Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Baholoholo
Östliches Uruwa

Einst war die Erde unbewohnt; Kabezya-Mpunga hatte sie geschaffen. Da sandte er Kyomba, den ersten Mann, und zwei Frauen. Da er sie schickte, gab er ihm Werkzeuge, Feuer zu bereiten. In seine Haare legte er den Samen der Pflanzen. Kyomba erging sich eines Tages und sah kleine Pflanzen, kaum aufgekeimt. Er erkannte, daß sie vom Samen waren, den er im Haar trug. Die Pflanzen reiften und brachten hervor Mais, Eleusine und Maniok, die Nahrung der Menschen. Er schmeckte sie und fand sie süß. (Bisher lebte er von Waldbeeren.) Er begann zu säen. Dazu muß man den Boden aufwühlen. Er versucht eine Zeit ein gespitztes Holz. Das ist mühevoll. Etwas später sucht er einen spitzen Stein, den er mit einem Stiel versieht. Endlich entdeckt er ein spitzes Eisen, das ist noch härter. Diesmal geht die Arbeit flink vonstatten. Es ist gut. Er wird nicht mehr wechseln.

Inzwischen gebar die Lieblingsfrau ihm einen Sohn. Das Kind wuchs unter den Augen der Eltern auf und half bei der Arbeit.

Andere Kinder, Knaben und Mädchen, kamen zur Welt, von der einen oder anderen Gattin geboren.

Eines Tages wird die Mutter des ältesten Sohnes von tiefer Ohnmacht befallen und sinkt in tiefen Schlaf. Ihre Begleiterin begreift nichts, noch weniger die Kinder. Nur der Vater versteht. Er trägt die Arme heimlich in den Wald und verbirgt sich.

Da beginnt er eine Hütte zu bauen, ein geräumiges Haus; inmitten ein wohlverstecktes Zimmer; ringsum Verschläge, nicht weniger als zehn. Zehn Türen zimmert er. Da alles bereit ist, legt er die Gefährtin im mittleren Zimmer nieder, verschließt fest die zehn Türen und kehrt heim, als sei nichts geschehen.

Kyomba jedoch wachte über die eingeschlossene Gattin. Jeden Tag ging er, ihr ein wenig Nahrung zu bringen und geheime Medizin. Der älteste Sohn begleitete den Vater; doch war ihm unter fürchterlichen Drohungen verboten, davon zur Mutter zu sprechen; Kyomba fürchtete, daß die zweite Frau glaube, die Nebenbuhlerin kehre nicht wieder, und werde dann anmaßend. Die Tage folgen, die Tage blieben die gleichen.

Einmal sagte Kyomba: »Ich reise«, und er geht. Vorher spricht er zum Sohn. »So deine Mutter zur geheimen Wohnung geht, sage ihr, ich verbiete es. Man muß mir in dieser Sache gehorchen, soll nicht Schlimmeres geschehen.«

Indes vergehen zwei Tage, und Kyomba kehrt nicht zurück. Seine Frau gibt dem Knaben einen Topf mit drei Löchern und sagte ihm. »Mein Gatte ergeht sich, ich werde gleiches tun.« Sie geht in den Wald. Plötzlich sieht sie einen schmalen, geebneten Pfad; sie folgt ihm und gelangt zur Hütte, erbaut von Kyomba.

Zum Unheil ist der Sohn fern, ihr den Zutritt zu verbieten. Sie öffnet eine Tür, dann eine zweite, eine dritte. Je weiter sie vordringt, um so mehr wächst ihr die Neugier. Endlich überschreitet sie die neunte Pforte und schickt sich an, die zehnte zu öffnen. Plötzlich läßt eine Stimme sich vernehmen:

»Tritt nicht ein, tritt nicht ein.«

»Und warum nicht, wenn ich eintreten will?«

»Erbarmen, öffne nicht die Tür; so du eintrittst, sterbe ich gleich, und du, auch du wirst sterben.«

»Ich glaube nichts, du bist listig und lügnerisch.«

Sie reißt die Tür weit auf. Da sieht sie ein weißes Mädchen, ganz frisch; eben wurde sie geboren, diese schaut sie an und stürzt tot nieder. Die neugierige Gefährtin sinkt tot zur Seite hin.

Inzwischen kehrt Kyomba zurück von der Reise. Er sieht die Gattin nicht und fragt den Sohn, wo sie sei. –

»Ich weiß es nicht«, erwidert dieser; »sie schickte mich mit einem Topf, Wasser zu schöpfen; das Gefäß war mit drei Löchern durchlöchert. Lange blieb ich am Ufer, vergeblich Wasser zu schöpfen. Zuletzt, müde und ungeduldig, kehrte ich heim, unsere Mutter fand ich nicht. Schon lange, daß ich hier warte.«

Kyomba durchstreift den Wald und ruft überallhin die Gattin. Nur das Echo antwortet. Er fürchtet Unheil und eilt zur geheimen Wohnung. Alle Türen stehen geöffnet, inmitten zwei Tote. Bei solchem Anblick überkommt ihn furchtbare Trauer. Er kehrt heim und spricht:

»Meine Kinder, großes Unheil ist uns widerfahren. Eure erste Mutter fiel in tiefen Schlaf. Ich trug sie in das Herz des Waldes, dort mußte sie einige Zeit bleiben, um später wieder zu erwachen. Gerade jetzt sollte sie sich verwandeln, wieder schön und jung werden. Jedoch, keiner durfte einen Blick nach ihr tun, ehe sie nicht gänzlich vollendet. Nur ich, euer Vater durfte es tun. Eure zweite Mutter, von Neugier bewältigt, überschritt alle Hindernisse, betrachtete sie, und der Tod griff beide. Nun sind sie tot, meine Kinder, sie werden nicht mehr sprechen, nicht unter uns kommen. Wir selbst sind nun wie sie zum Sterben verdammt. So eure erste Mutter die Verwandlung vollendet, hätte sie uns die Unsterblichkeit gewonnen, wir alle wären des Glücks teilhaftig, ewig uns zu verjüngen; jetzt aber müssen wir alle sterben wie sie.«

Der dem Grab Entstiegene erzählt:

Lange, lange ging ich; Monate und Monate, und ich kam in eine Gegend, mit Bananenbäumen bestanden. Dort traf ich eine Frau; ich bat, daß sie mir die Wohnung Kalunga-Niembos, des Häuptlings der Toten weise. Sie zeigte mir eine hohe Steinmauer, die einen Pfad entlanglief. Ich bin ihm Monat und Monat gefolgt; ich traf einen Mann; bat ihn, mir die Wohnung Kalunga-Niembos zu weisen.

Dieser Mann hat mir gesagt: »Ihr seid auf dem guten Weg, folgt der Mauer.« Ich sagte ihm: »Du lügst nicht?« Er antwortete: »Ich bin auch ein Toter.«

Ich folgte der Mauer aus Stein. Es war licht wie auf der Erde.

Ich sah jenseits der Mauer ein hohes steinernes Haus, wie solches nicht auf der Erde steht, und eine Frau sagte mir: »Das ist die Wohnung des Kalunga-Niembo.« Ich schritt dem Tod zu und sah, daß das Haus wie ein hoher Turm gemacht war, also aus Steinen, einer auf den anderen gesetzt. Und es gab noch andere Häuser für seine Frauen.

Die Frauen Kalunga-Niembos bereiteten Feuer und bedienten sich schwarzer, glänzender Stücke wie von Eisen, und die Steine brannten wie trockenes Holz.

Eine Frau frug mich, was ich wolle; ich sagte: »Ich will Kalunga-Niembo sehen und ihn grüßen.« Die Frau stieg hinauf, es ihm zu sagen.

Kalunga-Niembo stieg hinab. Ich sah ihn herabsteigen, und er war noch fern über seinem hohen Haus. Er hatte drei Köpfe, einen hier, einen dort, einen in der Mitte. Er trug die Sonne auf der Stirn und den Mond im Nacken und war ganz mit den Sternen bekleidet. Ich war geblendet und zitterte.

Ich sagte der Frau, ich bin nicht stark, ihn zu grüßen; sie hatte Mitleid mit mir und durchstach mir die Kehle mit einer langen Nadel, und ich fiel tot von neuem. Doch ich sah noch, und die Frau warf Wasser auf mein Gesicht, daß ich nicht geblendet sei. Kalunga-Niembo war gekommen, beugte sich über mich, rieb mich mit dem Öl seines Amuletts und stellte mich aufrecht. Er frug mich: »Wo ist dein Vater und wo deine Mutter?«

»Sie sind gestorben.«

»Und dein Oheim?«

»Er ist gestorben. Ich habe niemanden auf Erden gelassen denn meine kleinen Kinder.«

Dann ließ er meine tote Mutter kommen und sagte: »Willst du deinen Sohn hier behalten, oder willst du, daß er in sein Dorf zurückkehre?«

Meine Mutter befragte ihren Bruder, kehrte zurück und sprach: »Er ließ kleine Kinder, er kehre zurück.«

Kalunga-Niembo gab mir dann eine Banane, groß wie ein Elefantenzahn, und sagte: »Kehre zur Erde zurück und sage den Leuten, daß die Dörfer hier voll Bananen sind.«

Meine Mutter führte mich zum Ausgang des Dorfes; ich wanderte Monate und Monate und kam auf die Erde zurück. Dies ist die Erzählung von Kalunga-Niembo, dem Herrn der Toten.

Kamwepolo

Eines Tages schickte ein Vater den Sohn zur Jagd und sagte: »Wenn du einen Büffel tötest und du kannst ihn nicht heimtragen, so rufe Kamwepolo.«

Der Sohn nahm Bogen und Pfeile, ging. Er ging lang, lang; er stieg drei Gebirge hinauf, hinunter.

Im dritten Tal sah er Büffel, näherte sich ihnen, schleuderte einen Pfeil, und der Büffel fiel; er schleuderte einen anderen Pfeil, und ein anderer Büffel fiel.

Da war er ratlos.

»Was soll ich tun? Ich habe nicht Messer, ich habe nicht Axt, ich habe nicht Kochtopf.«

Er gedachte der Worte des Vaters und rief: »Kamwepolo, Kamwepolo.«

Plötzlich erschien Kamwepolo vor ihm, das war ein winziger Mann, doch gut gebaut; der sprach:

»Was riefst du mich?«

Erwiderte der Jäger:

»Ich habe nicht Messer, ich habe nicht Axt, ich habe nicht Kochtopf. Was soll ich mit den zwei Büffeln, die ich tötete?«

Kamwepolo sagte: »Komm zu mir«, und griff jeden der Büffel am Schwanz und zog sie nach seiner Hütte.

Da sprach er zum Jäger: »Iß immer von der Maisbrühe und dem Fisch«, und der Jäger aß von der Maisbrühe und dem Fisch.

Indessen zerschnitt er das Fleisch, holte viel Holz und begann es zu räuchern. Und da geräuchert war, sprach der Jäger: »Ich kehre heim.« Nahm alles Fleisch, lud es auf die Schultern und den Kopf und ließ Kamwepolo nichts als Knochen und Eingeweide.

Der sagte:

»Du läßt mir nichts als Knochen und Eingeweide?«

»Warum sollte ich dir Fleisch lassen, dir, einem kleinen Nichtsling?«

Sprach Kamwepolo: »Es ist gut, du wirst es bereuen.«

Der Jäger ging, ihn dürstete, er wollte das Wasser eines Baches trinken; aber kaum war das Wasser bei seinen Lippen, da vertrocknete es. Er hungerte und traf Frauen mit Maniok und erbat von ihnen ein Stück; doch das Stück, kaum an seinen Lippen, zerfiel. Ihn dürstete wieder, und er wollte Wasser aus einem Bach trinken; doch das Wasser, kaum an seinen Lippen, vertrocknete.

Endlich kam er in das Dorf, man grüßte ihn von allen Seiten: »Guten Tag Jäger, guten Tag Jäger«; da er bei seinem Vater war, sprach ihm der:

»Was bist so mager, aßest du nicht?«

Erwiderte er: »Ich aß.«

Alsbald bereitete man Bugali, doch kaum hatte er es an den Mund gebracht, da fiel es. Sprach der Vater:

»Du kehrtest mit allem Fleisch zurück, ließest du nichts Kamwepolo?« Sehr leise antwortete der Sohn:

»Ich ließ ihm Knochen und Magen.«

Indessen konnte er nicht mehr essen und wurde mager wie ein Knochen. Dies sah der Vater, ging mit ihm, Kamwepolo zu finden, und da sie Büffel antrafen, sagte er dem Sohn: »Schieße.«

Der Sohn wollte einen Pfeil schleudern, doch der Pfeil fiel dicht bei ihm nieder. Da nahm der Vater den Bogen und tötete zwei Büffel.

Und er rief: »Kamwepolo, Kamwepolo.«

Und plötzlich erschien Kamwepolo vor ihnen und sagte:

»Was riefst du mich?«

Antwortete der Vater:

»Ich habe nicht Messer, ich habe nicht Axt, ich habe nicht Kochtopf. Was soll ich mit den zwei Büffeln tun, die ich tötete?«

Sagte Kamwepolo: »Komm zu mir.« Und er griff jeden der zwei Büffel beim Schwanz und schleppte sie zu sich.

Da sagte er ihnen: »Esset nur von Maisbrühe und Fisch«; doch der Sohn vermochte nicht davon zu essen, und der Vater sprach: »Kamwepolo, mein Sohn kann nicht mehr essen. Nimm das ganze Fleisch der zwei Büffel und heile meinen Sohn.«

Kamwepolo sann ein wenig und sprach: »Iß«, und jener aß von Maisbrühe und Fisch.

Kamwepolo ist der Meister des Buschs.

Die Hyäne

Das war abends in einem Dorf der Baholoholo. Man tanzte. Eine Frau hätte gern getanzt, auch sie. Doch sie hatte ein Kind in den Armen, einen kleinen Säugling, und ihr Gatte war nicht da. –

Da schaute sie unter die Leute und sagte: »Wem kann ich mein Kind anvertrauen?«

Das war des Abends, und sie sah jemanden Arme strecken; sie reichte das Kind und lief schnell zum Tanz.

Dies nun war Kimbwi, die Hyäne, die sich in der Gestalt eines Mannes genähert, und sie hatte das Kind genommen. Zuerst wiegte sie es ganz leise und ganz mählich, da Leute zugegen waren; dann wich sie zurück und verglitt in das Gras. Sie ging, bis sie nicht mehr den Lärm der Trommeln hörte, dann zerbrach sie den Kopf des Kindes an einem großen Stein.

Da der Tanz beendet war, kam die Mutter zurück und sprach:

»Wem habe ich mein Kind anvertraut?«

Keiner antwortete; so lief sie im ganzen Dorf und schrie: » Wo ist mein Kind?« Sie schrie umsonst. Da ging sie auf den großen Weg und schrie: »Wo ist mein Kind?« Doch das war unnütz.

Den anderen Morgen suchten die Leute überall, und man fand den Kopf des Kindes am großen Fels, und der Kopf war zerbrochen. Da wälzte sich die Frau auf der Erde, weinte und schrie:

»Das ist die Hyäne, die – einem Mann gleichend – mein Kind in den Armen hielt und tötete.«

Eine Schöpfungssage von Tanganika

I

Im Anfang war Gott ganz allein. Indes war die Erde; aber kein Leben bewegte die schrecklichen Finsternisse, die sie umgaben. Durch Gottes Wille entstanden die Tiere, so der Ameisenbär, die Hunde und die großen Wasserratten. Zum Schluß erschienen die Menschen. Wie wurden sie geschaffen? Die einen sagten, Gott baute eine unterirdische Stadt und bevölkerte sie mit Menschen, geschaffen von seinen eigenen Händen. Mtumbi, der Ameisenbär, lebte schon auf der Erde, er hatte Hunde, die ihm halfen, die Nsenzi zu jagen, die Ratten gleichen, aber zehnmal größer waren als eine große Ratte. Eines Tages brachten die Hunde, Nsenzi verfolgend, Mtumbi an den Eingang einer Höhle. Er grub sich herein, und lange, lange brauchte es, bis er an das äußerste Ende kam, und da befand er sich plötzlich vor einer kleinen Stadt.

Die Nachricht drang zu Gott, daß der Ameisenbär und seine Hunde da seien. Er befahl, sie eintreten zu lassen und befragte sie. Sie antworteten, daß nichts auf der Erde existiere außer der Finsternis, den Bäumen und einigen Tieren. Da sprach Leza zu Mtumbi: »Ich will dir einen Mann und ein Mädchen geben, die sich vermehren und Könige der Erde seien.« So geschah es, Leza gab dem Mann einen großen Korb, verschlossen mit einem Deckel. In die Finsternis verloren, welche die Erde bedeckte, machte der Mann ein Loch in ein Holzstück, nahm ein Schilfrohr und drehte es zwischen seinem Daumen so stark, daß sich Feuer entzündete. Da fürchtete sich Mtumbi vor der Flamme, flüchtete und verbarg sich für immer. Die Hunde blieben. Aber der Mensch hatte den Mputo geöffnet, und mit einem Aufschwung stiegen Sonne und Mond in den Himmel, wo Gott ihren Gang ordnete.

II

Man weiß nicht, an welchem Ort der Erde die ersten Menschen lebten. Doch man weiß, daß sie sehr zahlreich wurden und ein Mann mit Namen Mlunga Leza den wunderbaren Plan empfing, einen so hohen Turm zu bauen, daß sein Gipfel den Himmel erreicht und ihn durchbohrt. So kann der Mann Gott aufsuchen, der im Himmel sich verbirgt. Jeder Mann schickte sich zur Arbeit an. Die einen schlugen die Bäume und schnitten das Schilf. Die anderen machten Seile. In wenigen Monaten war der Turm so hoch, daß die Arbeiter große Mühe hatten, ihn zu besteigen, so hoch, daß er eines Tages unter seinem Gewicht zusammenbrach. Die, welche hierbei nicht erschlagen wurden, fingen wieder von neuem an. Aber da der Turm eine Höhe erreicht hatte, worüber die Menschen sehr erstaunten, da brach er von neuem zusammen. So geschah es auch ein drittes Mal, und die Absicht wurde aufgegeben. –

Kyomba ging. Er hatte aus seinem langen Haar einen Korb gemacht, den er mit aller Art Kräuter gefüllt hatte. Bald wütete eine schreckliche Hungersnot auf der ganzen Erde. Die Menschen lebten von Wurzeln, Blättern und wilden Früchten.

III

Kyomba war von zwei Männern begleitet, Kasanga und Kaybondo, und von vier Frauen. Alle hatten beschlossen, ans Ende der Welt zu gehen. Wenn sie starben, sollten ihre Kinder den Plan erfüllen.

Gemäß sie vordrangen, vermehrten sich die Menschen. Sie stritten, aber Kyomba hatte Mitleid mit allen, öffnete sein Haar, das die Körner enthielt, und verteilte sie. Darum sagen wir, unser Getreide kommt aus den Haaren Kyombas.

IV

Die Großneffen Kyombas, von Hochmut berauscht, berieten gegen ihn. Sie luden ihn ein, Pembe zu trinken in einem Hause, darin sie eine tiefe Grube gegraben hatten, die sie mit schönen Matten bedeckten. Doch Kyomba machte den Anschlag zunichte. So singt man noch heute am Tanganika: »Kyomba gib acht, die Kinder deiner Mutter haben dir ein Grab bereitet.«

V

Kyomba fühlte, daß seine Kräfte schwach werden, und vereinte die Mikowa, nahm Abschied von ihnen und sprach: »Gott behüte euch, ihr werdet Könige für immer sein, und ihr meine Brüder, der Segen Ngulus und Lezas ist nicht auf euch. Ihr werdet niemals Könige sein, und wenn es darum gehen wird, dem Ngulu zu opfern, so werdet ihr nicht da sein. Aber ich lasse euch deshalb ein großes Vorrecht, nie wird euch jemand in Sklaverei führen.«

VI

Die Nachkommen Kyombas erreichten nicht das Ende der Welt. Einige überschritten den See. Die meisten, nachdem sie das Ende der Welt gesucht hatten, kehrten auf ihren Schritten zurück. Vermählungen geschahen, die vor dem alten Gesetz Blutschande waren. Einst wurde das Land, wo die Sünde begonnen hatte, verlassen. Der Fluß änderte den Namen. So hieß er Mwezi Lunga, d. h. der Schuldige.

VII

Ein altes Lied am Tanganika sagt: »Die Leute von Kilunga gingen zu Fuß in die Berge, die Leute von Kamanya reisten in Booten auf dem Wasser.«

VIII

Der Stamm der Kilunga entwickelte sich auf besondere Art. Sie wählten einen Häuptling, den sie Likolo nannten. Er hatte die Aufgabe, die Überlieferung bezüglich des Ursprungs des Volkes zu bewahren und sie den Bena Kilunga mitzuteilen. Er war auch großer Richter. Er machte weise Gesetze über die Steuern, die ihm zu entrichten waren; denn er hatte nicht die Zeit, sich mit äußerlichen Dingen zu beschäftigen. Er ordnete die Ehren, die man ihm schuldig war; auf solche Art mußte man ihn grüßen. Männer von dreißig Jahren mußten niederknien; den Körper gebückt, schlagen sie zweimal vierzehnmal in die Hände und sprechen die bestimmten Grußformeln aus. Frauen und Mädchen werden in die Hände schlagen. Die Männer von weniger als zwanzig Jahren werden in die Hände so schlagen, daß die rechte Hand über die linke steht und diese nur die Hälfte der anderen Hand berührt. Also bezeichnen sie ihre Niedrigkeit. Sie sprechen kein Wort und machen zweimal Kreuze.

IX

Die Bena Malungu sagen, daß Kibawa, das geheimnisvolle Wesen, das unter der Erde leben kann, keinen Einfluß auf die Lebenden ausübt. Aber alle Jahre kommt er, die Toten zu suchen, die er unter furchtbarem Getöse wegträgt.


 << zurück weiter >>