Picris echioides L.); Cichorium intybus L.; Hemerocallis fulva L.; Crepis tectorum L. — Von 4—6 Uhr Picridium tingitanum Pers. (Scorz. tingit. L.) — Von 5—6 Uhr Sonchus oleraceus L.; Leontodon taraxacum L.; Barkhausia alpina Mnch. (Crepis alpina L.); Tragopogon crocifolium L.; Rhagodiolus edulis Gärtn. (Lapsana rhagod. Scop.); Convolvulus sepium L. — Nach 6 Uhr Hieracium sabaudum L.; Hierac. umbellatum L. — Von 6—7 Uhr Hierac. murorum L.; Barkhausia rubra (Crepis s. Hostia rubra Mnch.); Sonchus arvensis L.; Sonchus palustris L. — Von 6—8 Uhr Alyssum sinuatum L.; Leontodon autumnaiis L. — Nach 7 Uhr Lactuca sativa L.; Nymphaea alba L.; Anthericum ramosum L. — Von 7—8 Uhr Geracium praemorsum Schrbr. (Hierac. praem. L.); Sonchus alpinus L.; Hypochaeris maculata L.; Hedypnois rhagodioloides W. (Hyoseris hedypn. L.); Mesembryanthemum barbatum L. — Nach 8 Uhr Hieracium piloaella L.; Anagallis arvensis L.; Dianthus prolifer L.; Hypochaeris glabra L. — Von 9—10 Uhr Calendula arvensis L.; Portulaca oleracea L. (Nach andern 11 Uhr.) Von 9—12 Uhr Drosera rotundifolia L. — Nach 10 Uhr Alsine rubra Whlnb. (Arenaria rubra L.); Mesembr. crystall. L. — Von 10—11 Uhr Mesembr. linguiforme L.; Papaver nudicaule L. (Nach andern 4—5 Uhr); Hemerocallis flava L.; Hemerocallis fulva L. — Nach 11 Uhr Ornithogalum umbellatum L.; Calendula chrysanthemifolia Vnt. — Von 11—12 Uhr Tigridia pavonia Pers. (Ferraria tigr.).

II. Pflanzen, deren Blüten sich abends öffnen: Um 5 Uhr Mirabilis jalapa L.; Pelargonium triste Ait, — Von 6—7 Uhr Cereus grandiflorus Mill. — Von 7—8 Uhr Mesembr. noctiflorum L. (Nach andern 10—11 Uhr.)

III. Pflanzen, deren Blüten sich vormittags schließen: Um 8 Uhr Leontodon taraxacum L. — Um 10 Uhr Picridium tingitanum L.; Lactuca sativa L. — Von 10—12 Uhr Cichorium intybus L.; Sonchus arvensis L. — Nach 11 Uhr Tragopogon crocifolium L. — Von 11—12 Uhr Sonchus oleraceus L. — Nach 12 Uhr Sonchus alpmus L.

IV. Pflanzen, deren Blüten sich nachmittags und abends schließen: Von 1—2 Uhr Hierac. umbellat. L.; Barkhausia rubra Dec. — Nach 2 Uhr Helminthia echioides L.; Hierac. murorum L.; Hypochaeris maculata L.; Geracium praemorsum Schrbr. — Von 2—3 Uhr Alsine rubra Whlnb. — Nach 3 Uhr Thrincia tuberosa D.C.; Anagallis arvens. L.; Calendula arvens. L.; Calend. chrysanthemifolia Vent. — Von 3—4 Uhr Anthericum ramosum L. — Nach 4 Uhr Alyssum sinuatum L.; Nymphaea alba L. — Nach 5 Uhr Hieracium sabaudum L, — Nach 7 Uhr Leontodon autumnalis L. — Von 7—8 Uhr Papaver nudicaule L. — Um 12 Uhr (Mitternacht) Cereus grandiflorus Mill. (Reichenbach, die Pflanzen-Uhr. Leipzig, Voigt und Fernau 1846.)

Pflanzen-Barometer.

Regen ist zu erwarten, wenn Hibiscus trionum L. sich nicht öffnet; wenn die Kelche der Carlina acaulis L. sich schließen; wenn Porliera hygrometrica L., Oxalis acetosella L. und die meisten anderen Arten dieser Gattung, ihre (zusammengesetzten) Blätter falten; der Klee die Stengel emporrichtet; Lapsana communis L. die Blüten nachts nicht schließt, Draba verna L., Ranunculus polyanthemos L. die Blätter herabneigen; Anastatica hierochuntica L. die Zweige ausbreitet; Ranunculus repens L., Caltha palustris L. die Blätter zusammenziehen; die Birken stark duften; die Konferven sich mit grüner Haut beziehen; die im Schatten getrockneten, in Linnen eingenähten Blüten von Asperula odorata L. einen starken Geruch von sich geben; Galium verum L. sich aufbläht und ebenfalls stark riecht; die Stiele der Kapseln von Funaria hygrometrica Schreb, welche, wenn es dürr ist, hin- und hergebogen aufgewunden sind, sich entwickeln und strecken (vorzüglich wenn die Kapseln entleert sind). — Stellaria media Dill. richtet bei heiterem Wetter des Morgens gegen 9 Uhr ihre Blüten in die Höhe, entfaltet die Blätter und bleibt bis gegen Mittag wachend; bei bevorstehendem Regenwetter aber geschieht dies nicht; die Pflanze hängt dann nieder und die Blüten bleiben geschlossen. — Calendula pluvialis öffnet sich zwischen 6 und 7 Uhr morgens und pflegt gewöhnlich bis gegen 4 Uhr nachmittags wach zu sein. Geschieht dies, so ist auf beständige Witterung zu rechnen, schläft sie aber nach 7 Uhr morgens noch fort, so ist noch vor Einbruch der Nacht Regen zu erwarten. Manche Arten der Gattung Sonchus zeigen für den nächsten Tag heiteres Wetter an, wenn sich der Blütenkopf bei Nacht schließt, Regen, wenn er offen bleibt. — Pimpinella saxifraga L. verhält sich in dieser Hinsicht wie Stellaria media Dill.Anemone ranunculoides L. erschließt bei Regenwetter ihre Blüten; Anemone nemorosa L. trägt bei trübem Wetter ihre Blüten nickend, bei heiterem Wetter aufrecht, — Erscheint die Farbe der Ellern lichter als gewöhnlich, so ist Kälte und Frost zu fürchten; sehen sie dagegen dunkler aus, so tritt Tauwind ein. (Reichenbach, die Pflanzen-Uhr, S. 12.) An Robinia pseudacacia, einigen Lupinus-Arten, Mimosa dealbata und Caesalpina pulcherrima hat man das Schließen der Blüten bei Unwetter wahrgenommen. (Dassen.)

Bewegungen des Hedysarum gyrans.

Das Hedysarum gyrans (Desmodium gyrans), dessen Bewegungen ich hier hauptsächlich nach Treviranus Physiol. II. 765. schildere, ist ein kleiner Strauch mit gedreiten Blättern; das Endblättchen ist gestielt und oval, die einander gegenüberstehenden Seitenblättchen aber linien- oder lanzettförmig, fast stiellos und vielmal kleiner als das Endblättchen. Nur diese Seitenblättchen zeigen eine auffallende Bewegung, während das Endblättchen bloß die gewöhnlichen Bewegungen des sogenannten Schlafens und Wachens zeigt. Es äußert sich diese Bewegung der Seitenblättchen in einem fast kontinuierlichen abwechselnden Aufsteigen und Senken derselben, und geht desto lebhafter vonstatten, je größer die Luftwärme und je kräftiger die Pflanze ist; wird daher bei einer beträchtlich kühlen Witterung unterbrochen; dauert aber sonst im Schatten, wie im Lichte, bei Tag und Nacht, auch Winters im Treibhause fort. Gießt man kaltes Wasser über die Zweige der Pflanze, so hört die Bewegung sogleich auf, läßt sich aber durch warme Wasserdämpfe sogleich wiederherstellen. Auch wird die Pflanze gleichsam gelähmt, wenn man sie außer dem warmen Hause der gewöhnlichen Temperatur aussetzt. Setzt man eine Pflanze 2 oder 3 Stunden ins Dunkel, so entsteht (nach Humboldt) eine Beschleunigung der Bewegung, wenn man sie nachher wieder dem Lichte aussetzt. Wird das Endblättchen durch den Wind bewegt, so hören die Bewegungen der seitlichen Blätter auf. Mechanische Reize, elektrische Funken, der Magnet, flüchtige Geister, das Bestreichen der Blättchen mit Öl, die Unterbindung und das Abschneiden des Stiels haben keinen Einfluß auf die Bewegung. Am stärksten ist sie nach Broussonnet zur Zeit der Befruchtung. Das Aufsteigen der Blättchen geht langsamer als das Absteigen vonstatten; überhaupt aber ist die Bewegung nicht gleichförmig, sondern hält zuweilen etwas an und schreitet dann, wie durch einen Stoß beschleunigt, für einige Augenblicke in verstärktem Maße fort. Gemeiniglich, wenn das eine Blättchen aufsteigt, sinkt das gegenüberstehende, doch ist dies nicht immer der Fall und sehr oft ist kein Zusammenhang zwischen beiden Bewegungen, so daß das eine Blättchen ruhen kann, während das andere sich fortbewegt. Die Bewegung hängt nicht von der Integrität der Pflanze ab; denn auch, wenn der Hauptblattstiel vom Stocke abgelöset, auch wenn vom Blättchen der Oberteil weggeschnitten ist, dauert sie für eine Zeitlang fort und man versichert, daß ein Blättchen sich noch bewege, wenn es durch seinen Stiel mit der Spitze einer Nadel fixiert ist. (Mirbel.) Das eigentliche Werkzeug der Bewegung liegt in der Anschwellung der Stielchen, womit die Seitenblättchen am Hauptstiele ansitzen.

Das Hedysarum gyrans scheint übrigens nicht ganz allein hinsichtlich dieser Bewegungen zu stehen. Mirbel bemerkt, daß, wenn Blätter von Hedysarum vespertilionis, statt einfach zu sein, wie gewöhnlich, aus drei Blättchen bestehen, was nicht gar selten der Fall sei, die beiden Seitenblättchen eine ähnliche Bewegung, aber unendlich schwächer als die von Hed. gyrans, haben; auch sei Hedysarum cuspidatum W. und H. laevigatum Nutt. und H. gyroides scheint etwas dergleichen vorzukommen.

Außer jenen freiwilligen, vom Lichteinfluß unabhängigen, Bewegungen kommen an Hedys. gyrans auch noch vom Lichteinfluß abhängige Bewegungen vor, welche aber nicht die Seitenblättchen, sondern die Hauptstiele und Hauptblätter betreffen und mit den vorigen in keiner direkten Beziehung stehen. Diese Bewegung besteht in einem Aufrichten beim Licht und in einem Niedersinken in der Dunkelheit. Sie geschieht in den Gelenken, wodurch das Blatt mit dem Stiel und dieser mit dem Zweige verbunden ist. Die Empfindlichkeit der Pflanze gegen das Licht ist so groß, daß nach Hufelands Beobachtungen schon der Widerschein der Sonne von einer ungefähr 20 Schritte entfernten Mauer ein deutliches Aufrichten, so wie das Abhalten des Sonnenlichtes durch einen undurchsichtigen Körper und eine vor der Sonne vorüberziehende Wolke ein Niedersinken der Blätter bewirkte. Bei voller Mittagssonne und bei dem durch ein Brennglas konzentrierten Sonnenlicht bemerkte Hufeland eine zitternde Bewegung der Hauptblätter und der ganzen Pflanze. (Auch Dassen sagt, es sei ihm keine Pflanze bekannt, deren Blätter sich so schnell dem Lichte zuwenden als Hed. gyrans und gyroides.) Das Mondlicht, künstliches Licht, chemische und mechanische Reize hatten keinen Einfluß auf jene Bewegung; wohl aber bewirkten elektrische Funken ein Senken der Blätter.


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