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Ein alter Häuptling in Kukiga erzählt:
Kabezya-Mpungu, das höchste Wesen, hat den Himmel geschaffen, die Erde und zwei vernunftbegabte Wesen, Mann und Frau. Diese beiden lebenden Wesen, die Kabezya-Mpungu kannten, hatten nicht Mutima (Herz, kein lebenerhaltendes Prinzip), und sie vermochten noch nicht zu zeugen.
Kabezya-Mpungu hatte vier Kinder: Sonne, Mond, Finsternis und Regen.
Eine Weile nach der Schöpfung rief Kabezya-Mpungu die vier Kinder und sprach: »Ich will nicht, daß Menschen mich länger sehen. Ich kehre in mich zurück und sende Mutima. Aber vor dem Abschied will ich wissen, was du, Regen, treiben willst.«
»Ah«, erwidert Regen, »ich denke, so will ich einmal beginnen, unaufhörlich zu strömen und alles unter Wasser zu setzen.«
»Nein«, antwortet Kabezya-Mpungu, »tue nicht so. Sieh diese beiden«, er wies auf die Menschen, »vermöchten sie im Wasser zu leben? Wechsle mit Sonne ab. So du die Erde reich begossen hast, überlasse Sonne die Arbeit, den Boden zu erwärmen.«
»Wie wirst du dich aufführen?« wandte Gott sich zur Sonne.
»Ich denke, hoch zu steigen und alles unten zu verbrennen.«
»Nein«, erwiderte Kabezya-Mpungu, »so ist's nicht gut. Wie willst du, daß die Menschen, die ich schuf, sich Nahrung bereiten. So du die Erde angemessene Zeit erwärmt, gib dem Regen Raum, damit er den Boden erquicke und die Früchte der Erde feuchte.«
»Und du, Finsternis, was wünschst du?«
»Ich rechne immer zu herrschen«, war seine Antwort, »und alles in völliger Finsternis zu lassen.«
»Erbarmen«, rief Gott, »wie, du willst, daß diese Wesen, die Löwen, Tiger und Schlangen, die auf der Erde wohnen, nichts wahrnehmen? Höre, lasse dem Mond Zeit, die Erde zu beleuchten, und wenn du ihn in seinem letzten Viertel siehst, dann herrschst du aufs neue auf der Erde. Doch zu lange zögere ich, ich gehe.«
Darauf verschwand Kabezya-Mpungu.
Es erschien darauf das Herz, in einem kleinen, handgroßen Gefäß.
Das Herz schrie und wandte sich gen Sonne, Mond, Finsternis und Regen:
»Kabezya-Mpungu, unser Vater, wo ist er!«
»Vater ist fort, und wir kennen nicht den Weg, den er ging.«
»Gewaltig sehnte ich mich«, erwiderte das Herz, »mit ihm zu sprechen. Da ich ihn nicht finden kann, trete ich in diesen Mann. So wandere ich von Geschlecht zu Geschlecht.« Tat es, und der Mann erkannte sein Weib, das ihm Knaben und Mädchen gebar, alle mutima-begabt.
I
Wwamba, Fürst der Babemba, erzählt:
Vor Zeiten lebten die Weißen und die Lubuleute zusammen in Uluba (Uruwa). Sie hatten einen gemeinsamen Vater, der ließ sie hart arbeiten. Die Söhne wurden dessen müde. Kitinkulu, der älteste, und die anderen, welche alle Häuptlinge von Dörfern waren, erhoben sich, süßeres Leben zu suchen. Die weißen Baluba fuhren über das Meer und gingen nach Europa, wo sie viel Gutes fanden. Als wir aber an das Meer gekommen waren, fürchteten wir uns, und Kitinkulus Sohn starb. In den Felsen am Meere fanden wir eine alte Frau. Wir baten sie, den Sohn des großen Häuptlings zu begraben. Wir kehrten dann den Weg unserer Flüsse zurück, kamen nach Uluba zurück, Kitinkulu verteilte das Land an seine Brüder. Sie töteten viele Leute; am Ende sprachen sie: »Wenn wir die ganze Welt töten, mit wem werden wir bleiben?« So ließen sie ab, zu töten und zu verstümmeln. Die Leute sammelten sich um die Häuptlinge und schufen das große Volk der Babemba.
II
Es ist sehr lange, da kam Kahatwa Zazalis Sohn, mit seinen zwei Frauen von weither, jenseits des Lomami, um am Kisalesee sich niederzulassen. Alle drei entstammten dem Geschlecht der Bwina Mbayo. Sein Weib Ndai war vom Stamm der Benaluba (Baluba).
Sie schenkte einem Sohn den Tag und nannte ihn Kongolo; dann zwei Töchtern, Bulanda und Keta. Alle waren roter Farbe. Die Erde war noch weich.
Bulanda heiratete einen großen Häuptling, der aus Osten kam. Er hieß Kakenda. Sie empfing einen endlos klugen Sohn, Kalala-Ilunga; der tötete seinen Oheim Kongolo und folgte ihm in der Würde nach. Er zeugte Söhne: Ilunga-Nsungo, Ilunga-Kabale und Kibanza. Nach seinem Tode hielten sie gemeinsam das Land zwischen Lualaba und Lomami. Ihre Nachkommen beherrschen es noch heute.
Ehemals, das ist fern in den Zeiten, kam Kahatwa, Sohn des Zazali, aus fernem Land, jenseits des Lomami gelegen, nach dem Westen. Er besiedelte die Ufer des Kisalesees, am Strand von Kamelondo. Seine zwei Weiber und er gehörten zur Familie der Bwina-Mbayo. Die eine der Frauen blieb unfruchtbar; so ist ihr Name vergessen. Die andere hieß Ndai und war vom Stamm der Benaluba oder Baluba. Seit ihrer Geburt war sie Kongolo, dem Geist, geweiht. Kongolo ist ein Doppelwesen, gestaltet aus zwei Schlangen, Männchen und Weibchen. Beide leben an verschiedenen Ufern; von Zeit zu Zeit vermählen sie sich über unseren Häuptern. Ihre Einigung schimmert hellfarben über den Menschen. Das ist der Regenbogen (auf Kiluba: Kongolomwamba).
Ndai empfing von ihrem Gatten und gebar einen Knaben und weihte ihn dem Schutzgott ihres Geschlechts. Dann gebar sie zwei Töchter, deren eine sie Bulanda nannte, das heißt »Armut«, die andere Keta, das ist »Wenig Fleisch«. Mit ihnen lebte auch ihre kleine Nichte, Bubela, das heißt Lüge. Die ganze Familie war von sehr roter Farbe. In dieser Zeit war die Erde weich. Die Sohle des Mannes und der Huf der Antilope schnitten die Felsen und ließen dort ihr Bild. Einen Ahnen dieses Geschlechts, es war Kyomba, lehrte der große Geist, der alles erschaffen, das Feuer und die keimende Kraft des Korns.
Eines Tages ging Bulanda zum See, Wasser zu schöpfen. Sie erstaunte, dort einen Unbekannten zu treffen; er trank. In der Hand hielt er Bogen, Pfeile und Lanze; ihm zur Seite gingen Hunde. Das war ein Jäger, vom Tanganika gekommen; er hieß Mbili. Bulanda kam und grüßte. Dann frug sie, wer er sei, woher er komme und wohin er gehe. Der Fremde antwortete nicht, trank weiter, als ob nichts wäre. Erstaunt lief Bulanda, ihrem Bruder Kongolo-Mwamba zu erzählen. »Komm schnell, eile zum See«, sprach sie, »da ist ein Fremder, wie ich ihn nie gesehen; er redet nicht.«
Der Bruder kam zum See und begann den Fremdling zu befragen, doch vergebens. Tief verwirrt ging der Bruder in den Busch, den Zauberer zu befragen, der die Orakel des Geistes Banza verkündet; solchen Spruch gewann er: »Der Fremdling ist Kakenda, der starke Jäger und König des Ostens aus dem Lande Kibawa. Die Jagd nach Wild zog ihn ins Weite. Baue ihm eine heilige Hütte, umgürte sie mit einer Palisade aus Zuckerrohr; lege in den Herd Holzbrand, dann bitte ihn, einzutreten.« Mwamba eilte das Gebot zu erfüllen; schnell lud er den Fremden ein.
Diesmal willfahrte Kakenda dem Wunsch der Gastfreunde, trat in die Hütte und bald sprach er vertraulich. Ndai bereitete mit den Töchtern das treffliche Mahl, das zu verzehren er geruhte. Mwamba bat ihn, einige Tage mit ihnen zu verbringen; er willigte ein.
Eines Tages, da schaute König Kakenda Bulanda, sie ging allein zum See; er näherte sich und sprach zu ihr:
»Bulanda, dich habe ich lieb, willst du mein Weib sein?« Das Mädchen willigte ein; sie heirateten. Bald sah sie, daß sie Mutter werde. Dies sagte sie dem Gatten. Kakenda, glücklich, sprach zur Frau und der Familie Kongolos: »Mein Weib hat empfangen, nichts hält mich mehr zurück, ich kehre in mein Reich.« Er ging.
Die Frau gebar einen Knaben; sie nannte ihn Kalala Ilunga. Kaum war das Kind zur Welt gebracht, wurde es sehr stark. Es rief: »Ich bin das Kind, dem, am Morgen geboren, am Abend um seiner Taten willen gehuldigt wird.«
Wenig Stunden nach der Geburt spielte Kalala Ilunga mit den Kindern der Leute des Kongolo-Mwamba und erfand das Petaspiel.
Er sah, daß er zu handeln stark sei, er schrie: »Lang ist es, daß ich geboren, tapfer bin ich und stark.« Er wanderte in den Wald zu neuen Taten.
Er irrte im Herzen der Wälder; da sah er ein Heer Ameisen einen Termitenhügel plündern; jedwedes Tier schleppte in seinen Fängen einen erlegten Feind. Da sprach er zu sich: »O diese winzigen Käfer sind mutig zum Angriff, andere Käfer zu töten und zu fangen; und ich, Kalala, vermöchte nicht Gleiches. Nein, ich gehe, Männer zu erlegen und zu fangen.«
So kehrte er in das Dorf zurück, tötete viele Leute des Kongolo, andere fing er, schleppte sie in den Wald und zwang sie, ihm zu dienen. Dies erfuhr Kongolo und zürnte: »Er tötet und fängt meine Leute«, schrie dieser, »wohl, ich werde ihn töten.« Er wartete, schwieg und verbarg die tödlichen Pläne in seinem Herzen. –
Viele Tage vergingen, die Sache war wie vergessen. Kongolo aber dachte auf Rache. Eines Tages gräbt er mitten im Dorf eine tiefe Grube, bedeckt sie mit Matten, legt Blumen und Erde darüber; so geschickt, daß nichts zu merken war. Dann lädt er den Neffen ein, Bier zu trinken und zu tanzen. Kalala nimmt an: zur angesagten Stunde leert jedermann in lärmender Freude die zahlreichen Krüge Maisbier. Dann beginnt man den Tanz. Kongolo führt die Reihe, hurtigen Schritts, abgestuft: er windet und krümmt sich in zierlicher Kurve, er führt die Reihe der Tänzer. Niemals tanzte ein Muluba so makellos. Die freudige Gesellschaft geht, kommt, tanzt Zickzack, Kreise und Spiralen, die sich zierlich öffnen und schließen. Wenig, um geringes nähern sie sich der Grube des Geschicks. Der Neffe folgt dem Oheim Bauch an Rücken. Jähen Sprungs, wie befohlen durch die Satzungen des Tanzes, steht Kongolo auf der anderen Seite. Kalala wird in die Falle stürzen. Er aber, vorbedacht, mißtrauisch bei fröhlichen Augen, mißt jeden seiner Schritte. Unbeachtet schlägt er leise mit der Lanze den Boden. Hier, da weicht der Boden seiner Lanze. Er erkennt, weiß nun die Falle. Wütend kehrt er sich rückwärts und spricht zu Kongolo:
»Oheim, Kongolo, hier die Grube, die du zu meinem Tod gerichtet. Gut. Hier kann ich nichts tun. Nun aber gehe ich, Vater Kakenda erzählen; dann sieh zu, wer der Stärkere ist.«
Er ging über Feld. Stieg das rechte Ufer des Kamelonda hinab bis zum Kilubadorf, wo der Luaba sich eint (Ankoro).
Er forderte eine Piroge und setzte über. Kongolo zögerte zu Beginn, dann beschloß er die Verfolgung, Kalala zu töten, ehe der den Vater um Hilfe gebeten. Auch er kam zu Kiluba, aber vergebens bat er um eine Piroge, überzusetzen. Kalala hatte den Häuptling des Dorfes gewarnt:
»Siehst du einen ganz roten Mann kommen, laß ihn nicht überfahren; denn er verfolgt mich, mich zu töten, mich, den Sohn des Königs von Kibawa, des großen Jägers von Osten.«
Kongolo wollte um jeden Preis übersetzen. Er befahl seinen Kriegern, Bündel von trockenem Gras zu einem Floß zu binden, die Überfahrt zu versuchen. Mehrere versuchten das gebrechliche Fahrzeug; kaum aber waren sie vom Ufer entfernt, kenterten sie und verdarben. Andere unternahmen gleiches Beginnen, alle erlitten gleiches Los. Sein Rat sprach zu ihm also:
»Warum verharren wir überzusetzen. Dein Neffe wandert schon weit, wir werden ihn nicht mehr erreichen. Kehren wir heim.«
Kongolo schmeckte der Spruch; ehe er abzog, versuchte er eine letzte Mühe, rief den Schläger des Tam-Tam und sprach:
»Hier steht eine starke, hohe Muvula, klettere in ihren Gipfel, schlage dort das Tam-Tam mit aller Kraft, meinem Neffen zu sagen, er möge zurückkehren, sich mit mir zu versöhnen.«
Der Schläger des Tam-Tam stützt gegen den Muvula eine mächtige Stange und hißt sich zum Gipfel. Mit Wut schlägt er die Trommel; dann hält er an und lauscht. Der Schläger des Neffen antwortet nicht. Er schlägt die Flanken der Trommel voll Zorn; er hält an und lauscht. Nichts. Gewiß ist Kalala sehr weit. Entmannt vor Zorn befiehlt Kongolo, die Stange umzustoßen. Der unselige Schläger vermag nicht mehr niederzusteigen und stirbt im Baum.
Der Oheim will einen Weg durchs Wasser schaffen. Er läßt Steine sammeln, Felsen losbrechen, sie ins Wasser zu werfen. Seine Männer mühen sich mit Kraft. Viele kommen um. Entmutigt, niedergebrochen, beschließt Kongolo heimzukehren. –
Es überflutet seine Seele schwere Angst; er spricht zu sich:
»Schrecklich wird die Rache des Neffen sein, nicht wird sie zaudern. Gewiß wird Kalala-Ilunga kommen, mich zu töten. Fliehen wir, uns in die Höhlen des Gebirgs zu bergen.«
So lebte Kongolo, ein Flüchtling, auf den Bergen Mita, von einer Höhle zur andern fliehend.
Inzwischen erreichte Kalala den Vater Kakenda und eröffnete ihm den Beschluß, den Oheim zu töten. Kakenda weigerte sich, an dem Verbrechen teilzunehmen. Kalala kehrte zurück, entschlossen zur Rache gegen alle. Er kam in Kongolos Dorf; die Häuser standen leer. Er lief zum Berg, durchstöberte die Täler und jegliche Höhlen. Da schließlich fand er den Flüchtling. Mit dem Schlag des Messers köpfte er ihn. Das Haupt hüllte er in Raphiagewebe, legte ihn in einen Korb mit kegligem Deckel, baute einen kleinen Tempel aus Stroh und legte dort die Reliquie nieder.
Seit diesem Tag ruht die Gewalt der Fürsten, das Bufumu in der Hütte der gestorbenen Seelen.
Der Neffe folgte dem Oheim in der Würde und vereinigte in sich Bufumu und heiliges Blut (Bulohwe). Seit diesem Tag ist die Person des Fürsten von Blut geheiligt.
So setzte Kalala die heilige Macht in das Land der Baluba ein.
Kalala-Ilunga zeugte mehrere Söhne, Ilunga-Usungo, Ilunga-Kabale, Kibanza usw. Beim Tode des Vaters teilten sie untereinander das Reich zwischen Lualaba und Lomami. Ihre Nachkommen bewohnen es heute noch, und dies ganze Gebiet steht unter der Gewalt der Könige der Benaluba aus der Familie Kongolo Mwamba.
III
Mwembesi, aus dem Geschlecht der Kasanga, Häuptling eines Dorfs in den Kirunguhügeln, erzählt:
Die Familie der Kasanga siedelte sich vor Zeiten im Masauraland an. Damals war das Land, glaube ich, ohne Menschen. Die Eingewanderten vermehrten sich, bevölkerten und erfüllten bald das ganze Gebiet. Einige von ihnen zogen weg. Die einen zog es nach den Höhen von Marungu, die anderen wanderten den Tanganika entlang. Unter diesen waren zwei junge Batabwa, Bruder und Schwester. Sie hielten mit ihrem Gefolge am Ufer des Sumpfes Lunga, unweit des Caps Tongwe. Dort fanden sie einige Leute, jedoch wenige.
Diese Menschen waren ihnen verwandt; einer darunter war ihr jüngster Bruder. Die Schwester hatte Wunden; der ältere Bruder sprach zu ihr: »Du, meine Schwester, bleibe hier, damit ich nach Masaura gehe, zu suchen, was wir zurückgelassen haben.« Er ging. Zurückgekehrt, findet er die Schwester verheiratet, und ihr Gemahl war der eigene jüngere Bruder. Der Ältere sprach: »Ist das Land so eng, daß der Bruder sich der Schwester vermählen muß?« Indes begann der Krieg. Endlich legten sie die Waffen nieder; die Familie der Kasanga war nun in mehrere Zweige geteilt. Die Leute vom Lungasumpf wurden Luluwya, die Verlorenen, genannt; die zu den Marunguhügeln zogen, nannten sich Bakwakilunga; dann gibt es noch Bakwakisanza, Bakwamanda und Bapemba. Der Hauptzweig, die Leute des älteren Bruders, nannten sich Bakalanga; dieser behielt den Stammnamen Bakasanga. Sie zogen nach dem nördlichen Teil des Landes am Tanganika; das Land, das Utumbwe heißt und von Murumbi bis Rutuka über die Marungahöhen sich hinzieht bis Urua und den Buolvolo. Darum heißen die Bakasanga, die in Utumbwe wohnen, Batumbwe; während die Bakasanga von den Marungubergen Bena Marungo heißen. Ihre Sprache ist das Kitabwe, das von einem zum andern Land nur wenig sich ändert. Im Land Utumbwe wurde Lusinga und sein jüngerer Bruder, Tumbwe geboren; sie wurden die Häuptlinge der beiden großen Familien.
Eines Tages, da jagte Kazula, ein Anwohner der Luowaufer, in den Bergen Suya. Er verwundete ein Wildschwein, das Maniok ausscharrte. Das Tier vermochte trotz der Wunde zu entkommen und in eine Höhle zu flüchten. Der Jäger verfolgte es und drang ihm ins Dunkle nach, hoffend, es zu erlegen. Er staunte sehr, da der Boden unter den Füßen ihm sank und er in dichter Finsternis allein stand, ohne Hoffnung herauszugelangen. Einige Zeit kroch er tastend, um der schrecklichen Unterwelt zu entkommen. Da er das Vergebliche seiner Mühe sah, verzweifelte er. Plötzlich erschien seinen Augen seltsames Spiel. Im Vordergrund, ihm ganz nahe, stand sein verstorbener Bruder; der sah ihn mit großen Augen an. Hinter seinem Bruder ein Geleit von Traumgestalten; unvernichtbare Wesen in durchsichtigen sonderlichen Gewändern; sie vollführten Chöre und Totentänze. Nach kurzem Besinnen erkannte der Tote Kazula und sah, wie auf dessen Gliedern Perlen kalten Schweißes standen und seine Knie vor Schreck zusammenstießen. Er sprach mit der Stimme des Grabes, die er zu versüßen versuchte:
»Bruder Kazula, willkommen bei uns. Sehr bin ich verwundert, dich lebenden Körper bei uns zu sehen. Woher kommst du? ... Ich sehe, du fürchtest dich, unser Anblick schreckt dich. Zittere nicht. Du siehst das Land der Toten, die Ahnen unseres Geschlechts. Wir sind versammelt, die Tänze des Buyangwe, Kabwala und Balumba auszuführen. Das ist unsere Weise, in der kalten Unterwelt uns zu vergnügen. Fürchte dich nicht, Kazula, niemand wird dir Schlimmes tun.«
Er sprach noch, als die Versammlung der Gespenster, einen Augenblick verwirrt durch den Anblick des Fremden und die Rede des Häuptlings, mit Hingebung ihre Tänze und Chöre wieder aufnahm.
Zazula war durch die Rede des Bruders beruhigt, ebenso durch die Fröhlichkeit der Toten. Allmählich fühlte er die Knie erstarken, sein Herz schlug weniger wild, seine Kehle wurde frei. Endlich wurde er ganz voll Muts und betrachtete freudig das sonderliche, ihm neue Spiel. Er wandte sich an seinen Bruder:
»Mein weiland Bruder; sehr liebe ich eure Chöre und Tänze. Schade, daß niemand auf der Erden sie kennt. Gewiß möchte ich sie führen.«
»Was du wünschst, ist möglich. Wenn du willst, schlage ich den Alten vor, dich zur Weihe, zu unseren Tänzen zuzulassen. So kannst du Chöre und Tänze auf der Erde lehren.«
Gesagt, getan. Die alten Gespenster waren glücklich, ihren Nachkommen die Kenntnis ihrer wundersamen Freuden zu übersenden, freudig stimmten sie dem Vorschlag ihres jungen Häuptlings bei. Dieser begann in solchen Sätzen:
»Kazula, mein Bruder, wir werden dich weihen. Nur mußt du uns ein Ding erstatten.«
»Wohl möglich; ich trage an meinem Gürtel eine Rolle Mitunda (blaue Glasringe). Nimm sie alle.«
»Nicht dies. Was könnten wir hier mit Perlen machen. Wessen wir bedürfen: bewirte uns mit einem guten Mahl. Hole drum zwei große Körbe Maniok und sechs Hühner. Das genügt.«
»Gleich gehe ich. Jedoch wie herausgelangen, da vor mir undurchdringbare Mauern stehen.«
»Das kümmere dich nicht, Bruder Kazula. Verwundetest du nicht einen Eber, führte er dich nicht hierher? Dieser Eber ist nicht, wie du denkst, ein gewöhnliches Tier. Er ist mutumbe (ehrenwert). Er ist der Geist eines alten Muluba. Er versteht all deine Worte. Sage ihm, wohin zu gehen und was zu tun ist.« Auf ein Zeichen des Häuptlings erscheint der Eber und stellt sich Kazula zur Seite. Dieser spricht:
»Dort, jenseits des Sumpfs, steht eines meiner Felder in voller Blüte. Nimm Maniok, soviel du tragen kannst. Dann geh zum Dorf und nimm sechs meiner Hühner. Fürchte nichts, denn meine Frauen sind allein im Hause.«
Der Eber geht. Einige Stunden später kehrt er zurück, beladen mit Maniok und Hühnern. Er berichtet dem Häuptling, daß Kazulas Weiber ihn hart beschimpften, doch keine wagte es, ihn zu vertreiben.
Beim Anblick der Nahrung wurden alle fröhlich. Alle beeilten sich, den Hunger zu stillen, der sie verzehrt. Alsbald versanken sie in tiefere Unterwelt, wo unzählige Fetische, Talismane und seltsame Gewänder angehäuft waren. Kazula folgte ihnen. Der Häuptling spricht zu seinem Bruder:
»Hier sind alle Ingredienzien des Buyangwe, Kabwala und Bulumbu vereint. Hier ruhen unsere Bruderschaften. Ich will dich in ihre Mysterien einweihen. Welche der drei ziehst du vor?«
»Welche sollte ich wählen. Jede der Bwanga gefällt mir gleicherweise.« (Bwanga heißt Medizin, gleichviel ob magische oder natürliche.)
»Wohlan, wir werden dir alle enthüllen.«
Sogleich weihen sie ihn ein in Buyangwe, dann in Kabwala, dann in Bulumbu.
Nach vollendeten Weihen spricht der Häuptling:
»Jetzt haben wir dir, Kazula, keine Geheimnisse mehr zu enthüllen. Deine Anwesenheit hier ist nutzlos. Kehre auf die Erde zurück. So du diese kalte Unterwelt verlassen, halte einen Tag völlige Ruhe. Dann reibe dir den Körper mit weißer Erde, um den Hals lege dir Ketten aus gereihtem Schilfrohr. Auf das Haupt stülpe dir einen Helm, wie du ihn bei uns sahst, dann durcheile die Pfade, singe unsere Sänge und schwinge die Klappern. Mutumbe wird dir den Weg weihen. Folge ihm.«
Kazula, ganz beglückt, dankt den frohen Gespenstern, und, vom Eber geleitet, kehrt er mühelos zur Erde zurück.
Getreu der Übereinkunft ruht er einen ganzen Tag. Dann kleidet er sich in die neue Tracht, singend und tanzend zieht er, die Klappern in der Hand, zum Dorf des Häuptlings Mbuli. Der Häuptling vernahm den seltsamen Klang und lief zu schauen, was auf dem Pfade käme. Bald stand er vor dem verzückten Kazula. Das blendete ihn, dieser seltsame Tanz, der wundersame Aufputz, die wütenden Klappern. –
»Unbekanntes, wer du auch seist«, sprach er, »mögen deine Geister dich bewahren. Doch sage mir, was bezeichnen diese Sänge, dieser Tanz, dies Gewand, diese Klappern?«
»Was ich tue, Häuptling Mbuli, du kannst es nicht begreifen. Wisse, daß ich vom Land der Toten zurückkehre, den Buyangwe tanze, den man mich dort gelehrt.«
»Und sollte ich dir all meine Weiber und Sklaven geben, ich will, daß du ihn mich lehrst.«
»Wohl, es sei. Du zahlst nicht teuer. Gib mir einige Hühner und Perlreihen, sogleich enthülle ich dir den Bwanga.«
Häuptling Mbuli ließ sich nicht bitten. Er läuft zum Dorf, das Verlangte zu holen, sogar eine Schüssel voll Suppe, und kehrt zu Kazula zurück. Beide beginnen mit dem Essen. Eine Weile nach dieser Mahlzeit weiht Kazula Mbuli in alle Geheimnisse des Buyangwe ein. Der Häuptling, zufrieden und glücklich, beschließt, in sein Dorf zurückzukehren.
»Mbuli, mein Bruder«, spricht Kazula, »das ist nichts im Vergleich zu dem, was ich sah. Noch vieles bleibt dir zu erkennen übrig, doch ich kann es dir nicht enthüllen. So du willst, wandern wir zusammen zum Berge Suya, zur Pforte des Totenlandes; ich stelle dich meinem Bruder vor, der dort allen Bwanga befiehlt. Gewiß lehrt er dich das übrige, wenn du ihm einiges erstattest.«
Mbuli, aufgestachelt, zeigt sich zu allem bereit. Er holt Hühner und Maniok, so viel er tragen kann, und folgt Kazula zu der Höhle der Toten. Die beiden versinken in die Tiefe. Zum Ende der Wohnung gelangt, sehen sie den Eber kommen. Sie folgen ihm und bald gelangen sie zu den frohen Geistern, die immer zu Chor und Tanz vereint sind.
Kazula spricht:
»Meine Väter, meine Ahnen; ich führe zu euch den Häuptling Mbuli, der sich sehnt, alle Bwanga zu erkennen. Er bringt den Entgelt.«
Glücklich über solchen Lohn stimmt der Häuptling der Brüder gern zu; er enthüllt ihm die Gebräuche des Kabwala und des Bulumbu, unterrichtet ihn in der Kunst, das schlechte Los zu werfen, die Ursache der Krankheiten zu entdecken und Talismane anzufertigen, alle Zauberei der Welt zu vernichten. Dann verabschiedet er ihn mit den Worten:
»Du bist jetzt gänzlich eingeweiht; enthülle unsere Geheimnisse jeglichem, der wie du zu einer der drei großen Bwanga sich weihen läßt. Lebewohl.«
Mbuli, auf dem Gipfel der Freude, kehrt in seine Dörfer heim. Mühelos gewann er zahlreiche Anhänger und wurde nach kurzer Zeit der berühmte Häuptling der Buyangwe, Kabwala und Bulumbu.
Mbuli ist seit langen Jahren tot. Seine Macht und seine Titel gingen auf die gesetzlichen Nachfolger über. Heute wird noch einem von diesen von allen Gliedern der Bruderschaft gehuldigt.
Dies ist das große Geheimnis der Häuptlinge der Bruderschaften.
Eines Tages suchte Ngoy Nkulu, den Geist, auf; sprach zu ihm: »Großer Geist, siehst du nicht, wie elend die Menschen sind? Krankheit, Kriege, Hungersnöte quälen die Hilflosen. Gib mir ein Heilmittel gegen solche Leiden.« Nkulu willfahrte seiner Bitte. Er nahm vom Grunde des Kilasees, seinem Wohnort, eine daumenlange Statuette, bestimmt als Vorbild (Kanon) zu dienen. »Ngoy«, sprach er, »hier gebe ich dir das untrügliche Heilmittel gegen jegliches Leiden. Gehe zu den Menschen und sage ihnen, sie sollen Fetische verfertigen wie diesen. Dann bringe sie mir.« Ngoy erfüllte das Gebot. Er rief Bwana Kilumba, den Zauberer, und lehrte ihn, ähnliche Bilder zu verfertigen. Der Zauberer verfertigte solche in verschiedenen Nachahmungen und gab sie Ngoy, der sie Nkulu überbrachte.
Dieser teilte das Wissen und die zauberischen Formeln mit, die Ingredienzien in die Fetische zu legen, er bestimmte die Macht der Geister und gebot den Toten, deren Knochen und Ingredienzien vermischt sind, Gesellschafter der Geister zu sein, ja selbst die Boten ihrer Macht zu sehen.
Ganz zu Beginn lebten auf der Erde ein Mann und eine Frau. Eines Tages geht die Frau in den Wald, Holz zu sammeln. Bei einem dichten Busch vernimmt sie Geräusch in den Zweigen. Erstaunt wendet sie sich. Eine Stimme dringt aus dem Dickicht und spricht: »Komme hierher, ich habe dir ein Ding zu sagen, ein Geheimnis zu enthüllen.« Die Frau, neugierig zu erfahren, was dies sei, nähert sich und schaut auf einer Staude ein seltsames Wesen; wie ein Drache. Sie geht noch näher und spricht: »Wer bist du und was willst du mir?« Die Stimme antwortet: »Ich bin Kizimu und bringe dir große Wohltat. Hier zwei Früchte, die Kostbares umschließen. Hüte dich, sie zu öffnen. Zuvor muß dein Gatte die seine empfangen haben; denn jedem von euch ist eine Frucht bestimmt. So du dem Gatten die ihm zugedachte Frucht gegeben, so nimm deine und öffne sie. Schütte dir den Inhalt auf den Hals, und du wirst zufrieden sein.«
Die Frau nimmt die Frucht und kehrt heim, dem Mann zu berichten, was ihr begegnet; doch sie verschweigt, daß Kizimu für ihn eine gleiche Frucht gegeben. Sie verbirgt sich im Winkel, öffnet die Frucht. Ein zauberischer Staub dringt hervor; sie schüttet ihn auf die Brust. Sogleich schämt sie sich, ihr Sinn ist verwirrt; sie sieht, daß sie Frau ist. Indes ging der Mann zum Wald; in den Ästen hört er nämliches Geräusch, nämliche Stimme. Er nähert sich, Kizimu sagt ihm:
»Empfingst du die Frucht, die ich deinem Weib für dich gab?«
»Nein, ich erhielt nichts.«
»Also tat sie übel. Ich gab ihr für dich eine Frucht und gebot ihr, sie zu öffnen und auf deine Brust zu schütten. Was tut's, hier eine andere.« Der Mann nimmt, und ehe er in seine Hütte kehrt, öffnet er die Frucht und schüttet sie auf die Brust. Zugleich erkennt er, daß er Mann ist, und fühlt im Herzen Begierde wachsen. Er kehrt unverdrossen zur Hütte; dort sucht er das erstemal mit der Frau Zank.
»Warum erstattest du mir nicht, was Kizimu dir gab? Warum öffnetest du die Medizin vor mir? Ich hätte sie als erster öffnen müssen.«
So balgen sie sich ärger und ärger.
Es geschah, ein Unglücklicher, von allen verlassen, sitzt allein auf der Matte. Er seufzt und klagt, daß er nirgendwo Wohltat und Stütze finde. Seine Hütte verfällt; Wind näßt und Regen peitscht ihn. Er findet nicht Holz, die alten Knochen zu wärmen; niemanden, der ihm Stütze oder Hoffnung zuspräche. Da ruft er den Tod. Dieser kommt schnell. Ein Verwandter, den er rief, oder ein Verstorbener mitleidigen Herzens nähert sich ihm; Kabezya-Mpungu gestattete, ihn der Welt zu entheben.
Weit oben stand auf einem Gebirge ein kahler Fels, wohin die Vögel kamen, sich auszuruhen. Welche Vögel? Wir wissen es nicht; es waren große Vögel. Also sie hatten Durst und sagten, versuchen wir Wasser zu nehmen, und mit ihren Schnäbeln schlugen sie gegen den Felsen mit solcher Kraft, daß die Schnäbel zerbrachen. Sie starben. Andere kamen, taten Gleiches und starben.
Dann kam ein kleiner Vogel, der mit seinem Schnabel ganz sanft schlug, und er bröckelte Staub um Staub ab. Und lange danach kam ein Tropfen Wasser, und er trank ihn. Er fuhr fort zu schlagen, und das Wasser kam plötzlich wie ein Wildbach. Der kleine Vogel flog weg und sang: Die Leute, die nicht auf den Bergen waren, ertranken alle mit ihren Dörfern.