Gustav Theodor Fechner
Elemente der Psychophysik Teil 1
Gustav Theodor Fechner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XI. Nähere Angaben über Größe und Abhängigkeitsverhältnisse der Schwellenwerte in den verschiedenen Sinnesgebieten.

Absolut feste und allgemein gültige Bestimmungen über die Größe der Reizschwelle und Unterschiedsschwelle sind in keinem Sinnesgebiete möglich, sofern der Schwellenwert sehr von der äußeren Anbringungsweise der Reize und dem Zustande der Empfindlichkeit der Organe abhängt, was sehr veränderliche Elemente sind, wozu noch die Schwierigkeit kommt, den Wert, wobei eine Empfindung oder ein Empfindungsunterschied beginnt, genau zu bestimmen. Inzwischen gilt hier das, was in dieser Hinsicht (s. Kap. 6) bezüglich der Maßbestimmungen der Empfindlichkeit im Allgemeinen gesagt worden ist. Die, wenn auch nur ungefähre, Bestimmung mittlerer Werte für gewöhnlich vorkommende Verhältnisse einerseits, extremer Werte anderseits, behält immer ihr Interesse, und kann selbst vielfach nicht entbehrt werden. Die Abhängigkeit von den Umständen aber ist selbst als ein Gegenstand der Untersuchung anzusehen.

Je niedriger der Schwellenwert, um so größer unter sonst gleichen Umständen die Empfindlichkeit. Unstreitig gibt es nach der Einrichtung des menschlichen Organismus eine Grenze, welche in dieser Hinsicht nicht überschritten werden kann; wogegen viele Umstände, teils Abnormitäten der Konstitution, der Organe, Zufälligkeiten aller Art die Schwelle heraufrücken können; alle wirklich erhaltenen Schwellenwerte sind daher nur als obere Grenzen zu betrachten, unterhalb deren die, so zu sagen, ideale Schwelle liegt, welche unter den absolut günstigsten Umständen gefunden werden würde. Die kleinsten Schwellenwerte, insofern sie nur auf guter Beobachtung beruhen, haben daher das meiste Interesse, indem sie die obere Grenze der wirklichen Grenze am nächsten bringen.

Das Folgende enthält unstreitig keine vollständige Zusammenstellung dessen, was in verschiedenen Gebieten von Angaben über Schwellenwerte vorliegt; doch werden die folgenden Angaben einen Ansatzpunkt zu weiterer Vervollständigung bieten können. Die meisten dieser Angaben werden sich aber nur auf die Unterschiedsschwelle beziehen können, da über die absolute Reizschwelle bisher wenig vorliegt.

1) Intensive Schwelle.

a) Licht und Farbe.

Daß eine Reizschwelle bezüglich der Helligkeitsempfindungen nicht in den Versuch fallen könne, ist früher (Kap. 10) besprochen. Bezüglich der Unterschiedsschwelle sind die bisherigen Angaben im 9. Kapitel mitgeteilt und Folgendes das Resumé.

Bouguer fand durch Versuche mit Schatten, fraglich ob mit oder ohne Bewegung, die Unterschiedsschwelle gleich 1/ 64 der Intensität; Arago ohne Bewegung bei verschiedenen Individuen 1/ 39 bis 1/ 71, mit Bewegung 1/ 58 bis 1/ 131 (vgl. Kap. 9); Volkmann durch Versuche mit Schatten bei verschiedenen Individuen unter Bewegung ungefähr 1/ 100 (vgl. Kap. 9); Masson durch Versuche mit der gedrehten Scheibe bei verschiedenen Individuen 1/ 50 bis 1/ 120 und drüber (vgl. Kap. 9).

Nach Masson bleibt der Wert für verschiedene Farben sich gleich, ist aber verschieden für die Augen verschiedener Individuen.

Bei den Versuchen, mittelst deren die obigen Bestimmungen erhalten worden, wurden überall Licht- oder Schattenflächen von einer gewissen Ausdehnung und direktes Sehen angewandt. Es ist aber gewiß, daß die Unterschiedsschwelle mindestens bis zu gewissen Grenzen auch von der Ausdehnung der sichtbaren Größen abhängt, und sich auf den seitlichen Teilen der Netzhaut anders als auf den zentralen verhält.

Allgemein verschwindet eine kleine schwarze Fläche auf weißem Grunde oder umgekehrt um so leichter in dem Grunde, d. h. wird nicht von ihm unterschieden, unter je kleinerem Gesichtswinkel sie gesehen wird, und auf je seitlichere Teile der Netzhaut sie trifft. Linien werden bei gleicher Dicke mit Punkten noch erkannt, wo diese nicht mehr erkannt werden. Auch macht die Farbe einen Unterschied.

Was den Einfluß der Größe anlangt, so muß schon die Irradiation dahin wirken, daß Objekte von sehr kleinen Dimensionen bei gleicher Entfernung des Auges leichter im Grunde verschwinden, als größere, worauf nicht immer erforderlich Rücksicht genommen ist. Dabei ist zu beachten, daß eine schwarze Linie, oder ein schwarzer Punkt auf weißem Grunde sich durch Irradiation eben so wohl ausbreitet unter Verminderung der Schwarze, als ein weißer auf schwarzem Grunde unter Verminderung der Helligkeit; wovon die Tatsache und Theorie durch Volkmann genauer konstatiert und entwickelt worden ist.Berichte der Leipz, Soc. 1858. S. 129 ff.

In der Tat ist natürlich, daß Licht, was durch die Irradiation zerstreut, mithin verdünnt, oder Schwarz, was dadurch mit Licht überlaufen ist; minder leicht respektiv vom schwarzen oder weißen Grunde unterschieden werden kann; auch muß dieser Umstand Punkte in stärkerem Verhältnisse als Linien betreffen. Unstreitig ist daher die Unterschiedsschwelle der Fixsterne sehr beträchtlich größer als der Bouguer'sche Wert, den Babinet nach einer Berechnung zu Grunde legte; d. h. ein Fixstern wird schon bei einem viel stärkeren Intensitätsunterschiede als 1/ 64 gegen den Himmelsgrund nicht mehr davon unterschieden werden können, und es würde für manche astronomische Verhältnisse höchst wichtig sein, ihn direkt durch Versuche an künstlichen Sternen zu
bestimmen.Hierbei wird es nützlich sein, auf Stampfer's Versuche bezüglich einer verwandten Aufgabe in den Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1852. p. 504. 511 Rücksicht zu nehmen.

Das Vorige reicht hin, zu zeigen, daß intensive und extensive Schwelle der Lichtempfindung nur mit Bezug zu einander bestimmbar sind. Ich verlasse daher für jetzt diesen Gegenstand, um unter 2), bei Betrachtung der extensiven Schwelle, darauf zurückzukommen, und auch den Einfluß der Irradiation dann weiter zu erörtern.

So ist bemerkt worden, daß auch Farben, um als farbig erkannt zu werden, dem Auge in einer gewissen Ausdehnung dargeboten werden müssen. Schon bei direktem Sehen ist es der Fall; noch mehr bei indirektem. Unstreitig spielen Irradiationsverhältnisse und Induktionsverhältnisse (in Brücke's Sinne) des Grundes gegen kleine farbige Flächen eine Rolle bei dem Verschwinden der Farbe, die aber bis jetzt noch ganz unaufgeklärt ist. Die sorgfältigsten Beobachtungen über das Tatsächliche hat Aubert angestellt,Gräfe's Arch. f. Ophthalmol.. III. S. 38 ff. doch würden, um bestimmtere Schlüsse zu ziehen, seinen Beobachtungen über das Verhalten farbiger Quadrate auf schwarzem und weißem Grunde in den seitlichen Teilen des Gesichtsfeldes entsprechende über das Verhalten weißer und schwarzer Quadrate auf farbigem Grunde erst noch hinzuzufügen sein.

b) Schallstärke und Tonhöhe.

SchafhäutlAbhandl. d. München. Akad. VII. S. 501. stellte unter Zuziehung geeigneter Maßvorrichtungen Versuche über die Grenze der Hörbarkeit des Schalles an, wenn derselbe durch Herabfallen eines KügelchensBis zum Herabfallen wird dasselbe von einer Pinzette gefaßt, die man mittelst zweier Drücker öffnet. aus gemessener Höhe auf eine an ihren Schwingungsknoten durch Schrauben festgehaltene rechtwinklige Platte aus gewöhnlichem Spiegelglase bei fest gegen die Schallplatte fixierter Ohrlage erzeugt wurde. Die horizontale Entfernung des Mittelpunktes der Schallplatte, wo das Kügelchen auftraf, von dem Mittelpunkte der Öffnung des Ohres, welches den Schall zu vernehmen bestimmt war, betrug dabei 55 Mill., die vertikale 74 Mill., die geradlinige 91 Mill. "Erfahrung hat mich gelehrt, sagt der Verf., daß dies die beste Entfernung sei, in welcher das Ohr den leisesten Schall, der es noch zu affizieren im Stande ist, sicher vernimmt." Das wesentliche Resultat dieser (nicht im Detail beschriebenen) Versuche gibt der Verf. so an:

"Bei meinen Versuchen, die Schallquantität zu bestimmen, welche meinem Ohre noch vernehmlich ist, habe ich gefunden, daß der Schall von einem 1 Milligramm schweren Korkkügelchen durch l Millimeter Höhe herabfallend erzeugt, für mein Ohr bei vollkommener Ruhe, also des Nachts, noch durchschnittlich vernehmbar ist. Bei 30 Versuchen dieser Art des Nachts 12 Uhr bei vollkommener Windstille habe ich den durch obiges Experiment erzeugten Schall noch mit voller Entschiedenheit 25mal gehört, ein ähnliches Verhältnis fand auch bei einigen musikalisch gebildeten Ohren jüngerer Leute statt. Von älteren Individuen fanden sich nur wenige vor, welche diesen Schall noch zu hören vermochten, wenn sie ihr Ohr nicht geübt hatten; es gelang jedoch einigen nach mehrfacher Übung, den obigen Schall noch mit Bestimmtheit zu vernehmen."

"Ich stehe deshalb nicht an, die Schallgröße, durch den Fall eines 4 Milligramm schweren Korkkügelchens aus 1 Millimeter Höhe hervorgerufen, als akustische Dynamis anzunehmen, welche die durchschnittliche Grenze der dem gesunden menschlichen Ohre unter den Einflüssen unserer Zivilisation noch vernehmbaren Schallgrößen bezeichnet."

Unstreitig würden Versuche mit bedeutenderen Schallgrößen bei größerer Entfernung des Ohres erwünscht sein, da natürlich kleine störende Einflüsse und Messungsirrtümer hierbei an Einfluß verlieren. Auch ist zu berücksichtigen, daß nach der Sachlage der vorigen Versuche das Hören merklich nur mit einem Ohre geschehen konnte, indes wir im Allgemeinen beide Ohren zu dem Hören verwenden.

Für Unterschiede in der Schallstärke scheint nach den (Kap. 9) angeführten Versuchen von Renz und Wolf so wie von Volkmann eine viel geringere Empfindlichkeit zu bestehen, als für Unterschiede von Lichtintensitäten, sofern zwar Schallstärken, die sich etwa wie 3 : 4 verhalten, noch sicher unterschieden werden, nach Maßgabe unsicherer aber, als sie sich von da an näher kommen.

Was die Tonhöhe anlangt, so besteht nach allgemeiner Annahme eine untere Grenze der absoluten Hörbarkeit von Tönen, und zwar wird sie gewöhnlich bei 30 Schwingungen (Chladni) oder 32 Schwingungen (Biot) in der Sek. angenommen. Inzwischen würde nach den neueren Versuchen von SavartAnn, de Chim. et de Phys. XLVII. p. 69 oder Pogg. Ann. XXII. S. 596. mit der Stabsirene ein Ton noch hörbar sein, der 14 bis 16 Schwingungen in der Sekunde entspricht, und er ist geneigt zu glauben, daß es nur darauf ankomme, die einzelnen Eindrücke erforderlich zu verlängern, um noch tiefere Töne hörbar zu machen, so daß es keine eigentliche Grenze darin gebe. Indes widerspricht Despretz,Compt. rend, XX . p. 1214; Pogg. Ann. LXV . p. der Savart's Versuche mit Sorgfalt wiederholt hat, mit Bestimmtheit seinen Angaben, und zieht als Resultat: "daß es gegenwärtig nicht erwiesen ist, daß das Menschenohr Töne von weniger als 32 einfachen Schwingungen vernehmen und bestimmen kann." Savart sei wahrscheinlich durch die große Intensität des Tones seines Apparates irre geleitet worden, der in der Tat sehr starke, aber nicht mehr musikalische oder nach ihrer Höhe bestimmbare Töne gebe, die also hiernach vielmehr den Charakter der Geräusche haben würden.

In der Tat, wenn Despretz Recht hat, so war es das Geräusch, was schon jeder einzelne Schlag der Stabsirene für sich gab, wegen der sich an einander schließenden Dauer der Schläge in continuo gehört, was die Täuschung eines Tones gab.

Wie es sich auch mit der Differenz zwischen Savart und Despretz verhalten möge, so wäre es absurd, keine untere Grenze der Töne für ein menschliches Ohr anzunehmen. Ein Ton, der durch Schwingungen erzeugt würde, welche die Dauer einer Stunde hätten, könnte selbstverständlich nicht mehr von Menschen als Ton vernommen werden. Vielleicht von anders organisierten Wesen, doch gewiß nicht von Menschen.

Die Hörbarkeit der Töne scheint nicht bloß eine untere, sondern auch eine obere Grenze zu haben.

Sauveur in den Mém. de i'Acad. Ann. 1700 setzt die obere Grenze bei 12400 Schw. in der Sekunde. Wollaston glaubt, die Stimme der Fledermaus und des Feldheimchens bildete die Grenze der höchsten wahrnehmbaren Töne. Von den tiefsten Tönen der Orgel bis zu den höchsten der Insekten seien die Schwingungen 600 bis 700mal rascher, was die obere Grenze auf 19000 bis 22000 einfache Schwingungen bringen würde. Biot nimmt sogar nur 8192, Chladni 12000, OlivierUrstoff der m. Spr. S. 12. 16000, Young 18000 bis 20000 als obere Grenze an.

Savart fand inzwischen, daß, wenn man nur die hohen Töne in hinreichender Stärke erzeugte, wozu ihm ein gezähntes Rad diente, dessen Zähne an einen dünnen Körper anschlugen, noch Töne, welche 48000 einfachen Schwingungen (= 24000 Schlägen) entsprechen, gehört werden können, und Despretz zieht aus seinen Versuchen mit kleinen Stimmgabeln das Resultat, daß das Ohr Töne bis zu 73000 Schwingungen noch vernehmen, bestimmen, klassifizieren (entendre, apprécier, classer) kann, "daß aber das Hören sehr hoher Töne nicht so rasch geschieht, daß man dieselben in die musikalische Skala einführen könnte."

Man kann es nach Allem noch in Frage stellen, ob die Grenze der Hörbarkeit hoher Töne schon erreicht sei, und nicht bei größerer Verstärkung auch noch höhere Töne hörbar sein würden. Auf der anderen Seite ist sehr möglich, daß entweder die Nerven an sich unfähig sind, zu hohe Töne zu vernehmen, oder das Trommelfell mit seinen Annexen unfähig, solche aufzunehmen.

Das Vorige betraf die absolute Hörbarkeit von Tönen. Was die Unterscheidung von Tonhöhen anlangt, so scheint die Empfindlichkeit dafür ohne Vergleich größer zu sein, als für die Unterscheidung von Schallstärken.

A. SeebeckPogg. Ann. LXVIII. S. 463. vermochte an zwei Stimmgabeln, welche fast genau im Einklange standen, so daß die eine 1209, die andere 1210 Schwingungen in der Sekunde machte (mit Hilfe der Stöße bei gleichzeitigem Erklingen bestimmt), noch zu bemerken,Unstreitig wohl, wenn er sie nach einander erklingen ließ, obschon dies nicht ausdrücklich angegeben ist. daß die eine eine Spur tiefer "als die andere war". "Es wurde (sagt Seebeck) dieses kleine Intervall noch eben vom völligen Einklange unterschieden. Es braucht nicht erinnert zu werden, daß diese Unterscheidung schon ein wohlgeübtes Ohr verlangt; allein obgleich ich Grund habe, meinem Gehöre nach dieser Seite hin ziemlich viel Schärfe zuzutrauen, so kann ich doch nicht bezweifeln, daß das Ohr eines Stimmers, eines Violinspielers u. s. f. darin noch weiter zu gehen vermag. Zwei vorzügliche Violinspieler, denen ich eben jene beiden Gabeln vorlegte, waren nicht im Mindesten zweifelhaft, welche von denselben die höhere sei. Daß in diesem Falle die beiden Töne dem Klange nach gleich waren, mag wohl zur genaueren Unterscheidung ihrer Höhe günstig sein; auch ist vielleicht nicht in allen Höhen ganz dieselbe Schärfe zu erreichen."

Frühere Angaben über die Empfindlichkeit des Ohres für Tonunterschiede reichen bei Weitem nicht so hoch. W. WeberPogg. XIV. S. 398. bemerkt gelegentlich, daß das Ohr unter günstigen Umständen unmittelbar (d. h. ohne Hilfe der Stöße und ohne Mittelwerte zu nehmen) die Töne so genau zu bestimmen vermag, daß der Fehler auf 200 Schwingungen nie mehr als 1 Schwingung beträgt.Recueil des travaux de la soc. de Litte. 1827. p. 4.

Delezenne hat nicht bloß die eben merkliche Abweichung von der Reinheit des Einklanges bestimmt, wie bei den bisherigen Bestimmungen der Fall; sondern auch von anderen Intervallen, als Oktave, Quinte, große Terz, große Sexte. Man kann bemerken, daß dies heißt, nicht die eben merkliche Abweichung eines Tones von einem anderen, sondern eines Tonunterschiedes oder Tonverhältnisses von einem anderen bestimmen; indem jedes reine Intervall zwischen zwei nach einander angeschlagenen Tönen einen Unterschied, das unreine einen etwas davon abweichenden Unterschied darstellt. Es kann aber der Fall, wo man die eben merkliche Abweichung von der Reinheit des Einklanges bestimmt, als ein besonderer Fall des allgemeinen Falles angesehen werden, als der nämlich, wo man die Abweichung von einem Nullunterschiede zweier Töne bestimmt.

Die Versuche wurden so angestellt. Eine auf einem Monochord (sonometre) über zwei Stege gespannte Saite, deren Lange zwischen den Stegen genau 1147 Millimeter betrug, und die 120 Schwingungen in der Sekunde machte, wurde in einem Punkte ihrer Länge so durch einen untergesetzten beweglichen Steg abgeteilt, daß beide Teile der Saite durch ihre Töne eines der obigen Tonintervalle gaben. Der bewegliche Steg war zugeschärft: er wurde so unter die Saite gestellt, daß er die Spannung derselben nicht vermehrte, und durch eine andere scharfe Kante dagegen gedrückt. Delezenne versicherte sich nun erst von der Reinheit des Tonintervalles. Dann wurde der bewegliche Steg ein wenig, bis zu 1 oder einigen Millimetern rechts oder links gerückt, und von dem Beobachter geurteilt, wenn eine Abweichung von der Reinheit des Intervalles bemerklich wurde; andermal auch, ohne daß der Beobachter sehen konnte, der Steg so lange verstellt, bis die Reinheit des Intervalles erreicht schien, und zugesehen, bis wie weit der Irrtum ging.

Obwohl diese Versuche mit großem Fleiße und mit Sorgfalt angestellt scheinen, fehlt doch leider eine eigentlich exakte Methode dabei, so daß man der Vergleichbarkeit der gefundenen Zahlen nicht zu viel Zutrauen schenken kann. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß diese für die musikalische Ausübung wie für die Theorie der musikalischen Empfindungen gleich wichtigen Bestimmungen teils nach der Methode der richtigen und falschen Fälle, teils der mittleren Fehler, unter jedesmaliger genauer Wahrung der Vergleichbarkeit, mit verschiedenen Personen von schlechtem und gutem Gehöre wiederholt würden, da die vom Verf. angewandte Methode der eben merklichen Unterschiede oder der Grenzfehler, die man begeht, kein hinreichend scharfes Resultat gewähren kann.

Folgendes ist das Ergebnis von Delezenne's Versuchen.

Wenn bei einer Saite von 1147 Millimeter Länge, welche 120 Schwingungen in der Sek. gab, ein in der Mitte untergesetzter Steg ein wenig verrückt und hierdurch der Einklang der beiden Teile der Saiten gestört war, so gehörten sehr feine Ohren dazu, um einen Unterschied zwischen den nach einander gehörten Tönen beider Teile wahrzunehmen, wenn der Steg nur um 1 Mill. von der Mitte abgerückt war, der eine Teil der Saite also , der andere Mill., mithin das Verhältnis ihrer Längen und zugleich ihrer Schwingungszahlen betrug. Bei einem Verhältnisse ward der Unterschied auch von ganz ungeübten Ohren erkannt.

«Si l'on déplace le chevalet mobile de deux millimètres à droite ou à gauche, la différence devient sensible aux oreilles les moins exercées, ainsi que je m'en suis assuré sur plusieurs personnes. Si le déplacement du chevalet n'est que d'un millimètre, il faut avoir l'oreille assez délicate pour s'en apercevoir immédiatement. La personne soumise à cette épreuve ferme les yeux, soit pour n'être pas distraite par les objets environnants, soit pour ignorer les déplacements feints ou réels du chevalet et éviter ainsi de se prévenir dans le sens du changement qu'elle verrait opérer. Une oreille trèsdélicate est donc sensible à cette légère différence. Admettons que ce soit la limite extrême de la sensibilité de l'oreille humaine, et calculons les rapports entre ces deux sens si peu différents. Nous verrons

l'oreille la mieux organisée est donc sensible à une différence de 4 vibrations sur 1149!!«

«Pour comparer cet intervalle à celui réprésenté par le comma , et que nous prendrons partout pour unité, nous dirons, que l'oreille est à peine sensible à un quart de comma, sur l'unisson.«

»Nous avons vu, qu'an déplacement de 2 millim. était sensible aux personnes qui n'avaient jamais essayé de comparer des sons. – Nous trouvons, pour les sons ainsi comparés, l'intervalle

Ces personnes là sont donc sensibles à une différence de 3 vibrations sur 1151, ou à un intervalle un peu supérieur au demmi-comma.«

Ziehen wir die entsprechend bestimmten Resultate für die anderen Intervalle mit zu, so vermag überhaupt nach Delezenne ein sehr empfindliches Ohr eine Abweichung von folgenden Intervallen eben noch zu unterscheiden, wenn das Verhältnis der Schwingungszahlen das beistehende ist, und die Töne nach einander gehört werden.

Einklang

Oktave

Anmerkung: Für Personen, die ganz ungeübt in Vergleichung von Tönen waren, fand sich

Quinte

große Terz

große SexteJe nach der Verrückungsweise des Steges nach rechts oder links.

oder

Wie man sieht, wird die Abweichung von der Quinte verhältnismäßig am deutlichsten empfunden.

c) Gewichte.

Über die kleinstmöglichen absoluten Gewichte, deren Druck noch auf verschiedenen Hautstellen empfunden wird, hat Kammler eine Versuchsreihe in Verbindung mit einigen Mitarbeitern (Aubert, Förster, Trenkle) angestellt, und die Resultate in s. Dissertation: Experimenta de variarum cutis regionum minima pondera sentiendi virtute. Vratislaviae 1858 veröffentlicht. Die Versuchsweise war die, daß leichte Gewichte aus Holundermark, Kork, Kartenpapier, von 9 Qu. Mill. Größe und verschiedenem, nach Umständen durch eine Auflage vergrößerten, Gewichte ganz langsam und möglichst senkrecht auf den zu prüfenden Teil herabgelassen wurden, zu welchem Zwecke ein feiner bogenförmiger Messingdraht oder eine Schweinsborste so an zwei in einer Diagonale liegenden Ecken befestigt war, daß das Gewichtchen die Gestalt eines Steigbügels annahm, an dessen oberer Krümmung ein Baumwollenfaden zum Halten des Gewichtchens befestigt war.

Die Spezialmitteilung sämtlicher Resultate würde hier zu weit führen, da die ganze Oberfläche des Menschenkörpers von verschiedenen Beobachtern mit Versuchen durchmes-sen ist. Ich bemerke nur Folgendes: Die Reihenfolge der Empfindlichkeit der Teile hat nichts mit derjenigen gemein, welche Weber nach seinen Versuchen mit Zirkelspitzen über den Tastsinn aufgestellt hat. Sie stimmte bei den 4 Beobachtern nahe, doch nicht völlig überein. Zu den empfindlichsten Teilen gehörten Stirn und Schläfe, Augenlider, Dorsalseite des Vorderarms, wo meist 0,002 Grammen verspürt wurden; die Finger waren im Allgemeinen viel weniger empfindlich.

Folgendes sind überhaupt die Spezialangaben für die empfindlichsten Teile, wo die leichtesten Gewichte so eben verspürt wurden.

0,002 Grammen wurden verspürt von Aubert an: Stirn, Schläfen, rechtem und linkem Vorderarme mit dem Gelenke beiderseits auf Volar- und Dorsalseite, äußerem Teile des Metacarpus des Daumes und Rücken beider Hände. – Von Kammler an: Stirn, Schläfen, Dorsalseite des rechten Vorderarmes, Rücken beider Hände. – Von Förster an: Stirn, Schläfen, oberem und unterem Augenlide, Nase. – Von Trenkle an: Nase, Lippen.

0,003 Grammen, von Aubert an: äußerem Teile des Metacarpus des rechten Daumen. – Von Kammler: an: Volarteil beider Vorderarme und Dorsalteile des linken Vorderarmes; äußerem Teile des Metacarpus des linken Daumen.

0,04 Grammen, von Kammler an: äußerem Teile des Metacarpus des rechten Daumen.

0,05 Grammen, von Aubert an: Nase, Lippen, Kinn, unterem und oberem Augenlide, Mitte des Bauches u. s. w. – Von Kammler an: Nase, Lippen, Kinn, unterem und oberem Augenlide, Mitte des Bauches u. s. w. – Von Förster an: Lippen, Bauch u. s. w. – Von Trenkle an: Stirn, Lippen, unterem und oberem Augenlide, Bauch, Vorderarme u. s. w.

Als schwerstes Gewicht, was so eben noch verspürt war, wird 1 Gramm auf den Nägeln der Finger und (bei Aubert) der rechten Ferse angeführt.

In Betreff der Gewichtsunterschiede sind schon (s. Kap. 9) die Resultate mitgeteilt, welche E. H. Weber gelegentlich der Bewährung des Weber'schen Gesetzes gewonnen. Seine AbhandlungProgrammata collecta p. 81 sq. enthält jedoch noch ausführlichere Versuche über den kleinsten erkennbaren Gewichtsunterschied je nach Zuziehung des bloßen Druckgefühles oder des Druck- und Muskelgefühles in Verbindung, und je nach Verschiedenheit der Teile, auf welche der Druck geäußert wird.

Bei den folgenden Versuchen lagen die zwei gegen einander abzuwiegenden Gewichte auf den zwei verschiedenen Händen und der eben merkliche Unterschied derselben war vergleichungsweise nach dem (s. Kap. 9) angegebenen Verfahren bestimmt: a) mittels des bloßen Druckgefühls, während die Hände auf dem Tische aufliegen blieben; b) mittelst des vereinigten Druck- und Muskelgefühls, indem die Hände erhoben wurden. Während nun jedesmal von 32 Unzen Gewicht auf jeder Hand ausgegangen wurde, war der Unterschied bemerklich, wenn das Gewicht auf der einen Hand um folgende Größen vermindert wurde:

  a b
Kaufmann, ungeübt 6 1
Mathematiker, Gelehrter 6 2,5
E. H. Weber selbst 16 2
Kaufmann, ungeübt 16 2
Jungfrau 16 2
Frau 16 4
Frau 12 2
Student 8 3
Student 12 2
Student 8 1,5
" 15 1,5
" 10 1,5
" 18 8
" 12 6
" 6 4
" 8 1
" 8 4
" _____ ____
Mittel 10,88 2,93

Bei folgenden VersuchenTasts. und Gemeing. p. 546. wog der Beobachter mit derselben Hand zwei Gewichte wechselnd ab, die in zwei zusammengeschlagenen Tüchern hingen, deren vereinigte Zipfel zusammen von der Hand umfasst wurden. "Von 10 Personen, die zur Hälfte männlichen Geschlechts waren, welche 78 und 80 Unzen auf die beschriebene Weise in Tüchern zur Hebung der Gewichte verglichen, waren nur zwei, welche das schwerere Gewicht von dem leichteren nicht unterscheiden konnten, 7 von ihnen bestimmten bei 3 mit Jedem angestellten Versuchen jedesmal richtig, welches Gewicht schwerer sei. Bei einigen von ihnen wurden 4 bis 7 Versuche angestellt, und in allen diesen Fällen bestimmten sie das Gewicht richtig. Einer von den 10 Beobachtern bestimmte bei 8 mit ihm angestellten Versuchen sieben Mal richtig und ein Mal falsch."

Weber hält dafür, daß bei dieser Versuchsweise das Muskelgefühl allein in Betracht komme, worin ich ihm nach der Anmerkung (s. Kap. 9) nicht ganz beistimmen möchte.

Bei folgenden VersuchenDer Tastsinn und das Gemeingefühl, Wagner's Wört. S. 534. wurde auf die gleichnamigen Teile beider Körperseiten (bei den beiden letzten Teilen auf die Medianlinie) das konstante Gewicht von je 6 auf einander getürmten Speziestalern gelegt, deren jeder ein wenig unter 2 Unzen wog, so daß das Totalgewicht auf jeder Seite nahe 12 Unzen war. Von diesen Speziestalern wurde auf der einen Seite einer nach dem anderen weggenommen, bis der Gewichtsunterschied spürbar war. Folgende Tabelle (p. 96) gibt die Zahl der Speziestaler, die weggenommen werden mußten, damit der Unterschied merklich wurde (das Subjekt der Versuche ist nicht bezeichnet).

Volarfläche der Finger 1
Volarfläche der Hand 2
Dorsalfläche der Finger 2
Innere Armfläche 4
Fußsohle in capitulis metatarsi 1
Konkaver Teil der Fußsohle 4
Ferse des Fußes 3
Gastrocnemii 4
Seitenteile der Stirn 1
Behaarter Teil des Hinterkopfes 4
Vorderer Teil der Brust 4
Schulterblatt 2
Seitenteile des Unterleibes 1
Medianlinie des Rückens beim Schulterblatte 5
Medianlinie des Unterleibes 5

Mit diesen Versuchen kann man noch die nach der Methode der Äquivalente in Beziehung setzen, welche im 12. Kapitel angeführt werden.

d) Temperatur.

Über die Größe der eben merklichen Temperaturunterschiede hat E. H. WeberÜber die Grade von Hitze und Kälte, welche Schmerz hervorzurufen im Stande sind, sind die Versuche und Erörterungen von E. H. Weber in derselben Abhandlung S. 571 ff. nachzulesen. einige Angaben mitgeteilt, wonach man bei der Methode des abwechselnden Hände-Eintauchens in zwei Gefäße mit ungleich warmem Wasser bei großer Aufmerksamkeit mit der ganzen Hand noch die Verschiedenheit zweier Temperaturen entdecken kann, die nur 1/ 5 bis 1/ 6Grad R. beträgt; doch hat er dabei die Temperaturen, in denen diese Unterschiede bemerklich sind, nicht genauer bestimmt. Ich habe gefunden, daß sich in mittleren Temperaturen noch kleinere Unterschiede erkennen lassen, und daß sie nach Maßgabe der Temperatur sehr verschieden ausfallen. Hierüber vergleiche man das, was im 9. Kapitel S. 202 ff. mitgeteilt worden.

2) Extensive Schwelle.

a) Gesichtssinn.

Im Grunde sind alle Ausdehnungen, die wir auf der Netzhaut auffassen, in dem allgemeinen Gesichtsfelde abgegrenzte, und man kann die Frage aufwerfen, welche Zahl Empfindungskreise würden dazu gehören, überhaupt ein Gesichtsfeld von merkbarer Ausdehnung für die Empfindung zu produzieren, eine Frage, die wohl von der zu unterscheiden ist: welcher Bruchteil der einmal vorhandenen Anzahl gehört dazu, einen Teil des allgemeinen Gesichtsfeldes als unterschieden von dem übrigen aufzufassen, wenn er in unterschiedener Weise von dem übrigen erregt wird. Zur Entscheidung jener Frage liegt aber bisher kein Weg vor, und so abstrahiere ich hier von derselben, ungeachtet sie eigentlich die Grundfrage nach einer extensiven Schwelle ist, um nur mit Einigem in einem späteren Kapitel aus theoretischem Gesichtspunkte auf dieselbe zurückzukommen, und wende mich zur Untersuchung der extensiven Schwelle in folgendem Sinne.

Welches sind die kleinsten mit dem Auge noch eben erkennbaren Größen, Distanzen, Größen- und Distanz unterschiede?

Die Aufgabe, die kleinste noch erkennbare Distanz zu bestimmen, fällt eigentlich mit der, die kleinste noch erkennbare Größe zu bestimmen, zusammen, sofern man ja den Durchmesser irgend einer noch eben erkennbaren Größe zugleich als eine noch eben erkennbare Distanz zwischen ihren Grenzpunkten, umgekehrt die noch eben erkennbare Distanz als eine noch eben erkennbare Größe betrachten kann. Doch scheiden sich die Versuche in solche, wo ein Punkt, eine Linie, ein Faden, eine kleine Fläche auf einem ausgedehnten gleichförmigen Grunde betrachtet und zugesehen wurde, bei welchem Augenabstande, und mithin bei welchem Gesichtswinkel diese kleine Größe noch erkennbar war oder verschwand, und in solche, wo zwei oder mehr distante Punkte, Linien, Fäden, kleine Flächen auf einem gegebenen Grunde betrachtet wurden, und zugesehen war, bei welchem Gesichtswinkel ihres gegenseitigen Abstandes gleichförmiges Verschmelzen eintrat. Erstere Versuche mögen hier speziell als solche über kleinste noch erkennbare Größen, letztere als solche über kleinste erkennbare Distanzen bezeichnet werden. Die Versuchsverhältnisse sind dabei insofern verschieden, als bei ersteren die den Erfolg der Versuche sehr wesentlich mitbeteiligende Irradiation bloß von 2 Grenzen, bei letzteren von 4 Grenzen aus in Betracht kommt.

Jede Größe, die noch mit dem Gesichte erkannt werden soll, wird überhaupt auf einem gewissen Grunde erscheinen, und also nur nach Maßgabe des Unterschiedes vom Grunde erkannt werden, wonach die Frage der extensiven Schwelle für das Gesicht mit der Frage der intensiven Unterschiedsschwelle zusammenhängt, und in dieser Hinsicht schon zur Sprache kam. Eine sichtbare Größe wird bei gleicher Extension um so leichter unterschieden, je größer der relative Lichtunterschied ist, andererseits (bis zu gewissen Grenzen wenigstens) bei gleichem relativen Unterschiede um so leichter, je größer sie ist. Mag der Grund schwarz und die davon zu unterscheidende Fläche weiß sein oder umgekehrt, so wird dies gültig bleiben.

TwiningTwining, Enquiries concerning Stellar Occultations by the Moon and the Planets, – experiments upon Light and Magnitude in relation to Vision, in American J. of sc. 1858. Juli, V. C.XXVI. [2]. p. 15 hat absichtlich Versuche auf die Ermittelung eines gesetzlichen Verhältnisses in dieser Hinsicht gerichtet, indem er bestimmte, bei welchen Entfernungen einer beleuchtenden Lampe schwarze runde regelmäßig geordnete Flecke auf einem weißen Grunde, der sein Licht nur von dieser Lampe erhielt, als gesondert zu erscheinen aufhörten, wenn das Auge in verschiedene Entfernung davon gebracht wurde, wodurch er zu dem Gesetze geführt wurde, daß, während die Abstände des Auges in geometrischer Progression abnehmen, die zugehörigen Lampendistanzen in arithmetischer Progression wachsen.Der Verfasser selbst spricht das Resultat dieser Versuche (p. 23) so aus: "That while the distances of the eye diminish in a geometrical ratio, the corresponding distances of the light increase in a arithmetical ratio. In other words, the distance of the light is a logarithm of the linear magnifying effect." "One remarkable result of this law is that a small fractional change of a faint light possesses a great efficacy to balance a given magnifying effect as a large fractional change of a much brighter light."

Setzt man nun die Beleuchtungsintensität J den Quadraten der Lampenabstände L, und die scheinbaren Durchmesser D der schwarzen Flecke den Augenabständen A reziprok, so kann man für L substituieren und für A substituieren ; wonach sich der Ausdruck des Gesetzes in den übersetzt, daß gleichen Verhältnissen gleiche Differenzen zugehören. Ein solches Gesetz ist an sich nicht wahrscheinlich, und die von Twining gestellte Voraussetzung, daß A reziprok mit D sei, wegen des unter den Umständen dieser Versuche unmöglich zu vernachlässigenden Einflusses der Irradiation, wovon sogleich die Rede sein wird, unstreitig nicht zulässig. Ungeachtet daher die Versuche des Verfassers, wie man unten sehen kann, sehr gut zu dem angegebenen Gesetze stimmen, ist es doch wahrscheinlich vielmehr nur ein empirischer Ausdruck, an dessen Allgemeingültigkeit unter anderen Versuchsumständen man noch zweifeln kann, als ein wirkliches Naturgesetz. Inzwischen sind doch diese Versuche nicht ohne Interesse, sofern daraus hervorgeht, daß die Beleuchtungsintensitäten, bei welchen das deutliche Erkennen der Flecke beginnt oder aufhört, sich in sehr starkem Verhältnisse vergrößern, wenn ein großer Augenabstand in gegebenem Verhältnisse vergrößert wird, dagegen in geringem Verhältnisse, wenn ein kleiner Augenabstand in demselben Verhältnisse vergrößert wird. So entsprechen den beiden größten Augenabständen 107,29 und 134,11 engl. Zoll, die der Verfasser anwandte, deren Verhältnis 4 : 5 ist, die Lampenabstände 29,5 und 15,5 engl. Zoll, d. i. ein Verhältnis der Beleuchtungsintensitäten 1 : 3,62, hingegen den beiden kleinsten Augenabständen, die er anwandte, 28,12 und 35,16 Zoll, deren Verhältnis auch 4 : 5 ist, die Lampenabstände 131,6 und 110,5, d. i. ein Verhältnis der Beleuchtungsintensitäten 1 : 1,419. Und hierin wird man immer einen allgemeinen Anhalt finden können.

Das Wesentliche des Apparates, den der Verfasser anwandte, besteht in einem inwendig und auswendig geschwärzten, übrigens überall verschlossenen Kasten, der aber an seiner Vorderseite eine quadratische Öffnung hat, durch welche von einer Seite Licht einfällt, indes von der anderen Seite hineingesehen wird, wobei die beleuchtende Lampe und das Auge nur so weit seitlich (auf der entgegengesetzten Seite der Öffnung) sind, um sich bei der Beleuchtung und dem Hineinsehen nicht zu hindern. Auf der Rückwand im Innern des Kastens befindet sich ein Papier mit kleinen runden, gleichweit von einander entfernten regelmäßig angeordneten schwarzen Flecken,"A paper regularly marked with small black round spots equidistant and regularly arraoged." Über Größe und Abstand der Flecke von einander ist nichts angegeben. welches die Beleuchtung empfängt, und auf welches gesehen wird. Während nun das Auge in verschiedenen Versuchen in verschiedene Abstände von der Hinterwand des Kastens gebracht wird, wird die Lampe jedesmal verschoben, näher oder ferner gerückt, bis die schwarzen Flecke sich eben deutlich zu sondern anfangen, oder die deutliche Sonderung derselben eben aufhört."Till the cluster of black spots became just resolved – or was just ceasing to be visible as a distinct cluster." Die Lampe war bis auf die zum Austritte des Lichtes erforderliche Öffnung umhüllt, und das Auge sah durch ein, auf einem Gestell angebrachtes Rohr (eye-tube) von 0,16 Zoll Zirkularöffnung (circular aperture) und 3 Zoll Länge. Rohr und Lampe waren auf graduierten langen Brettern oder Latten verschiebbar, welche unter einem kleinen Winkel nach dem Kasten konvergierten, und zwar war das Brett, auf dem das Augenrohr verschoben wurde, nach einer geometrischen Progression mit dem Exponenten 5/ 4 eingeteilt. Vor der quadratischen Öffnung im Kasten war noch ein geschwärzter Schirm mit einer jener Öffnung entsprechenden Öffnung angebracht, um zerstreutes Zimmerlicht abzuhalten.

Folgende Tabelle enthält in (engl.) Zollen die Resultate der Beobachtungen.Bezüglich der letzten, kleinsten, Augendistanz bemerkt der Verf. "At the nearest Station (and greatest corresponding lamp-distance) the faint illumination and consequent straining of the eye created occasional brief paroxysms of distinct and magnified vision which introduced uncertainty." Bei jeder Augendistanz wurden nach der Angabe im Original vier Paar (four pairs) Beobachtungen angestellt, doch gibt die Tabelle blos je 4 Zahlen, die also wohl Mittel aus je zwei sind. Die aufeinander folgenden Augendistanzen stehen in dem geometrischen Verhältnisse 4/ 5, und die letzte Spalte berechnet gibt die Lampendistanzen, nach der Voraussetzung berechnet, daß jenem geometrischen Verhältnisse der Augendistanzen eine arithmetische Differenz 16,0 Zoll der Lampendistanz zugehöre.

Augenabstand Lampenabstand Mittl. Lampenabstand berechnet
134,11 14,5 14,8 18,2 14,5 15,5 14,8
107,29 34,3 29,5 27,6 26,4 29,5 30,8
85,83 40,5 51,7 50,6 46,5 47,3 46,8
68,66 57,4 69,2 61,9 64,7 63,3 62,8
54,93 74,9 77,1 74,7 79,1 76,5 78,8
43,95 99,0 90,5 88,3 90,2 92,0 94,8
35,16 114,1 106,5 110,0 111,4 110,5 110,8
28,12 138,4 122,6 132,1 133,4 131,6 126,8

Schon früher wurde geltend gemacht, daß die Unterscheidbarkeit kleiner sichtbarer Größen vom Grunde sehr von Irradiationswirkungen mit abhängig sei. Dieser Einfluß wird jetzt näher zu erwägen sein. Wir fassen dabei unter Irradiation die von optischen Abweichungen und Beugung abhängige physische Lichtausbreitung des Eindruckes auf der Netzhaut zusammen.

Bei allen Versuchen über die kleinste erkennbare Größe oder Distanz geht man bis zu einer solchen Kleinheit mit der Größe oder Distanz herab, oder entfernt sich so weit von derselben, daß abgesehen von der Irradiation das Bild auf der Netzhaut sich zu einem Punkte oder einer Linie von einem ganz unerheblichen Durchmesser zusammenzieht, und im Allgemeinen hat man, bis auf Volkmann in seiner neueren Abhandlung über Irradiation,Berichte der sächs. Soc. 1858. S. 129. den Durchmesser des kleinsten erkennbaren Bildes oder die kleinste erkennbare Distanz ohne Rücksicht auf Irradiation berechnet. Aber Volkmann's feine Versuche, deren Resultate unten folgen, haben außer Zweifel gestellt, daß selbst bei den besten und bestaccommodierten Augen eine merkbare und meßbare Ausbreitung des Lichteindruckes durch Irradiation stattfindet; und hält man seine Daten über die Größe des Irradiationskreises bei möglichst deutlichem Sehen zusammen, sei es mit seinen oder mit den Angaben anderer Beobachter über noch kleinste erkennbare Größen, so findet man, daß der Durchmesser des Irradiationskreises zum Durchmesser der abgesehen von Irradiation berechneten Bilder der kleinsten erkennbaren Größen (oder zu den kleinsten erkennbaren Distanzen) nicht nur ein sehr erhebliches Verhältnis gewinnt, sondern selbst denselben im Allgemeinen um Vieles übersteigt, wonach der Lichteindruck erheblich ausgedehnter, zugleich aber vermöge der Zerstreuung schwächer sein muß, als ihn diese Berechnung für die kleinsten erkennbaren Größen finden läßt.

In der Tat, nach Volkmann's unten folgenden Messungen verbreitert sich der Rand eines in Glanzlicht erscheinenden Silberfadens auf schwarzem Grunde nach der Seite des Schwarz hin um 0,0012 bis 0,0032 26) Mill. = 0,000532 bis 0,001418 Lin. in Min. und Max. von 6 Personen bei bestmöglicher Accommodation des Auges, und, wenn der Faden schwarz gegen einen hellen Hintergrund gesehen wird, um 0,0003 bis 0,00185 Mill. indes z. B. nach Hueck der Sehwinkel, unter dem ein weißer Strich auf schwarzem Grunde eben verschwindet, der also die Grenze der noch eben erkennbaren Strichbreite bezeichnet, 2 Sek. beträgt, was 0,000145 Mill. auf der Netzhaut repräsentiert 26) Als Hälfte des später angegebenen Wertes R.

Da nun nach der (s. Kap. 10) gemachten Bemerkung die Ausdehnung der von physischen Umständen abhängigen Irradiation nicht mit der Stärke des Lichtes wachsen kann, so wird das Licht eines intensiven und eines lichtschwachen Punktes dadurch über denselben Raum ausgebreitet, aber der des lichtschwachen kann dadurch bis zur Unmerklichkeit gegen den Grund abgeschwächt werden, indes der des lichtstarken noch merklich dadurch bleibt.

Wenn überhaupt ein Lichtpunkt nicht intensiv genug ist, um im Zentrum des Irradiationskreises noch um die Unterschiedsschwelle vom Grunde unterschieden zu sein, kann er nicht mehr erkannt werden. Wendet man einen schwarzen Punkt auf weißem Grunde statt umgekehrt an, so machen sich analoge Betrachtungen geltend, sofern die umgebenden Lichtpunkte sich durch Irradiation verdünnen, und den schwarzen Punkt mit Licht überlaufen lassen, wodurch eben so eine Ausbreitung des schwarzen Punktes durch Irradiation unter Abschwächung seiner Schwärze entsteht, als eine Ausbreitung weißer Punkte auf schwarzem Grunde, wie dies Volkmann näher (a. a. O. S. 120) erörtert und durch Versuche belegt hat.

Bergmann 27) bemerkt, daß die Punkte oder Linien, die man zu Versuchen über kleinste erkennbare Größen verwendet, in größter Entfernung sehr blaß erscheinen, so daß das sich anstrengende Auge leicht irgend einen leichten Schatten damit verwechseln könne, und daß jedesmal, wenn man sich einer Gitterzeichnung aus millimeterbreiten schwarzen und weißen Streifen von der Distanz an, wo man sie zuerst erkannte, allmälig nähert, das Weiß an Reinheit, das Schwarz an Tiefe gewinne. Dies sind Umstände, die sich leicht daraus erklären, daß bei größerer Entfernung als der deutlichen Sehweite die Ausbreitung des Lichtes durch die optischen Abweichungen wächst.

Henle und Pfeufer Zeitschr. III. F. Bd. 11. S. 93.
Wegen des großen, und nach Vorstehendem leicht erklärlichen, Einflusses, welchen die Intensität des Lichtes auf die Erkennbarkeit sehr kleiner Größen hat, hat man die Versuche über erkennbare kleinste Distanzen für geeigneter erklärt, die Schärfe des Raumsinnes zu prüfen.

Inzwischen ist der Einfluß der Irradiation hier nur komplizierter, nicht fehlend. Wenn zwei helle Punkte oder Linien sich so nahe kommen, daß ihre Irradiationskreise in einander eingreifen, und das Minimum der Helligkeit im Zwischenraume sich von dem Maximum im Zentrum der irradiirenden Punkte nicht mehr um die Unterschiedsschwelle unterscheidet, so können sie ebenfalls nicht mehr unterschieden werden. Auch hierbei findet erfahrungsmäßig ein gewisser Einfluß der Intensität des Lichtes statt. Denn ich finde in Steinheil's photometrischer Abhandlung (p. 17) die Bemerkung, daß schwach geschwärzte Gläser einen überraschenden Erfolg in Bezug auf das Trennen sehr naher Doppelsterne äußern; gestehe aber, aus den mir bekannten Verhältnissen der Irradiation diesen Einfluß nicht ableiten zu können. Denn es schiene mir, unter Voraussetzung, daß durch wachsende Intensität die Ausdehnung des Irradiationskreises nicht wächst, das Verhältnis der Minimum- und Maximumordinate der Intensitäten dasselbe bei starkem und schwachem Lichte bleiben zu müssen, was die Merklichkeit des Unterschiedes ungeändert lassen würde; mit Rücksicht auf die zutretende Intensität des Grundes aber ein gewisser Vorteil der Unterscheidbarkeit bei stärkerer Intensität stattfinden zu müssen.Weber, Berichte der sächs. Soc. 1853. S. 141.

Das Vorige zusammengenommen, so geht hervor, daß die bisherigen Versuche über die kleinsten noch erkennbaren Größen und Distanzen auf der Netzhaut nicht benutzbar sind, sichere Schlüsse über die Feinheit des Raumsinnes oder den Grad der extensiven Empfindlichkeit zu ziehen, so lange nicht die Frage, wie viel Anteil die Irradiation dabei hat, aufs Reine gebracht, und dieser Anteil eliminiert ist, und daß die Berechnung der Größe der kleinsten Bilder auf der Netzhaut aus Größe und Entfernung der Objekte und die Beurteilung des Verhältnisses, in dem solche zu den letzten Elementen der Netzhaut stehen, illusorisch und irrig ist, insofern die Irradiation nicht dabei berücksichtigt wird. In dieser Beziehung schließt Volkmann seine Abhandlung über Irradiation (p. 48) wie folgt: "Alle bisher gemachten Angaben über die Größe der kleinsten noch wahrnehmbaren Netzbilder sind merklich falsch, nämlich sämtlich zu groß, indem die Rechnungen, auf welche sie sich stützen, den Einfluß der Irradiation unberücksichtigt lassen."

Es entsteht die Frage, ob der Einfluß der Dimensionen der Komponenten auf die Merklichkeit ihres Unterschiedes ganz auf den Einfluß der Irradiation zurückkommt, was voraussetzen würde, daß er mit wachsender Vergrößerung bald seine Grenze findet. Hierüber fehlt es leider noch an absichtlich auf den Gegenstand gerichteten hinreichend durchschlagenden Versuchen. Nur einige, jedoch nicht besonders bezüglich darauf angestellte, Versuche Förster'sÜber die Hemaralopie. 1857. p. 5. 10. wüßte ich auf die Frage zu beziehen, welche zu ergeben scheinen, daß der Einfluß der Größe auf die Merklichkeit wirklich über das hinaus geht, was auf Irradiation zu schreiben. Diese Versuche wurden so angestellt: "Ein innen geschwärzter, parallelepipedischer, allseitig geschlossener Kasten von circa 36 Zoll Länge und ungefähr 8 Zoll Breite und Höhe bildet die dunkle Kammer, in welcher das zu beleuchtende Objekt aufgestellt wird. An dem einen quadratischen Ende desselben befinden sich zwei runde Öffnungen von 2½ Zoll Zentrumdistanz für die Augen und daneben in gleicher Höhe eine größere, 25 Zentim. im Geviert haltende für die Lichtquelle. Letztere Öffnung ist an der Innenwand des Kastens mit feinem weißen Kanzleipapiere überspannt, und in 1½ Zoll Entfernung von ihr befindet sich eine (möglichst gleichmäßig brennend erhaltene) brennende Wachskerze.12 Stück per Pfund, 4½'' lang, ¾" im Durchmesser. Das so erleuchtete Papierquadrat dient als Lichtquelle für die im Innern des Kastens an der Wand vis-à-vis anzubringenden Objekte. Die Größe der Lichtquelle wurde durch Diaphragmen (Kartenschienen mit Öffnung) von bestimmten Dimensionen, welche dicht vor dieselbe geschoben wurden, nach Belieben verändert."

Nun bemerkt der Verf. (p. 10): "Die schwächste Beleuchtung, welche erforderlich ist zur Distinction von 1–2 Zentim. breiten und 5 Zentim. langen (mit der langen Seite senkrecht gestellten) schwarzen Rechtecken auf weißem Grunde (bei einer Entfernung von 12 par. Zoll = 32,5 Zentim. vom Auge) wird repräsentiert durch eine Größe der Lichtquelle von 2–5 Qu.-Mill. Sinkt die Lichtquelle unter diese Zahl herunter, so müssen die Objekte bedeutend größer sein."

Es lässt sich berechnen, daß das Bild eines 2 Zentim. breiten Streifen, bei dem angegebenen Augenabstande, 0,9 Mill. auf der Netzhaut beträgt, was den Wert der Irradiation bei accommodierten Augen nach den obigen Daten weit übersteigt. Wenn nun bei schwächerer Beleuchtung noch größere Objekte sichtbar werden, so kann der Einfluß der Größe nicht allein von der Irradiation abhängen. Indessen müssen doch ausgedehntere, speziell auf den Gegenstand gerichtete, Versuche mit Abänderung der Größe und absoluten Helligkeit noch gewünscht werden.

Mit allem Vorigen ist überhaupt nur behauptet, daß die bisherigen Bestimmungen der kleinsten erkennbaren Größen und Distanzen ohne Rücksicht auf die Irradiation keine triftigen sind, nicht aber behauptet, daß es keine von Irradiation unabhängige Schwelle der Extension für das Auge gebe. Es mag zwar sein, daß die Extension eines Eindruckes auf der Netzhaut oder Haut beliebig sich verkleinern und doch noch eine Empfindung entstehen könne, wenn nur ein lebendiges Nervenende getroffen wird und der Eindruck den intensiven Schwellenwert übersteigt; aber damit ist noch nicht gesagt, daß dieser Eindruck wirklich als ein ausgedehnter, d. h. so empfunden werde, daß eine Mehrheit von Punkten darin unterscheidbar sei, wenn die Extension des Eindruckes unter eine gewisse Grenze fällt, so wie auch, was wesentlich damit zusammenhängt, daß eine Distanz beliebig klein auf der Netzhaut ausfallen und doch noch als Distanz empfunden werden könne, indem eine solche Empfindung die Unterscheidung zweier Grenzen und hiermit auch einer Mehrheit von Punkten voraussetzt.

Es ist in der Tat eine in der Physiologie des Nervensystems jetzt allgemein als gültig angesehene Annahme, daß Eindrücke nur unterscheidbar sind, sofern sie auf verschiedene Empfindungskreise gemacht werden, wenn unter Empfindungskreis das Ende oder im Falle der Verzweigung die Gesamtheit der Enden einer Primitivnervenfaser verstanden wird. Ein Empfindungskreis, sei er einer unverzweigten oder verzweigten Faser angehörig, hat aber notwendig einen gewissen Durchmesser, und hiernach können Eindrücke, die auf denselben Empfindungskreis neben einander fallen, nicht mehr unterschieden werden. Im Gebiete des Gesichts scheint nun freilich der experimentale Nachweis, daß dem wirklich so sei, unübersteiglichen Schwierigkeiten zu unterliegen, weil der Irradiationskreis eines Lichtpunktes stets größer als der Durchmesser eines Empfindungskreises sein dürfte; aber wir dürfen hierbei mit auf die Haut, das der Netzhaut analoge, Organ für extensive Empfindung hinüberblicken. Zwar spielt die Irradiation auch bei den Tastversuchen eine Rolle, sofern sich der Druck einer berührenden Spitze notwendig auf die Nachbarstellen mehr oder weniger überpflanzen muß. Aber weder ist es möglich, das von Weber beobachtete Verfließen zweier 30 Lin. von einander entfernten Zirkelspitzen auf Rücken, Oberarm und Oberschenkel in einen einzigen Eindruck, noch die zwischen verschiedenen Hautteilen in Betreff der eben merklichen Distanz beobachteten Verschiedenheiten hiervon abhängig zu machen. Die Analogie der extensiven Empfindungsverhältnisse der Netzhaut mit der Haut ist aber durch Weber nach anderer Beziehung zu gut festgestellt, als daß wir zweifeln dürften, sie werde sich auch hier geltend machen.

Das Bisherige läßt erkennen, daß zur Beurteilung und Deutung der Versuche über unseren Gegenstand einerseits die Kenntnis der absoluten Größe der Irradiation wichtig ist, die bei bestmöglicher Accommodation des Auges vorkommen kann, andererseits die Kenntnis, welche Netzhautelemente man als Repräsentanten der Empfindungskreise anzusehen Grund hat, und welche Dimensionen sie haben. In erster Hinsicht lasse ich einschaltungsweise die Resultate folgen, die Volkmann an sich und einigen anderen Personen erhalten hat; in letzter Beziehung bemerke ich kurz, daß mit vorwiegender Wahrscheinlichkeit jetzt die sogenannten Zapfen als die empfindungsperzipierenden Netzhautelemente angesehen werden, und daß nach Kölliker's Messungen der Durchmesser eines Zapfens am gelben Flecke, wo das deutlichste Sehen stattfindet, 2–3 Tausendtel Linien beträgt. BergmannHenle und Pfeufer Zeitschr. III. F. II. B. S. 37. fand bei einer Messung an der Fovea lutea nach außen die kleinere dieser Angaben bestätigt.

Volkmann's Versuche über Irradiation.Berichte der sächs. Soc. 1858. S. 129.

Silberfäden von 0,445 Mill. Durchmesser aus folgender deutlichster Sehweite S (in Millim.) ins Auge gefasst, gaben, je nachdem sie a) als schwarze Fäden gegen einen lichten Hintergrund, wie den Himmel, oder b) bei auffallendem Glanzlichte als weiße Fäden gegen einen schwarzen Hintergrund erschienen, im Mittel der folgenden Zahl Z Versuche, von denen die erste Zahl auf a), die zweite auf b) geht, Irradiationskreise von folgendem Durchmesser R in Millimetern.

Beobachter Z S R
a b
A. W. Volk m a n n (Verfasser) . . 39. 24 333 0,0035 0,0046
Dessen Sohn Otto V., 23 Jahre, gute Augen ............ 10. 15 250 0,0037 0,0064
Dessen Sohn, Edmund V., 26 J., gute, sehr geübte Augen . . . 15. 12 250 0,0024 0,0058
Dr. R. Heidenhaina) gab bei Heidenhain keine gleichförmigen, daher nicht angeführten, Resultate; doch war die Mehrzahl der Versuche der Annahme stattfindender Irradiation nicht günstig, was Volkmann als einen Ausnahmefall bezeichnet, der ihm nicht wieder vorgekommen. ? 40 100 ? 0,0051
E. Appel, Student, sehr scharfe Augen ............ 20. 20 300 0,0006 0,0025
Junges Mädchen, 16 J,, sehr kurzsichtig, sonst gute Augen . . 10. 15 112,5Bei a) war S = 115, bei b) =110. 0,0017 0,0024

Volkmann bemerkt, daß er außer den Versuchsreihen, deren Resultate hier mitgeteilt sind, noch viele (gelegentlich von ihm veranlaßte) einzelne Beobachtungen von den Professoren Knoblauch, Hankel, Ruete, Czermak u. A. besitze, welche alle entsprechende Resultate (d. h. einen Beweis vorhandener Irradiation) geliefert. Diese Resultate wurden wie folgt gewonnen. Der Beobachter bringt das mikrometrische Instrument, von dem (s. Kap. 9) die Rede war, mit parallelen Silberfäden von 0,445 Mill. Durchmesser in die Entfernung vom Auge, in welcher er die Fäden am schärfsten sieht, und sucht durch Drehung der Schraube den parallelen Fäden eine Distanz zu geben, welche dem Durchmesser der Fäden gleich kommt. Es zeigt sich aber, daß er jedesmal die Distanz viel größer herstellt, als dem wirklichen Durchmesser der Fäden entspricht, weil dieser Durchmesser durch die Irradiation verbreitert erscheint. Dies ergibt sich auf Rechnungswege so: Man kann mit Rücksicht auf das Datum, daß der Kreuzungspunkt der Richtungslinien in der Achse des Auges 9 Mill. hinter dem vordersten Punkte der Hornhaut, und 15 Mill. vor der Netzhaut liegt, nach der Entfernung der Mikrometerfäden vom Auge und ihrer gegenseitigen Distanz nicht nur den Durchmesser 2 r des Netzhautbildes jedes Mikrometerfadens, sondern auch die Entfernung ε der Achse des einen Drahtes von der des anderen im Netzhautbilde, abgesehen von der Zerstreuung durch die Irradiation, berechnen; wonach sich durch eine einfache Betrachtung für den, beim Versuche verwirklichten, Fall, daß die Distanz δzwischen den verbreiterten Drahtbildern dem Durchmesser 2ρ eines verbreiterten Drahtbildes gleich erscheint, der Durchmesser eines Irradiationskreises = findet; indem nämlich ε = δ + 2ρ und 2ρ= δ = . Nun fand Volkmann im Mittel von 39 Versuchen eine helle Distanz = 0,207 Mill., dem dunklen Faden von 0,445 Mill. Breite in einer Entfernung des Auges = 333 Mill. gleich erscheinend, wonach = 2ρ = 0,0055 Mill.; 2r = 0,00199 Mill., und folglich - 2 r = 0,0035 Mill. Zur Kontrolle stellte Volkmann noch 10 Versuche so an, daß er die Distanz zwischen den Fäden scheinbar doppelt so groß herzustellen suchte, als den Durchmesser der Fäden. Nach dem Ergebnisse der vorigen Versuche läßt sich berechnen (p. 144), daß diese Distanz 0,328 Mill. betragen sollte, womit das aus den 10 Versuchen hervorgehende mittlere Resultat 0,337 Mill. merklich übereinstimmte; was beweist, daß diese Versuchsweise Zutrauen verdient.

Noch verdienen folgende Punkte Beachtung: Die Irradiation verhält sich verschieden in vertikaler und horizontaler Richtung. Wenn Volkmann die Drähte bei horizontaler Lage aus derselben Entfernung betrachtete, als in vorigen Versuchen bei perpendiculärer, so war das Bild im höchsten Grade undeutlich, so daß er eine schwache Konvexbrille zuziehen mußte, um noch dieselbe Sehweite 333 Mill. beizubehalten, wo sich bei lichtem Hintergrunde im Mittel von 10 Beobachtungen ein Durchmesser des Irradiationskreises = 0,0047 Mill. ergab, statt daß er (ohne Brille) bei perpendiculärer Lage nur 0,0035 Mill. war.

Die Spezifikation der 5 Versuchstage bei der a-Methode mit Rücksicht auf Helligkeit ergab für Volkmann folgende Distanzen D zwischen den Mikrometerfäden, bei welchen scheinbare Gleichheit mit dem Drahtdurchmesser stattfindet (die unten an D angehängte Zahl bedeutet die Zahl der Versuche):

1. Versuchstag (ohne Angabe) D 9 = 0,1897
2. Tag, trübes Wetter, ... D 10 = 0,2271
3. Tag, heller Himmel ... D 10 = 0,2153
4. Tag, sehr heller Himmel ... D 10= 0,2074.

Heidenhain's Versuche nach der Methode b) gaben am

1. Tag (ohne Angabe) ... D 20 = 0,111
2. Tag, sehr helles Licht . . D 20 = 0,153.

Ein bestimmter Einfluß des Beleuchtungsgrades ergibt sich nicht hieraus.

Spezialbestimmungen über kleinste erkennbare Größen.

Wenn schon nach Vorigem die bisherigen Bestimmungen über die kleinsten erkennbaren Größen und Distanzen nicht geeignet erscheinen, reine Resultate irgendwelcher Art ziehen zu lassen, sind sie doch insofern wichtig, als sie teils eine Grenze bestimmen, unter welche jedenfalls die Leistungsfähigkeit des Auges nicht reicht, teils ein praktisches Interesse haben; daher eine Zusammenstellung darüber nicht unwillkommen sein dürfte.

Leider freilich zeigt diese Zusammenstellung nur eine geringe Übereinstimmung der von verschiedenen Beobachtern erhaltenen Ergebnisse. Und da der prekäre Wert, der sich ihnen hiernach nur beilegen läßt, völlig verschwinden würde, wenn nicht die Umstände der Beobachtung genau spezifiziert würden, so gebe ich so viel tunlich dieselben mit den eigenen Worten der Beobachter wieder.

Insofern es dabei gilt, Gesichtswinkel in Größen auf der Netzhaut zu übersetzen, oder umgekehrt, ist unter Zugrundelegung von Listing's Bestimmungen, der Abstand des Kreuzungspunktes der Hauptstrahlen von der Netzhaut = 15,1774 Mill. = 6,735 par. Lin., und von der Hornhaut = 7,4696 Mill. = 3,315 par. Linien angenommen, und hiernach für l Sek. Sehwinkel 0,00007357 Mill. oder 0,00003265 par. Lin. substituiert.

Fast am häufigsten findet man folgende Angabe in Smith's Optik benutzt, die ich hier nach der mir zu Gebote stehenden französischen Übersetzung seines Werkes (T. I. p. 40) mitteile:

« Le Dr. Hook nous assure que l'oeil le pins subtil ne peut pas bien distinguer une distance dans le ciel, comme une tache dans le corps de la lune, ou la distance de deux étoiles, qui comprend dans l'oeil un angle moindre qu'une demi-minute (Voyez ses remarques sur la machine céleste d'Hevelius p. 8). Si l'angle n'est pas plus grand, les étoiles paraîtront à l'oeil nud, comme une seule étoile. J'ai assisté à une expérience où l'un de mes amis qui avait les meilleurs yeux de la compagnie, pouvait à peine distinguer un cercle blanc sur un fond noir, ou un cercle noir sur un fond blanc ou opposé à la lumière du jour, lorsqu'il comprenait dans son oeil un angle moindre que les deux tiers d'une minute; ou ce qui revient au même, lorsque sa distance à l'œil surpassait 8156 fois son propre diamètre; ce qui s'accorde assez avec l'observation de Dr. Hook.»

Tobias MayerComment. Soc. sc. Gotting. T. IV. 1754. p. 101. gibt das Resultat mehrerer Versuche wie folgt an:

»Prima experimenta facta sunt in loco umbroso, apertis fenestris a sole tum meridiano aversis; objectis atramento sinico, Tusche vocant, in charta plana et albissima pictis. 1) Punctum nigrum, rotundum, diametri ¼ lineae Paris. oculo myope, sed convenienti lente munito spectatum, cum distaret oculus 10 pedes Parisienses, adhuc satis bene distingui poterat. In distantia 12 pedum dubie videbatur, in distantia vero 13 pedum jam prorsus evanuerat. – 2) Simile punctum, sed cujus diameter 0,44 lineae, adhuc videbatur distante oculo 14¾ pedes ; distante autem eodem 17 pedes, vix vestigium ejus adparebat, sicut remoto oculo ad 18 pedum distantiam omnino evanuerit. – 3) Punctum aliud diametri 0,66 lin. cernebatur adhuc in distantia 24½ pedd., aegerrime autem ac dubie in distantia 26 pedd. et oculo paulo plus remoto nihilum eius spectari potuit.«

Nach Erzählung noch mehrerer Versuche mit Gitterfiguren, von denen unten die Rede sein wird, fügt er hinzu:

»Puncta et figurae, quae in superioribus adhibitae sunt, quamvis luce solis aestivi et meridiani, atque adeo fortissima collustrata, in iisdem tamen quam proxime distantiis, sub quibus supra, incipiebant confusa apparere; discrepantia certe, si qua erat, repetito saepius experimento modo majores distantias, modo minores arguere videbatur.«

Dieses Resultat, daß der Beleuchtungsgrad keinen Einfluß auf das Erkennen der Punkte habe, steht freilich in entschiedenem Widerspruche mit dem unten folgenden Resultate von Plateau's Versuchen.

Wenn man den Abstand des Auges, welcher nach Mayer's Ausdrucke (p. 101) die Punkte bei den drei Versuchen e conspectu eripere vermochte, mit ihm respektiv 12,17 und 26 Fuß setzt, so war der Durchmesser des Bildes im Auge hierbei respektiv 0,000973; 0,001126 und 0,001186 par. Lin.; der Sehwinkel 30, 35, 36 Sekunden, also bei diesen verschiedenen Distanzen merklich gleich groß.

Plateau 36) berücksichtigte bei seinen Versuchen zugleich Farbe und Beleuchtungsgrad. Kleine farbige Papierscheiben von 1 Zentimeter waren an einer im Freien vertikal aufgestellten Tafel befestigt. Von diesen entfernte sich Plateau sukzessiv so weit, bis die farbige Scheibe nur noch als eine kleine, kaum wahrnehmbare, Wolke erschien, und einige Schritte weiter vollständig verschwand, maß hierauf die Entfernung von den Gegenständen und berechnete danach den Gesichtswinkel. Die Resultate in zwei Fällen waren folgende:

  Im Schatten. Im Sonnenscheine.
Weiß 18" 12"
Gelb 19" 13"
Rot 31" 23"
Blau 42" 26"

der Unterschied, den die Farbe hierbei macht, beruht wahrscheinlich nur auf ihrem verschiedenen Helligkeitsgrade.Pogg..Ann. XX. p. 327.

HueckMüller Arch. 1840. S. 85. stellte Versuche in folgender Art an: ein deutlich gesehener Punkt wird von einem normal gebildeten Auge scharf fixiert; allmälig entfernt sich der Beobachter von dem Objekte, bis dieses verschwindet, und die Tafel, auf welcher sich der Punkt oder Strich befindet, durchaus rein erscheint.Müller Arch. 1840. S. 85.

"Aus mehreren hundert, von verschiedenen Individuen angestellten Beobachtungen ergab sich nun, daß ein weißer nicht glänzender Punkt auf schwarzem Felde bei 10 Sek. Sehwinkel verschwindet," was 0,00033 par. Lin. oder 0,00074 Mill. auf der Netzhaut entspricht. Ein weißer Strich auf schwarzem Felde wird nach ihm noch unter 2 Sek. Sehwinkel gesehen; hingegen fand sich der Sehwinkel, unter welchem schwarze Punkte auf weißem Felde verschwinden, 20 Sekunden. Ersteres entspricht 0,0000652 par. Lin. oder 0,0001470 Mill., letzteres dem 10fachen hiervon auf der Netzhaut. Näheres über die Zahl der Versuche und den Grad der Übereinstimmung, welcher dabei erhalten wurde, ist bezüglich letzterer Angabe nicht mitgeteilt. Auch über die Beleuchtungsverhältnisse bei den Versuchen ist nichts gesagt.

VolkmannVolkmann Beitr. S. 202. vermochte einen einfachen Spinnefaden bis auf eine Entfernung von 21 Zoll, und eine andere von ihm zur Beobachtung veranlaßte Person denselben Faden bis auf 22 Zoll Entfernung wahrzunehmen. Ein 0,002 Zoll dickes Haar erkannte VolkmannWagner's Wort. Art. Sehen. S. 331.auf 30 Zoll Weite. Ein Schüler Bär's erkannteNach einer Angabe von Volkmann in s. Art. Sehen S. 331. ein Haar von Dicke noch in einer Entfernung von 28 Fuß.

Ausführlichere Angaben mit manchen interessanten Nebenbestimmungen gibt Ehrenberg,Pogg. XXIV. p. 35. welche ich bisher selten berücksichtigt finde. Sie beziehen sich nicht auf Beobachtungen mit abgeänderten Entfernungen des Auges, sondern auf die deutlichste Sehweite (nach Ehrenberg 4–6 Zoll), bei der überhaupt sehr kleine Objekte erkennbar sind. Ich teile sie hier mit seinen Worten mit:

"Bei der vielfachen Gelegenheit – sagt er – welche ich hatte, wißbegierige Leute zu beobachten, denen es angenehm war, die wunderbare Struktur der Infusorien durch eigene Betrachtung bei mir kennen zu lernen, fand ich zu meiner Verwunderung die Verschiedenheit der Sehkraft der einzelnen bei Weitem übereinstimmender, als ich es erwartete und als man gemeiniglich ausspricht. Hatte ich einmal den so zarten Gegenstand in den richtigen Sehpunkt des Instruments (Mikroskops) eingestellt, oder hatte ich die bloßen Augen auf ein sehr kleines Objekt aufmerksam gerichtet, so sahen 15–20 Personen, welchen ich zuweilen gleichzeitig diese Dinge demonstrierte, vollkommen gleich und mit gleicher Klarheit dasselbe, was ich selbst sah; selten nahmen sie eine andere, höchst unbedeutend verschiedene Entfernung des Objekts vom Auge nach ihrem Bedürfnisse. Um ganz sicher zu sein, nicht durch Höflichkeit oder Scham von solchen getäuscht zu werden, die etwas nicht zu sehen nicht gern eingestehen wollen, habe ich oft die gesehenen Gegenstände von den Beobachtern aufzeichnen, oder mir umständlich beschreiben lassen, wodurch ich mit Überzeugung erfuhr, daß sie vollkommen dasselbe und eben so scharf sahen, was ich gesehen hatte, und meistens ohne daß es im ersteren Falle nötig war, das Mikroskop zu verändern. Diese an einer großen Zahl von Personen mit den verschiedensten Sehweiten aufmerksam fortgesetzte Beobachtung machte mir wahrscheinlich, daß es eine ziemlich feste allgemeine Grenze für das Sehvermögen des ungetrübten und gesunden menschlichen Auges gebe, welche einen Schluß auf die höchste Kraft der Mikroskope erlauben müsse. Ich stellte hierauf viele Beobachtungen an, um auszumitteln, in wie weit die Differenzen myopischer und presbyopischer Augen auf den allgemeinen Ausdruck jener Kraft einen Einfluß haben, und habe mich vielfach überzeugt, daß die nicht seltene Meinung, als sähen myopische Personen mehr oder schärfer als andere, ungegründet ist. Das Resultat meiner Erfahrung ist ein Doppeltes:

1) Es scheint eine Normalkraft für das Auge der Menschen in Rücksicht auf das Sehen der kleinsten Teile zu geben, und die Abweichungen von derselben scheinen viel seltener zu sein, als man gewöhnlich glaubt.

Es kann nur von solchen die Rede sein, die in irgend einer Entfernung überhaupt deutlich zu sehen vermögen. Unter mehr als 100 Personen, die ich beobachtet habe, waren die in den gewöhnlichen Sehverhältnissen am schärfsten sehenden nicht fähig, mehr zu unterscheiden, als ich selbst sah, und die sich für schwachsichtig oder fernsichtig haltenden waren gewöhnlich fähig, dasselbe zu sehen, was ich sah, nur bedurften sie einer bestimmteren Anweisung und besonders beim Sehen mit bloßem Auge meist einer etwas größeren Annäherung oder Entfernung des Gegenstandes von ihrem Auge als ich.

2) Die kleinste für das natürliche menschliche Auge gewöhnlich erreichbare Größe beträgt sowohl für die weiße Farbe auf schwarzem Grunde, als für die schwarze Farbe auf weißem oder lichthellem Grunde 1/ 36 einer pariser Linie im Durchmesser. Möglich ist noch, durch größte Lichtkondensierung und Spannung der Aufmerksamkeit die Größen zwischen 1/ 36und 1/ 48 einer Linie, aber nur ohne Schärfe und zweifelhaft zu erkennen."Dass 1/ 49 zu behaupten der Mühe nicht lohnen würde, versteht sich wohl. Die nächsten der Mühe werten Verhältnisse wären 1/ 60 oder 1/ 72 Linie, und darüber habe ich keine Erfahrungen machen können, daß sie von irgend jemand gesehen würden."

Dies ist die Grenze der Kraft des natürlichen menschlichen Auges für farbige Körper, die jeder leicht, wie ich sie geprüft habe, nachprüfen kann, indem er auf sehr weißes Papier sehr feine schwarze Stäubchen, z. B, von trockner Tinte, Tusche und dergl., bringt, und die kleinsten davon mit sehr feiner Spitze aufnimmt und auf ein Glas-Mikrometer legt, welches wenigstens 1/ 48 Linie direkt angibt. Sonne und Lampenlicht erlauben auch leicht, mit oder ohne Spiegel, die schwarzen Körperchen dergl. auf dem Glas-Mikrometer im Lichtgrunde zu betrachten. Körper, welche kleiner sind, als die angegebenen, können, ungeachtet aller Anstrengung, nicht einzeln, aber noch in einfacher gerader Reihe mit bloßem Auge erkannt werden. Befinden sich ferner dergleichen mehrere in großer Nähe und in mehrfacher Reihe beisammen, so machen sie einen gemeinschaftlichen Eindruck auf unser Auge und täuschen uns, als sähen wir einen größeren einfachen Körper oder Fläche."Ich bin gewohnt, auf diese Weise sehr feine Wimpern der Infusorien zu erkennen. Sobald sie bewegt werden, bilden sie eine kleine scheinbare Fläche, welche siehtbar ist; sobald sie aber ruhen ist oft ihre Feinheit so groß, daß die Sehkraft sie mit dem Mikroskope nicht erreicht." Die gewöhnliche Entfernung, welche gute Augen, wenn sie diese kleinsten Körper erkennen wollen, beobachten, fand ich durch Messung 4–5 Zoll, manchmal 6 Zoll, welches letztere die gewöhnliche Entfernung für sehr scharfsichtige ist. Myopische Personen nähern dieselben Gegenstände nur selten mehr als 4 Zoll, noch seltener 3 Zoll u. s. w., und werden meist dann den übrigen gleich. Jemand, dessen schärfste Sehweite 4 Zoll ist, kann durch größere Annäherung des Auges an den Gegenstand nicht seine Sehkraft erhöhen, sondern empfindet Schmerz und sieht undeutlich. Hat man das Objekt einmal fixiert, so kann man es bedeutend mehr entfernen, ohne dasselbe aus dem Auge zu verlieren. Ich selbst kann 1/ 24 einer Linie auf 12 Zoll Entfernung schwarz auf weiß nicht sehen, aber habe ich es auf 4–5 Zoll Entfernung aufgesucht, so kann ich es bis auf 12 Zoll entfernen und sehe es noch deutlich. Diese Erscheinung beruht auf der bekannten Kraft des Auges, sich nach der Ferne etwas zu accommodieren. Oft erkennt man auch kleine Gegenstände in größerer Ferne, sobald man auf ihren Ort aufmerksam gemacht ist, oder wenn sie sich bewegen. Ähnliche Erscheinungen geben ein Luftballon am hellen Himmel und ein Schiff am Horizonte, leicht sieht man sie, sobald man aufmerksam gemacht ist, aber die Fähigkeit der schnellen Orientierung beruht auf Gewohnheit und auf Geistesschärfe, ohne einen Schluß auf die Sehkraft im Allgemeinen zu erlauben. Wenn jemand von Gesichtseindrücken lebhafter erregt wird, als ein anderer, so orientiert er sich schneller, aber er sieht deshalb nicht mehr als ein anderer, der sich, weil er diese Eindrücke weniger lebhaft aufnimmt, langsamer orientiert. Ich bediene mich oft des Mittels, sehr kleine Gegenstände erst mit der Lupe zu suchen, wenn ich sie mit bloßem Auge erkennen will, um ihnen etwa eine andere Lage mit einer feinen Spitze zu geben. Auch diese Erscheinung ist nur für das Orientieren rücksichtlich des Ortes der Körper, und befördert nur die Schnelligkeit dieses Orientierens. Myopische Augen orientieren sich immer leichter, weil sie weniger zerstreut werden, indem ihr Gesichtsfeld ein kleineres ist. Wahrscheinlich ist endlich noch eine höhere Potenz der absoluten Sehkraft des menschlichen Auges hinzuzufügen, das ist die für das Erkennen leuchtender Körperchen. Kleine im Finstern leuchtende Körper erscheinen bekanntlich immer viel größer, als sie sind und diese, sie mögen nun selbstleuchtend oder Licht rückstrahlend sein, können leicht bei viel geringerer Größe als 1/ 48 Linie, je nach der Lichtstärke, das menschliche Auge noch affizieren. Ich habe nie Gelegenheit gehabt, selbst leuchtende Größen zu beobachten, die von so kleinem Durchmesser wirklich waren, so daß ich auf eine Grenze in dieser Hinsicht aufmerksam machen könnte..... Metallglanz, welcher ein sehr kräftiger Lichtreflex ist, läßt sich nach meinen an Goldstäubchen gemachten Beobachtungen mit bloßen Augen bei gewöhnlicher Tageshelle bis auf 1/ 100 einer Linie erkennen, also doppelt so weit als Farben.»–

"Anders verhält es sich mit Linien. Undurchsichtige Fäden von 1/ 400 Linie Dicke erkennt man gegen Licht mit bloßen Augen. Spinnenfäden messen 1/ 300 bis 1/ 2000 Linien; Fäden der Seidenraupe 1/ 200. Letztere sind im Cocon doppelt."

Wenn man die Größe 1/ 36 Lin. bei 4–6 Zoll Augenabstand, welche Ehrenberg als Grenze der Sehkraft für nicht lineare Körperchen angibt, in Linien auf der Netzhaut verwandelt, so findet man 0,0039 bis 0,0025 Lin., was auffallend größer (10mal so groß) ist, als Hueck's 0,00033 Lin., ungeachtet beide Resultate aus einer großen Menge Versuche abgeleitet sind, und auch Mayer's Resultat um mehr als das Doppelte übersteigt. Eben so weichen Hueck und Ehrenberg darin ab, daß nach Hueck schwarze Punkte auf weißem Grunde einen größeren Sehwinkel fordern, als umgekehrt, indes nach Ehrenberg beides gleichgültig ist.

Ein Unterschied der Umstände mag darin liegen, daß Ehrenberg's Versuche mit Betrachtung winziger Teilchen aus großer Nähe angestellt sind, die von Mayer und Hueck aber mit Punkten von erheblichen Dimensionen aus größerer Ferne, da beide den Beobachter sich vom Punkte deutlichsten Sehens allmälig bis zum Verschwinden des Punktes entfernen lassen. Nun macht zwar nach Mayer's Versuchen die Entfernung keinen erheblichen Unterschied, aber da seine Distanzen 12 Fuß und darüber betragen, so könnte eine viel größere Nähe, wie sie bei Ehrenberg's Versuchen stattfand, doch einen Unterschied machen; was noch näher zu untersuchen steht.

Wofern es gilt, nicht bloß das Dasein einer sichtbaren Größe zu erkennen, sondern auch die Gestalt zu bestimmen, wird ein größerer Sehwinkel erfordert. Nach HueckMüller's Arch. 1840. S. 88. wurde ein Quadrat von 1,2'" Durchmesser auf 11' Entfernung, also unter einem Sehwinkel von 2' 35" noch als Quadrat erkannt. Eben so wurde ein schiefer Strich von 1,5"' Länge auf 13', unter 2' 45" noch als schief erkannt. Druckschrift (Doppelmittel) mit einer Breite der Buchstaben 1,5'" und Zwischenräumen innerhalb der Buchstaben 0,5"' las Hueck unter Anwendung einer für sein Auge passenden Brille in 13' Entfernung.

BergmannHenle und Pfeufer, Zeitschrift III. F. Bd. II. S. 92. fand, "daß kurze Linien weniger weit gesehen wurden, als gleich breite längere."

E. H. WeberBerichte d. sächs. Soc. 1852. S. 142. bemerkt: "Nach meinen Versuchen kann eine weiße Linie auf schwarzem Grunde aus einer mehr als dreimal so großen Entfernung gesehen werden, als ein gleichseitiges Viereck von der Breite der Linie, und die Helligkeit der Erleuchtung der Linie und ein sehr abstechender Hintergrund kann diese Entfernung noch vergrößern."

Spezialbestimmungen über kleinste erkennbare Distanzen.

Die Versuche hierüber sind unter verschiedenen Formen angestellt, wonach sich auch die Resultate ändern.

α) Zwei distante Punkte oder Quadrate.

Die Angabe Smith's bezüglich zweier Sterne ist schon (s. o.) mitgeteilt.

VolkmannN. Beitr. S. 202. ließ auf eine kleine Thermometerkugel von 0,15 Zoll Durchmesser die Flammenbilder zweier Lichter fallen, welche unter sich 4 Zoll, von der Kugel 8 Zoll entfernt waren .... Er erkannte, mit Hilfe der Brille, vollständige Trennung der Bildchen im Glase bis auf 20½ Zoll und in der Mitte sich berührende, aber deutlich doppelte, Bildchen bis auf 26 Zoll.... Einer seiner Freunde wiederholte den Versuch, und erkannte die Bildchen bis auf 37 Zoll Entfernung. Um ohne Brille die Duplizität vollständig zu erkennen, mußte sich Volkmann den Gläsern bis auf 12 Zoll nähern.

Nach HueckMüller's Arch. 1840. S. 87. verschmolzen zwei schwarze Punkte auf weißem Hintergrunde, die 0,45"' von einander abstanden, mit einander bei 10 Fuß Entfernung des Beobachters, was für den Sehwinkel ihrer Distanz 1' 4" gibt. Dasselbe Resultat gaben Striche, die eben so weit von einander abstanden.

E. H. WeberBerichte der sächs. Soc. 1852. S. 142. fügt seiner, (s. o.) mitgeteilten, Verhältnisbestimmung über die Entfernung, in welcher weiße Linien und Vierecke auf schwarzem Grunde den Augen entschwinden, hinzu: "dagegen werden zwei weiße, gleichseitige Vierecke auf schwarzem Grunde, die durch einen schwarzen Zwischenraum von einander geschieden sind, der eben so breit ist, als die Vierecke, aus einer Entfernung noch als zwei unterschieden, die derjenigen beinahe gleich ist, aus welcher zwei weiße Linien auf schwarzem Grunde noch als zwei unterschieden werden, die eben so breit sind als jene Vierecke, und durch einen eben so breiten schwarzen linienförmigen Raum von einander getrennt werden."

β) Zwei distante Fäden.

VolkmannWagner's Wörterb. Art. Sehen. S. 331 spannte zwei Spinnegewebefäden in paralleler Richtung und in einer Distanz von 0,0052" neben einander auf, und fand, daß er dieselben auf 7" Entfernung als doppelt erkannte, aber nicht weiter. Der scharfsichtigste unter seinen Freunden erkannte die Duplizität auf 13" Entfernung. Zwei schwarze Parallellinien auf weißem Grunde in gegenseitiger Distanz 0,016'' erkennt Volkmann mit Hilfe der Brille in einer Entfernung von 27''.

ValentinValentin, Lehrb. d. Physiol. II. S. 428, hier nach Weher's Artikel Tastsinn S. 634. vermochte zwei Linien noch zu unterscheiden, wenn deren Bilder auf der Netzhaut nur um 0,0009'" von einander abstanden.

Hueck fand für Striche dasselbe Resultat als für Punkte (s. o.).

γ) Streifige und würflige Figuren.

Tobias MayerComment. soc. sc. Gotting. T. IV. p. 102. beschreibt Versuche im verbreiteten Tageslichte wie folgt:

l. Figura striata, cujus nigri ductus, aequales albis interpositis, lati erant 0,36 lin. paris. spectata directe in distantia pedd. 11 jam aliquantum confuse videbatur, ita ut vix liceret alba intervalla a nigris discernere. In distantia 12 pedd. omne discrimen inter strias aberat. Certe nonnisi aegerrime sentiebatur. Paulo plus remoto oculo tota figura eundem colorem quasi cineatium mentiebatur.

2. Figura itidem striata, sed cujus atrae striae duplo crassiores erant, quam albae, harum enim latitudo erat 0,2 lin. illarum 0,4 lin., incipiebat videri confusa distante oculo 9 vel 10 pedes.

3. In eadem distantia alia figura striata, cujus albi ductus duplo latiores quam nigri, inverso nempe praecedentium ordine, desiit distinete videri; latitudo striarum albarum erat 0,4 lin., lin. nierarum 0,2.

Notandum, binas has figuras (no. 2 et 3) etiam in experi-mentis sequentibusAngestellt mit Kerzenlicht eandem semper oculi distantiam requisivisse. Quare commodum erit, de iis in posterum conjunctim referre.

4. Figura cancellata lineis nigris, quarum latitudo 0,44 lin. eadem, quae interstitiorum alborum, spectata e distantia 15½ pedd. incipiebat mentiri aequalem ubique nigredinem, ut dubium esset, num aibi quid in illa contineatur.

5. Figura aleae similis, aleatam dicere brevitatis causa liceat, quadratulis nigris albisque varia, quorum singula latera aequalia 0,52 lin. distante oculo 12 pedes, extremam visionis speciem praebebat, paulo enim plus remoto oculo confusa alba cum nigris apparebant."

Nach Vergleich von No. 1 mit No. 2 und 3, und von No. 4 mit No. 5 schließt Mayer, daß Ungleichheit der weißen und schwarzen Intervalle das Erkennen erleichtert.

Die Versuche mit den streifigen und würfligen Figuren No. 1 bis No. 5 wurden dann auch im Dunkeln unter direkter Erleuchtung mit einem Talglichte bei verschiedener Entfernung L desselben von den Figuren wiederholt, wo sich folgende Entfernungen A des Auges von den Figuren als Grenzweiten des Erkennens (termin. visionis) ergaben (Einheit der pariser Fuß):

A L
Entfernung des Auges des Lichtes
No. 1. No. 2 u. 3. No. 4. No. 5.
½ 12
1
2 7 6
3
4 6
5      
6 4      
7      
8
13 3 3
L A

Mayer repräsentiert das Gesetz, nach welchem sich A mit L ändert, durch folgende Formel

,

wo n eine von der Beschaffenheit der Figur abhängige Konstante ist, die er bei den verschiedenen Figuren wie folgt annimmt:

No. 1 2 u. 3 4 5
79 52 73 99

Er gibt eine Zusammenstellung von Rechnung und Beobachtung, wonach die Formel in den Grenzen dieser Versuche nahe genug zutrifft.

HueckMüller's Arch. 1840. S. 87. betrachtete die in gestrichelter Manier mittelst einer Maschine gestochenen Münzen, Medaillen und Gemmen in dem trésor de numismatique et de glyptique. Paris 1834, und konnte hierbei Intervallen von 0,0727"' auf 22" 3'" Entfernung, also unter einem Gesichtswinkel von 56,8" noch unterscheiden; ja manche recht sauber mit sehr scharfen Strichen auf recht reiner glatter weißer Fläche abgedruckte noch unter 44,3" Sehwinkel. Bei etwas größerer Entfernung erschien die gestrichelte Fläche grau. Gelbe Streifen auf roter Fläche erschienen orange bei einem Netzhautbilde von 0,001", eben so gelbe Streifen auf blauer Fläche grün.

Marie DavyInstit. XVII. p. 59. zog auf weißem Papiere schwarze Linien in der Weise, daß die Zwischenräume eben so breit waren wie die Linien selbst. Solche Blätter verfertigte er mehrere mit Streifen von verschiedener Breite und versuchte dann, wie weit er jedes derselben vom Auge entfernen mußte, um nicht mehr die schwarzen und weißen Streifen, sondern ein einförmiges Grau zu sehen. Er fand, daß dies bei allen Blättern in solchen Abständen eintrat, daß die von ihm berechnete Breite des Netzhautbildes eines Streifes sich nahezu zu 0,0011 Millim. ergab. Diese betrug nämlich 0,00109, 0,00113, 0,00113, 0,00112 Millimeter bei Abständen von 5,8, 0,75, 0,53 und 0,41 Meter. – Die Art der Berechnung ist nicht angegeben.

E. H. WeberBerichte der sächs. Soc. 1853. S. 144. wandte schwarze Linien an, welche durch Maschinenstich sehr eng und gleichmäßig gezogen und auf weißem Papiere gedruckt waren. Sie waren 0,025 par. Lin. breit, und eben so breit waren die Zwischenräume dazwischen. Sein Sohn Th. Weber erkannte die Linien noch in einer Entfernung von 9 par. Zoll 2½ Lin., wo der Gesichtswinkel, unter welchem ein Zwischenraum gesehen ward, 45,3 Sek. betrug. Dieselben Versuche ließ er noch von mehreren Andern anstellen; wo sich die größte Schärfe bei Zweien fand, deren einer (No. 9) die Linien ebenfalls noch in 9 Zoll, der andere (No. 8) in 11 Zoll Abstand erkannte, was respektiv 45,3 und 36,5 Sek. Sehwinkel des Zwischenraumes oder 0,00148 und 0,00119 par. Lin. entspricht.

BergmannHenle und Pfeufer, Zeitschr. III. F. U. B. S. 94 f. wandte lithographierte Gitterzeichnungen, deren Striche und Zwischenräume jeder 1 Millim. breit sind, in folgender Weise an. Mitten in den Deckel eines runden Pappschächtelchens wurde ein Loch von etwa 20 Mill. Durchmesser geschnitten und die Gittertafel von Innen her gegen den Deckel festgelegt, so daß nur ein kreisrunder Teil derselben von Außen zum Vorschein kam. "Hiermit erhält man die Möglichkeit, mittelst Drehung des Deckels den Gitterstäben jede beliebige Neigung geben zu können, so daß der, dessen Augen geprüft werden, durch Angabe der Richtung, in welcher die Linien laufen, den Beweis führen kann, daß er sie wirklich sieht."

"Der Erfolg einer bedeutenden Anzahl von Versuchen war nun, daß die ausgewählt guten Augen mehrerer Individuen nie einer größeren Annäherung bedurften, als sie dem Versuche No. 8 bei E. H. Weber entspricht; die Streifen mit ihren millimeterbreiten Zwischenräumen wurden in 8,5 Meter Entfernung stets erkannt." ....

"Häufig übrigens wurde auch schon in größeren Entfernungen, ja ab und an schon bei 7 Meter Abstand die Richtung der Striche wiederholt richtig erkannt. Auch machten die Experimentierenden öfter die Bemerkung, daß, wenn sie die Richtung der Striche wüßten, sie dieselben auch in diesen größeren Entfernungen sähen. Bei einem früheren Versuche begegnete es sogar, daß ein 10jähriger Knabe, auf dessen ausgezeichnetes Auge Verf. gelegentlich aufmerksam geworden war, dreimal hinter einander die (jedesmal abgeänderte) Richtung der Striche in einer Entfernung von 8 Metern richtig angab. Dann folgte eine falsche Angabe."

Bergmann hebt (p. 97) als beachtenswert hervor, "daß in der Entfernung von 5,5 Meter, in welcher recht gute Augen regelmäßig mit Sicherheit die Richtung der Linien erkennen, die Bilder derselben etwas breiter als die Hälfte eines Zapfendurchmessers sind, woraus man immer schon eine wesentliche Beziehung zwischen diesen Dimensionen vermuten könne."

In den, über 5,5 Meter hinaus liegenden Entfernungen, in welchen oft schon ein richtiges Erkennen der Richtung der Striche eintrat, zeigten die mitunterlaufenden Irrtümer besonders häufig das Eigentümliche, daß die Richtung der Striche gerade senkrecht zu den wirklichen angegeben wurde. In denselben Entfernungen erschien die Gittertafel auch häufig scheckig. Ein Mann, der das Objekt gar nicht kannte, hielt es in einer Entfernung von etwa 6 Meter für gewürfelt; ein zweiter, welcher etwa 2 Fuß hinter ihm stand, erklärte dann, das sähe er auch schon von da.

Bergmann setzt diese Umstände scharfsinnig mit einer wahrscheinlichen Voraussetzung über die Form und Anordnung der Zapfen als empfindender Netzhautelemente in Beziehung; noch würde es zu umständlich sein, hier darauf einzugehen.

Bei gewissen Richtungen der Stäbe scheint das Erkennen der Gitter leichter als bei anderen zu sein, jedoch dies sich nach Individualität der Augen zu ändern (vgl. Bergmann p. 1041).

Verhalten der Seitenteile der Netzhaut im Erkennen kleinster Größen und Distanzen.

Bei den bisherigen Angaben war Auffassung der sichtbaren Größen und Distanzen mit dem deutlichst sehenden, zentralen, Teile der Netzhaut vorausgesetzt. Nach der Peripherie hin nimmt sowohl die Erkennbarkeit der Größen als Distanzen ab, aber keineswegs nach allen Richtungen in gleichem Verhältnisse. Beobachtungen darüber liegen vor von Hueck, Volkmann mit Hüttenheim, einige von Bergmann, die ausführlichsten von Aubert mit Förster, bei denen u. a. speziell nachgewiesen wird, daß die Unmöglichkeit, zwei Punkte in einiger Entfernung von der Augenachse zu unterscheiden, keineswegs auf optische Abweichungen des Auges geschoben werden kann; und daß verschieden große Zahlen oder Quadrate, unter demselben Gesichtswinkel bei verschieden großer Entfernung des Auges gesehen, sich in der Nähe mit weiter von der Sehachse entfernten Teilen der Netzhaut erkennen lassen, als in der Ferne.

Um das Detail dieses Kapitels nicht gar zu weit auszudehnen, glaube ich hinsichtlich des Näheren dieser Versuche auf die Originalabhandlungen verweisen zu müssen.

Hueck in Müller's Arch. 1840. S. 92.

Volkmann, in Wagners Wört. Art. Sehen. S. 334.

Aubert und Förter, in Gräfe Arch. f. Ophthalm. III. S. 14 und Moleschott Unters. IV. S. 16.

Bergmann, in Henle und Pfeufer Zeitschr. III. F. Bd. II. S. 97.

Hiermit kann man die Versuche zur Bestimmung der Größe des Teiles der Netzhaut, mit welchem man scharf genug sieht, um Druckschrift lesen zu können, in Beziehung setzen, worüber E. H. Weber in den Berichten der sächs. Soc. 1853. S. 128 ff., Aubert und Förster in den genannten Abhandlungen nachzusehen sind.

Distanzunterschiede (Augenmaß).

Über die Feinheit des Augenmaßes hat E. H. WeberProgr. coll. p. 142. folgende Angaben:

"Dissecui chartam papyraceam scriptoriam magnitudine maxime consueta in octo partes aequales et cuilibet parti lineam rectam et aequalem inscripsi, curans simul, ut omnes lineae aequali crassitie et nigritie, diversa autem longitudine essent. Brevissima linea 100 millimetris alia quaedam linea longior 100½ mm, alia longior 101 mm constabat. Ita diversae lineae usque ad longitudinem 105 millimetrorum ductae sunt.

lam duae chartae iuxta se positae homini proponebantur, cuius subtilitatem visus examinare cupiebam. Homines arti delineandi operam navantes, ideoque visu exculto gaudentes, lineam perpendicularum 100 mm longam a linea perpendiculari 101 mm longa discreverunt, et experimenta ter, quater et quinquies iterato semper longiorem lineam recte indicarunt. Accidit tarnen et his ut defa-tigati nonnunquam errarent. Plures vero homines lineas 100 et 104 mm longas non, certo sed non nisi lineas 100 et 105 mm longas distinxerunt. His experimentis intellectum est, a nonnullis centesimam, ab aliis vero vigesimam lineae partem, qua altera linea altera parallela maior est, satis certo visu cognosei.«

Einige eigene Versuche über die eben merklichen Unterschiede von Zirkeldistanzen habe ich (s. Kap. 9) angeführt.

b) Tastsinn.

Über die Größe der eben merklichen Distanz von Zirkelspitzen auf der Haut hat bekanntlich E. H. Weber zuerst Untersuchungen angestellt und dabei gefunden, daß diese Distanz auf verschiedenen Hautteilen ausnehmend verschieden ist. Am größten fand er die Empfindlichkeit auf der Zungenspitze, wo noch bei ½ par. Lin. Distanz die Zirkelspitze als doppelt erkannt wurde, demnächst an der Volarseite des letzten Fingergliedes (l par. Lin.), am roten Teile der Lippen (2 Lin.), an der Volarseite des 2. Fingergliedes (2 Lin.) u. s. w., am geringsten am oberen Teile des Rückgrates und auf der Mitte des Oberarmes und Unterschenkels (30 par. Lin.). Seine Beobachtungstabelle ist am ausführlichsten in s. Progr. coll. p. 50 sequ., kürzer zusammengezogen im Artikel Tastsinn und Gemeingefühl in Wagner's Wört. S. 539 gegeben und in s. Abhandl. in den Berichten der Leipz. Soc. 1853 p. 85 ff.Auszug daraus, doch ohne die Tabellen, in Fechner's Zentralbl. 1853. No. 31. Die Tabelle ist auch von Czermak in dessen physiolog. Stud S. 54 gegeben. reproduziert worden; an welchem letzteren Orte er noch verschiedene Nachträge über die allgemeine Auffassung des Raumsinnes und die Methoden, die Feinheit desselben zu bestimmen, gibt. Die Beobachtungen Weber's sind zuerst von Allen Thomson (in Edinb. Med. and Sug. Journ. no. 116), später von Valentin (Lehrb. d. PhysioL 1844. Bd. U. S. 565), endlich von Czermak physiol. Studien oder Sitzungsber. der Wien. Akad.XV. S. 425, XVII. S. 563, Moleschott, Unters. S. 183) bestätigt und von letzterem nach mehreren Beziehungen erweitert worden.

Sehr interessante Erfahrungen, nach denen Chloroformierung und Narkose die eben merklichen Zirkeldistanzen auf der Haut sehr vergrößert, hat Lichtenfels in den Sitzungsbe-richten der Wien. Akad. 1857. VI. p. 338 bekannt gemacht. Lähmungsartige Zustände der Haut haben denselben Erfolg, worüber die Erfahrungen von Landry in Archiv. gén. de méd. XXIX. Juill. Sept. (Cannst. Jahresber. f. 1852. p. 189) und besonders Wundt in Henle und Pfeufer Zeitschr. 1858. p. 272, auch Brown Sequard in Cannst. Jahresber. 1853. p. 202 zu vergleichen sind, welcher letztere auch einen Fall der Verkleinerung der eben merklichen Distanz durch einen hyperästhetischen Zustand berichtet. Erfahrungen, nach denen durch Übung die eben merkliche Distanz verkleinert wird, hat Hoppe in s. medic. Brief. 1854. Heft 2, Czermak in obigen Abhandlungen, und besonders Volkmann in den Sitzungsber. d. sächs. Soc. 1858. p. 38 bekannt gemacht.

Theoretische Diskussionen über die Verhältnisse des Hautraumsinnes finden sich in den angeführten Abhandlungen von Weber und Czermak, in Lotze's medicin. Psychol. 1852, in Meissner's Beitr. z. Anatom. u. Physiol. der Haut. Leipzig 1853 und in Wundt's Abhandl., die überhaupt eine ausführliche Zusammenstellung über diesen Gegenstand enthält.

c) Auffassung von Zeit und Bewegung.

Wenn zwei Eindrücke zu schnell hinter einander gemacht werden, verfließen sie in einen gleichförmigen für die Empfindung, und man kann fragen, wie groß die Zwischenzeit zwischen zwei Eindrücken sein müße, um dieselben noch als unterschieden auffassen zu können.

Eine reine experimentale Antwort hierauf läßt sich aus einem analogen Grunde als betreffs der extensiven Raumschwelle nicht geben. Denn, so wie jeder Eindruck einen Irradiationskreis um sich hat, hinterläßt jeder Eindruck einen Nachklang. Ist nun der Nachklang, welchen der erste Eindruck hinterläßt, bei Eintritt des zweiten noch stark genug, daß der Unterschied vom zweiten die intensive Unterschiedsschwelle nicht erreicht, so muß der eine Eindruck mit dem anderen gleichförmig verfließen.

Man kann fragen, ob nicht die Unmöglichkeit, zwei zu schnell nach einander eintretende Eindrücke als unterschieden aufzufassen, allein an diesem Umstande hänge. Hierüber ist erfahrungsmäßig nichts entschieden, und schwer, sicher zu entscheiden. Wahrscheinlich aber findet nach Analogie der Raumverhältnisse auch betreffs der Zeitverhältnisse eine Unmöglichkeit schlechthin statt, einander zu nahe Eindrücke noch als unterschieden aufzufassen.

Allerdings kann man hierbei das Dasein von Empfindungskreisen in dem (s. o.) erörterten Sinne nicht geltend machen; aber es hat vielleicht Einiges für sich, daß das subjektive Zeitmaß eben so an psychophysische Oszillationen in uns, als das subjektive Raummaß an Empfindungskreise geknüpft sei, und Alles, was in die Dauer einer solchen Oszillation fällt, so wenig zeitlich unterschieden werden könne, als was in die Ausdehnung eines Empfindungskreises fällt, räumlich. Es wäre inzwischen müßig, dieser Hypothese ohne die Möglichkeit genauerer Begründung hier weiter nachzugehen.

Die Frage, um die es sich hier handelt, kommt u. a. in Rücksicht bei dem Versuche der gedrehten Scheibe mit weißen und schwarzen Sektoren. Während ein weißer Sektor vorbeigeht, wächst der Eindruck, während ein schwarzer vorbeigeht, nimmt er ab. Ist die Erscheinung der Gleichförmigkeit bloß daran geknüpft, daß der Unterschied zwischen Minimum und Maximum die intensive Unterschiedsschwelle nicht erreicht, welche für ruhig aufgefaßte Lichteindrücke besteht, oder wird die Erscheinung der Gleichförmigkeit dadurch befördert, daß Minimum und Maximum des Eindruckes so schnell hinter einander eintreten, daß wir beide in der Zeit nicht auseinanderhalten können; und kann demnach der Unterschied größer sein, ohne die Erscheinung der Gleichförmigkeit zu gefährden, als bei ruhig aufgefaßtem Eindrucke?

Es scheint mir einige Möglichkeit vorzuliegen, auf Grund eines Versuches hierüber die erste Frage zu entscheiden, wenn man noch einige Daten vorher bestimmt hat.

Im Zusammenhange mit der Frage der Zeitschwelle steht die Frage nach der Zeit, welche nötig ist, gegebene Eindrücke mit gegebener Deutlichkeit aufzufassen. Hierüber finde ich einige Bemerkungen und Versuche von Valentin in dessen Lehrb. der Physiol. II. p. 471:

"Welches Minimum von Zeit – sagt er – bei gehöriger Übung zu einer befriedigenden Auffassung bekannter Objekte gehört, sehen wir am besten aus dem Lesen uns geläufiger Lettern. Las ich nur je eine Zeile größeren Druckes dieses Werkes (des Valentin'schen Lehrbuches), so kamen in 10 Versuchen auf je einen Buchstaben im Maximum 4,21, im Minimum 2,34 und im Mittel 3,330 Terzien; bei dem Durchlesen einer ganzen Seite, die keinen Absatz hatte, und bloß mit größerer Schritt gedruckt war, fanden sich für 2629 Buchstaben und Interpunktionszeichen 1 Minute 32 Sekunden. Dieses gibt für 1 Bild im Durchschnitte 2,10 Terzien. Machte ich denselben Versuch mit einer fortlaufenden Seite Petitdrucks dieser Arbeit, so brauchte ich für 3944 Buchstaben und andere Zeichen 2 Minuten 12 Sekunden, mithin für einen Eindruck 2,01 Terzien. Wir können daher im Allgemeinen annehmen, daß wir bei dem raschen Lesen für die Auffassung jedes einzelnen Charakters nur zwei bis vier Terzien im Mittel nötig haben."

Über die noch wahrnehmbaren kleinsten Bewegungen finde ich folgende Angaben in Gehler's Wörterbuche, Artikel Gesicht S. 1457, von Muncke:

"Aus der Bestimmung der Dauer des Lichteindruckes auf das Auge in Verbindung mit der oben angegebenen Größe des Gesichtswinkels läßt sich erklären, warum manche sehr langsame Bewegungen nicht wahrgenommen werden. G. G. SchmidtHand- und Lehrbuch der Naturlehre. Giess. 1826. 8. S. 471. wählt, um dieses deutlich zu machen, das Beispiel, daß die Sterne, selbst im Äquator, wo ihre Bewegung am schnellsten ist, dennoch stillzustehen scheinen. Setzt man nämlich die Dauer des Lichteindruckes im Auge hoch auf 0,5 Sek., so durchläuft der Stern in dieser Zeit einen Bogen von nur 5 Sek. und da dieser kleiner ist, als der kleinste Gesichtswinkel für ein räumliches Objekt, so scheint er still zu stehen. Wird der Stern dagegen durch ein Fernrohr mit nur 100facher Vergrößerung betrachtet, so beträgt der Gesichtswinkel 50 Sek. und seine Bewegung wird, jedoch mit Mühe und kaum wahrgenommen, erscheint aber um so schneller, je größer die Vergrößerung ist, die man anwendet. Hierbei kommt indes der lebhafte Lichteindruck des Sternes auf das Auge in Betrachtung, denn bei der Beobachtung der Bewegung des Minutenzeigers einer Taschenuhr erhielt Schmidt ein anderes Resultat. Diese nahm derselbe nämlich bei der Anwendung einer zehnfachen Vergrößerung so eben wahr. Indem aber die Länge des Zeigers 4,8 par. Lin. betrug, und der Sehwinkel einer Abteilung desselben (für l0 Z. Abstand des deutlichen Sehens beim Beobachter) 13,5 Min. ausmachte, so war die Bewegung desselben in einer Sekunde = 13,5 Sek. scheinbar, und mit 10facher Vergrößerung 135 Sek. oder 2 Min. 15 Sek. Inzwischen kommt bei dieser, allerdings sinnreichen Methode, die kleinsten Bewegungen zu messen, vieles, namentlich die Gesichtsschärfe und die Erleuchtung des beobachteten Gegenstandes, in Betrachtung, weswegen auch die beiden mitgeteilten Angaben so sehr von einander abweichen. Um die letztere zu prüfen, beobachtete ich selbst den Minutenzeiger meiner Taschenuhr, welcher 9,1 Lin. lang und stahlblau sich auf einem blendend weißen Zifferblatte bewegt. So lange er sich über dem letzteren bewegte, konnte ich das Fortrücken desselben mit unbewaffnetem Auge und bei einer Gesichtsweite von 8 Z. wahrnehmen, jedoch schien er still zu stehen, wenn er sich über einem schwarzen Teilstriche befand, so daß also diese Bewegung als die Grenze derjenigen anzunehmen ist, welche mein Auge noch wahrnehmen kann. Man darf also jene angegebene Größe von 13,6 Sek. nur verdoppeln und im Verhältnisse von 10 : 8 nehmen, um für mein Auge den kleinsten optischen Winkel von nahe 34 Sek. zu erhalten,Die genauere Berechnung gibt 34" 50"'. welcher indes unter minder günstigen Bedingungen, namentlich wenn das Messen des Abstandes der Zeigerspitze zwischen den beiden Minutenstrichen wegfiele, nicht so klein ausfallen würde. Hieraus erklärt es sich auch, warum die Bewegung der Sterne im Fernrohre bei einem optischen Winkel von 50 Sek. sichtbar wird, nämlich teils wegen des starken Lichtes derselben im verhältnismäßig dunklen Raume, teils weil das Gesichtsfeld des Fernrohres etwas erleuchtet, seine Umgebung wegen des inwendig schwarzen Rohres aber völlig dunkel ist, und auf diese Weise also der veränderliche Abstand des Sternes von dem Rande des Gesichtsfeldes gemessen werden kann."

Hierzu kann man noch folgende Angaben von Valentin in s. Lehrb. II. p. 465 fügen:

"Ich kann noch nicht die Bewegung des vergoldeten Minutenzeigers (einer Taschenuhr), welcher eine Länge von 14,5 Millimeter hat, mit freiem Auge bei gutem Tageslichte wahrnehmen, sehe sie aber, wenn ich eine 1½mal vergrößernde Lupe gebrauche. Betrug dagegen die Länge des vergoldeten Zeigers einer anderen Uhr 18 Millimeter, so nehme ich das Fortrücken der Spitze bei scharfer Fixation in 4 Zoll Abstand vom Auge in hellem Lichte eben noch wahr, würde jedoch das Ganze bei irgend flüchtiger Betrachtung für ruhend halten. Schiebe ich aber eine Lupe vor, die für ebenfalls 4 Zoll Sehweite 1½mal vergrößert, so kann ich die Ortsveränderung deutlich auffassen .... Alle solche Bestimmungen der Sekundengeschwindigkeit der kleinsten Veränderung des Sehwinkels geben selbst bei den richtigsten Vordaten bloß approximative Werte, weil eine große Zahl von Nebenverhältnissen, die nicht immer genau in Berechnung gezogen werden können, wesentlich mitwirken. Nicht nur die Stärke des Lichtes, der Glanz und die Farbe des betrachteten Gegenstandes, der Abstand, die Sehweite und die Gesichtsschärfe des Auges, sondern auch die Natur der benachbarten Objekte hat auf die Wahrnehmung der leisesten Bewegungen einen bedeutenden Einfluß. Geht der Zeiger der Uhr z. B. unmittelbar an feineren Strichen hin, so wird seine geringste Bewegung leichter als sonst wahrgenommen, weil jene feinen, als Verzierungen angebrachten, Linien zu fixen Vergleichungspunkten dienen und die unbedeutendste Verrückung der Zeigerspitze um so eher auffällt."


 << zurück weiter >>