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Aus Mauritius
Vor langer, langer Zeit gab es auf Mauritius einen König, der ein großes Badedecken hatte. Dort nahm er jeden Morgen sein Bad, wie sein Arzt es ihm verordnet hatte. Eines Tages, als er bei dem Becken ankam, war das Wasser schmutzig und das Baden unmöglich. Der König ruft den Wärter und schilt ihn aus. Am andern Morgen ist das Wasser schmutzig. Am dritten Tage ist das Wasser schmutzig. Der König packt den Wärter, schüttelt ihn tüchtig und sagt:
»Heda, Sohn eines Hundes! Du willst wohl, daß ich in dem Wasser da die Krätze kriege? Wenn das Becken morgen nicht sauber ist, so kannst du etwas erleben!«
Der Wärter hat Angst. Als es Abend wird, nimmt er seine Flinte und verbirgt sich in den Büschen am Ufer. Die Nacht war schwarz, kein Mond war zu sehen. Um Mitternacht hörte er, daß man kommt:
Tat, tat, tat, es war ein Hase. Ehe der Wächter noch Zeit hat, die Flinte zu heben, kommt der Hase gerade auf ihn zu und sagt:
»Guten Tag, guten Tag, Wärter! Wie glücklich bin ich, dich zu sehen! Schon lange wäre ich dir gerne begegnet, denn ich habe dir was Herrliches zu geben. Koste einmal diesen Honig, den meine Eltern mir von den »Drei Inseln« geschickt haben. Dann sollst du mir sagen, ob du jemals so guten Honig gekostet hast.«
Der Wärter nimmt die Kalebasse und tut einen tüchtigen Schluck.
»Ja gewiß, ausgezeichnet!«
Der Wärter klebt an der Kalebasse und leert sie. Aber ich bin gewiß, daß der Hase dem Honig irgendein besonderes Kraut beigemengt hat. Der Wärter hat nur gerade Feit, sich am Rande des Beckens hinzustrecken, als der Schlaf ihn übermannt; er schnarcht. Der Hase zieht sich lachend aus und steckt den Kopf ins Wasser.
Dieser Hase war voller Boshaftigkeit. Als er genug hat, steigt er aus dem Becken heraus, bricht sich einen langen Stecken ab, rührt den Schlamm auf, macht aus dem ganzen Becken die reinste Schokoladentasse und trollt sich.
Bei Tagesgrauen kommt der König. Er wirft nur einen Blick auf sein Becken. Welch eine Wut! Der Wärter schlief noch immer am Rande des Wassers. Der König nimmt denselben Stecken, dessen sich der Hase bedient hatte, um das Wasser zu trüben, und fällt über den Wärter her. Unter diesem Hagel von Schlägen erwacht der Wärter schnell. Und kaum ist er auf, so nimmt er die Beine unter den Arm und reißt aus in den Wald, aus dem er nie mehr zurückkehrte.
Der König ließ austrompeten: Ein Wärter für ein Badebecken wird gesucht. Acht Piaster im Monat, einen halben Ballen Reis und Proviant aus den Magazinvorräten. Wenn aber der Wärter gestattet, daß irgendwer das Wasser im Becken trübt, so wird man ihm den Kopf abhauen.
Die Tiere, die diese Drohung hören, haben sämtlich Angst. Niemand fragt nach der Stellung: Der Hahn hat Angst, der Hund hat Angst, die Gans hat Angst.
Drei Tage gehen hin. Der Hase badet sich und trübt das Wasser. Der König weiß nicht, was beginnen. Er hat ein Jucken am ganzen Körper. Schon sieben Tage hat er sein Bad nicht nehmen können.
Am vierten Tage kommt der Offizier des Königs und meldet ihm, daß jemand da ist, um die Stelle des Badewärters zu übernehmen.
»Laß ihn eintreten!«
Es ist eine ganz gemeine, unbedeutende Schildkröte. Der König sieht sie an und hat große Luft, in Zorn zu geraten.
»Meinst du, du könntest die Leute verhindern, mir mein Wasser zu trüben?«
»Ja, mein König, ich.«
»Du kennst die Bedingungen. Wenn das Wasser trüb ist, so schneide ich dir den Hals ab.«
»Ja, mein König, ich kenne die Bedingungen, und da Schildkrötenfleisch ganz wohlschmeckend ist, so kannst du aus mir eine Kurry-Pastete machen. Aber ich glaube nicht, daß du diesmal Aussicht hast, mir Geschmack abzugewinnen. Besser wäre es, du sagtest deinem Koch, daß er eine Henne rupft.«
»Gut, Gevatterin, morgen früh werden wir ja sehen. Tritt heute abend deine Stelle an!«
Die Schildkröte geht. Sie begibt sich zu einer Freundin und läßt sich von ihr die ganze Schale mit Teer überstreichen. Bei Sonnenuntergang kommt sie am Badebecken an. Sie duckt sich auf den Weg, wo der Hase vorüberkommen muß, und wartet.
Tak, tak, tak, der Hase kommt. Der Hase sieht den schwärzlichen Gegenstand in der Mitte des Weges, macht halt und guckt. Die Schildkröte hat den Kopf unter ihre Schale zurückgezogen, nichts rührt sich, sein Herz schlägt wieder ruhiger. Er hat keine Angst mehr und sagt:
»Das ist ein Stein! Jetzt bin ich ganz sicher, natürlich ein Stein. Welch ein guter Mann der König doch ist! Sicherlich hat er seinem Diener aufgetragen, diese kleine Bank am Rande des Beckens herzustellen, damit ich etwas habe, auf das ich mich setzen kann, wenn ich mir die Hosen ausziehe, um mich in seinem Wasser zu baden.«
Der Hase lacht und setzt sich auf den Stein. Auf einmal rührt sich der. Der Hase merkt es:
»Ah,« sagt er, »wie schlecht die Dienstboten doch in Mauritius ihre Arbeit tun! Sie haben vergessen, meinen Sessel festzurammen.«
Und er will aufstehen, um unter seine kleine Bank einen Keil zu schieben. Unmöglich! Er ist am Teer festgeleimt. Die Schildkröte steckt den Kopf aus der Schale:
»Wie denkst du darüber, Gevatter? Was mich angeht, so meine ich, diesmal hast du dich wohl gefangen.«
Der Hase ist reingefallen. Aber man muß doch versuchen, sein Leben zu retten.
»He, du, Gevatterin! He, du!« sagt er, »du möchtest gerne einmal lachen, nicht wahr? Ich verstehe den Spaß, wie du siehst, und ich rede sanftmütig. Gib mich frei, sag' ich, gib mich frei, setze mich nicht in Wut!«
Die Schildkröte hatte sich in Marsch gesetzt, um ihn vor den König zu tragen. Sie begnügt sich ihm zu sagen:
»Wie du willst; sprich, wenn das dich erleichtert!«
»Eins! Zwei! Wirst du mich nicht loslassen?«
Bamm! Der Hase versetzt ihr einen Schlag mit einem seiner Hinterläufe. Der Lauf klebt fest. Bamm! Der andere Lauf klebt auch. Die Schildkröte kehrt sich nicht daran, sie marschiert und verfolgt ihren Weg. Der Hase sagt zu ihr:
»He, du! Ich habe mehr Kraft in meinen Vorderläufen. Also höre zu, gib mich gutwillig frei!«
Die Schildkröte marschiert und antwortet nichts. Bumm! Ein Schlag mit dem linken Vorderlauf. Bumm! Ein Schlag mit dem rechten Vorderlauf. Festgeleimt, festgeleimt, alle beide! Der Hase klebt mit seinen vier Pfoten zusammen wie ein Schwein, das der Chinese zum Basar trägt. Aber noch immer müht sich der Unglückliche, sich aus der Falle zu ziehen. Er sagt in drohendem Ton:
»Hör zu, ich rede zum letzten Male, alle meine Kraft ist in meinem Kopf. Mein Kopf ist wie ein Eisenhammer. Wenn ich dir einen Schlag damit gebe, so zerquetsche ich dich wie eine reife Melone. Laß mich also, sag' ich dir, laß mich los!«
Die Schildkröte marschiert und antwortet nicht.
Der Hase hebt den Kopf, so hoch er kann, nimmt alle Kraft zusammen und schlägt zu. Bumm! Der Kopf ist festgeleimt.
Da sind sie auch beim König. Die Schildkröte lacht, der Hase weint.
Als der König den Hasen so auf der Schildkröte festgeleimt sieht, muß er trotz seines Zornes lachen. Die Schildkröte sagt:
»Da ist er, mein König. Ihr werdet zu Eurem Mittagessen also nicht Schildkrötenpastete, sondern Hasenfleisch haben. In Wein gelocht schmeckt es nicht übel.«
Der König zieht seinen Säbel, läßt den Kopf des Hasen springen und schickt die Beute in die Küche. Dann ruft er seinen Diener:
»He, du, ich gehe ins Bad! Komme, mich im Wasser abzureiben, ich fühle, mein Körper ist sehr schmutzig, ja wirklich sehr!«