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Als Arthur Donnithorne in Liverpool ans Land stieg und den Brief las, worin Tante Lydia ihm den Tod seines Großvaters kurz anzeigte, da war sein erstes Gefühl: »Der arme Großvater! Ich wollte, ich hätte ihn noch am Leben treffen können. Vielleicht hätte er mir vor seinem Ende noch etwas zu sagen gehabt, was ich nun nie erfahre. So einsam zu sterben!«
Tiefer ging sein Gram nicht. Mitleid und eine freundliche Erinnerung traten an die Stelle der alten Abneigung und wie der Wagen ihn rasch der Heimat zuführte, wo er jetzt Herr sein sollte und seine Gedanken eifrig in die Zukunft vorauseilten, da bemühte er sich immer wieder von neuem, wie er das Andenken seines Großvaters durch nachträgliche Erfüllung seiner Wünsche ehren könne, ohne dabei gegen seine eigenen Lieblingswünsche für das Beste der Pächter und des Gutes zu handeln. Aber es liegt nicht in Menschenart – nur in menschlicher Übertreibung – daß ein junger Mann wie Arthur, mit gesundem Körper und lebhaftem Temperament, mit sich und der ganzen Welt zufrieden und der auch die ganze Welt mit sich zufrieden glaubt und ein sehr eifriges Verlangen trägt, der Welt für ihre gute Meinung immer mehr Grund zu geben – daß ein solcher junger Mann, wenn er durch den Tod eines hochbejahrten Mannes, mit dem er nie Liebe getauscht hat, in den Besitz eines glänzenden Vermögens kommt, etwas anderes empfinden soll als Freude und Jubel. Jetzt erst begann sein Leben recht; jetzt hatte er Raum und Gelegenheit zum Handeln und er wollte sie benutzen. Er wollte den Leuten in der Grafschaft zeigen, was ein tüchtiger Gutsbesitzer sei; er hätte diese Stellung mit keiner andern unter der Sonne vertauscht. Er sah sich schon an kühlen Herbsttagen über die Hügel reiten und Entwässerungen und Verzäunungen beaufsichtigen, die ihm sehr am Herzen lagen; dann sah er sich an nebligen Morgen bei der Jagd bewundert als der beste Reiter auf dem besten Pferde; an Markttagen sprach man gut von ihm als einem ausgezeichneten Gutsherrn; mit der Zeit hielt er große Reden bei Wahlbanketts und bewies eine wunderbare Kenntnis des Landbaues; er patronisierte neue Pflüge und Eggen, sagte unordentlichen Landwirten tüchtig die Meinung und war vor allem ein lustiger Geselle, den jeder gern haben mußte, den vergnügte Gesichter überall auf seinem eigenen Gute grüßten und mit dem die Familien der Nachbarschaft auf dem besten Fuße standen. Irwines sollten jede Woche bei ihm essen und ihren eigenen Wagen haben; denn auf eine sehr zarte Weise, die er sich schon ausdenken wolle, müsse er den Pächter der Zehnten in Hayslope dahin bringen, daß er dem Pastor ein paar hundert Pfund jährlich zulege. Seine Tante sollte es so gut haben wie möglich und auf dem Schlosse weiter leben, wenn sie wollte, trotz ihrer altjüngferlichen Gewohnheiten – wenigstens bis er sich verheiratete und dies Ereignis lag noch in weiter Ferne, weil Arthur die passende Frau für das »Muster eines Gutsbesitzers« noch nicht gesehen hatte.
So weit die Gedanken eines Menschen während stundenlanger Fahrt sich in wenige Sätze zusammenfassen lassen, die sozusagen nur eine Namensliste enthalten von den verschiedenen Scenen eines langgedehnten, farbenglänzenden, mit allen Einzelheiten des Lebens ausgefüllten Panoramas, waren dies die Gedanken, die Arthur hauptsächlich beschäftigten. Die glücklichen Gesichter, von denen er sich im Geiste gegrüßt sah, waren nicht blasse Schattenbilder, sondern wirkliche frische Gesichter, ihm seit lange vertraut: Pachter Poyser war dabei, das ganze Poysersche Haus.
Auch Hetty?
Ja, auch Hetty. Arthur war über sie ganz beruhigt; zwar nicht ganz beruhigt über die Vergangenheit, denn die Ohren brannten ihm wohl etwas, sobald er an die Scenen mit Adam im vergangenen August dachte, aber ganz ruhig über ihr jetziges Los. Irwine hatte ihm regelmäßig alle Neuigkeiten aus der ganzen Gegend mitgeteilt und ihm vor fast drei Monaten geschrieben, Adam Bede werde nicht Marie Burge heiraten, wie er geglaubt habe, sondern die hübsche Hetty Sorrel; sowohl Poyser als auch Adam selbst hätten ihm alles erzählt; schon seit zwei Jahren sei Adam in Hetty bis über die Ohren verliebt und jetzt sei die Hochzeit auf Mitte März angesetzt; der stattliche Bursch, der Adam, sei ein Schelm und so verliebter Natur, wie er (der Pastor) sich nie vorgestellt; es sei wirklich eine ganz idyllische Liebesgeschichte und wenn es für einen Brief nicht zu lang wäre, so beschriebe er gern, mit welchem Erröten und wie einfachen, kräftigen Worten der vortreffliche, brave Mensch ihm sein Herzensgeheimnis mitgeteilt habe. Er wisse, schloß der Pastor, Arthur würde es gern hören, daß Adam nun auch dieses Glück bevorstehe.
Ja freilich hörte es Arthur gern! Als er die Stelle in dem Brief gelesen hatte, fühlte er sich wie neugeboren und es wurde ihm zu eng in seinen vier Wänden. Er riß die Fenster auf, stürzte aus der Thür in die kalte Dezemberluft und grüßte jeden, der ihn ansprach, so heiter und lustig, als wenn eine neue Siegesbotschaft von Nelson eingetroffen wäre. Zum erstenmale seit seiner Abreise von Haus hatte er wieder frischen Jugendmut; die Last, die ihn bedrückte, war von ihm genommen, die Furcht, die ihn verfolgt hatte wie ein Gespenst, war gewichen. Jetzt, dachte er, könne er wieder seine Bitterkeit gegen Adam überwinden, ihm die Hand reichen und ihn bitten, wieder sein Freund zu sein, obschon ihm noch immer die Ohren brannten vor schmerzlicher Erinnerung. Er war zu Boden geschlagen worden und in die Notwendigkeit gebracht zu lügen, das läßt immer eine Narbe, mag man thun was man will. Aber wenn Adam wieder derselbe wäre wie in alten Tagen, dann wollte Arthur auch wieder derselbe sein und Adam sollte zu seinem Geschäft und zu seiner Zukunft gehören, wie er bis zu der verwünschten Überraschung im August immer gehofft hatte. Ja, er wollte jetzt noch viel mehr für Adam thun als er sonst gethan hätte; Hettys Mann hatte noch besondere Ansprüche auf ihn und Hetty selbst sollte fühlen, daß er ihr jeden Kummer, den er ihr früher gemacht, hundertfältig ersetze. Und besonders tief konnte es bei ihr doch nicht gegangen sein, da sie so bald eingewilligt habe, Adam zu heiraten.
Man sieht also deutlich, welches Bild Adam und Hetty auf dem Zukunfts-Panorama machten, das Arthur auf seiner Reise nach Haus vor sich entrollte. Es war schon im März, bald machten sie Hochzeit, vielleicht waren sie bereits verheiratet. Und jetzt stand es wirklich in seiner Macht, viel für sie zu thun, recht viel. Die liebe, süße Hetty! Das kleine Ding hatte sich nicht halb so viel aus ihm gemacht wie er sich aus ihr; er war ja noch immer ganz närrisch in sie vergafft, war beinahe bange vor dem Wiedersehen und hatte seit dem Abschied von ihr kaum eine andere Frau eines Blickes gewürdigt. Wie die zierliche Gestalt im Wäldchen auf ihn zukam, mit den kindlichen, dunkelgesäumten Augen ihn anblickte, ihm die reizenden Lippen zum Kuß reichte – das Bild war in all den Monaten noch nicht verblaßt. Und noch immer sah sie so aus, ganz gewiß. Wie er vor sie treten werde, konnte er sich gar nicht denken; gewiß würde er beim Wiedersehen zittern. Seltsam, wie lange so etwas nachwirkt; er war doch sicher jetzt in Hetty nicht mehr verliebt, hatte Monate lang ernstlich gewünscht, sie möchte Adam heiraten und auch jetzt machte ihn nichts glücklicher als der Gedanke an diese Heirat. Gestehen wir es: es war nur die Übertreibung seiner Einbildungskraft, welche sein Herz auch jetzt noch bei dem Gedanken an sie schneller schlagen machte. Wenn er das kleine Ding wiedersah, wie sie wirklich war, als Adams Frau und ganz prosaisch bei der Arbeit in ihrem neuen Haushalt, dann wunderte er sich vielleicht, wie es nur möglich gewesen, daß er früher so für sie geschwärmt. Aber dem Himmel sei Dank, daß es sich so gut gewandt! Jetzt, dachte er, habe er ja genug zu thun und zu bedenken, um sein Leben auszufüllen und laufe nicht Gefahr, wieder zum Narren zu werden. Wie lustig, wenn der Postillon mit der Peitsche knallt! Wie angenehm das Gefühl, rasch und behaglich durch eine englische Landschaft hinzurollen, die so an die eigene Heimat erinnert und nur nicht ganz so hübsch ist. Hier war ein Marktflecken – beinahe wie Treddleston, wo auf dem Schilde des ersten Wirtshauses das Wappen des benachbarten Gutsherrn stand; dann kamen Felder und Hecken, so nahe bei dem Städtchen, daß sie angenehm an hohen Pachtzins erinnerten und nun kamen sauber bestellte Feldfluren und die Gehölze mehrten sich und endlich blickte das weiße oder rote Haus des Gutsherrn von einer mäßigen Anhöhe herab oder lugte mit Zinnen und Schornsteinen aus dichten Eichen und Ulmen hervor, die schon von frühen Knospen einen rötlichen Hauch trugen. Dicht dabei das Dorf; die kleine Kirche mit dem roten Ziegeldach sah selbst unter den verfallenen Häusern aus Fachwerk noch bescheiden aus; daneben die alten bemoosten Grabsteine, von Nesseln halb überwachsen; nichts frisch und munter als die Kinder, die ihre runden Augen weit aufrissen über die schnelle Extrapost; nichts laut und geschäftig als die kläffenden Köter von zweifelhafter Herkunft. Da war Hayslope doch ein viel hübscheres Dorf! Und es sollte nicht so verfallen wie dies hier; tüchtig sollte gebaut werden an allen Bauernhöfen und Hütten und die Reisenden, welche die große Straße von Rosseter entlang kämen, sollten nichts thun als bewundern. Und alle diese Bauten sollte Adam Bede leiten; er hatte ja jetzt bei Burge einen Anteil am Geschäft und wenn's ihm recht wäre, wollte Arthur etwas Geld hineinstecken und dem alten Mann in ein oder zwei Jahren das Geschäft ganz abkaufen. Die Geschichte vom letzten Sommer war allerdings eine böse Sache, das sah er ein. Aber die Zukunft sollte alles wieder gutmachen. Wie mancher andere hätte gegen Adam ein Gefühl von Rachsucht behalten! Das wollte er nicht; jede Kleinigkeit dieser Art wolle er tapfer überwinden; denn gewiß sei er sehr im Unrecht gewesen und obgleich Adam barsch und heftig aufgetreten sei und ihn in eine peinliche Verlegenheit gebracht habe, – der arme Mensch war ja verliebt und wirklich gereizt. Nein, in Arthurs Seele war kein Groll, kein unfreundlicher Gedanke gegen irgendwen auf der Welt; er war glücklich und wollte auch jeden glücklich machen, der in seinem Bereich lebte.
Und endlich war das liebe, alte Hayslope wirklich da und lag so ruhig auf dem Hügel als schliefe es im letzten Nachmittagsscheine, im Hintergrunde die mächtigen Hügel gelagert, und darunter das rötliche Dunkel der Wälder an den Abhängen und endlich sah die weißgraue Front der Abtei aus den Eichen des Parks hervor.
»Der arme Großvater, da liegt er nun tot. Auch er war mal jung und trat das Gut an und machte seine Pläne für die Zukunft. Das ist der Lauf der Welt! Die arme Tante Lydia muß sich recht verlassen fühlen; aber ich will sie so verziehen wie sie ihren fetten Schoßhund.«
Im Schlosse hatte man schon ängstlich auf Arthurs Rückkehr gewartet, denn heute war Freitag und das Begräbnis schon zwei Tage aufgeschoben. Ehe sein Wagen auf den Hof fuhr, hatten sich alle Diener des Hauses versammelt, um ihn so ernst und gemessen zu empfangen, wie es sich für ein Haus des Todes ziemte. Noch vor einem Monat würde es ihnen vielleicht schwer geworden sein, die nötige Betrübnis im Gesicht zu bewahren, wenn Arthur damals sein Erbe angetreten hätte. Aber heute trauerten sie im Herzen um etwas anderes als den Tod des alten Herrn und mehr als einer hätte gewünscht, mit dem Gärtner Craig in Stoniton zu sein und zu wissen, was aus Hetty Sorrel würde, der hübschen Hetty Sorrel, die sie früher jede Woche im Schloß gesehen hatten. Natürlich waren sie als alte Diener des Hauses etwas parteiisch und gingen in ihrer Entrüstung gegen den Urheber dieses Übels nicht so weit wie die Bauern, sondern suchten ihn möglichst zu entschuldigen; aber trotzdem mußten doch die besten unter ihnen, die Jahre lang freundlichen Verkehr mit Poysers gehabt hatten, wohl fühlen, daß dem lang ersehnten Tage, wo der junge Herr das Gut antrat, alle Freude genommen sei.
Für Arthur hatte es nichts überraschendes, daß die Diener ernst und traurig aussahen; er war selbst sehr gerührt, sie alle wieder zu sehen und zu fühlen, daß er zu ihnen jetzt in einem neuen Verhältnis stehe. Er hatte so jene Art von leidenschaftlicher Empfindung, die mehr freudig als schmerzlich ist, – vielleicht der angenehmste Zustand für einen gutmütigen Menschen, der sich der Macht bewußt ist, seiner Gutmütigkeit Genüge thun zu können. Das Herz schwoll ihm angenehm als er sagte: »Nun, Johann, wie geht's meiner Tante?«
Aber da trat der Advokat, der seit dem Tode des alten Herrn immer im Hause gewesen war, an ihn heran, um sich dem neuen Herrn ehrfurchtsvoll zu empfehlen und seine Fragen zu beantworten und Arthur ging mit ihm in die Bibliothek, wo ihn Tante Lydia erwartete. Die Tante war die einzige im ganzen Hause, die nichts von Hetty wußte; in ihren Schmerz als die einzige und unverheiratete Tochter des Verstorbenen mischten sich keine anderen Gedanken als die der Sorge wegen des Begräbnisses und ihrer eigenen Zukunft, und nach Frauenart trauerte sie um den Vater, der ihr Leben zu etwas gemacht hatte, um so mehr, als sie im stillen fühlte, die Trauer um ihn sei sonst nicht groß. Aber Arthur küßte ihr das weinende Gesicht zärtlicher als er je gethan.
»Liebe Tante,« sagte er herzlich, indem er ihre Hand ergriff, »du hast am meisten verloren, aber du mußt mir sagen, wie ich versuchen kann, es dir dein ganzes übriges Leben zu ersetzen.«
»Es kam so plötzlich und war so schrecklich, Arthur,« begann das arme Fräulein und erging sich in ihren kleinen Klagen und Beschwerden; Arthur mußte sich setzen und mit ungeduldiger Geduld zuhören. Endlich benutzte er eine Pause und sagte:
»Jetzt muß ich dich auf eine Viertelstunde verlassen, Tante, und auf mein Zimmer gehen; dann wollen wir alles genau überlegen. – Mein Zimmer ist doch in Ordnung, Johann?« sagte er zu dem Kellermeister, der unruhig im Vorzimmer zu warten schien.
»Ja wohl, Herr Kaptän und es sind Briefe für Sie da; sie liegen alle auf dem Schreibtisch in Ihrem Ankleidezimmer.«
In dem kleinen Vorzimmer, welches das Ankleidezimmer hieß, obschon Arthur fast immer nur darin faulenzte und schrieb, warf er im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick auf den Schreibtisch und sah verschiedene Briefe und Pakete daliegen, aber er war von der langen, eiligen Reise ganz verstaubt und mußte sich etwas erfrischen und umkleiden, ehe er die Briefe lesen konnte. Sein Bedienter hatte schon alles in Ordnung und bald fühlte er sich so frisch als finge er einen neuen Tag an und ging in das kleine Zimmer zurück, um die Briefe zu lesen. Die Strahlen der späten Nachmittagssonne fielen voll durch das Fenster und als sich Arthur in ihrem angenehmen warmen Scheine auf den sammetnen Armstuhl niederließ, empfand er jenes ruhige Wohlbehagen, wie du es, lieber Leser und ich selbst wohl schon an einem sonnigen Nachmittag empfunden haben, wenn in den Tagen unserer besten Jugend und Gesundheit das Leben sich mit einer neuen Aussicht vor uns erschloß und eine lange, thätige Zukunft sich vor uns dehnte wie eine liebliche Ebene, die wir uns gar nicht beeilen brauchten genau anzusehen, weil sie ganz uns gehörte.
Der oberste Brief trug Irwines Handschrift und »sofort zu bestellen« war darauf bemerkt. Einen Brief von Irwine grade jetzt vorzufinden, war für Arthur nichts weniger als überraschend; natürlich hatte er ihm etwas mitzuteilen, noch ehe sie einander sehen konnten. Arthur brach den Brief auf, indem er sich schon im voraus freute, den Schreiber selbst auch bald zu sehen:
»Ich schicke Ihnen diesen Brief gleich zu Ihrer Ankunft entgegen, Arthur, weil ich dann selbst wohl in Stoniton bin, wohin mich die schmerzlichste Pflicht ruft, die ich je habe erfüllen müssen und weil es recht ist, daß Sie ohne Aufschub erfahren, was ich zu sagen habe.
»Ich will nicht versuchen, der Vergeltung, die jetzt auf Sie fällt, ein Wort des Vorwurfs hinzuzufügen; was ich auch schreiben könnte, würde schwach und unbedeutend sein neben der einfachen Thatsache, die ich Ihnen berichten muß.
»Hetty Sorrel ist im Gefängnis und steht am Freitag vor Gericht wegen Kindesmordes . . .«
Weiter las Arthur nicht. Er sprang vom Stuhl auf und bebte einen Augenblick am ganzen Leibe so furchtbar, als wenn das Leben mit heftigen Pulsschlägen aus ihm entwiche, aber im nächsten Augenblick war er schon aus dem Zimmer gestürzt, immer noch den Brief fest in der Hand und eilte über den Flur die Treppe hinunter aus der Hausthür. Der Kellermeister stand noch da, aber Arthur sah ihn nicht, als er gleich einem Gehetzten hinausstürzte, den Weg nach dem Stalle hin. Der Diener eilte hinter ihm her, so schnell seine alten Glieder erlaubten; er ahnte, er wußte, wo der junge Herr hinwollte. Als er den Stall erreichte, wurde schon ein Pferd gesattelt und Arthur stand dabei und zwang sich, den übrigen Inhalt des Briefes zu lesen. So wie das Pferd ihm vorgeführt wurde, steckte er ihn in die Tasche und in dem Augenblick sah er den Diener mit besorgtem Gesicht vor sich.
»Sagt im Hause, daß ich fort bin – nach Stoniton,« sprach er mit fast erstickter Stimme, schwang sich aufs Pferd und sprengte im Galopp davon.