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Schilcha-Berber
Der Wolf machte sich einst mit dem Igel auf – beide waren nämlich Freunde und trieben zusammen Ackerbau – und baute mit ihm Zwiebeln. Als die Zwiebeln reif waren, da fragte der Igel den Wolf: »Was willst du nun? Das Gute und Rechte, das oben ist, oder das Schlechte und Unrechte, das unten ist?« Der Igel wollte ihn nämlich betrügen und ihm die Blätter aufhängen, um selbst die Zwiebeln – die ja unten sind – zu erhalten. Der Wolf versetzte also auf jene Frage: »Ich will das Gute und Rechte; denn was soll ich mit dem Schlechten und Unrechten anfangen?« Jetzt sprach der Igel: »Ich werde dir gegenüber aber nicht zurücktreten!« Der Wolf versetzte: »Ich habe dir nicht gesagt, daß du das tun sollst!« »Nun, dann mähe deine Blätter!« sprach der Igel. Der Wolf schnitt nun die Blätter ab, der Igel aber grub die ihm zukommenden Zwiebeln aus und legte sie nebeneinander in die Sonne. Auch der Wolf legte die Blätter, die er erhalten hatte, nebeneinander hin. Der Igel verließ dann den Wolf.
Als nun die Blätter, die der Wolf erhalten hatte, trocken geworden waren, da äußerte der Igel ihm gegenüber: »Ich will meine schöne Ernte nun worfeln.« »Wie willst du das machen?« fragte der Wolf. Der Igel erwiderte: »Heb deine Augen nur auf! Dann wirst du 's schon entdecken!« Der Wolf behielt ihn beständig in den Augen; der Igel wartete nun, bis es einmal sehr windig war: da worfelte er die Zwiebeln. Sogleich machte sich auch der Wolf ans Werk und worfelte jene trockenen Blätter; doch der Wind führte sie ihm allesamt fort. Dann verließ der Igel den Wolf und lachte ihn aus; er nahm seine Zwiebeln, brachte sie nach Hause, schaffte sie an einen guten Platz und aß von ihnen. Der Wolf sprach zu ihm: »Man weiß, was du getan hast!« Der Igel versetzte: »Damit du ja das Rechte bekämst, hatte ich das alles angestellt!«
Einst sprach der Wolf zu ihm: »Auf! Wir wollen den Acker wieder in Gemeinschaft bebauen!« »Gott wende alles zum Besten!« versetzte der Igel. Nun pflügten sie und säeten Körner in den Acker. Und als der Weizen reif war, da sprach der Igel zum Wolfe: »Du, sag ja nicht, ich hätte dich betrogen! Wähle selber, was du haben willst! Willst du das Schlechte und Unrechte, was unten ist, oder das Gute und Rechte, das oben ist?« Denn der Igel wußte wohl, daß der Wolf aufpassen würde; er hatte bekanntlich das Untere, der Wolf hatte das Obere erhalten. Der Wolf sprach deshalb: »Einmal trifft's den Mann, aber dann weiß er darum! Ich will also das Schlechte und Unrechte, das unten ist, du kannst das Obere nehmen!« Der Igel versetzte: »Nein, nein! Du mußt das Obere nehmen!« »Zu spät für dich!« erwiderte der Wolf, »du wirst mich diesmal nicht wieder hereinfallen lassen! Ich kenne deine Absicht!« Der Igel tat nun, als ob er weinte und wehklagte. Der Wolf rief ihm zu: »Auf! Zieh du aus. Ich will auch ausziehen!« Da machte sich der Igel ans Werk und zog die Weizenähren oben vom Halme und ließ den Halm für den Wolf stehen; der erntete Halme. Dann verließ ihn der Igel. Doch als der Weizen ausgetrocknet war, da breitete er ihn hin und drosch. Jetzt fielen die Körner aus der Ähre. Auch der Wolf begann zu dreschen, doch er erhielt nur Stroh! Der Igel verzehrte nun seinen Weizen, der Wolf aber weinte und wunderte sich über die Taten des Igels.
Einst begann der Wolf: »Laß uns nach einem Garten gehen! Denn sein Besitzer ist fortgegangen und der Garten ist voller Feigen und Trauben.« »Wohlan denn!« entgegnete der Igel. Nun brachen beide zusammen auf und betraten den Garten. Wenn nun der Igel eine Weinbeere fraß, so ging er allemal hin und probierte dort, wo er hereingekrochen war, ob er wieder hinauskönnen würde; denn das Loch, durch das er in den Garten gekommen war, war, wie er sah, eng, und er fürchtete, daß ihn, wenn er zuviel fräße, das Loch nicht mehr durchlassen und daß ihn, wenn er keinen Ausgang fände, der Besitzer des Gartens festnehmen möchte. Der Wolf aber fraß Feigen, bis er sie satt hatte; dann ging er noch zu den Weintrauben und fraß von ihnen, bis sein Bauch wie der eines Ochsen war. Als nun der Igel aus dem Garten hinauskroch, sprach er zum Wolf: »Du Judenkind, da kommt der Herr des Gartens!« Nun lief der Wolf nach der Stelle, wo er hereingekommen war, konnte aber nicht wieder hinauskriechen. Da rief er nach dem Igel und sagte zu ihm: »Wenn du weißt, was rechte Freundschaft und Brüderschaft ist, so mußt du mir jetzt raten, was ich tun soll!« Der Igel versetzte: »Ich kann dir nichts anderes anraten, als dich tot zu stellen und dich in dem Wassergraben hier lang auszustrecken; ferner mußt du dein Maul aufsperren, kurz tun, als ob du tot seist! Wenn dich dann der Herr des Gartens findet, so wird er dich beim Schwanze fassen und dich auf die Seite hier werfen. Dann kannst du ruhig ausreißen!«
Der Wolf tat so wie ihm der Igel gesagt hatte, und als der Herr des Gartens kam und den Wolf fand, da rief er aus: »Guter Gott! Guter Gott! Der Herr möge über dich richten, du Plagegeist!« Hiermit nahm er ihn beim Schwanze und warf ihn auf die Außenseite des Gartens. Der Wolf machte sich davon, der Herr des Gartens aber rief ihm nach: »Hah! Ich kenne dich schon unter den Wölfen! Guck dein Schwänzchen an, was mit dem geschehen ist!« Als der Wolf sich nun den Schwanz besah, fand er, daß ihm ein Stück Fell fehlte. Gleich rief er mit Geschrei den Igel herbei und sprach zu ihm: »Ich bin herausgekommen, ich habe so getan wie du mir gesagt hattest, aber der Mann hatte mich beim Schwanze gepackt und hat mir da ein Stück von ihm abgebrochen. Ich habe zu ihm gesagt: »Haha! Ich habe dich angeführt!« Er aber hat zu mir gesagt: »Haha! Ich kenne dich unter den Wölfen! Dein Schwanz ist zerbrochen! Ich werde zum Richter der Wölfe gehen und dich verklagen; und wo du auch sein mögest, er wird dich schon von dort herbeischaffen, und du mußt bezahlen, was du mir im Garten weggefressen hast! Du und die übrigen!«
Da sprach der Igel zum Wolfe: »Schön! Sei still! Sage es niemandem! Geh hin, rufe die Wölfe zusammen und sage ihnen: Bei mir soll gedroschen werden, schickt mir Tagelöhner dazu!« An demselben Tage rief denn auch unser Wolf die Wölfe alle zusammen und bat sie, für ihn gegen Tagelohn zu dreschen. Der Igel nahm sie dann insgesamt her und band allen die Schwänze mit einem Seil zusammen, damit sie so der Wolf auf die Tenne triebe. Der Igel ging aber unterdessen zum Windhund und sprach zu ihm: »Komm und sei lustig! Die Wölfe dreschen jetzt!« Der Igel kam nun wieder, lief zuerst zu seinem Freunde, zum Wolf, und sprach zu dem: »Spute dich und reiß aus! Ja, die Windhunde sind da!« Dadurch wollte der Igel nämlich die Wölfe ängstigen, damit der eine den andern am Schwanze zerren möge, so daß die Schwänze aller ein Stück verlieren möchten, wie der seines Freundes; denn dann konnte der Herr des Gartens diesen aus den Wölfen nicht herausfinden. Der Wolf also rannte zu den übrigen und sprach zu ihnen: »Ihr Judenkinder! Windhunde über euch!« Kaum hörten die Wölfe von Windhunden reden, als ein jeder von ihnen nach einer anderen Richtung zerrte und sie sich so gegenseitig die Schwänze abrissen. Einer verletzte den andern und riß ihm den Schwanz ab.
Der Besitzer des Gartens hatte sich unterdessen zum Richter der Wölfe begeben und hatte seine Klage vorgebracht. Der Richter fragte ihn: »Kennst du den Gesellen oder nicht?« »Ich kenne ihn,« versetzte der Mann, »sein Schwanz ist abgebrochen. Ich fand den Wolf nämlich in meinem Garten, da tat der Judenjunge, als ob er tot wäre. Ameisen und Fliegen krochen in ihn hinein. Ich nahm ihn beim Schwanze; da ließ er den Schwanz in meiner Hand.« Der Richter der Wölfe ließ nun ausrufen, daß sie allesamt herbeikommen möchten, jeder Wolf und jede Wölfin. Als sie sich eingefunden hatten, da machte der Richter die Entdeckung, daß bei der Hälfte von ihnen der Schwanz abgerissen war. »Ist hier dein Freund?« fragte der Richter der Wölfe, aber der Besitzer des Gartens konnte ihn aus der Schar der übrigen Wölfe nicht herausfinden. Da sprach der Richter: »Ich kann keinen von ihnen in Strafe nehmen.« Der Besitzer des Gartens aber sagte: »Nun, ich will schon aufpassen, bis ich einen von ihnen erwische, der Schadenersatz leistet!« Da sprach der Richter: »Ihr Tiere! Also, wen der Mensch hier bei einem weiteren Diebstahle ertappt, der soll ihm alles das bezahlen, was ihm entwendet worden ist!« Die Wölfe versetzten: »Wen er ertappt, der soll zahlen!«
Der Besitzer des Gartens ging nun wieder fort. Dann rührte er Mehl und Pfeffer in Wasser ein und besprengte mit dieser Masse die Weintrauben und die Feigen, damit der, der von den Früchten äße, immer keuchen müsse. Der Wolf ging nun wieder hin und fraß von den Früchten, bis er satt war. Als er hörte, daß der Besitzer des Gartens kam, machte er sich aus dem Staube; dem Besitzer aber rief er noch zu: »Hah! Ich habe dich angeführt, du Lump!« Er schimpfte also auf den Besitzer des Gartens. Der aber rief ihm zu: »Niemand anders ist ein Lump als du, der den Pfeffer gegessen hat. Nun ist's eine Unmöglichkeit, daß dich der Pfeffer in Ruhe ließe und nicht bewirkte, daß du immer keuchend achachachacha ... sagen müßtest, wenn du zu den Leuten kommst! Ich aber werde nun gleich zu dem Richter gehen, damit er alle Wölfe herbeirufe: und derjenige, in dessen Munde er Pfeffer entdeckt, soll mir bezahlen!«
Der Wolf ging nun zu seinem Freunde, dem Igel, und sprach zu ihm: »Was denkst du über meine Angelegenheit? Ich habe gepfefferte Trauben gegessen, und es ist mir nun unmöglich, ruhig zu sein und nicht zu keuchen! Der Besitzer des Gartens aber ist nun hingegangen, um mich beim Richter zu verklagen!« Da versetzte der Igel: »Wenn die Reihe an dich kommt, so tritt vor den Richter hin und sage zu ihm: »Mein Herr, wir haben daheim ein Mädchen, das heißt Tattach Jfachachachachacha ...« und bewirke durch die Nennung dieses endlosen Namens, daß sich der Richter und der Herr des Gartens ärgert, und du, ohne weiter angehalten zu werden, bei ihnen vorbeikommst.«
Der Richter sandte nun zu den Wölfen und ließ ihnen sagen, daß sie alle zusammenkommen sollten. Das taten die und fanden sich beim Richter ein. Zu ihm sprachen sie: »Befiehl, Herr! Wir hören und gehorchen!« »Wer hat jetzt wieder dem Besitzer des Gartens einen Schaden zugefügt?« fragte nun der Richter. Die Wölfe versetzten: »Gott helfe uns! Wo wir auch sein mögen, der Mann will uns doch immer nur lästig sein! Wir werden ihm das nicht verzeihen, was er an uns verschuldet hat!« Der Richter versetzte: »Sagt das nicht, ihr böse Saat, bevor ihr wißt, ob sein werter Freund sich nicht unter euch befindet! Denn der Betreffende hat Pfeffer gegessen, und es wird ihm unmöglich sein, nicht zu keuchen!« Nun befahl der Richter: »Seht an diesem Manne hier vorüber, einer nach dem anderen!« Das taten sie. Als nun die Reihe an den Traubendieb kam, da mußte der über den Herrn des Gartens und über den Richter lachen. Und als er vor sie trat, begann er, zum Richter gewandt: »Herr, ich habe eine Schwester, die ist sehr schön, sie heißt Tattach Jfachachachacha ...« Da kam er, ohne weiter angehalten zu werden, beim Richter und beim Herrn des Gartens durch. – Lebt wohl!