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Der Maurer Jakob Hutt und die Schneidertochter Berta Gnädig hatten bald Hochzeit.
Er war lang und schwarz, sie kurz, dick und strohblond. Das paßte gut, denn der Nachwuchs wurde dann höchstwahrscheinlich die goldene Mitte.
Jakob war dumm in der Kunst, dagegen Berta Gnädig vermessen gescheit. So kaufte sie zur Aussteuer nicht einfach fertige Möbel, sondern ließ sie nach auserwähltem Brauch beim Tischler fertigen.
Der Tischler war geschickt und sprach viel von Jugendstil. Das verhinderte aber nicht, daß er den festgesetzten Termin zur Lieferung der Möbel nicht einhielt.
Jakob und Berta waren darüber sehr muckisch. Jakob knurrte: »Hättest du fertiges Meublement gekauft!« Berta dagegen gluckste: »Es wäre ja alles fertig bis auf die ausgeschnittenen Herzen.«
An den ausgeschnittenen Herzen hing es also, daß der Tischler nicht zur Zeit lieferte und sogar neu gesetzte Termine versäumte.
Jakob meinte nun eben, das beste wäre, auf die Herzen zu verzichten und die Einrichtung ohne sie anzutreten. Aber daran sah man gerade, was für ein Kaffer er war. Seine Braut hatte die Herzen nun einmal erdacht, und ohne sie waren die Ehebetten keine Betten.
Wenn sie es durchsetzte, daß in den Bettstellen aus Kopf- und Fußteil sowohl als aus den Langseiten Herzen ausgesägt wurden, so war für sie das ganze künftige Eheglück gegründet.
Jakob schimpfte immer heftiger auf den Tischler und auf sie, warum sie die verfluchten Herzen drin haben müsse. Da lief sie endlich zornig zum Tischler hin und nahm sich vor, seine Werkstätte nicht eher zu verlassen, als bis er die Herzen vor ihr ausgesägt hatte. Der Tischler wollte ihr sagen »morgen«. Aber die kurze Dicke quälte ihn solange, bis er nachgab.
Die Herzen aus den zölligen Bettteilen herauszusägen, war eine harte Schwitzarbeit, um die sich der Tischler gerne gedrückt hätte. Nun mußte er sägen, und die energische Braut hockte krampfhaft darauf, bis das letzte herausfiel.
Die Füllung jedes Ausschnittes hob Berta bewundernd auf und verwahrte sie bei sich. Sie sah in den Holzherzen heilige Reliquien, die sie daheim in die Truhe legen würde.
Und wie eigen wurde es ihr zu Mute, wenn der Tischler nach jedem Male, wo wieder eins fertig war, sie lange und bedeutungsvoll ansah. Es war so, daß sie es Jakob gar nicht gestehen durfte. Zwischen ihr, die auf dem Brett saß, und dem Tischler, der Herzen sägte, webte die Liebe.
Berta wurde es immer schwüler, denn wenn der Tischler zuletzt mit den heftigen Griffen seiner Augen Ernst machte, so konnte sie sich nicht wehren, weil sie ja dasselbe verspürte wie er. Aber der Tischler war ein Mann, der gegen Versuchungen kämpfte. Als das letzte Herze daran war und es auch in Bertas Schoß ruhte, ging er weg und ließ sie sitzen.
Wie's alle Weiber tun müssen, wenn das Erwartete nicht gekommen ist, so mußte auch Berta des Wegs gehen, satt von dem, das sie nicht genossen hatte. Unterwegs, auf dem Heimwege, erwog sie hin und her zwischen ihrem Jakob und dem Tischler. Sie hielt den Tischler für die unerreichbare Perle und ihren Jakob für den dummen Hammel. Sie trug acht ansehnliche Holzherzen bei sich, die ihre Tasche hinabzogen, und morgen kamen gewiß die Betten mit den entsprechenden acht Herzhöhlungen; dann heirateten sie, aber warum war nicht der Tischler der Bräutigam, der Ehgemahl?!
An Jakob war alles so gemein und ordinär, der Tischler war so fein und gebildet. Das lag schon am Handwerk. Maurer sein! es schüttelte sie. Tischler sein! es kitzelte sie.
Jakob spürte, während seine Berta heimlief, von diesen ihren Erwägungen Gott sei Dank nicht die Bohne. Er hockte in einem Schuppen und goß aus Gips Götter – Liebesgötter, die er seiner Braut zur Überraschung am Hochzeitstag unter die Nase halten wollte, damit sie staunte und sich in einem Salon fühlte. Wie oft hatte sie ihm eine gelinde Ohrfeige gegeben: »Du verstehst halt nichts von Kunst.« Wenn er die Gipsgötter ansah, so schwante ihm eher, daß an ihm ein Genie tot lag. Jetzt hörte er sie kommen, schnell versteckte er Gips und Modelle.
So übler Laune hatte die Braut den Bräutigam noch nie aufgesucht.
»Was hast du? Wird die Möblierung nicht fertig?«
»Dummer Affe!« Dabei kramte sie die Herzen hervor und warf sie ihm vor die Füße.
»Ah! Fertig! Dann kann's ja frischmang losgehen zur Hochzeit!« Mit den Worten hob er eines der Herzen auf und grinste es an, dann wollte er, wie angefeuert durch das Symbol der Liebe, welches er in der Hand hielt, seine Berta umschlingen. Aber giftig, unausstehlich schüttelte sie ihn ab, daß Jakob jäh fühlte, wie hölzern das Herz war. Er wollte es zum Teufel schmeißen, voll auflodernder Wut, aber da klaubte sie rasch die acht Hölzer zusammen, lief hinaus und verwahrte sie beim Weißzeug.
Jakob waren seine Gipsgötter auf einmal zuwider. Er ließ sie halbfertig liegen und trank einen Schnaps. Das war die erste unsittliche Stimmung vor der Hochzeit. Natürlich gegen Abend, wenn sich die Paare die Stündlein weihen, war Berta wieder katzenlieb zu ihm. Sie erklärte ihr Mißvergnügen so: »Wie ich zum Tischler hinkam und losschimpfte, stand bereits die ganze Aussteuer fix und fertig da, so fein und sauber gemacht, daß ich mich ordentlich habe schämen müssen.«
»Fix und fertig?« frug Jakob. »Und auch die Herzen?«
»Selbstverständlich!« Das log sie, während Jakobs heißeste Liebe zu ihr hinüberging.
Darin ließ er sich nicht stören, aber bei ernüchterten, abgekühlten Sinnen verwunderte es ihn doch, daß Berta die acht Herzfüllungen mitgebracht hatte; denn wenn der Tischler die Herzen bereits früher ausgesägt hatte, so waren doch die acht Abfälle entweder schon verbrannt oder in den Kutter gekehrt, aus dem Berta sie schwerlich hervorgekramt hätte. Und die lange Zeit, die Berta beim Tischler gesäumt hatte, deutete ihm eher an, daß sie beim Heraussägen dabei gewesen war.
Jedenfalls: soviel stand fest, daß Jakob die ganze Möblierung, die der Tischler zu Bertas so großer Zufriedenheit gemacht hatte, gar nicht gefiel. An allem nörgelte er herum. Und besonders die Bettstellen mit den Herzausschnitten würdigte er herab.
»Du verstehst halt nichts,« setzte ihn das junge Weib zurecht. »Aber wie?« Jawohl, Jakob hatte Recht. Der Tischler hatte da wirklich etwas schlecht gemacht. Jakobs Nörgelei gab ihr willkommenen Anlaß, hie und da in lächerlichen Reklamationen, die ihr nicht einmal ernst waren, beim Tischler vorzusprechen. Desto mehr verfluchte Jakob das Mobiliar und den Tischler. Leider, je mehr er ihn verfluchte, desto wahrscheinlicher trieb er sein Weib mit ihm zusammen.
Als ihm die Eifersucht schon wie Ameiseneier im Bauche lag, war er noch Manns genug über sich, wenigstens dem Maule den Zaum anzulegen. Noch war nichts gewiß zwischen den Beiden, und wenn er sein Weib unschuldig verklagte, hatte er erst die ganze Ehe mit ihr verpfuscht.
* *
*
An einem Montag Morgen fuhr Jakob aus dem Bette und stieß sich die große Fußzehe in einer der verfluchten Herzlücken seines Bettes. Er verbiß zwar den Schmerz und verschwieg seine Ursache, weil er den Tag nicht gleich wieder mit Krach und Tischler anfangen wollte. Aber als sein Weib in der Truhe kramte und wie immer beim Anblick der darin versteckten Holzherzen einen kurzen Augenblick besinnlich stillhielt, wollte er losschlagen. Doch noch einmal hielt's ihn. Er ging auf den Bau, an dem er arbeitete, aber voll blauer Montagsgefühle. Mit der schmerzenden Zehe wollte er bloß die eine Taghälfte arbeiten. Er war auch im Gemüte unruhig, und so beschloß er, die andere Hälfte zu feiern.
Um elf Uhr kam er schon wieder von der Arbeit heim. Sein Weib war nicht da. Jakob hegte grausamen Verdacht auf Frau Berta. Er hinkte mit der Zehe etwas, und das Herumlaufen und Herumspionieren nach der Frau war ihm zu einfältig. Dagegen verfiel er auf den Gedanken, die Herzlücken seines Bettes zu verstopfen. Er nahm von den acht Holzherzen in der Truhe die viere heraus, holte den Gips aus dem Schuppen, wo er hatte die Götter formen wollen.
Dann kittete er mit Gips die vier Herzen in ihre Lücken in sein Bett hinein. Er machte alles schön glatt, daß er sich nicht mehr stoßen konnte. Als an allen vier Stellen nur noch die weiße Gipslinie das ehemalige Dasein von Herzen bezeichnete, fand er, wie viel einfacher es gewesen wäre, die Herzen auf den Bettstellen einfach aufzumalen, und kurz entschlossen, mit einem geheimen Triumph über Bertas Unverstand, verkittete er auch das Bette seines Weibes.
Es gefiel ihm ausgezeichnet so, und seine Hinkerei vergessend, etwas schwül im Gewissen, was Berta sagen würde, wenn sie heimkam, kehrte er zur Arbeitsstelle zurück, als hätte ihn der blaue Montag gereut. Schon um 12 Uhr war er wieder auf dem Bau und warf den Mörtel mit der Schippe. Wenn er sonst finster arbeitete, heute lachte er erleichtert und vergnügt, als wäre ihm ein besonderer Witz, ein Kunststück gelungen. Nur hie und da kratzte er sich am Kopf, was wohl Berta sagte, wenn sie die Bescherung sah.
Kurz vor zwölf Uhr war das junge Weib wieder heimgekommen. Mit ihr der Tischler. Berta hatte es diesmal verstanden, den Tischler unter dem Vorwand zu sich zu bewegen, daß der Spiegelschrank knacke und er von ihm gestellt werden müsse. Wenn sie dann den Tischler einmal da hatte, wollte sie sich verfänglich aufs Bett setzen und ihn schon herumkriegen.
Den Eintritt in die Wohnung tat sie mit stürmischem Herzklopfen. Wenn Jakob unerwartet heimkehrte! Und überhaupt die Ungewißheit des Abenteuers! Aber einmal mußte es sich entscheiden. Die Flamme für den Tischler konnte nur erlöschen, wenn das Feuer, nicht weiter geschürt, niederbrannte. Ehe sie ihn hatte, erhielt es stets nur neue Nahrung.
Dem Tischler war es auch nicht recht geheuer, daß ihn das Weib mitgenommen hatte, und wenn er seine dummen, kalten Gegenerwägungen wegließ, so gestand er sich, daß es für ihn keine Sünde war, eine zu lieben, die ihn nun einmal haben wollte.
Kaum war die Haustür ins Schloß gefallen, drückten sie sich schon, und sie schritten nicht mehr wegen wackelnder Schränke vorwärts, sondern wegen ihren erbärmlich nach einander klappernden Herzen.
Den Tischler freute im Gefühle die Wohnung, deren Einrichtung er geschaffen hatte. Namentlich nach den Betten suchten seine Augen. Sie kamen schon. Jetzt, wenn sie in die Schlafkammer traten.
Berta wurde es summend und brummend. In die Schlafkammer! Sie öffnete die Tür. Sie sah erst noch einmal zum Tischler hin. Schon wollte es ihr nicht mehr so heiß darum zu tun sein. Der Tischler verschrumpfte etwas vor ihr. Am Ziel der Erfüllung wollte das Idealbild von ihm nicht mehr Stich halten. Aber dennoch, es mußte geschehen.
Die Sünde war im Gange, und in ihr gibt es keinen Aufenthalt. Da standen sie vor den Betten. Der Tischler stieß plötzlich mit Falkenaugen vorwärts und sah aus nächster Entfernung auf die Herzen. »Was habt Ihr – – –?« Noch ehe er es endete, taumelte Berta und brach zusammen.
Jakob hatte die Herzen verkittet, heute. Er wußte es, daß sie heute mit dem Tischler kam. So etwas geschah nicht zufällig. Sie sah den Tischler nicht mehr. Er schrumpfte immer kleiner werdend zusammen, bis er endlich als winziger Punkt ganz nahe seiner Werkstätte schlenderte.
Berta war allein. – Wie gehetzt sprang sie auf und wollte zu Jakob auf den Bauplatz rennen. Allmählich wurde sie wieder besonnen. Sie durfte nichts zugeben. Im Gegenteil, Jakob war ein Flegel, die Betten so zu verunzieren.
Jakob erhielt eine Tracht Prügel! – aber das war endlich die innige Liebe, welche er bisher bei Berta vergebens gesucht hatte. Die Nacht half Beiden. Jakob und Berta gefiel es in den »herzlosen« Betten besser.