Paul Ernst
Prinzessin des Ostens
Paul Ernst

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Die Göttin der Vernunft

Bei einer uralten Tante, welche den Dienstboten streng befahl und viel in Keller und Vorratshaus wirtschaftete, gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts in einem alten Schlößchen mit dicken Mauern und einem tiefen, ausgetrockneten Graben, in dem schöne Walnußbäume wuchsen, lebte ein zartes Fräulein mit glänzenden Augen. Sie saß viel an einem Eckfenster der Wohnstube und sah von hier aus über eine schöne grüne Weide, wo eine Herde von schwarz und weißen Kühen zerstreut graste. Des Abends erhob sich ein dichter Nebel über dem Fluß, welcher die Weide begrenzte, und es zogen Streifen und Ballen zu dem Hause, bis sie es endlich einhüllten. Das Fräulein dachte an die Geister ihrer Vorfahren, die hier in vielen Kriegen und Fehden gekämpft, von keinem Ossian besungen; ihr Andenken war verschwunden wie Nebel vor den Strahlen der Morgensonne.

Sie liebte nicht die laut lachenden und sonnenverbrannten Landjunker, welche ihr die Hand schüttelten. Aber damals kam in ihre Gegend ein glänzender junger Herr, ein Graf mit einem fremdländischen Namen, welcher der vertrauteste Freund des benachbarten jungen Fürstbischofs wurde und an dessen Hofe, denn der war Reichsfürst, eine hohe Stelle erhielt. Als Julie ihn zum ersten Male gesehen hatte, empfand sie ein fast schmerzhaftes Gefühl in der Brust und spürte, wie ihr das Blut zu Kopfe stieg. Sie fragte sich, ob das wohl Liebe sei, und war verwundert, daß die Empfindung ganz anders war, wie sie sich vorgestellt. Die nächsten Tage dachte sie viel an den Herrn, stellte sich ihn in verschiedenen Lagen vor, besonders aber, wie er ihr erklärte, daß er sie liebe, und sie, weil sie noch nicht sicher war, was ihre Empfindungen bedeuteten, wußte nicht, welche Antwort sie ihm geben solle. Indessen bedachte sie endlich, daß sie vielleicht gar nicht der Liebe fähig sei, denn sie hatte auch nie vorher eine Neigung zu einem Manne verspürt; aber da der Graf ihr ebenbürtig war und in den Vermögensverhältnissen, welche den ihren entsprachen, auch gesund und heiterer Gemütsart, so beschloß sie endlich, ihn zu heiraten, wenn er um ihre Hand bitten sollte. Sie kannte auch den fürstbischöflichen Hof und den Herrn selbst, welcher gerade zu ihr sich immer sehr freundlich erwiesen, und meinte, daß sie sich unter einem so gütigen Herrscher bald einleben werde.

Als der Graf in ihr Haus kam, um ihre Hand anzuhalten, wußte sie durch eine Ahnung seine Absicht und wurde ohnmächtig. Daran erkannte sie, daß sie ihn liebte.

Es folgten sehr schöne und sonnige Tage, wo der Bräutigam sie oft besuchte und mit ihr Klopstocks Messias las; denn sie hatte es sich früher immer so wunderbar schön gedacht, dieses herrliche Gedicht zu hören von einem geliebten Mann, mit andächtig gefalteten Händen, und zurückgelehnt in ihren dunkeln Lehnstuhl in der Ecke, während auf ihn von der linken Seite das Licht des Fensters fiel.

Wie sie mit ihm zur Trauung fuhr, nach der kleinen Pfarrkirche des Fürstbischofs, und der junge und schöne Fürst in seinem goldgestickten Priestergewande harrte ihrer am Altar, um sie selbst einzusegnen, da sah sie auf dem Marktplatz am Pranger einen Mann angebunden, welcher vom Henker ausgepeitscht wurde. Das Volk stand stumm, und nur wenige der Zuschauer wendeten ihre Aufmerksamkeit auf den glänzenden Hochzeitszug. Der Missetäter war buckelig, und auf seinem armseligen nackten Rücken waren die blutunterlaufenen Striemen zu sehen. Der Henker hielt inne, als der Wagen rasselte, da sprach der Mann am Schandpfahl einige Worte, die sie nicht verstand; aber das zuschauende Volk erhob, nach dem Hochzeitszug seine Blicke wendend, ein sonderbares Gemurmel, in dieses schnitt plötzlich hinein ein grelles Lachen des Gepeitschten.

Ihr wurde unruhig, denn sie wußte, daß hier irgendeine Beziehung auf sie selbst stattfand. Der Graf war blaß geworden und erzählte, daß man gegen die schlechten Skribenten schärfer verfahre seit den neulichen Unruhen in Paris, wo das Volk, durch die Philosophen und Pasquillanten aufgehetzt, das königliche Gefängnis gestürmt und die Verbrecher aus demselben befreit habe; dieser Mann am Pranger habe ganz besonders den Pöbel durch seine Schandschriften gereizt; er nenne sich den redlichen Tribun des Volkes und sei wahrscheinlich sogar von irgendwelchen Vornehmen unterstützt, welche ihm Nachrichten zutrugen.

Der Graf sprach in fremder Weise, und ihr wurde befangen, ohne daß sie einen Grund wußte. Sie antwortete nur, daß er ihren Putz verschoben habe.

Die Hochzeitsfeier fand im fürstlichen Schlosse statt; das hatte der Fürstbischof seinem Freunde zu Ehren angeordnet. Als das Fest beendet war und die Gäste entlassen, führte der Graf seine junge Frau in das Brautgemach, geleitete die unruhig Blickende zu einem Sessel und begann, im Zimmer herumgehend, nachdem er lange nach Worten gesucht, daß ihn eine innige und zärtliche Freundschaft an den Fürsten feßle, und daß diesem sein Stand die Notwendigkeit auferlege, den süßen Freuden der Ehe und Familie zu entsagen; daß er ihm aufs tiefste verpflichtet sei und durch ihn aus dem ärgsten Elend gerettet; daß er, der Graf, seine junge Frau unaussprechlich liebe und alles tun werde, um sie glücklich zu machen. »Glaubst du mir?« schloß er und stürzte ihr ungestüm zu Füßen.

Sie erhob sich, von tiefstem Entsetzen gepackt durch eine unbestimmte Ahnung, denn sie verstand nichts von dem, was der Mann sagen wollte. »Ich bin ein Elender,« schrie der Graf, »sprich es nur aus, du verachtest mich!«

Sie trat zu ihm mit Anstrengung, strich ihm zärtlich das schweißige Haar aus dem Gesicht und sagte: »Ich weiß nicht, was deine Rede bedeutet. Aber du bist sehr unglücklich. Sieh, bin ich nicht jetzt dein Weib geworden, das deine Leiden mit dir tragen wird?«

Der Graf sah sie fassungslos an. Da öffnete sich die Tür und der Fürstbischof erschien, im feinsten weltlichen Hofkleid, den Degen an der Linken. Er schritt auf das Paar zu, ergriff die Hand der jungen Frau und sprach: »Lassen Sie mich die weitere Aufklärung geben, teure Freundin.«

Da verstand sie, aus seinem Gesicht. Sie schrie zu ihrem Mann: »Du hast mich verkauft, verkauft, verkauft!« Ganz sonderbar war es ihr, daß sie schrie, und dazu dreimal; ihr war, als schreie ein anderer, und als liege immer eine ganz lange Zeit zwischen den Worten. Dann ging sie aus der Tür, langsam, und indem sie bei sich sprach: »Du mußt langsam gehen, du mußt langsam gehen.« Sie schritt einen langen Korridor entlang, der öde war. Dann die große, breite, marmorne Treppe hinab. Ein einziger Leuchter brannte noch. Ein Diener starrte sie an mit entsetzten Augen. Sie winkte ihm. Er lief mit sonderbaren Bewegungen herbei, öffnete das große Tor. Und sie trat auf die dunkle Straße. Merkwürdig schien ihr, daß sie an gar nichts Wichtiges denken konnte; Nebensachen standen ihr vor den Augen, das entsetzte Gesicht des Dieners und seine sonderbaren Bewegungen. Als sie kurze Zeit geirrt war durch die schweigenden Gassen, kam ihr der Mann entgegen, den sie am Vormittag am Pranger gesehen hatte. Er torkelte hin und her und summte stillvergnügt vor sich hin die Carmagnole, welcher freche Gassenhauer eben neu aus Frankreich herübergekommen war. Sie flog auf ihn zu, rief: »Redlicher Volkstribun, hilf mir.«

»Ja, ich bin der redliche Volkstribun, vor dem die Fürsten zittern auf ihren Thronen,« antwortete der Mann; bei den letzten Worten schnappte seine Stimme über, er packte sie am Arm und sah ihr ins Gesicht; sie schwankte in beginnender Ohnmacht.

Der betrunkene Buckelige unterstützte die ohnmächtige Schlanke und Große und schleppte sie eine kurze Weile bis zu seiner Wohnung, welche ein klägliches und übelriechendes Hinterstübchen bei einem Handwerker war. Als sie dort wieder zu sich gekommen, erzählte er, nachdem er das Geschehene erraten, daß seine heutige Strafe verursacht sei durch ein Flugblatt über den Grafen und die Heirat und deren Zweck, nämlich einen Schanddeckel für die Lüste des Fürstbischofs zu schaffen. Stumm, ohne Tränen, ganz erstaunt und mit brennenden Augen hörte die Gräfin die Erzählung. Sie saß. An dem Türpfosten lehnte der Handwerksmeister, ein riesenhafter Grobschmied mit untergeschlagenen nackten Armen und finsterm Gesicht. Der Tribun hüpfte lächerlich im Zimmer herum (sie dachte: wie ein Eichhörnchen), ballte die Faust, sprach zu ihr süßliche Worte, rühmte sich und seine Macht und erzählte, daß er sehr schöne Augen habe. Er tippte dem Schmied auf den Bauch und rief: »Der Hofschmied, schuldig bleibt der Fürst ihm alles, und nicht einmal klagen darf er.« Sie lachte hellauf, denn sie glaubte zu träumen und dachte, sie wolle sich ganz gehen lassen und den Traum völlig zu Ende bringen; sie sagte sich auch: »Dieses hier bin ich ja gar nicht.« Der Tribun kniete vor ihr, küßte ihr die Hände, dann schrie er: »Wein her, Wein her.« Der finstere Schmied holte Wein und Gläser, goß ein, nahm eines für sich und rief, mit sächsischer Aussprache: »Nieder mit Pfaffen und Fürsten.« »Nieder mit Pfaffen und Fürsten,« schrie der betrunkene Buckelige mit Kopfstimme. Die Gräfin bebte. Da lachte er wie verrückt zu dem Schmied. Der Schmied packte ihn wütend im Genick. Er kreischte: »Ich bin der redliche Volkstribun, vor mir zittern die Fürsten auf ihren Thronen.« Der Schmied versicherte, er für sich sei ein Bürgerssohn aus Leipzig, ging aus dem Zimmer, schlug die Tür schmetternd zu.

Da legte der Tribun seine langen Arme auf den Tisch und seinen Kopf auf die Arme, daß der hohe Buckel ihm über den kahlen Kopf hinwegsah. Das Licht erzeugte auf der Glatze und auf dem speckig geriebenen Rock oben auf der Höhe des Buckels einen Schein. Er weinte, und der Jammer stieß ihn, daß die schlechte Tischplatte sich bewegte und das Öl der trüben Funzel schwankte. Unter Schlucken brachte er abgerissene Worte hervor: »Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehaßt, für die Armen und Unterdrückten habe ich gekämpft, deshalb bin ich so blutarm. Viel Geld haben sie mir angeboten, viel Geld, aber sie zittern vor mir, sie lassen mich auspeitschen und zittern; denn der Tag kommt, da werden sie an den Pfahl gebunden, da werden sie gepeitscht, denn das Volk langt seine ewigen Rechte von den Sternen, da stehen sie geschrieben. Oh, wie weh tut mir mein armer Körper, einer sollte doch Mitleid haben mit mir. Denn mit wem soll ein Mensch wohl Mitleid haben, wenn er nicht Mitleid hat mit mir, denn ich bin so blutarm und krank und verfolgt; ach, ich möchte ruhen, ruhen!«

Die Gräfin hatte sich zurückgelegt und war eingeschlafen vor Müdigkeit über die große Aufregung. Der Tribun aber beruhigte sich allmählich, ging auf und ab im Zimmer, trank, hielt Selbstgespräche; und in dem flackernden Öllicht tanzte sein buckeliger Schatten unheimlich an der getünchten Wand, wo des Schmiedes Rücken einen schmutzigen Streifen gerieben hatte, ringsum.

Am andern Tage verließ sie in einer Verkleidung mit ihm die Stadt, denn sie fürchtete eine Verfolgung und ihm war verboten, länger hier zu weilen.

Er zeigte ihr viel Geld und erzählte, daß es falsch sei, der Schmied war ein Münzfälscher. Sie kamen zusammen mit vielerlei Volk von sonderbarer Art. Das waren Leute von kriechender Freundlichkeit, oder Krüppelhafte und Kranke, oder Aufgeregte, Schwätzer, Bettelstolze, Zerlumpte und Schmutzige, Leute von unpassender Vertraulichkeit, und namentlich viele, die sich selbst beschimpften. Alle erschienen ihr willenlos, wie Stückchen Holz, welche in einem Strudel getrieben werden. Sie selbst aber erschien sich auch willenlos, und sie wußte nicht, was eigentlich alles bedeuten und bezwecken solle, namentlich ihr Irren und Wandern.

Nun war es mit der Weile in Paris zu einer Herrschaft des Volkes gekommen. Die Adeligen wurden hingerichtet, der König und die Königin wurden hingerichtet, das Volk ermordete viele Vornehme, und manche trugen blutige Glieder der Ermordeten durch die Straßen, indem sie sangen und tanzten. Dann wurde verboten, an den alten Gott zu glauben, und es wurde eine weibliche Person gewonnen, welcher göttliche Ehre erwiesen wurde, als der neuen Göttin Vernunft.

Darüber kam es in dem Fürstbistum auch zu einem großen Aufstand. Der Fürstbischof wurde vom Volk gefangen, und sein Freund, der Graf, und viele andere Vornehme. Der Tribun saß im Schloß des Fürstbischofs in einem großen Saal hinter einem aktenbedeckten Tisch und gab viele Befehle; zuweilen redete er auch in einem Verein, pries die Tugend und Vaterlandsliebe, und lobte das Volk.

Als nun der Tag gekommen war, wo der Fürstbischof und die andern hingerichtet werden sollten, wurde die Gräfin mit kostbaren Gewändern bekleidet, die aus der fürstlichen Schatzkammer geraubt waren, und dann wurde sie auf einen purpurbeschlagenen Thron geführt, welchen man der Richtstätte gegenüber aufgeschlagen hatte. Hier stand sie, gehüllt in einen weiten goldstarrenden Brokatmantel, auf dessen Rücken die Kreuzigung Christi gestickt war, der Saum des Mantels stand auf der Erde, und so hatte der Mantel einen leichten Querknick. Sie hielt sich aufrecht, die Arme hängend in den weiten, herabfallenden Ärmeln, welche die Hände verhüllten. In ihren dunklen Haaren war ein funkelndes Diadem, das Pfeile heraussandte. Und die Verurteilten wurden geführt auf einem jammervollen Karren, mit entblößtem Oberkörper, die Arme auf den Rücken gebunden und mit geschorenem Haar und mit Bartstoppeln, und es schien ein sonderbares Grinsen in den blassen und schmutzigen Gesichtern erzeugt zu werden. Dann wurden sie in einer Reihe hintereinander oben auf dem Gerüst geordnet, wo das Fallbeil stand. Ein Mann in schwarzem Talar verlas den ersten; es war der Fürstbischof; die rotgekleideten Knechte warfen sich auf ihn, drückten ihn zur Erde, indem sie ihm mit den Knien in den Rücken knufften, und schleppten ihn, der sich sträubte und winselte, bis sie den Hals in der Höhlung des Brettes befestigen konnten, auf welches das Beil fallen sollte. Dann ließ der blutrot gekleidete Henker das Beil niederblitzen; der Kopf fiel in den Sack, und die Knechte zogen den Rumpf zurück und warfen ihn zur Seite. Darauf verlas der Mann im schwarzen Talar den zweiten Namen, des Grafen, und es wiederholte sich dasselbe. Und so folgte einer der Verurteilten auf den andern. Das Volk war zuerst stumm gewesen. Als des Fürstbischofs Kopf fiel, erschollen aus einigen Kehlen Hochrufe, und dazwischen ein Juchzer von irgendeinem Mann aus dem Gebirge, der zufällig zwischen den Zuschauern stand; hierüber erhob sich ein allgemeines Gelächter. So kam allmählich eine fröhliche Stimmung in die Zuschauer. Ein dicker Fleischer mit rosigen Bäcklein machte den Witz, daß er das Gewicht eines jeden abschätzte, wie er von den Knechten ergriffen wurde, als wenn sie Schlachttiere wären. Später stimmte einer die Carmagnole an, und da fielen bald alle ein, faßten sich an der Hand oder um den Leib, oder henkten sich in die Arme, und begannen schaukelnde Bewegungen im Gedränge, als wollten sie tanzen; und wo etwas mehr Raum war, da tanzten sie, indem sie die Beine hochwarfen; und die zerlumpten, und frechen Weiber schleuderten ihre Röcke hoch und johlten und quietschten zwischen die heiseren Schreie der Männer. Die Gräfin aber in ihrem Brokatmantel, auf dem die Kreuzigung gestickt war, stand aufrecht auf ihrem blutroten Thron und blickte über das Gewoge, und sah verloren zu dem Blutgerüst, wo die Knechte viehischer stießen und zerrten, und der Henker sich die Ärmel aufgestreift hatte, und der Mann im schwarzen Talar unruhig die nur noch kurze Reihe der Verurteilten ablief, sein Blatt in der Hand.

Da stürmte der Fleischer schnaufend und schwitzend die Stufen des Thrones herauf zu der Göttin der Vernunft und packte sie an dem gestickten Ärmel. Sie schleuderte ihn zurück, daß er hinabtorkelte. Er schrie wütend, die andern nahmen ihn zwischen sich auf, und er verschwand in der Menge. Sie aber stieg mit ruhigen Schritten hinab, faßte ihr Gewand wie ein Schleppkleid und schritt in das Schloß, denn ihr Thron war gerade vor dem Portal aufgebaut, das von zwei posaunenblasenden Engeln gekrönt wurde.

Nachdem sie noch viel Geld und Geschmeide zusammengerafft hatte, entfloh sie in ein fernes Land. Hier kaufte sie einen großen und finstern Fichtenwald. In dessen Mitte war eine Wiese, durchflossen von einem murmelnden Bach, an welchem Vergißmeinnicht wuchsen. Ringsum standen die himmelhohen Fichtenbäume, deren Äste bis auf die Erde reichten, bogenförmig geschwungen, und an den zarten Zweigen mit den Nadeln behangen; nur an einer Stelle war durch Schneebruch eine Lücke entstanden, und da sah man tiefhinein in den säulengetragenen Wald, der totenstill war. Von oben schien der helle Himmel mit Wölkchen, und die Sonne schickte ihre Strahlen herab, die in dem Wässerchen blitzten.

Hier baute sich die Gräfin ein Häuschen, das bald der Efeu überrankte. Sommers ruhte sie hier, den Himmel betrachtend, wenn der würzige Duft der Fichten in die Höhe stieg; und an den Winterabenden leuchtete aus ihrem Fenster das Licht über den dichten und ruhigen Schnee.


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