Gustav Theodor Fechner
Elemente der Psychophysik Teil 1
Gustav Theodor Fechner

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VI. Maßprinzip der Empfindlichkeit.Revision S. 18–23. Psych. Maßprinzipien S. 179 ff.

Selbst bei gleicher Anbringungsweise kann ein und derselbe Reiz von einem Subjekte oder Organe stärker oder schwächer empfunden werden, als von einem anderen, oder von demselben Subjekte oder Organe zu einer Zeit stärker oder schwächer, als zu einer anderen; umgekehrt Reize verschiedener Größe nach Umständen gleich stark empfunden werden. Hiernach messen wir dem Subjekte oder Organe respektiv zur einen und anderen Zeit eine größere oder geringere Empfindlichkeit bei.

Wo die Sinnesorgane gelähmt sind; werden auch die stärksten Reize nicht mehr empfunden; die Empfindlichkeit dafür ist null; bei manchen erregten Zuständen des Auges oder Ohres dagegen ruft selbst noch der schwächste Licht- oder Schallreiz eine lebhafte, wohl gar lästige Empfindung hervor; die Empfindlichkeit dafür ist ungeheuer gesteigert. Dazwischen gibt es alle Zwischengrade der Empfindlichkeit. Es liegt hiernach hinreichender Anlaß vor, Grade derselben zu unterscheiden und zu vergleichen; aber es fragt sich, wie es auf genaue Weise, wie es wirklich messend geschehen kann.

Hierbei kommt Folgendes in Betracht. Allgemein liegt das Maß einer Größe darin, daß bestimmt werde, wie vielmal eine, als Einheit zu Grunde gelegte, Größe derselben Art darin enthalten sei. In diesem Sinne hat die Empfindlichkeit als abstraktes Vermögen so wenig ein Maß, als die abstrakte Kraft. Aber anstatt sie selbst zu messen, kann man etwas dazu Bezügliches, davon Abhängiges, messen, was nach ihrem Begriffe mit ihr ab- und zunimmt und womit sie umgekehrt nach ihrem Begriffe ab- und zunimmt, und so ein indirektes Maß derselben gewinnen, im selben Sinne, als es auch bei der Kraft der Fall ist. Anstatt diese selbst zu messen, messen wir die dazu bezüglichen, davon abhängigen, Geschwindigkeiten, welche gleichen Massen, oder die Massen, denen gleiche Geschwindigkeiten eingepflanzt werden. Und so können wir auch entweder die Größe der Empfindung zu messen versuchen, welche durch gleich große Reize erzeugt wird, oder die Größe der Reize, welche eine gleich große Empfindung hervorrufen, und erstenfalls sagen, die Empfindlichkeit ist doppelt so groß, wenn derselbe Reiz eine doppelt so große Empfindung hervorruft; letzterenfalls, sie ist doppelt so groß, wenn ein halb so großer Reiz eine gleich große Empfindung hervorruft.

Jedoch der erste Weg ist ungangbar, weil wir noch kein Maß der Empfindung haben, und, wie später zu zeigen, ein solches selbst erst auf das anders begründete Maß der Empfindlichkeit zu stützen ist. Dagegen hindert nichts, sich an den zweiten zu halten. Die Größe der Reize ist genauen Maßen zugänglich, und die Gleichheit der Empfindung können wir unter erforderlichen Maßnahmen, von denen künftig ausführlicher die Rede sein wird, wohl konstatieren. Demnach setzen wir die Empfindlichkeit für Reize der Größe der Reize, die eine gleich starke, oder allgemeiner, um extensive Empfindungen mit zu begreifen, eine gleich große Empfindung erwecken, umgekehrt proportional, mit einem kurzen Ausdrucke reziprok.

Man kann zugeben, daß es zuletzt nur eine Sache der Definition ist, daß wir die Empfindlichkeit gerade doppelt so groß nennen, wenn der halbe Reiz dieselbe Empfindung erweckt. Wäre die Empfindlichkeit etwas an sich Meßbares, so stände diese Freiheit nicht offen, sondern das Verhältnis müßte durch Erfahrung oder Schlüsse konstatiert werden. Dies ist aber nicht der Fall; die Erklärung darüber ist willkürlich, und die einfachstmögliche und welche die einfachste Verwendung gestattet, vorzuziehen.

So gefaßt wird uns dies Maß eine Hilfe sein, und hat auch gar keine andere Bedeutung, als uns im Gebiete tatsächlicher Verhältnisse zwischen Reiz und Empfindung zu orientieren und ihre Verknüpfung durch Rechnung möglich zu machen, ohne über die Größe des abstrakten Empfindungsvermögens das Geringste aussagen zu können und zu sollen. Gewiß bleibt immer, daß bei einem Subjekte, zu einer Zeit, ein doppelt so großer Reiz dazu gehört, um gleich stark in die Empfindung zu fallen, als bei einem anderen Subjekte, zu einer anderen Zeit. Statt dies mit vielen Worten zu sagen, drücken wir es kurz mit den wenigen aus, es finde im einen Falle eine halb so große Empfindlichkeit für den Reiz statt, als im anderen Falle. Jede andere Maßzahl bedeutet ein anderes faktisches Verhältnis in dieser Hinsicht und soll nichts anderes als ein solches bezeichnen.

Die Stärke oder Lebhaftigkeit der körperlichen Tätigkeiten, welche der Reiz in uns erweckt, und wovon die Empfindung unmittelbar abhängt, kurz der psychophysischen Tätigkeiten, kommt bei diesem, der äußeren Psychophysik angehörigen, Maße nicht in Anschlag. Die Frage, ob diese Tätigkeiten der Stärke der Reize proportional sind oder nicht, ist für seinen Begriff und seine Anwendung gleichgültig; denn als Maß der Empfindlichkeit für Reize geht es eben auch nur auf ein Verhältnis der Empfindung zu diesen, nicht zu den dadurch ausgelösten Tätigkeiten; und jene Frage ist zwar zu erheben, aber selbst nur auf Grund von Tatsachen, die dieses Maß schon voraussetzen, zu entscheiden.

Noch ist wichtig, folgenden Fehlschluß zu vermeiden. Wenn bei doppelt so großer Empfindlichkeit für einen Reiz der halbe Reiz hinreicht, eine gleich große Empfindung auszulösen, so folgt daraus doch nicht, daß derselbe Reiz dann eine doppelt so große Empfindung auslöse. Zuvörderst können wir hierüber nicht urteilen, so lange wir noch kein Maß der Empfindung haben, und später, wenn wir es haben werden, wird sich zeigen, daß dieses Verhältnis keineswegs besteht.

Von der Empfindlichkeit für Reize gilt es, die Empfindlichkeit für Reizabänderungen, Reizunterschiede, zu unterscheiden. Das Maß derselben aber unterliegt entsprechenden Gesichtspunkten, nur daß die Reizabänderung, der Reizunterschied, an die Stelle des Reizes dabei tritt.

In der Tat, so wie ein gleich großer, doppelt oder dreimal so großer Reiz erfordert werden kann, um eine gleich große Empfindung zu erwecken, kann auch eine gleiche, doppelt oder dreimal so große Abänderung eines Reizes, oder ein gleicher, doppelt oder dreimal so großer Unterschied zweier Reize erfordert werden, um eine gleich große Abänderung der Empfindung, oder einen gleich großen Unterschied zweier Empfindungen zu erwecken. Hierbei kann die Abänderung des Reizes als Reizunterschied in der Zeitfolge mit dem Unterschiede gleichzeitig auftretender Reize unter gemeinsamen Gesichtspunkt und Namen gefaßt werden; wie im Folgenden im Allgemeinen geschehen soll, ohne damit sagen zu wollen, daß es gleichgültig sei, ob man die Komponenten eines Unterschiedes simultan oder sukzessiv auffasse. Unter Komponenten des Unterschiedes verstehen wir hier wie in der Folge die Reize, zwischen welchen der Unterschied besteht, der sich in der Empfindung geltend macht.

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man geneigt sein, das Maß der Empfindlichkeit für Reize und das für Reizunterschiede auf einander reduzierbar zu halten. Sind zwei Töne von verschiedener physischer Stärke gegeben, so kann man sich einen dritten denken, dessen Stärke dem Unterschiede der Stärke jener beiden gleich ist, und man könnte nun z. B. meinen, der schwächstmögliche Ton, der noch für sich gehört werden kann, und der schwächstmögliche Unterschied, der noch zwischen zwei Tönen erkannt werden kann, haben allgemein dieselbe Größe. Aber dies ist faktisch untriftig. Vielmehr lehren schon beiläufige Erfahrungen und später wird genauer bewiesen werden, daß der Unterschied zweier physischen Töne, Lichter u. s. w. um so mehr betragen muß, um noch erkennbar zu sein, je größer die absolute Stärke derselben ist, indes die absolute Stärke, die man noch eben wahrnehmen kann, dieselbe bleibt.

Dies macht allerdings nötig, die Empfindlichkeit und das Empfindlichkeitsmaß für Reize und Reizunterschiede zu unterscheiden.

Insofern derselbe Reizunterschied mehr oder weniger leicht erkannt wird, je nachdem er zwischen kleinen oder großen Reizen besteht, und überhaupt es, späteren Untersuchungen zufolge, betreffs der Größe des Empfindungsunterschiedes, den ein Reizunterschied gibt, auf dessen Verhältnis zu den Reizen oder das damit gesetzte Verhältnis der Reize zu einander wesentlich ankommt, ist die Unterschiedsempfindlichkeit nicht bloß veränderlich nach dem Zustande der Individuen, sondern auch nach der Größe der Reize, im Allgemeinen geringer bei großen, als kleinen. Die Ermittelung des Gesetzes, nach welchem die Unterschiedsempfindlichkeil von der Größe der Reize abhängt, d. h. nach welchem die Größe des Unterschiedes der Reize sich mit der Größe der Reize ändern muß, um noch gleich deutlich in die Empfindung zu fallen, ist eine der wichtigsten und folgereichsten Aufgaben der äußeren Psychophysik.

Des Näheren nun wird sich durch die folgenden Untersuchungen in verschiedenen Sinnesgebieten herausstellen, daß, wenigstens innerhalb gewisser Grenzen, ein Unterschied zwischen gegebenen Reizen immer gleich merklich für die Empfindung bleibt, wenn er in demselben Verhältnisse als seine Komponenten zu- oder abnimmt, mithin, wenn der relative Reizunterschied und, was damit zusammenhängt, wenn das Verhältnis der Reize sich gleich bleibt, wie sich auch die absolute Größe des Reizunterschiedes und der Reize ändere.

Unter relativem Reizunterschiede wird überhaupt der Unterschied der Reize im Verhältnisse zur Summe, oder zum Mittel, oder zum einen der Reize verstanden, was hier gleichgültig ist, sofern mit der Konstanz des einen Verhältnisses die Konstanz des anderen von selbst gegeben ist. Nicht minder hängt das Gleichbleiben des relativen Reizunterschiedes und des Reizverhältnisses stets solidarisch zusammen, so daß es auch gleichgültig ist, ob man sich auf die Konstanz des einen oder anderen bezieht.

Wenn z. B. die Komponenten 5 und 3 sich beide verdoppeln, bleib zugleich das Verhältnis beider und der relative Unterschied beider ungeändert, sei es, daß man letzteren als oder als oder als fasse, indem er nach der Verdoppelung respektiv wird, welche Brüche mit den vorigen übereinkommen.

Hingegen, wenn sich das Reizverhältnis ändert, ändert sich zwar der relative Reizunterschied stets in gleicher Richtung mit und umgekehrt, aber nicht proportional damit. Denn, wenn z. B. das Verhältnis zwischen den Komponenten 5 und 3 dadurch in übergeht, daß die Komponente 5 sich ohne die Komponente 3 ändert, so geht der relative Reizunterschied in oder aus in über, welches eine Änderung statt im Verhältnisse von 5 : 6 vielmehr von 3 : 4 ist.

So weit nun das Gesetz besteht, daß der Unterschied gleich merklich bleibt, wenn er in demselben Verhältnisse als seine Komponenten zu- oder abnimmt, mithin der relative Reizunterschied und das Reizverhältnis sich gleich bleiben, wird man zu sagen haben, daß die Unterschiedsempfindlichkeit mit der Größe der Reize im umgekehrten Verhältnisse stehe, sofern bei doppelter Reizgröße ein doppelt so großer Unterschied nötig ist, denselben Empfindungsunterschied zu erzeugen.

Es kann jedoch hiernach zweckmäßig erscheinen, die Empfindlichkeit für Unterschiede gleich als verhältnismäßige zu fassen, d. h. sie gleich zu setzen, nicht sofern derselbe absolute, sondern sofern derselbe relative Reizunterschied oder sofern dasselbe Reizverhältnis denselben Empfindungsunterschied hervorruft und sie reziprok zu setzen dem einen oder dem anderen. Ob das Eine oder Andere, ist wieder nur eine Sache der Definition und hat auf die Resultate der Anwendungen des Empfindlichkeitsmaßes keinen Einfluß, wenn man nur oben das Maß der Definition gemäß verwendet. Es wird sich aber später im gesamten Zusammenhange aus formellen Gründen als zweckmäßiger zeigen, die Empfindlichkeit für Unterschiede, sofern sie als verhältnismäßige gefaßt werden soll, bei ihren Abänderungen vielmehr durch den reziproken Wert des Reizverhältnisses, als den des relativen Reizunterschiedes, bei welchem ein gleicher Empfindungsunterschied entsteht, als gemessen anzusehen; wogegen das Gleichbleiben der verhältnismäßigen Empfindlichkeit immer eben sowohl auf die Konstanz des relativen Reizunterschiedes als Reizverhältnisses bezogen werden kann.

Das Vorige zusammengefaßt haben wir eine doppelte Unterscheidung bezüglich der Empfindlichkeit zu machen. Wir haben zu unterscheiden: 1) die Empfindlichkeit für absolute Reizwerte und für Reizunterschiede, kurz absolute Empfindlichkeit und Unterschiedsempfindlichkeit, von denen die erste durch den reziproken Wert der absoluten Reizgrößen gemessen wird, welche eine Empfindung derselben Größe hervorrufen, die zweite aber, je nachdem man sie versteht, auf eine der folgenden beiden Weisen gemessen wird. Wir haben 2) die Unterschiedsempfindlichkeit zu unterscheiden in eine absolute und in eine verhältnismäßige oder relative Unterschiedsempfindlichkeit, je nachdem der reziproke Wert des absoluten Unterschiedes oder der des Verhältnisses der Reizgrößen als Maßstab dient. Die erste werden wir gewöhnlich die einfache Unterschiedsempfindlichkeit, die letzte die relative nennen.

Diese Unterscheidungen können jetzt noch minutiös und als müßige Einteilungen erscheinen. Es wird sich aber später zeigen, daß sie dieses keineswegs sind; vielmehr hängt an dieser Unterscheidung die Klarheit in der Auffassung der wichtigsten faktischen Verhältnisse, und hängt am bisherigen Mangel einer klaren Unterscheidung derselben zum Teile die Unklarheit, welche seither noch in der Lehre von der Reizbarkeit geherrscht hat.

Im Allgemeinen sagt nämlich der Name Empfindlichkeit nichts Anderes, als was man sonst auch mit dem Namen Reizbarkeit, Erregbarkeit, Sensibilität bezeichnet; nur daß diese Namen allgemeiner, nicht bloß bezüglich der Hervorrufung von Empfindungen, sondern auch Bewegungen durch äußere oder innere Reize gebraucht werden. Insofern aber schließlich auch alle Empfindungen an inneren Bewegungen hängen, könnte man auch den Begriff der Empfindlichkeit statt auf die Empfindung auf die ihr unterliegende psychophysische Bewegung beziehen, und also z. B. von der absoluten Empfindlichkeit sagen, sie sei gleich groß, doppelt oder dreimal so groß, je nachdem ein gleich, halb oder doppelt großer äußerer oder innerer Reiz dazu gehört, die gleiche psychophysische Bewegung hervorzurufen; nur daß diese Begriffsstellung nicht praktisch ist, weil die psychophysische Bewegung der Beobachtung nicht zugänglich ist.

Jene Namen Reizbarkeit, Erregbarkeit werden sonst teils gleichbedeutend gebraucht, teils willkürlich unterschieden, ohne daß solche Unterscheidungen je auf klargestellten faktischen Verhältnissen gefußt hätten. Es wird aber nach Klarstellung des Begriffes der verschiedenen Empfindlichkeiten bequem sein, einen unterscheidenden Gebrauch einzuführen, und ich werde demgemäß künftig Reizbarkeit ausschließlich für die absolute, Erregbarkeit für die Unterschiedsempfindlichkeit, erstere bezüglich auf Empfindungen, letztere auf empfundene Unterschiede, verwenden.

Bei den bisherigen Bestimmungen hatten wir vorzugsweise die intensiven Empfindungen im Auge, bei welchen streng genommen der Begriff des Reizes allein Anwendung findet; jedoch ist das Maß der Empfindlichkeit von dem Gebiete der intensiven Empfindungen auf das der extensiven nach folgenden Tatsachen übertragbar.

Bekanntlich bedarf es nach E. H. Weber's Versuchen einer gewissen Spannweite eines mit seinen Spitzen auf die Haut gesetzten Zirkels, damit die Distanz eben merklich erscheine; und es hindert nichts, nach einer Modifikation seines Verfahrens, wovon ich künftig spreche, auch gleich groß erscheinende Distanzen auf verschiedenen Hautstellen zu bestimmen, wobei sich dann zeigt, daß die wirkliche Größe der Distanzen, die eben merklich, oder allgemeiner gleich groß erscheinen, sehr verschieden auf verschiedenen Hautstellen ist. Nicht minder läßt sich durch später anzugebende Methoden nachweisen, daß die Unterschiede der Distanzen, welche auf verschiedenen Hautstellen noch erkannt werden, verschieden groß sind. Analoge Unterschiede in der Auffassung räumlicher Größen und Größenunterschiede als zwischen verschiedenen Hautstellen lassen sich zwischen verschiedenen Teilen der Netzhaut, namentlich an mehr zentralen und peripherischen finden. Also kann man von einer verschiedenen Empfindlichkeit in der Auffassung extensiver Größen so gut, als in der Auffassung intensiver Größen sprechen, und beide kurz als extensive und intensive Empfindlichkeit einander gegenüberstellen.

Das absolute Maß und Unterschiedsmaß der extensiven Empfindlichkeit der verschiedenen Haut- oder Netzhautstellen wird dann ebenso in dem reziproken Werte der gleich groß darauf erscheinenden Ausdehnungen, Ausdehnungsunterschiede, Verhältnisse der Ausdehnungen zu suchen sein, als das Maß der intensiven Empfindlichkeit in den gleich groß erscheinenden intensiven Größen oder Größenunterschieden, oder Größenverhältnissen der Reize, mithin z. B. eine Hautstelle absolut genommen eine doppelt so große extensive Empfindlichkeit als die andere haben, wenn eine halb so große Zirkeldistanz auf derselben eben so groß erscheint.

Ungeachtet die extensive Empfindlichkeit gegebener Teile unstreitig in irgendwelchem Abhängigkeitsverhältnisse von der Zahl der sogenannten Empfindungskreise steht, die in einer gegebenen Strecke derselben enthalten sind, so würde es doch eben so untriftig sein, das Maß der extensiven Empfindlichkeit auf diese uns unbekannte Zahl der Empfindungskreise beziehen zu wollen, als das Maß der intensiven auf die uns unbekannte Größe der psychophysischen Bewegung. Unstreitig sind am Rücken in einer gegebenen Strecke viel weniger Empfindungskreise enthalten, als an der Fingerspitze, und das begründet eben die geringere extensive Empfindlichkeit des Rückens als des Fingers; aber der Begriff der extensiven Empfindlichkeit bezieht sich nun auch darauf, daß vermöge der organischen Einrichtung und Stimmung ein Organ in dieser Hinsicht anders beschaffen ist, als das andere. Wollte man wegen der verschiedenen Zahl der Empfindungskreise eine Reduktion im Empfindlichkeitsmaße vornehmen, so würde abgesehen davon, daß man nicht die Daten dazu hätte, und also das ganze Maß im bloßen Begriffe schweben bliebe, der Begriff einer verschiedenen Empfindlichkeit wahrscheinlich wegfallen, indem unstreitig ein allgemeingültiges, nur uns bis jetzt nicht bekanntes, Abhängigkeitsverhältnis in dieser Hinsicht besteht, was überall auf denselben Wert führen möchte. Nun haben messende Daten über die extensive Empfindlichkeit wie über die intensive nach dem hier für dieses Maß aufgestellten Prinzipe freilich nur den Wert von Beobachtungsdaten, die für sich noch keine Einsicht in die grundgesetzlichen Verhältnisse der Empfindung zur physischen Unterlage begründen, aber doch mit anderen zusammen zur Begründung einer solchen beitragen können, wenn man sie wirklich als reine Beobachtungsdaten faßt und verwendet.

Von vorn herein kann man das Bedenken hegen, daß bei der großen Veränderlichkeit der Empfindlichkeit nach Verschiedenheit der Individuen, der Zeit und unzähliger innerer und äußerer Umstände es ganz fruchtlos sei, sich um ein Maß derselben zu bemühen, einmal, weil ein stets Veränderliches keiner scharfen Messung zugänglich sei, zweitens, weil die Resultate keine Konstanz und hiermit keinen Wert haben, sofern die an gewissen Individuen, zu gewisser Zeit, unter gewissen Umständen beobachteten Resultate sich doch anderwärts und anderemale nicht wiederfinden würden.

In der Tat ist nicht in Abrede zu stellen, daß in dieser Hinsicht für das Maß auf unserem psychophysischen Gebiete Schwierigkeiten bestehen, welche für das Maß auf rein physischem oder astronomischem Gebiete nicht bestehen. Aber anstatt daß das Maß oder die Möglichkeit, fruchtbare Resultate dadurch zu erzielen, hierdurch aufgehoben würde, wird der Kreis der Untersuchung nur dadurch erweitert, und werden Rücksichten eingeführt, die für jene anderen Gebiete nicht bestehen.

Insofern die Empfindlichkeit ein Veränderliches ist, haben wir auch kein Maß derselben als einer festen zu suchen; aber wir können 1) Grenzwerte, 2) Mittelwerte derselben aufsuchen; 3) die Abhängigkeit ihrer Veränderungen von den Umständen untersuchen; 4) Gesetze aufsuchen, die sich durch die Veränderlichkeit derselben erhalten. Letztere sind das Wichtigste. Zur Aufsuchung und Untersuchung von alle dem aber bieten die zu erörternden Maßmethoden der Empfindlichkeit nicht nur hinreichende Mittel, sondern auch hinreichende Schärfe dar.

Eine erschöpfende Untersuchung in dieser Hinsicht läuft aber notwendig viel weiter aus, als die eines festen unveränderlichen Objektes, ist durch die Kräfte eines Einzigen nicht zu bewältigen, und für kein einziges Sinnesgebiet bis jetzt schon erforderlich durchgeführt. Vielmehr bietet sich in dieser Hinsicht noch ein reiches Feld künftiger Untersuchung namentlich für jüngere Kräfte mittelst der folgends zu erörternden Methoden dar, einer Untersuchung, die an sich nicht schwierig ist, aber Geduld, Aufmerksamkeit, Ausdauer und Treue erfordert.


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