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Der Pfarrer von Schwabach hatte es eingeführt, daß er jeden Sonntag mit dem Kirchenpfleger das Opfer zählte, weil er bemerkt hatte, daß dieser ein ungläubiges Gesicht machte zu dem immerwährenden Tiefstand der Opfersumme von rund um fünf Mark.
So erschien fortab der Kirchenpfleger Kutruff jeden Sonntag im Pfarramt und zählte mit dem Pfarrer gemeinsam das Sonntagsopfer.
Kutruff war schon stark Asthmatiker und schnaufte immer sehr, bis er die vielen Pfennige zusammengezählt und den Betrag von rund um fünf Mark, nun selbst, mit seinen Zitterfingern unterschrieben hatte.
Der Pfarrer rügte gern die geringe Opferwilligkeit der Kirchengänger, daß eben gar nie ein »wirkliches Opfer,« etwa ein Goldstückchen zwischen dem Kupfer liege, ein Goldstückchen, das man dann der Gemeinde verkündigen konnte. Kutruff stimmte in die Rüge ein mit einem ächzenden »Hja« und einem pfiffigen Lachen unter der Brille hervor »der Herr Pfarrer opfert halt auch nicht selber«.
Das Einvernehmen zwischen Pfarrer und Kirchenpfleger war ein gleichmäßiges, ohne gegenseitigen Enthusiasmus. Das Einvernehmen war gut, bis wieder einmal des Pfarrers Sohn in die Ferien heimkam. Dieser brachte allerhand ungöttliche Hantierungen mit aufs Land. Auch einen Revolver. Mit diesem knallte er in der Nachbarschaft herum nach Spatzen und Raben, Lattenzäunen und sonstigen Zielscheiben.
Im Übermut traf er in der Spätdämmerung eines Hochsommertags noch eine schwarze Katze. Er verschwieg die Schützentat, da es seinem Gewissen nicht ganz wohl dabei war.
Aber die Sonne des nächsten Morgens brachte die Missetat schon an den Tag. Auf dem grünen Tisch des Pfarramts lag ein zitterig gekritzelter Brief vom Nachbar und Kirchenpfleger Kutruff. Kutruff erkannte eine böswillige Schadenzufügung vom Pfarrerle, wie man den Sohn nannte, und übertrug sie auf den Vater, den Pfarrer selber. Seine tote Katze gab ihm Gelegenheit, den Nachbar Pfarrer einmal hineinzuverschlingen. Er überlegte lange, wie. Er schrieb einen Brief, obgleich er hätte über die Gartenmauer reden können.
Der Brief lag auf des Pfarrers Grüntisch. In ihm schlug Kutruff einen seinem Pfarrherrn ganz ungewohnten, auf Gericht gestimmten Ton an mit dem Ausklang: »Ich verlange zehn Mark für meine schwarze Katze.« Hinter seiner Namensunterschrift stand noch: »Nächste Sonntag kann nicht zum Opferzählen kommen, weil ich sehr krank liege.«
Dem Pfarrherrn schnitt er ganz klug damit die mündliche Ansprache ab, bei der es der Pfarrer, wie Kutruff meinte, immer verstand, den Vorteil auf seine Seite zu bringen. Sein Brief traf besser. Dem Pfarrer tat der gehässige Brief des Kirchenpflegers ordentlich in der Seele weh. Immer sonst hatte er sich mit seiner anvertrauten Herde gut ausgesprochen, wenn auch einmal das Unrecht von ihm kam.
Der Brief lag nun einmal da, man mußte sich mit ihm abfinden. Zehn Mark für eine Katze, die obendrein die Singvögel aus dem Garten fängt, ein bißchen viel. Den Frieden liebend, ein Prediger nicht bloß mit dem Mund, schickte der Nachbar dem Nachbarn – was wollte er auch machen – zehn Mark hinüber, mit dem Wunsche guter Besserung für den sehr krank liegenden Herrn Kutruff.
Der Sohn bekam eine scharfe Standrede und Entzug der Mordwaffe. Damit schien der Fall beigelegt.
Am Sonntag bimmelten die Glocken. Der Pfarrer predigte mit versöhnlichem Herzen. Den Gottesdienst beschloß das Kirchenlied und die Gläubigen opferten ihre Scherflein. Am Opferstock vorbei schritt auch des Kirchenpflegers Enkeltochter und opferte mit niedergeschlagenen Augen.
Der Kirchenpfleger kam, wie versprochen, nicht zum Opferzählen. So mußte dies der Pfarrer allein tun. Er schüttelte die Büchsen auf den Tisch und zählte. Er stieß auf etwas Eingewickeltes. Zwischen dem Kupfer lag in dem Papierchen ein seltener Schatz, ein Zehnmarkstück.
Dem Pfarrer klopfte das Herz. Ein Schaf seiner Gemeinde wollte ihn versuchen, ein Schaf seiner Gemeinde opferte alles (!), was es besaß. Und er erkannte als ein guter Hirte das Schaf und schrieb in das Verkündigungsbuch: »Nächsten Sonntag der Gemeinde verkündigen, zehn Mark im Opfer.«
Der nächste Sonntag kam. Kutruff war wieder gesund und in der Kirche. Er wartete nur aufs Verkündigen. Der Pfarrer schlug jetzt das Verkündigungsbuch auf, Kutruff horchte genau.
Die Reihe war am Opfer. Es hieß: »Vorsonntägliches Opfer fünfzehn Mark neun Pfennige. Darunter besonders zu nennen: zehn Mark von einem verschämten Geber, der nicht genannt sein will.«
Es ging wie ein Rauschen durch die Gemeinde. So etwas war lange nicht mehr gewesen, und der wiedergenesene Kutruff rückte sich auf seiner Kirchenpflegerbank. Er schnaufte stark und wurde vom Asthma schier erdrückt. Er hatte gehofft, von der Kanzel seinen Namen zu hören, denn der Pfarrer mußte wohl wissen, wer das güldene Scherflein gestiftet hatte.
Wohl oder übel mußte er sich den verschämten Geber gefallen lassen. Da war's zu denken, daß er diesen Sonntag nicht gern zum Opferzählen kam. Es war ihm nicht recht wohl, wie er in Pfarrers Stube eintrat. Ein bißchen stach es ihm in den Augen, und ein bißchen auffallend zitterte seine Stimme beim »Guten Tag«. Klar wie immer lud ihn der Herr Pfarrer zum Sitzen ein: »Nehmen Sie Platz, Herr Kutruff!«
Das Opfer wurde gezählt und machte wieder rund um fünf Mark. Kein Sterbenswort wurde mehr vom letzten Kirchenopfer vom Pfarrer geredet, so wenig wie von der schwarzen Katze.
So hielten Pfarrer und Kirchenpfleger Gericht miteinander über die schwarze Katze, ohne Anrufung der öffentlichen Justiz.