In Wenningstedt bei Karten und Korn
erschlug einst ein Bauer in jähem Zorn
seinen Gast. Thies Thießen war stark,
und der Hansen ein Stänker um jeden Quark.
Nun lag er bleich und im Blut auf dem Stroh.
Aber wo war Thies Thießen? Wo?
Sie suchten ihn und fanden ihn nicht,
und der Galgen machte ein langes Gesicht.
Ose, des Mörders Weib, kam in Not.
Vier Kinder wollten von ihr Brot.
Ihr Kram ging zurück. Stück für Stück
ward verkauft, und sie suchte bei Fremden ihr Glück.
Doch stand sie in Ehren bei jedermann
und tat ihnen leid. Die Zeit verrann,
und Thies Thießen war und blieb
weg, als wäre die Welt ein Sieb.
So wurden es Jahre. Auf einmal fing's
zu tuscheln an, bis nach Rantum ging's:
Habt ihr gesehn? Schon lange. Nanu!
Meint ihr? Und sie nickten sich zu.
Sie war doch sonst ein ehrlich Weib,
nun schreit ihre Schande das Kind im Leib.
Mit wem sie's wohl hält? Das Mannsvolk ist toll!
– Das war ein Geschwätz, alle Stuben voll.
Die fromme Ose ertrug es in Scham,
kein Wort über ihre Lippen kam.
Nur einem fraß es am Herzen und fraß,
bis ihm der Schmerz in den Fäusten saß.
Und eh sich's die Lästermäuler versahn,
stand er auf: Ich hab's getan!
Und standen alle und glotzten sehr:
Thies Thießen? Gott sei bei uns! Woher?
Nicht verrat ich das Dünenloch,
und ihr findet es nimmer. Sie aber fand's doch.
Und geht's um den Hals, das Kind ist mein.
Und verdammt, wer's nicht glaubt. Ich bläu's ihm ein.
Und er sah elend aus und schwach,
und er hielt sie wie ein Gespenst in Schach,
bis ihnen allen allmählich klar,
daß der da wirklich Thies Thießen war. –
Der Hansen war tot, von keinem vermißt,
ein Säufer war er und schlechter Christ.
Aber der Thießen, ein Kerl ist er doch!
Und die Ose, gibt's eine Bravere noch?
Alle die Jahre in Elend und Not
teilte sie ihr Hungerbrot
treulich ihm mit. Und jetzt weinte sie da
an seinem Hals. Es ging allen nah.
Sie kauten und spuckten und sahen sich an
und schoben sich sacht an Thießen heran
und brummten und schüttelten ihm die Hand.
Das war ihr Gericht. Und so blieb er im Land. |