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Drittes Kapitel.

Das Motto zu Kapitel 25 (in dieser Übersetzung Band 2, Kapitel 3):

Love seeketh not itself to please,
     Nor for itself hath any care
But for another gives its ease
     And builds a heaven in hell's despair.
. . .
Love seeketh only self to please,
     To bind another to its delight,
Joys in another's loss of ease,
     And builds a hell in heaven's despite.

W. Blake: Songs of Experience


Fred Vincy wünschte in Stone Court zu einer Zeit einzutreffen, wo sein Onkel nicht unten sein, Mary daher wahrscheinlich in dem getäfelten Wohnzimmer allein sitzen und ihn nicht erwarten würde. Er ließ sein Pferd im Hofe stehen, um das Geräusch auf dem Kies vor dem Hause zu vermeiden, und trat in's Wohnzimmer, ohne vorher angeklopft zu haben.

Mary saß in ihrer gewöhnlichen Ecke und lachte über Mrs. Piozzi's ›Erinnerungen an Johnson.‹ The Anecdotes of the Late Samuel Johnson by Hester Thrale, also known as Hester Lynch Piozzi, 1786. – Samuel Johnson (1709-1784), englischer Gelehrter, Lexikograf, Schriftsteller, Dichter und Kritiker; nach William Shakespeare der meistzitierte englische Autor und im 18. Jahrhundert die wichtigste Person im literarischen Leben Englands. – Anm.d.Hrsg. Bei Fred's Eintritt blickte sie mit einem Gesicht, in welchem sich noch ihr Ergötzen über das Buch malte, zu ihm auf. Aber dieser Ausdruck schwand allmälig, als sie sah wie Fred, ohne ein Wort zu sagen und schlimm aussehend, auf sie zukam und sich, den Ellbogen auf den Kaminsims stützend, vor sie hinstellte. Auch sie schwieg und richtete nur ihre Augen mit einem fragenden Blick auf ihn.

»Mary,« fing er an, »ich bin ein nichtsnutziger Lump.«

»Ich sollte denken, an einem dieser Epitheta wäre es zur Zeit genug,« sagte Mary, indem sie dabei zu lächeln versuchte, sich aber in der That beunruhigt fühlte.

»Ich weiß, Sie werden nie wieder gut von mir denken. Sie werden mich für einen Lügner und für unredlich halten und werden glauben, ich mache mir nichts aus Ihnen oder aus Ihrem Vater und Ihrer Mutter. Sie denken immer das Schlimmste von mir, das weiß ich.«

»Ich kann nicht läugnen, Fred, daß ich das Alles von Ihnen glauben werde, wenn Sie mir Grund dazu geben. Aber, bitte, sagen Sie mir ohne Weiteres, was Sie gethan haben. Ich möchte die schmerzliche Wahrheit lieber erfahren, als errathen müssen.«

»Ich war eine Summe schuldig, hundertundsechzig Pfund. Ich bat Ihren Vater, seinen Namen auf einen von mir ausgestellten Wechsel zu setzen. Ich dachte, es könne ihm nichts ausmachen. Ich versicherte ihn, ich würde das Geld selbst bezahlen – und ich habe Alles aufgeboten. Nun habe ich aber besonderes Unglück gehabt – ein Pferd ist schlecht ausgefallen, ich kann nur fünfzig Pfund bezahlen. Und ich kann meinen Vater nicht um das Geld bitten, er würde mir keinen Heller geben. Und mein Onkel hat mir erst kürzlich hundert Pfund geschenkt. Was kann ich also thun? Und jetzt hat Ihr Vater kein baares Geld übrig und Ihre Mutter wird die zweiundneunzig Pfund, die sie erspart hat, hergeben müssen, und sie sagt, Ihre Ersparnisse würden auch draufgehen. Sie sehen was für ein –«

»O, arme Mutter, armer Vater,« sagte Mary, während sich ihre Augen mit Thränen füllten und sie ein Schluchzen nur mühsam unterdrücken konnte. Sie blickte, ohne von Fred Notiz zu nehmen und ganz versunken in die Erwägung der Folgen, die dieser Vorfall für ihr elterliches Haus haben würde, vor sich hin. Auch Fred, der sich elender fühlte als je, schwieg einige Augenblicke.

»Ich hätte Alles darum gegeben, wenn ich Sie nicht so hätte kränken müssen, Mary,« sagte er endlich, »Sie werden mir nie verzeihen können.«

»Was liegt daran, ob ich Ihnen verzeihe,« erwiderte Mary leidenschaftlich. »Würde meine Mutter deshalb weniger das Geld verlieren, das sie mit vierjährigem Unterrichtertheilen verdient hat, um Alfred zu Herrn Hanmer in die Lehre geben zu können? Meinen Sie, daß es mit dem Allen nichts auf sich hätte, wenn ich Ihnen verziehe?«

»Sagen Sie nur Alles, was Sie wollen, Mary, ich habe es reichlich verdient.«

»Ich will gar nichts mehr sagen,« entgegnete Mary ruhiger, »mein Zorn nützt ja doch zu nichts.«

Sie trocknete ihre Thränen, warf ihr Buch bei Seite, stand auf und holte sich eine Handarbeit.

Fred blickte ihr nach in der Hoffnung, daß seine Augen den ihrigen begegnen und er sie auf diesem Wege für den Ausdruck seiner Vergebung erbittenden Reue empfänglich finden würde. Aber nein! Mary konnte es leicht vermeiden, aufzublicken.

»Mich bekümmert es, daß Ihre Mutter ihr Geld verlieren soll,« sagte er, als sie sich wieder niedergesetzt hatte und rasch an ihrer Arbeit nähte. »Ich wollte Sie fragen, Mary – meinen Sie nicht, daß Herr Featherstone, wenn Sie ihm etwas davon sagten – ich meine von dem Lehrgeld für Alfred, das Geld vorschießen würde?«

»Meine Familie bettelt nicht gern, Fred. Wir ziehen es vor, uns unser Geld durch Arbeit zu verdienen. Ueberdies sagen Sie ja, daß Herr Featherstone Ihnen erst kürzlich hundert Pfund geschenkt hat. Geschenke aber macht er sehr selten, und uns hat er noch nie etwas geschenkt. Ich bin sicher, daß mein Vater nichts von ihm erbitten wird, und selbst, wenn ich mich entschließen wollte, ihn anzubetteln, so würde es mir doch nichts helfen.«

»Ich fühle mich so namenlos elend, Mary, – wenn Sie wüßten, wie elend, so würden Sie mich beklagen.«

»Es giebt andere Dinge, die ich mehr Ursache habe zu beklagen; aber egoistische Menschen glauben immer, ihre eigene Behaglichkeit sei wichtiger, als irgend etwas Anderes in der Welt. Davon habe ich täglich ein Beispiel vor Augen.«

»Es ist doch kaum billig, daß Sie mich egoistisch nennen. Wenn Sie wüßten, was andere junge Leute für Dinge thun, würden Sie finden, daß ich noch lange keiner von den Schlechtesten bin.«

»Ich weiß soviel, daß Menschen, die viel Geld für sich selbst brauchen, ohne es zu haben, Egoisten sein müssen; sie denken immer nur daran, was sie für sich thun können, und nicht an das, was andere Leute vielleicht dadurch verlieren.«

»Jeder Mensch kann Unglück haben, Mary, und sich außer Stande finden, in einem gegebenen Augenblicke zu bezahlen, wenn er auch die feste Absicht hatte, es zu thun. Es giebt keinen besseren Mann auf der Welt, als Ihren Vater, und er ist doch einmal in Verlegenheit gerathen.«

»Wie können Sie es wagen, sich mit meinem Vater zu vergleichen, Fred?« sagte Mary in einem Tone tiefer Entrüstung. »Mein Vater ist nie dadurch in Verlegenheit gerathen, daß er auf sein eigenes müssiges Vergnügen bedacht war, sondern nur dadurch, daß er nie an etwas Anderes als an die Arbeit dachte, die er für Andere zu thun hatte. Und er hat sich auf's Aeußerste eingeschränkt und schwer gearbeitet, um Niemanden in Verlust zu bringen.«

»Und glauben Sie denn, daß ich mich nicht bemühen werde, das Geschehene wieder gut zu machen, Mary? Es ist nicht edel, das Schlimmste von einem Menschen zu denken. Und wenn man etwas über einen Menschen vermag, sollte man, glaube ich, versuchen, seinen Einfluß dazu anzuwenden, ihn besser zu machen; aber das thun Sie nie. Aber ich will gehen,« schloß Fred mit matter Stimme. »Ich werde nie wieder mit Ihnen über irgend etwas reden. Es thut mir aufrichtig leid, daß ich so viel Unannehmlichkeiten verursacht habe; weiter habe ich nichts mehr zu sagen.«

Mary ließ ihre Arbeit in den Schoß sinken und blickte auf. Selbst die Liebe eines Mädchens hat oft etwas Mütterliches, und Mary's harte Lebenserfahrungen hatten ihrem Gemüthe eine Empfänglichkeit gegeben, die sehr verschieden von dem fühllosen und oberflächlichen Ding war, das wir Mädchenhaftigkeit nennen. Bei Fred's letzten Worten überkam sie plötzlich eine innere Bangigkeit, ein Gefühl, wie es eine Mutter empfindet, wenn sie sich vorstellt, wie ihr unartiges, weinend davongelaufenes Kind sich vielleicht verirren und zu Schaden kommen könne – und als ihre aufblickenden Augen dem Ausdrücke dumpfer Verzweiflung in Fred's Blicken begegneten, überwog das Mitleid ihren Zorn und all ihre anderen Bekümmernisse.

»O, Fred, wie schlimm sehen Sie aus! Setzen Sie sich einen Augenblick. Gehen Sie noch nicht fort. Lassen Sie mich Onkel sagen, daß Sie hier sind. Er hat sich schon gewundert, daß er Sie seit einer Woche nicht gesehen hat.«

Mary sprach hastig, ohne recht zu wissen, was sie sagte, aber in einem halb beschwichtigenden, halb bittenden Tone und stand auf, als ob sie zu Herrn Featherstone hinaufgehen wolle.

Fred war zu Muthe, als ob die Wolken sich plötzlich zertheilt hätten und ihm wieder ein Sonnenstrahl leuchte; er trat einige Schritte vor und stellte sich ihr in den Weg.

»Sagen Sie ein einziges Wort, Mary, und ich will Alles thun. Sagen Sie, daß Sie nicht das Schlimmste von mir denken, mich nicht ganz aufgeben wollen.«

»Als ob es mir Vergnügen machte, schlecht von Ihnen zu denken,« sagte Mary traurig. »Als ob es nicht höchst peinlich für mich wäre, zu sehen, daß Sie ein frivoler Müßiggänger sind. Wie können Sie es nur ertragen, so verächtlich dazustehen, während Andere arbeiten und ringen und es doch so viel zu thun giebt, – wie können Sie es ertragen, zu nichts in der Welt nütze zu sein? Und doch könnten Sie, bei Ihren guten Anlagen, so viel leisten, Fred.«

»Ich will mich bemühen, Alles zu thun, was Sie wollen, Mary, wenn Sie sagen wollen, daß Sie mich lieben.«

»Ich würde mich schämen zu sagen, daß ich einen Mann liebe, der sich immer auf Andere verlassen und auf das rechnen muß, was sie etwa für ihn thun möchten. Was soll aus Ihnen werden? Bis Sie vierzig Jahre alt sind, werden Sie wohl so ein Müßiggänger geworden sein wie Herr Bowyer, der fette schäbige Patron, der den ganzen Tag in Frau Beck's Empfangszimmer herumliegt, und werden Ihre Vormittage, in der Hoffnung, daß Jemand Sie zu Tisch einladen werde, damit zubringen, sich einen komischen Gesang, o nein, was sag' ich! eine Melodie auf der Flöte einzustudiren.«

Schon als Mary die Frage über Fred's Zukunft that, umspielte ihre Lippen ein Lächeln, – junge Gemüther sind so wandelbar! – Noch ehe sie aber mit ihrer Apostrophe zu Ende war, hatte ihr Gesicht schon wieder seinen vollen Ausdruck spaßhafter Laune. Auf Fred wirkte es wie das Nachlassen eines empfindlichen Schmerzes, daß Mary wieder über ihn lachen konnte, und mit einer Art leidenden Lächelns versuchte er es, sich ihrer Hand zu bemächtigen, aber sie entschlüpfte ihm rasch nach der Thür und sagte: »Ich will Onkel Bescheid sagen. Sie müssen ihn einen Augenblick sprechen.«

Fred war innerlich überzeugt, daß seine Zukunft, ganz abgesehen von jenem »Alles,« welches er sich, falls Mary es nur näher bezeichnen wolle, zu thun bereit erklärt hatte, gegen das Eintreffen ihrer sarkastischen Prophezeihungen gesichert sei.

Er wagte es nie in Mary's Gegenwart seine Aussichten auf die Erbschaft des Herrn Featherstone zu berühren, und sie ignorirte dieselbe stets völlig, als ob er sich alles selbst zu verdanken haben müsse. Sobald er aber einmal wirklich in den Besitz des Vermögens gelangt sein werde, würde Mary, sagte er sich, doch die mit seiner Stellung vorgegangene Veränderung anerkennen müssen.

Alles das ließ er sich in seinem schlaffen Zustande langsam durch den Kopf gehen, bevor er zu seinem Onkel hinaufging. Er blieb nur kurze Zeit bei demselben unter dem Vorwande, daß er erkältet sei, und Mary ließ sich nicht wieder blicken, bevor er das Haus verlassen hatte. Auf seinem Heimritt aber fing er an zu fühlen, daß er in der That mehr krank als melancholisch sei.

Als Caleb Garth bald nach eingetretener Dämmerung in Stone-Court eintraf, war Mary nicht überrascht, obgleich er selten Zeit fand, sie zu besuchen, und es durchaus nicht liebte sich mit Herrn Featherstone zu unterhalten. Der Alte seinerseits fand ebenso wenig Geschmack an der Gesellschaft eines Schwagers, den er nicht ennuyiren konnte, der sich nichts daraus machte, für arm gehalten zu werden, nichts von ihm zu erbitten hatte und der sich auf alle Arten von Pacht- und Grubengeschäften besser verstand als er. Aber Mary war überzeugt gewesen, daß ihre Eltern sie würden sehen wollen, und wenn ihr Vater nicht gekommen wäre, würde sie sich am nächsten Tage Erlaubniß erbeten haben, auf ein Paar Stunden nach Hause zu gehen.

Nachdem Herr Garth sich beim Thee mit Herrn Featherstone über Preise unterhalten hatte, sagte er, als er aufstand, um sich bei dem Alten zu verabschieden: »Ich möchte Dich sprechen, Mary.«

Sie nahm eine Kerze und führte ihn in ein anderes großes Empfangzimmer, wo kein Feuer im Kamin brannte, und wandte sich hier, nachdem sie das schwach brennende Licht auf den dunkeln Mahagoni-Tisch niedergesetzt hatte, nach ihrem Vater um, schlang ihre Arme um seinen Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen, die er sich mit Entzücken gefallen ließ, und unter denen der Ausdruck seiner großen Augbrauen milder wurde, wie der Ausdruck eines großen schönen Hundes milder wird, wenn man ihn liebkost. Mary war sein Lieblingskind, und was Susanne auch sagen und wie Recht sie auch sonst in allen Dingen haben mochte, Caleb fand es nur natürlich, daß Fred oder irgend sonst Jemand sie liebenswürdiger finde als andere Mädchen.

»Ich muß Dir etwas mittheilen, liebes Kind,« sagte Caleb in seiner zögernden Weise. »Nichts sehr Erfreuliches, aber es könnte etwas Schlimmeres sein.«

»Betrifft es eine Geldangelegenheit, Vater? Ich glaube, ich weiß schon, was es ist.«

»Wie ist das möglich? – Siehst Du, ich habe einmal wieder ein Bischen wie ein Narr gehandelt und habe meinen Namen auf einen Wechsel gesetzt und der wird jetzt fällig, und Mutter muß ihre Ersparnisse hergeben, das ist das Schlimmste bei der Sache, und selbst die reichen noch nicht ganz aus. Wir brauchen hundertundzehn Pfund, Mutter aber hat nur zweiundneunzig Pfund und ich kann von meinem Bankguthaben nichts entbehren – und sie meint, Du würdest Dir etwas erspart haben.«

»O, ja, ich habe mehr als vierundzwanzig Pfund. Ich dachte mir, daß Du kommen würdest, Vater, und habe das Geld darum in meinen Arbeitsbeutel gethan. Sieh' nur! schöne weiße Banknoten und Gold.«

Mary nahm das zu einem kleinen Packet zusammengefaltete Geld aus ihrem Beutel und steckte es ihrem Vater in die Hand.

»Gut, aber nein, wir brauchen ja nur achtzehn Pfund – hier, nimm das übrige zurück, mein Kind, aber wie hast Du es erfahren?« fragte Caleb, den in seiner unüberwindlichen Gleichgültigkeit gegen Alles, was Geld hieß, nur noch der Gedanke zu preoccupiren schien, welchen Einfluß wohl die Sache auf Mary's Neigung haben möchte.

»Fred hat es mir heute Vormittag mitgetheilt.«

»O! War er eigens deshalb hergekommen?«

»Ja, ich glaube wohl. Er war sehr niedergeschlagen.«

»Ich fürchte, Mary, Fred ist kein zuverlässiger Mensch,« sagte der Vater in einem zögernd zärtlichen Ton. »Er meint es vielleicht besser, als er handelt. Aber ich würde das Glück jedes Menschen gefährdet glauben, der sich ihm ganz hingäbe, und das ist auch Mutters Ansicht.«

»Und meine auch, Vater,« sagte Mary, ohne aufzublicken, indem sie den Rücken der Hand ihres Vaters an ihre Wange drückte.

»Ich will nicht zudringlich sein, liebes Kind aber ich war bange, es möchte zwischen Dir und Fred nicht ganz richtig sein, und da wollte ich Dich nur warnen. Siehst Du, Mary,« und bei diesen Worten wurde Caleb's Stimme zärtlicher; er hatte bisher seinen Hut auf dem Tische hin- und hergeschoben und denselben angesehen, jetzt aber richtete er seine Blicke auf seine Tochter, »eine Frau, und wenn sie die beste auf der Welt wäre, muß sich in das Leben finden, das ihr Mann ihr bereitet. Deine Mutter hat sich um meinetwillen in vieles finden müssen.«

Mary zog die Hand ihres Vaters an ihre Lippen und lächelte dabei.

»Nun, nun, kein Mensch ist vollkommen, aber –« hier schüttelte Herr Garth den Kopf, um der Unzulänglichkeit seiner Ausdrücke nachzuhelfen – »was ich meine, ist, wie schlimm es für eine Frau sein muß, wenn sie ihres Mannes nie sicher sein kann, wenn er nicht feste Grundsätze hat, die ihn mehr fürchten lassen. Andern Unrecht zu thun, als selbst auf die Füße getreten zu werden. Junge Leute kommen leicht dazu, sich einander gern zu haben, ehe sie das Leben kennen, und meinen dann, es würde für sie nur Feiertage geben, wenn sie sich nur heirathen könnten; aber nur zu bald stellen sich die Arbeitstage ein, liebes Kind! Du bist ja freilich verständiger als die meisten Mädchen und bist nicht in Baumwolle gewickelt worden, ich brauchte Dir also vielleicht so etwas gar nicht zu sagen, aber ein Vater ist immer ängstlich besorgt für das Glück seiner Tochter und Du bist ganz allein hier.«

»Fürchte nichts für mich, Vater,« sagte Mary ernst, indem sie ihren Vater ansah, »Fred ist immer sehr gütig gegen mich gewesen; er hat ein gutes liebevolles Herz und ist, glaub' ich, bei aller Nachgiebigkeit gegen sich selbst, doch nicht falsch. Aber ich werde mich nie mit einem Menschen verloben, dem es an männlicher Unabhängigkeit fehlt und der seine Zeit vergeudet und sich mit der Hoffnung tröstet, daß Andere für ihn sorgen werden. Dazu habe ich zu viel Stolz, wie Du und Mutter ihn mich gelehrt haben.«

»Das ist recht, das ist recht. Dann bin ich beruhigt,« sagte Herr Garth indem er nach seinem Hute griff. »Aber es drückt mich, Dir Deine Ersparnisse abnehmen zu müssen, mein Kind.«

»Vater!« rief Mary mit einem emphatischen Ausdruck der Abwehr – »Nimm nur noch die Taschen voll innigster Liebe für alle zu Hause mit,« lauteten ihre letzten Worte als Herr Garth zur Hausthür hinausging.

»Dein Vater hat wohl Deine Ersparnisse von Dir haben wollen,« sagte der alte Featherstone mit der ihm eigenen Gabe, unangenehme Dinge richtig zu argwöhnen, als Mary wieder zu ihm kam. »Es geht ihm wohl recht knapp. Aber Du bist jetzt mündig und solltest für Dich selbst sparen.«

»Ich betrachte meinen Vater und meine Mutter als das beste Theil meiner selbst, Herr Featherstone,« erwiderte Mary kalt.

Der Alte grunzte; er konnte nicht in Abrede stellen, daß es nur recht sei, wenn man ein so gewöhnliches Mädchen, wie sie es war, auszubeuten suche; er war daher auf etwas anderes bedacht, das unangenehm genug wäre, um immer apropos zu sein.

»Wenn Fred Vincy morgen kommt, hörst Du, halt' Dich nicht beim Plaudern mit ihm auf; laß' ihn gleich zu mir hinaufkommen.«



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